02_Paradigmen Flashcards
Psychobiologisches Paradigma
- Emil Kraeplin
- gestörtes Verhalten als Folge körperlicher Störungen
- Relevanz des Gehirns und seiner (strukturellen und funktionellen) Störungen für gestörtes Verhalten (also behandelbar, wenn Störung aufgehoben wird)
- Kernaussage: Ohne Änderung im Gehirn gibt es keine psychische Störung
- Traditionell: Trennung zwischen organisch bedingten und funktionellen psychischen Störungen
PBP - Neuere Evidenzen
- Bildgebende Verfahren unterstützen Hypothese, dass Gehirnfunktionsstörungen für gestörtes Verhalten verantwortlich sind
- Risikostudien, die bei High-Risk-Patienten prämorbide Auffälligkeiten zeigen konnten
- z.B. zeigen High-Risk-Schizophrenie-Patienten schon vor Ausbruch der Krankheit schizophrene Symptomatik (mildere Formen)
PBP - Bewertung
Positiv:
- Momentan beliebtes Modell
- Durch Forschung gestützt
- Gute Behandlungserfolge (2/3 bis 3/4 der Patienten) – ABER wenn das Modell ganz zutreffen würde, müssten ja alle Patienten erfolgreich behandelt werden können
Negativ:
- Reduktionistisch: Komplexe Störungen auf wenige Prozesse reduziert (z.B. Mangel/Überschuss in einem Transmittersystem)
- Mindert Selbstwirksamkeit des Patienten (Bandura, self efficacy. Patienten werden nicht motiviert, an der Störung zu arbeiten, was aber therapeutisch wichtig ist)
- Analogieschluss von Tierexperimenten (viel zu einfach für komplexe kognitive Prozesse beim Menschen, Bsp. Forced swimming test bei Ratten)
- Medikamentöse Behandlung bei ca. 1/3 der Patienten wirkungslos
Psychodynamisches Paradigma
Ursprünge:
- Redekur Breuers
- Psychonalyse Freuds
Wesentliche Annahmen:
- Unbewusste Prozesse formen die Persönlichkeit (Es (Triebimpulse), Ich, Über-Ich (Abwehr der Impulse))
- Stufen der psychosexuellen Entwicklung (orale, anale, phallische Phase, Latenzphase, genitale Phase)
- Fixierung auf einer dieser Phasen führt zu charakteristischen Störungen (z.B. orale – Depression, anale – Zwangsstörung)
- Abwehrprozesse (Verdrängung, Verleugnung, Fantasien, Rationalisierung, Reaktionsbildung, Verschiebung, Isolierung, Ungeschehenmachen, Regression, Identifikation, Überkompensation, Sublimierung, …)
- Therapie setzt auf Lösung innerer Konflikte, also Verarbeitung von Trieb-Impulsen
PDP - Bewertung
Positiv:
- Historisch bedeutsames Modell
- Gestörtes Verhalten als Folge übermäßiger Konflikte Entpathologisierung der Betroffenen
Negativ:
- Empirisch schwer zu überprüfen
- Oft tautologisch (n. veri-/falsifizierbar)
- Liefert keine Vorhersagen hinsichtlich Störungen
Kognitiv-Behaviorales Paradigma
Ursprünge:
- Behaviorismus (Klassisches Konditionieren)
- Operante Konditionierung Skinners )
- Kognitive Wende der Psychologie (es reicht nicht aus, das Verhalten nur auf Lernprozesse zu reduzieren – deshalb auch Kognitive Verhaltenstherapie)
Wesentliche Annahmen:
- Gestörtes Verhalten als Folge von Lernprozessen (Klassische oder operante Konditionierung oder Modelllernen) - z.B. Flooding bei Angstpatienten als Therapie
- Gestörtes Verhalten als Folge fehlangepasster Kognitionen (Annahmen, Attributionen, Wahrnehmungs- und Denkprozesse)
- Emotionale Störungen als Folge (Annahme: „So wie ich denke, so fühle ich mich“ – Bewertungsprozesse spielen in der Gefühlswelt eine wichtige Rolle dafür, ob man eine psychische Störung entwickelt oder nicht)
KBP - Bewertung
Positiv:
- Momentan beliebtes Modell
- Empirisch sehr gut gestützt und überprüfbar
- Berücksichtigung verdeckten Verhaltens
Negativ:
- Prospektiver Beweis für Ätiologiemodell fehlt (keine Vorhersagemöglichkeit)
- Reduktionistisch (berücksichtigt nicht andere typisch menschliche Aspekte, weil die ursprüngliche Variante viel aus Tierforschung entstanden ist, gilt aber nicht für modernere Formen der VT)
Humanistische-existentielles Paradigma
Ursprünge:
- In humanistisch-orientierten Therapieverfahren (z.B. Gesprächstherapie, Gestalttherapie)
–> wollen humaner/menschlicher sein
(Annahme: „der Mensch hat eine Würde und strebt nach Selbstverwirklichung“ – fehlt in den Ansätzen der Psychoanalyse und VT)
-> verstehen sich als Gegenstück zu allen anderen Paradigmen
- Klientenzentrierte Psychotherapie
- Humanistische Tradition (Rousseau, Maslow)
- Existenzialismus (Jaspers, Heidegger, Sartre):
-Der Mensch kann nichts für seine Existenz…
-…ist aber verantwortlich, etwas Gutes daraus zu machen (nach weiterer Vervollkommnung zu streben)
Wesentliche Annahmen:
- Der Mensch hat eine natürliche Tendenz, sich selbst zu verwirklichen und ein sinnvolles Leben zu führen
- Die Übernahme der Verantwortung für sich und sein Leben ist ein zentrales Moment
- Gestörtes Verhalten ist keine Krankheit, sondern ein nicht optimal gelebtes Leben
- -> Folglich sind Vorhersagen, Klassifikationen und Ursachenforschung egal, es zählt nur die Therapie
HEP - Bewertung
Positiv: • Sehr ansprechend, ganzheitlich, wertschätzend • Nicht reduktionistisch • Nicht deterministisch • Betont eher Gesundheit als Krankheit
Negativ:
• Empirisch wenig überprüfbar
• Sehr heterogenes Paradigma
Integrative Ansätze
Ursprünge:
- Bio-psycho-sozialer Ansatz (sehr erfolgversprechend), kam in den 70er/80er Jahren auf
- Andere interaktionale Ansätze
- z.B. Coping (Lazarus, 1966), erlernte Hilflosigkeit (Seligman, 1975) oder Psychophysiologie
Wesentliche Annahmen des Paradigmas:
- Biologische, psychologische und soziale Prozesse wirken bei der Entstehung gestörten Verhaltens interaktiv zusammen
- Das gemeinsame Produkt ist mehr als die Summe oder Qualität der Einzelbeiträge
- Die relative Bedeutung der einzelnen Faktoren variiert über die Lebensspanne:
- z.B. werden biologische Faktoren bei Kindern stärker gewichtet
- später spielen soziale Faktoren eine größere Rolle
IA-Beispiel:
Vulnerabilitäts-Stress-Modell psychischer Störungen
- Geht davon aus, dass Vulnerabilitäten mit sozialen (stress-) Faktoren, sodass es (nicht) zu Entstehung von psychischen Störungen kommt
- Verarbeitung der Stressereignisse / Störungsbeginn hängt von entwicklungsbezogenen und Psychologischen Faktoren ab
Integrative Ansätze - Berwertung
Positiv:
- Widerspruchsfreie Integration aller Beiträge zum Verständnis psychischer Störungen
- Multimethodal
- Interdisziplinär
- Berücksichtigt auch Salutogenese (Gesundheits-entwicklung + welche Faktoren tragen dazu bei, dass man gesund bleibt?)
Negativ:
- Gefahr der Tautologie („alles hängt mit allem zusammen“)
- Im Extremfall geringer Vorhersagewert