Völkerrecht II Flashcards
Vorbemerkungen
Unterscheidung von Konflikten
- herkömmlicher Dualismus: Staaten- und Bürgerkrieg
- zweite Hälfte 20. Jhr.: Tendenz zu asymmetrischen Kriegen
asymmetrischer Krieg
mE: Am Krieg sind Akteure unterschiedlicher Kategorien beteiligt
Wiki: Ein asymmetrischer Krieg ist eine militärische Auseinandersetzung zwischen Parteien, die waffentechnisch, organisatorisch und strategisch stark unterschiedlich ausgerichtet sind.
Staatenkrieg
- souveräne Staaten als Akteure
- Krieg zw. im Prinzip Gleichen
- typ. Ziel: Selbstverteidigung
- (im Prinzip) klare Unterscheidung zwischen Kombattanten und Zivilbevölkerung
Bürgerkrieg
- innerstaatlicher Krieg zwischen mind. zwei Gruppen
- oft internationale Beteiligung (internationalisierter Bürgerkrieg)
- Ziel: Erringen der innerstaatlichen Macht (pol. Macht), Beendigung des Kriegs
Bsp. Spanischer Bürgerkrieg 1936-1939, äthiopischer Bürgerkrieg 2020 – heute, Sudanesischer Bürgerkrieg 2023 – heute
Partisanenkrieg
- Wesen: Defensiver Krieg, der typischerweise gegen eine Besatzungsmacht geführt wird
- Partisanen agieren aus einer Position der Unterlegenheit heraus
- Ziel: Schwächung des Gegners durch Anschläge/Zermürbung
- Sieg ist nicht nötig, nur keine Niederlage
- asymmetrischer Krieg
- oft ao. grausam, denn gerade Grenzen zwischen Zivilbevökerung und Kombattanten verschwimmen
- Zivile als mitlitärische Ressource
- schwere Strafen für Zivile (bspw. bei Kooperation mit Partisanen) von Besatzungsmacht
Bsp. Partisanenkriege in Osteuropa gegen deutsche Besatzer ab 1942; die Résistance in Frankreich und Belgien; kurdische Peschmerga im Irak, “Atesh” auf der Krim
Terrorkrieg
- Akteure: nichthierarchische Netzwerkorganisationen
- ebenfalls aus unterlegener Position
- offensiver asymmetrischer Krieg
- zielt auf die psychischen - nicht physischen (Partisanenkrieg) - Ressourcen des Gegners
- kann im eigenen/fremden Land geführt werden
- Ziel: Weltbild durchsetzen, Angst verbreiten
Bsp. Anschläge auf frz. und amerikanische Truppen in Beirut 1983 (ca. 300 Todesopfer)
Guerillakrieg
- Hinterhalte und Überfälle
- zielt auf Verzettelung/physische Schädigung der überlegenen Macht
- soll die wirtschaftlichen Grundlagen der Kriegsführung erodieren
- war traditionell Element eines “grossen Krieges”
- Verselbständigung in Zusammenhang mit Unabhängigkeitskriegen
Bsp. Algerienkrieg 1954-1962; Vietnamkrieg (Vietcong v. US-Truppen) 1964-1973; FARC in Kolumbien
Cyberkrieg
- nie isoliert für sich, kombiniert mir traditioneller Kriegsführung
- Akteure: private und staatliche
- asymmetrische Kriegsführung
- Schädigung des Gegners durch elektronisches Einwirken auf Computersysteme; meist nicht-physische Schäden
- mE: Ursachen für spätere Schäden schaffen
Neue Kriege
- kurz: Krieg / bewaffneter Konflikt als “Geschäftsmodell” bei Wegfall staatlichen Gewaltmonopols
- gescheiterte Staatsbildung oft als Ursprung (wegen Fehlen korruptionsresistenter Eliten)
- ökonomische Grundlage: Arbeitslosigkeit, Flüchtlingslager, humanitäre Hilfe
- Kinder/Jugendliche: Ausschluss von Erwerbsmöglichkeit, eigene Sorglosigkeit
- Sammelbezeichnung für im letzten Vierteljhr. auftretende Kriege
- Staatszerfallskriege (durch Warlords geführt)
- Krieg als kommerzielles Interesse
- Kriegsführung auf eigene Rechnung
- Warlords
- Souveränität nicht als Ziel
- fliessender Übergang zwischen Krieg und Kriminalität
- Anschluss an die Wirtschaftskreisläufe
- ca. 80% der Opfer sind Zivilisten
- bewusst Gewalt gegen Zivilisten
- dauern oft extrem lang
- Friedensprozess statt Friedensschluss
- Kriegsende gar nicht Ziel (mE), daher muss erst jmd. aus dem Kreislauf entfernt werden
- Sexualisierung kriegerischer Gewalt
- sexuelle Gewalt als Strategie
- vs. relative Diszipliniertheit von Kombattanten in Staatenkriegen
- Jugendliche besonders anfällig - Verbreitung: Ränder ehemaliger Imperien (relativer Friede in Industrieländern)
Bsp. Kriege im früheren Jugoslawien, Kriege in Afghanistan seit den 1980er-Jahren
Ende des Zeitalters der Staatenkriege?
- Ausgangspunkt: extrem hohe Kosten
- Technikentwicklung und Kriegskosten
- immer grössere Verluste
- WW als Wendepunkt
- Interesse an Vermeidung als Folge von WWI
- Massenvernichtungswaffen
- riesiges Schädigungspotential
- kaum Begrenzbarkeit
- tendenziell Stärkung der Position des militärisch Schwächeren
- (dadurch) partielle Entkoppelung von Drohpotential und militärischer Stärke
- psychologische Dimension tritt hinzu
- kulturelle Verschiebungen
- Kapitalismus -> abnehmende Kriegsbereitschaft
- postheroisches Zeitalter
Folgen der Verschiebung: Staatenkriege > neue Kriege
- Zunahme kriegsfähiger Akteure
- nicht nur Staaten
- abnehmende Gewalteindämmung wegen abnehmender Kriegszugangshürden
- Entdifferenzierung Kombattanten/Zivilisten
- typischerwiese Zivilisten gerade als Ziele
- Krieg als diffuser Dauerzustand
- kein klarer Beginn / eindeutiges Ende
- Entdifferenzierung Krieg/Kriminalität
- Zunahme von Akteuren ohne eigenes Haftungssubstrat
- nicht-staatliche Akteure (Warlords, Hackergruppierungen) welche “nichts zu verlieren” haben
System der kollektiven Sicherheit
Merkmale
- Angriff gegen ein Mitglied gilt als Angriff gegen alle Mitglieder
- Reaktion als Gemeinschaftsaufgabe
- im Prinzip globale Kriegsverhinderungs- bzw. Eindämmungsabsicht
Weitere Friedenssicherungskonzepte
im Gegensatz zu UNO-System
- blosse Militärallianz / kollektive Verteidigung (zB NATO)
- Imperien (zB Pax Romana/Britannica)
Wegbereiter der modernen Systeme kollektiver Sicherheit
Herzog von Sully: Grand Dessin (1632); Schaffung eines christlich ausgerichteten Völkervereins auf der Grundlage des Gleichgewichts der Kräfte
William Penn: An Essay towards the Present and the Future Peace: By the Establishment of an European Diet, Parliament, or Estates (1693); Einrichtung eines Parlaments oder einer Staatversammlung auf europäischer Ebene
Abbé de St. Pierre: Projet pour rendre la paix perpetuelle en Europe (1713); Vorschlag der Schaffung einer internationalen Organisation mit Zuständigkeit für den Frieden sowie eines internationalen Gerichts
Immanuel Kant: Zum Ewigen Frieden (1795); Friede ist mehr als Waffenstillstand; Republiken führen weniger Krieg, da die Betroffenen selbst entscheiden und auch die Folgen ihrer Entscheidung tragen; Notwendigkeit eines weltweiten Völkerbundes
beachte insb. jeweilige historischen Umstände
Versuche der Errichtung von Systemen kollektiver Sicherheit
vor 1945
Europäische Quadrupelallianz/Pentarchie nach 1815
- Schaffung einer Art Direktorium, das als Wächter des Gleichgewichts der Mächte fungiert
- Zunächst regelmässige Treffen der Grossmächte (bis 1825)
Völkerbund
- Art. 11 Abs. 1 VBS
- Organe: Versammlung, Rat, Sekretariat
Gründe für Scheitern:
- partielle Gewaltächtung (Diggelmann str.)
- Fehlen eines zentralen Sanktionierungssystems
- fehlende Universalität
- Konzessionen an Aggressoren
grds. Stärken und Schwächen
System der kollektiven Sicherheit
Hautpschwächen Völkerbund:
- umfassende Gewaltächtung
- Zentralisierung der Sanktionsgewalt
- Universalität
Stärken:
- Vermeidung WWIII
- insgesamt Aggressionsverbot mehr be- als missachtet
Schwächen:
- Charta auf Situationen der unmittelbaren Gewaltanwendung fixiert
- UNCh 43
- Missbrauch Vetorecht
- nicht (mehr) universelle Akzeptanz des Gewaltmonopols
- Uneignung bez. Bürgerkriegen / neuen Kriegen