Völkerrecht Flashcards
Entstehung des VöR
s. Skript S. 3 ff.
westfälisches Staatensystem
zentral: 30jähriger Krieg
Merkmale:
- Säkularität
- Staaten = VöR-Subjekte
(Ablösung der Monarchien) - Souveränitätsprizip
- Staatengleichheit
- Recht zum Krieg
- Gleichgewicht der Kräfte (Friedenssicherung)
zwei Teilperioden:
- Ende 30jähriger Krieg - napoleonische Kriege
- christliche Ziv.gemeinschaft
- zentrale Rolle von Gewohnheit/-srecht
- klass. Diplomatie
- volle Ausprägung des Souveränitätskonzepts
- FR = dominierende Macht
- Wiener Kongress (1815) - WWI
- neue Impulse für VöR durch franz. Rev.
- Friedenssicherung durch Pentarchie und Heilige Allianz
- England als dominierende Macht
- Aufbau/Vollendung der Kolonialreiche
- Zunahme des Vertragsrechts (zweite Hälfte des 19. Jh.)
Völkerrecht
Def. + Abgrenzungen
= “Gesamtheit der rechtlichen Regelungen über die (hoheitlichen) Beziehungen zwischen Staaten, internationalen Organisationen und anderen Völkerrechtssubjekten untereinander einschliesslich der für die Völkergemeinschaft (oder Teile hiervon) relevanten Rechte oder Pflichten einzelner.”
- Völkergewohnheitsrecht ↔ Völkervertragsrecht
- Allgemeines, universelles Völkerrecht ↔ Partikuläres Völkerrecht
- Friedensvölkerrecht ↔ Kriegsvölkerrecht
LaGrand-Fall (2, 30)
SV: Hinrichtung trotz einstweiliger Anordnung
IGH: einstweilige Anordnungen sind rechtlich bindend.
Besonderheiten des VöR (Rechtsetzung)
- kein zentrales Rechtsetzungsorgan
- Horizontale Struktur des Völkerrechts
- souveräne Gleichheit der Staaten (denke “genossenschaftlicher Charakter”)
- Prinzip der Einstimmigkeit und Selbstbindung
- Bedeutung allgemeiner Prinzipien
→ insb. politischerer Charakter des VöR
Besonderheit des VöR (Rechtsdurchsetzung)
- grds. keine zentrale Durchsetzungsgewalt
- national: Vollzug des VR durch staatliche RO via Gegenmassnahmen (Retorsionen/Repressalien)
- international:
- grds. Zulässigkeit der Selbsthilfe im Rahmen der UNO-Charta
- partiell “zentral” via Sicherheitsrat (Gewaltanwendungsrecht; bedenke Mandat)
- keine umfassende obligatorische Gerichtsbarkeit (IGH-Statut 36)
- nicht umfassend obligatorisch
- jedes UNO-Mitglied untersteht IGH (UNO-Charta 93), muss aber Entscheid nicht akzeptieren
soft law
- Definition
- Beispiele
- Zweck
soft law = “formell unverbindliches Recht; nicht bindend aber hat Auswirkungen”
- formell rechtlich unverbindlich
- trotz formeller Unverbindlichkeit gewisse rechtliche Wirkung
Beispiele:
- nicht verbindliche Beschlüsse/Deklarationen von int. Organisationen
- nicht verbindliche Abmachungen
Zweck:
- politisches Signal
- Sichtbarkeit des Völkergewohnheitsrecht
- Auslegungshilfe
Folge der Unterschiede zw. innerstaatlichem Recht u. VöR?
= teilw. prekäres Recht
bspw. advisory opinion IGH = Namibia-Gutachten (19), LaGrand-Fall (2, 30)
Rechtsgeltung des VöR?
Begründung
-
naturrechtliche Begründung
- Geltung, weil objektiv richtig - muss wegen Gott/Vernunft so sein
- Probleme:
objektive Bestimmtbarkeit des Vernünftigen (-)
schlechtes Recht gilt auch?
-
Zwangstheorien
- Geltung, weil durchsetzbar
-
Konsenstheorien
- Geltung auf Konsens gegründet
- Problem: wie weit bindet Konsens, Widerruf möglich?
- allg. Problem: Wie löst man Frage nach Geltung trotz Defizite der Theorien?
- IGH-Statut38I? - Folgefrage: wieso gilt dieses?
…
- IGH-Statut38I? - Folgefrage: wieso gilt dieses?
Rechtsquellen VöR
- Vertrag (weiter Begriff!)
- Gewohnheitsrecht
- Gewohnheit (Staatenpraxis)
- Rechtsüberzeugung (opinio iuris)
- allg. Rechtsgrundsätze
Gewohnheit / Staatenpraxis
(objektives Element)
= Akte der Staatsorgane, die für die Aussenbeziehungen zuständig sind und damit den Staat repräsentieren (auch Entscheidungen nationaler Gerichte)
-
allgemein (Subjekt/Teilnehmer)
- „Quasi-Universalität“; Praxis ist aber recht grosszügig: es müssen nicht alle Staaten mitmachen (Minderheit von Staaten in isolierter Position)
- Wichtig, dass die von Materie betroffenen Staaten die Übung mittragen
- widerspruchslose Duldung genügt
- Diggelmann = Subjektsdimension
- Dulden = Annahme ?
→ gem. common-sense = JA
-
einheitlich (Inhalt)
- im Allgemeinen keine abweichenden Akte (sonst als VöR-Bruch sanktioniert)
-
dauernd (Zeit)
- keine absoluten Werte; gewisse Zeitdauer
- heute raschere Bildung durch engere Kontakte der Staaten
- einmaliges Verhalten?
- kurze Ausübung = Praxis?
→ Nordsee-Kontinentalsockelfälle (3) = grds. JA
Nordsee-Kontinentalsockelfälle (3)
SV:
- Dänemark und NL sind Parteien über das Genfer Abkommen über den Festlandsockel
- DE hat nur unterzeichnet aber nicht ratifiziert
- Abkommen wendet für seitliche Abgrenzung das sog. Äquidistanzprinzip vor (6 II)
- Dänemark und NL bringen vor, es sei nun sowieso Völkergewohnheitsrecht
IGH:
- setzt hohe Schwelle für Völkergewohnheitsrecht
- vorliegend ist Äquidistanzmethode eine von vielen anerkannten Lösungen
- nur 34 Staaten haben Abkommen ratifiziert, zwar kann bei den anderen nicht von Ablehnung gesprochen werden, dennoch ist Vorsicht geboten
- zudem sind erst 5 Jahre seit Inkraftsetzung vergangen
- opinio iuris verneint
Staaten haben kaum das Gefühl das Äquidistanzprinzip sei eine rechtliche Pflicht
Rechtsüberzeugung / opinio iuris
(subjektives Element)
= Überzeugung von Staaten, zu einem Verhalten rechtlich verpflichtet zu sein
Nachweis via effektives Verhalten von Staaten:
- Ausbleiben von Protest = Überzeugung?
→ Lotus-Fall (4) = Nein - persistent objector gebunden?
→ Fischerei-Fall (5) = Nein - Bedeutung von Erklärungen internationaler Konferenzen
→ Nicaragua-Fall (7) = Indizien für die Existenz eines Rechtsbindungswillens
⇒ entscheidend sind die Umstände der Annahme
Nicaragua-Gutachten des IGH (7, s. auch 37-40)
(Völkergewohnheitsrecht: opinio iuris)
SV:
- USA unterstützen Contras (Rebellen) in Nicaragua
- Nicaragua klagt vor dem IGH (Verletzung Gewalt-/
Interventionsverbot) und verlangt vorsorgliche Massnahmen
IGH:
- gem. USA gäbe es ein gewohnheitsrechtlich begründetes Recht auf Selbstverteidigung
- dies, wegen einschlägigen Resolutionen der UNO-GV
- diese sind nicht verbindlich; daher stellt sich vor IGH die Frage; ob solche Indizien für VGR seien
- IGH bejahte Indizienstatus
- insb. Gewaltverbot anhand “Friendly Relations Declaration” interpretiert
- so etablierten sich Resolutionen des Sicherheitsrats über längere Zeit als „soft law“-Grundsätze
- im Nicaragua-Fall: “Friendly Relations Declaration” → beschreibt Gewaltverbot und wird nun zur Auslegung beigezogen
Derogierendes Völkergewohnheitsrecht
= Aufhebung und Änderung von Gewohnheitsrecht
Voraussetzungen:
- Wegfallen einer Übung (desuetudo) oder der Rechtsüberzeugung
- Voraussetzungen müssen dauerhaft, einheitlich und verbreitet erfüllt sein
- dauernde Verletzung einer Regel genügt nicht
allg. Rechtsgrundsätze
= Prinzipien, die allen/den meisten RO gemeinsam sind; fundamentale Regeln, mit wichtiger Rolle bei der Lückenfüllung (und Auslegung)
- «Allgemein»: weitgehende Gleichartigkeit in den nationalen Rechtsordnungen
- «Grundlegend»: nicht bloss technische Regeln
- «Kulturvölker»: alle souveränen Staaten
- gewisse Unsicherheit, was alles Teil davon!
Funktion: subsidiäre Rechtsquelle
- Lückenfüllung
- Auslegungshilfe
Bsp. in IGH-Statut 38 Ic
Hierarchie der Rechtsquellen des VöR?
Nein!
- wichtige Kollisionsregeln:
- posterior vs. priori
- specialis vs. generali
≠ Frage bzgl. ius cogens/dispositivum
VöR vs. innerstaatliches Recht
Dualismus/Monismus ≠ wie Frage nach unmittelbarer Anwendbarkeit
- Rangfrage in CH?
- Beantwortung “teilweise” (in BV)
- grds. ungeklärtes Verhältnis
- Schubert (per Gesetz bewusste Abweichung möglich)
- PKK (Prüfung BG durch BGer auf EMRK-Konformität)
- insb. EMRK vs. Verfassungsrecht (unklar)
Völkerrechtssubjekt
= Völkerrechtssubjekte sind Träger von völkerrechtlichen Rechten und Pflichten
Meist können Völkerrechtssubjekte eigene Rechte auf völkerrechtlicher Ebene geltend machen
s. Bernadotte-Gutachten (9)
Verhältnis vr RF und HF
- HF: Fähigkeit, Rechte und Pflichten wahrzunehmen
- Verlust der HF bedeutet kein Verlust der RF
z.B.: FR während 2. WK
Attribute der VöR-Subjektivität
- geboren vs. gekoren (Entstehung)
- unbeschränkt vs. partiell (inhaltliche Wirkung)
- allgemein vs. partikulär (Anerkennung)
unterschiedliche VöR-Subjekte
s. Skript (S. 21 ff.)
Was ist ein Staat im VöR?
VSS für ein Stat
- Staatsvolk
- Staatsgebiet
- Staatsgewalt
Konvention von Montevideo über Rechte und Pflichten von Staaten: von 18 Staaten ratifiziert, aber Völkergewohnheitsrecht
- capacity to enter into relations with other states
Staatsvolk
= “auf Dauer angelegter Personenverband, der durch gemeinsame Herrschafts- und Rechtsordnung verbunden ist”
- Volk i.S. der Staatsangehörigen (Personalhoheit)
- diplomatischer Schutz des Staates für Staatsangehörige (“genuine link”-Erfordernis)
- Volk i.S. der Bevölkerung eines Gebietes (Territorialhoheit)
- religiöse/ethnische/kulturelle Homogenität nicht erforderlich (Minderheitenschutz)
- ggf. Probleme zw. Staaten durch Zugriffsambitionen auf Staatsvolk
Staatsangehörigkeit?
- Wie Staaten ihr Bürgerrecht vergeben ist eine rein nationale Frage
- ABER: VR verlangt nicht nur Pass (formelle Zugehörigkeit), sondern einen “genuine link” (also echte Beziehung zum Staat
s. Nottebohm-Fall (10), Barcelona Traction-Fall (11)
Staatsgebiet
= “Erdoberfläche, darüber liegende Luftsäule, darunter liegendes Erdreich sowie Küstenstreifen bis zwölf Seemeilen”
- Beurteilungszeitpunkt: Völkerrecht zum Erwerbszeitpunkt
- insb. Effektivitätsprinzip
- Streitigkeiten?
- uti possidetis (Burkina Faso/Mali-Fall, 12)
- acquiescence (Preah Vihear, 13)
-
Gebietserwerbsarten
- Annexion (UNO-Charta 2 IV)
- Okkupation (vorher: terra nullius)
- Zession (vertragliche Abtretung)
- Ersitzung:
- effektive
- friedliche
- dauernde
- unangefochtene Herrschaft
- Sezession (einseitige Ablösung, umstritten)
- Adjudikation (Zuweisung durch internationales Gericht
Effektivitätsprinzip
= massgebend für Beurteilung der Staatenqualität sind einzig die tatsächlichen Umstände
- erfolgt vorzeitige Anerkennung eines Staates – also bevor sämtliche VSS der Staatlichkeit vorliegen – dann vr-widrig und keine Rechtswirkung
uti possidetis / acquiescence-Grundsatz
Burkina Faso/Mali-Fall, 12; Preah Vihear Tempel, 13
-
uti possidetis = “wie ihr besitzt”
→ Übernahme bereits anerkannter Grenzen; effektiver Besitz als Ausdruck der Souveränität; dadurch Friedenssicherung und Stabilitätsförderung -
Acquiescence-Grundsatz = qualifiziertes Schweigen
→ Staaten können nicht Protesmöglichkeiten ungenutzt verstreichen lassen und im Nachhinein plötzlich protestieren
Staatsgewalt
INNEN/AUSSEN
- Innen: Ordnungsaufgaben
- Aussen: HF als VR-Subjekt (= rechtlich unabhängiges Handeln)
EFFEKTIVITÄT
- Wirksamkeit der Staatsgewalt entscheidend, nicht Legimität (s. Las Palmas-Fall)
- Verfassungsblindheit des VR
Anerkennung?
- von Staaten: grds. deklaratorisch, allerdings faktisch zentral für aussenpolitisches Handeln
- von Regierungen:
- grds. mit derjenigen von Staaten
- etablierte Regierungen anerkennen für Stabilität (bei mehreren Gruppierungen)
- Gefahr vor Verletzung des Interventionsverbots (sofern Opposition anerkannt)
Wichtigste Folgen von “Staatlichkeit”
- Schutz vor Aggression (Gewaltverbot)
- Schutz vor fremden Hoheitsakten (Gebietsausschliesslichkeit)
- Durchfahrt von Küstengewässern
fremde Zuständigkeit?
und: Hierarchie bei “mehreren” Zuständigkeiten?
- Gefahr vor VöR-Verletzungen
- unterschiedliche Arten von Zuständigkeiten (prescribe, adjudicate, execute)
- Regulierungsambitionen eigener Gesetze (Normierung v. SV im Ausland) ausdehnbar, sofern genügender Anknüpfungspunkt besteht (Achtung: Justizimperialismus)
- mehrere Zuständigkeiten?
- keine Hierarchie der Anknüpfungspunkte, am ehesten Territorialitätsprinzip (oder bspw. Interessenabwägung)
Staatsgewalt vs. Souveränität
Souveränität = Fähigkeit zur Durchsetzung der Staatsgewalt
Souveränität ist Komponente der Staatsgewalt
Staatennachfolge
Identität:
- „Kontinuitätsgrundsatz“
- Staat besteht trotz Wandlungen als gleiches VR-Subjekt weiter
- Verträge gelten weiterhin
Staatennachfolge:
- Neugründung
- Loslösung vom Mutterland
- mit Zustimmung: Separation
- ohne Zustimmung: Sezession
- Fusion: Zusammenschluss mehrerer Staaten zu Neuem
- Inkorporation: Beitritt eines Staates zu Anderem
- Dismembration: Zerfallen eines bestehenden Staates (schwierige Abgrenzung zu Sezession)
- Dekolonisation als Anwendungsfall des Selbstbestimmungsrechts der Völker
Untergang:
- dauerhafter Wegfall eines der drei Elemente