Verschwörungstheorien 2 Flashcards

1
Q

Warum glauben Menschen an Verschwörungstheorien?
Individuelle Faktoren
3 verschiedene Hypothesen mit unterschiedlicher Evidenz

A
  1. Defizithypothese: Menschen glauben an Verschwörungstheorien, weil sie ein Defizit haben (Mangel an analytischem Denken, Tendenz zu psychischer Krankheit)  kleiner, aber stabiler Effekt
  2. Kompensationshypothese: Menschen glauben an Verschwörungstheorien, um einen (persönlichen) Kontrollverlust auszugleichen.  bisher keine wissenschaftliche Evidenz
  3. Instrumentalisierungshypothese: Menschen glauben an Verschwörungstheorien, weil es ihren Motiven und Zielen dient
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2
Q

Instrumentalisierungshypothese

A

Menschen glauben an Verschwörungstheorien, weil es ihren Motiven und Zielen dient.
Menschen, die an implausible Verschwörungstheorien glauben…
…haben das Bedürfnis, besonders zu sein und sich von anderen abzugrenzen („Need for Uniqueness“ (Lantian, 2017)
… glauben eher an Verschwörungstheorien, die mit ihren bestehenden politischen
Einstellungen kompatibel ist bzw. den eigenen politischen Zielen dient

  • Sollte nur auf solche Verschwörungstheorien zutreffen, die auch entsprechende Motive und Ziele erfüllen (d.h. bei dem Bedürfnis nach Einzigartikeit: Verschwörungstheorien, die von wenigen Menschen geglaubt werden und eine esondere Erkenntnis betonen)
  • Effektstärke: abhängig von der Verschwörungstheorie  schwierig zu
    verallgemeinern, kann ähnlichen Einfluss haben wie Verschwörungsmentalität
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3
Q

Zusammenfassung - Individuelle Faktoren

A
  • Evidenz für die Defizithypothese, allerdings nur für implausible Verschwörungstheorien und mit relativ kleiner Effektstärke
  • keine (kausale) Evidenz für die Kompensationshypothese
  • Evidenz für die Instrumentalisierungshypothes, Effektgrößen sehr
    abhängig von der Art der Verschwörungstheorie
  • Aussagen beziehen sich nur auf Studien im westlichen Raum  Inwiefern sind die Aussagen abhängig von dem bisherigen Kontext der Forschung über Verschwörungstheorien?
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4
Q

Soziale Faktoren

A
  • Insgesamt wenig erforscht
  • Menschen, die an Verschwörungstheorien
    glauben, befinden sich eher in einem Umfeld, was auch an Verschwörungstheorien glaubt  Kausalität unklar
  • Teilweise: Bildung von engen Gemeinschaften (Franks et al., 2017) und Echokammern eher die Ausnahme  Überschneidung mit Forschung zur Radikalisierung & Extremismus. Verschwörungstheorien als Ursache oder Endpunkt von Radikalisierung?
  • Menschen, die an Verschwörungstheorien glauben beziehen ihre Informationen eher aus:
     sozialen Medien
     Kanälen (z.B. Telegramm), die Verschwörungstheorien verbreiten
  • Der Glaube an Verschwörungstheorien korreliert mit Misstrauen gegenüber
    Mächtigen/Experten (Imhoff & Lamberty, 2018) und „traditionellen Medien“
  • Wenn Leute mit einer Verschwörungstheorie konfrontiert werden, steigt
    zumindest kurzfristig auch der Glaube an eine Verschwörungstheorie (siehe z.B. Pummerer et al., 2023, d = .38), auch ohne dass den Personen bewusst ist,
    dass die Verschwörungstheorien einen Einfluss hatten

 Der Glaube an Verschwörungstheorien scheint zumindest zum Teil zu erklären über sozialen Einfluss durch…
‒ Medien, in denen Verschwörungstheorien verbreitet werden
‒ Freunde & Gruppen, in denen Verschwörungstheorien verbreitet
werden
 Siehe Instrumentalisierungshypothese: Verbreitung von Verschwörungstheorien mit einem bestimmten sozialen Ziel (Schwächung der Gegner, politische Ziele), z.B. USA (Miller et al., 2016; Miller, 2020)
 Effektstärken für den Einfluss von Medien zumindest kurzfristig auf die Einstellung deutlich höher als die der individuellen Disposition

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5
Q

Gesellschaftliche Faktoren

A
  • Zeiten mit gesellschaftlichen Veränderungen und Krisen (van Prooijen & Douglas, 2017) * Eher in Ländern… (Hornsey & Pearson, 2022)
    …mit mehr Korruption
    …kollektivistischer (statt individualistischer) Kultur …geringerem Bruttoinlandsprodukt / Kopf
    (…mit ökonomischer Ungleichheit)*
    (… mit großen Machtunterschieden)*
    (… autoritäreren Ländern)*

In dieser Analyse: Skalen aus implausiblen Verschwörungstheorien sowie allgemeinen Aussagen wie „I think that the official version of the events given by the authorities very often hides the truth.”

  • Gesellschaftliche Faktoren haben einen Einfluss auf den Glauben an Verschwörungstheorien  durchaus verständlich, da bestimmte gesellschatliche Indikatoren (z.B. Korruption) auch mehr plausible Verschwörungen ermöglichen
  • Vergleich zwischen Ländern / Kulturen schwierig, da Items in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Bedeutungen haben können
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6
Q

„Ist das Schlimm…?

A
  • Verschwörungen kommen vor!
  • Wir alle Leben in einem bestimmten Umfeld, haben bestimmte Quellen, denen wir mehr
    Vertrauen („Bubbles“)
  • … Un-Wissenschaftlichkeit: Es gibt andere Bereiche, die auch nicht (nur) von
    Wissenschaft geprägt sind bzw. sich nicht durch Wissenschaft beantworten lassen
  • Ernährung (Süßigkeiten, Alkohol, Veganismus) * Homöopathie
  • Fragen nach Leben und Tod
     Antwort auf die Frage hängt von den Konsequenzen ab
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6
Q

Auswirkungen von Verschwörungstheorien
Individuell

A
  • Der Glaube an politische Verschwörungstheorien geht mit einem Misstrauen gegenüber Regierung, aber auch Gesellschaft (“Schlafschafe”) einher (Franks et al., 2017)
  • Gleichzeitig sehen sich Individuen, die an implausible Verschwörungstheorien glauben, Stigmatisierung ausgesetzt
    (Lantian et al., 2018)  könnte Gefühl von Entfremdung verstärken (Franks et al., 2017)
     Soziale Konsequenzen (z.B. Ablehnung/Entfernung vom bisherigen Freundeskreis)
  • Längsschnitt: Höhere Verschwörungsmentalität während der Covid-19-Pandemie führte zu mehr Angst, Unsicherheit, Gefühl von Bedrohung (Liekefett et al., 2023)
  • Folgen von implausiblen Verschwörungstheorien für Gesundheit (z.B. durch fehlende Impfung, Misstrauen gegenüber medizinischen Maßnahmen)
     Folgen für die physische und psychische Gesundheit
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7
Q

Auswirkungen von Verschwörungstheorien
Verschwörungstheorien…

A
  • haben Auswirkungen auf die soziale Einbindung, psychische und physische Gesundheit  scheint inbesondere der Fall für implausible Verschwörungstheorien
  • stehen im Zusammenhang mit geringerer Einhaltung von sozialen Normen, evtl. weil sie das Vertrauen in soziale Regeln redzieren
  • themenspezifisch (z.B. Klimawandel): Reduzieren politisches Engagement, Unterstützung von Maßnahmen
  • führen zu einer höheren Bereitschaft zu Protest, auch non-normativem (inkl. gewaltvollem) Protest
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8
Q

Welche Interventionsmöglichkeiten gibt es?

Vorüberlegungen

A
  • Verschwörungen kommen vor (auch wenn bisher in den meisten Fällen Verschwörungen durch journalistische Arbeit aufgedeckt wurden und nicht durch das Verbereiten von Verschwörungstheorien in den sozialen Medien)
  • Nicht alle Verschwörungen sind eine Bedrohung für die gesellschaftliche Ordnung oder menschliche Gesundheit
     Interventionen unter ethischen Gesichtspunkten nur gerechtfertigt bei Verschwörungen, die a) implausible sind, b) eine Gefahr für die gesellschaftliche Ordnung
    und Gesundheit darstellen
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9
Q

Intervention bei denjenigen, die Verschwörungstheorien verbreiten
1. Reichweite einschränken

A
  • Sperren von Accounts, die Verschwörungstheorien verbreiten
     reduziert wirksam die Anzahl von Views (Johns et al., 2022)
     kann bestehende Fronten verhärten („Zensur“), der sogenannte „Streisand-Effekt“
     führt häufig dazu, dass die „Hardcore-Fans“ zu anderen Seiten abwandern, Radikalisierung (Cinelli et al., 2022)
  • Entziehen von finanziellen Ressorcen (z.B. wenn keine Werbung geschaltet wird auf Seiten, die Verschwörungstheorien verbreiten)
     Weniger Reichweite in der breiten Bevölkerung, aber Verbreitung „unter der Oberfläche“ (z.B. in Telegramm-Kanälen)
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10
Q

Intervention bei denjenigen, die Verschwörungstheorien verbreiten
2. „Flagging“  Markierung fragwürdiger Inhalte, z.B. durch andere Nutzer:innen

A
  • Erfolgreich gegen Fake News (z.B. Gaozhao, 2021)
  • UndVerschwörungstheorien(Bode&Vraga,2018)
  • Könnte allerdings in einigen Fällen auch Interesse wecken (z.B. Kreko, 2020)  abhängig davon, ob der Quelle des Flaggings vertraut wird oder ob diese als Teil der Verschwörung wahrgenommen wird
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11
Q

Prävention
1. „Inoculation” d.h. Prävention/„Impfung“ gegen Verschwörungstheorien

A
  • Individuen im Vorfeld “warnen”, dass sie mit einer bestimmten Verschwörungstheorie konfrontiert werden

Warnung: Eine andere Person wird versuchen, dich von der Verschwörungstheorie xyz zu überzeugen

Reaktanz
Vorbereitung von Gegen-Argumente

Abwehr (bei Begegnung): Verschwörungstheorie wird kein Glauben geschenkt

 Sehr wirksame Strategie!!
 Nachteil: Verschwörungstheorie muss bekannt sein

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12
Q

Prävention
2. Aufklärung über den typischen Aufbau von Verschwörungstheorien

A
  • Individuen, die einen Text bekamen über typische Argumentationsstrukturen von Verschwörungstheorien, glaubten später weniger an eine Verschwörungstheorie
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13
Q

Prävention
3. Informationen

A
  • Informationen im Vorfeld (aber nicht im Nachhinein) halfen, dass Leute weniger an eine Verschwörungstheorie glauben (Jolley & Douglas, 2014b; Banas
    & Miller, 2013; Pummerer et al., 2022)
  • Idee: Wenn Informationen bekannt sind, bleibt weniger Raum für Spekulationen
     Funktioniert nur, wenn noch keine feste Meinung vorhanden ist
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14
Q

Prävention – Studie (Pummerer et al., 2022)

A
  • November / Dezember 2020: neue Art der Impfung über mRNA  damals noch relativ unbekannt; wenig offizielle Informationen  Unsicherheit
  • 3 Versuchsbedingungen:
  • Relevante Informationen: Erklärungen über die Wirkweise von mRNA
  • Irrelevante Informationen: Funktionsweise Hefeteig * Keine Informationen
  • Danach erfasst: Glaube an Covid-19 Impf- Verschwörungstheorien; Impfbereitschaft
  • Baseline: Verschwörungsmentalität ist assoziiert mit der Ablehnung von Windrädern
  • Vp sollten sich vorstellen, dass der Plan ist, Windräder in ihrer Nähe zu bauen. Es gab dann eine fiktive Volksabstimmung darüber, wo sie wählen sollten
  • 3 Versuchsbedingungen
  • Keine Informationen
  • Pro-Informationen: Vorteile vom Bau von Windrädern * Balanced: Vor- und Nachteile vom Bau von
    Windrädern

 Vp hoch in Verschwörungsmentalität waren eher bereit, das Projekt zu unterstützen, wenn sie positive Informationen über den Bau von Windrädern erhielten

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15
Q

Abmilderung der Konsequenzen
1. Nachdenken über Gründe

A
  • Glaube an implausible Verschwörungstheorien steht im Zusammenhang mit weniger Einhaltung prosozialer Normen
  • Das Nachdenken über die Gründe für die jeweilige prosoziale Norm erhöhte die Bereitschaft (insbesondere bei Leuten hoch im Glauben an implausible Verschwörungstheorien), sich an die entsprechende Norm zu halten
16
Q

Abmilderung der Konsequenzen
2. Soziale Normen

A
  • Personen, die das Gefühl hatten, dass ihr soziales Umfeld erwartet, dass sie sich impfen
    lassen, ließen sich eher impfen (Winter, Pummerer, Hornsey & Sassenberg, 2022)
  • Feedback zur sozialen Norm im Land, z.B. in Bezug auf Impfung von Kindern verringerte Glaube an Verschwörungstheorie, aber erhöhte nicht Impfbereitschaft (Cookson et al., 2021)
     Soziale Normen spielen sowohl eine Rolle bei der Entstehung von Verschwörungstheorien als auch in Interventionen
17
Q

Offene Fragen
Wie verändert sich der Glaube an Verschwörungstheorien, wenn…

A

Individuell/sozial
… man Individuen in ein anderes Umfeld steckt?
… sich das Medienverhalten ändert?

Änderungen innerhalb der Gesellschaft
… Regierungen transparenter werden?
… bei mehr Volksentscheiden?

Wahrnehmung der Gesellschaft
… größerem Vertrauen in die Regierung, z.B. durch Kommunikation
… größerem Vertrauen in (wissenschaftliche) Experten, z.B. durch Wissenschaftskommunikation & persönliche Kontakte

18
Q

Failed replications

A

Accuracy Nudging
* Idee: Leute werden gefragt, ob die Informationen, die man teilen will, richtig sind
* Wurde nicht repliziert bzw. am Ende nur mit sehr kleinen Effektstärken (d = .10, entspricht ca. r = .05)  zu vernachlässigen (Roozenbeek et al.,
2021)
Priming von analytischem Denken
* z.B. durch „verbal fluency task“ (durcheinander gewürfelte Sätze)
* Wurde nicht repliziert, d.h. kein Effekt der Experimentalbedingung

19
Q

Interventionen
…bei denjenigen, die Verschwörungstheorien verbreiten

A
  1. Reichweiteeinschränken(z.B. durch Sperren der Accounts)
  2. “Flagging”
20
Q

Interventionen
…bei denjenigen, die (potentiell) an Verschwörungstheorien glauben

A

Prävention
1. “Inoculation”
2. über
Argumentationsstrukturen
aufklären
3. Informationen

Abmilderung der Konsequenzen
1. Nachdenkenüber Gründe
2. SozialeNormen

21
Q

Auswirkungen Gesellschaftlich

  • Beschäftigung mit Verschwörungstheorien über Regierung:
A
  • führt zu weniger Vertrauen in die Regierung (Pummerer et al., 2022)
  • führt zu weniger normativem (d.h. klassischerweise akzeptiert und erwünschtem) politischem Engagement, z.B. geringerer Bereitschaft, wählen zu gehen (Jolley & Douglas,
    2014a)
  • Zusammenhang mit politischem Zynismus (Swami et al., 2011);
22
Q

Auswirkungen Gesellschaftlich:

  • Verschwörungstheorien über den Klimawandel (Meta-Analyse Biddlestone et al., 2022):
A
  • stehen im Zusammenhang mit und führen zu weniger Sorge um Umweltschutz (r = -.41),
  • weniger Bereitschaft zu umweltfreundlichem Verhalten (r = -.25) und
  • weniger Unterstützung für Regierungsmaßnahmen im Bereich Umweltschutz (r = -.47)
23
Q

Auswirkungen Gesellschaftlich:

  • Covid-19:
A

Glaube an Corona-VT führte zu weniger Akzeptanz von Regierungsmaßnahmen und weniger Einhaltung von Physical Distancing (Pummerer
et al., 2022)

24
Q

Auswirkungen Gesellschaftlich
* Glaube an implausible Verschwörungstheorien (z.B. Princess Diana, 9/11…):

A
  • geringere Einhaltung von prosozialen Normen (Pummerer et al., 2023)
  • höhere Bereitschaft zu „white crimes“, z.B. Steuerhinterziehung (Jolley et al., 2019)
25
Q

Auswirkungen Gesellschaftlich

 Vermuteter Wirkmechanismus:

A

Verschwörungstheorien senken das Vertrauen in gesellschaftliche Strukturen und soziale Regeln. Folgleich sinkt auch die eigene
Bereitschaft, sich an diese Strukturen und Regeln zu halten