Unterlassen Flashcards
Unterlassen im Gesetz
§13 Begehen durch Unterlassen
(1) Wer es unterlässt einen Erfolg abzuwenden, der zum TB eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen TB durch ein Tun entspricht.
(2) Die Strafe kann nach § 49 I gemildert werden.
Prüfungsschema des unechten Unterlassungdelikt
A. Tatbestand
I. Objektiver TB
1. Erfolgseintritt
2. Durch Unterlassen
a) Unterlassen einer geeigneten und
erforderlichen Verhinderungshandlung
trotz psychisch-realer individueller
Möglichkeit
b) Kausalität
c) Garantenstellung, §13 I StGB
i) Überwachergarant
ii) Beschützergarant
d) Objektive Zurechnung
e) Entsprechung von Tun und
Unterlassen, §13 I StGB
II. Subj. TB
1. Vorsatz bezüglich Erfolgsverursachung
2. Vorsatz bezüglich der die
Garantenstellung begründenden
Umstände
B. Rechtswidrigkeit
C. Schuld
D. Ergebnis
Unterlassen vs. aktives Tun
Ausgangspunkt: Gesetz geht regelmäßig von einer Tatbegehung durch aktives Tun aus (falls vorhanden immer vorrangig zu prüfen)
Schwerpunktformel (Rspr.):
Abgrenzkriterium ist der Schwerpunkt der Verwertbarkeit bei wertender Betrachtung
Contra:
Kriterien unbestimmt; Gefahr von willkürlichen Entscheidungen
Energieformel (lit):
Unterlassen (-), wenn der Täter den Erfolg durch Energieeinsatz herbeiführte
Contra:
In manchen Grenzfällen unbrauchbar
Unterlassen
(Quasi-)kausalität
Meinungsstreit
hM: Ein Unterlassen ist (quasi)kausal, wenn die unterlassene Handlung des Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert
aA: Risikoverringerung: Ausreichend ist, wenn die unterlassene Handlung die Rettungschancen für das bedrohte Rechtsgut erhöht hätte.
Contra :
- Verstoß gegen in dubio pro reo,
- Unterlassender würde schlechter gestellt,
als Handelnder, da bei Letzterem stets die
Kausalität nach der conditio-sine-qua-non
Formel bestimmt wird und bloße
Risikoerhöhung nicht ausreicht
- Verletzungsdelikte werden in
Gefährdungsdelikte umgewandelt
Überwachergarant
Def
= die Garantenstellung resultiert aus der besonderen Verantwortlichkeit für bestimmte Gefahrenquellen
Beschützergarant
Def
= die Garantenstellung resultiert aus besonderen Schutzpflichten für bestimmte Rechtsgüter
Überwachergarant
Fallgruppen
a) Aus gegenwärtiger Herrschaftsbefugnis
resultierende Pflicht
→ z.B. Aufsichtspflichten oder
Verkehrssicherungspflichten
b) Aus gefahrbegründendem Vorgehalten
(Ingerenz)
→ z.B. Verletzung einer anderen Person
c) Übernahme einer Überwacherfunktion
→ z.B. Dritter übernimmt Pflicht aus a)
Beschützergarant
Fallgruppen
a) Familiäre Verbundenheit
→ z.B. elterliche Sorge Ehe/Lebenspartner
b) Amtliche Schutzpflichten
→ z.B. Polizisten, Feuerwehrleute, Lehrer
c) Übernahme von Schutzfunktion
→ z.B. Gefahrgemeinschaft, Lebensgefährten, Babysitter
Beschützergarant
Familiäre Verbundenheite
(P) Bedarf es weiterer Umstände zu Begründung einer Garantenstellung aus natürlicher Verbundenheit?
→ e.A.: es muss eine tatsächliche Nähe hinzukommen, faktisches Obhutsverhältnis
→ a.A.: formales familienrechtliches Band begründet stets eine Garantenstellung (jedenfalls für Verwandte in grader Linie, Ehegatten, etc)
Entsprechensklausel
§13 I StGB “…wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen TBs durch ein Tun entspricht.”
→ Bei reinen Erfolgsdelikten (zB §§212, 223, 303 StGB) grundsätzlich keine Bedeutung, da die Gleichwertigkeit durch die Garantenstellung begründet wird
→ Vorsicht! Bei “verhaltensgebundenen Delikten” muss wertend geprüft werden, ob das Unterlassen dem Tun entspricht (z.B. grausam bei § 211)
Verhinderung von Rettung
Kausalität
(P) Hinzudenken hypothetischer Verläufe verboten
Ausnahme, wenn es sich um rettende hypothetische Kausalverläufe handelt:
Da niemals zweifelsfrei festgestellt werden kann, ob eine Rettungshandlung tatsächlich erfolgreich gewesen wäre, ist die Kausalität bereits bei einer “an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit” der Rettung zu bejahen.
Abbrechen von Rettung
Unterlassen/Handlung
(P) Das Verhalten ist mehrdeutig
1.A.
Unterlassen bis Rettung erreicht
- Es handelt sich dabei solange um ein
Unterlassen bis die Rettungsmöglichkeit das
Opfer erreicht hat
- Erst ab diesem Zeitpunkt könne man von
einem aktiven Tun sprechen, weil der Täter,
wenn er seine Rettungshandlungen jetzt
abbricht, aktiv die nunmehr vorliegende
günstige Lage verschlechtere
- A.
Abbrechen hyp. Kausalverlauf= Tun
- Es handelt sich um aktives Tun, wenn der
Retter einen von ihm in Gang gesetzten
hypothetischen Kausalverlauf abbricht, der
das Opfer mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit gerettet hätte.
Pro 1
Wenn Rettungschance noch nicht greifbar ist, ist es für das Opfer unerheblich, ob sie jemals da war;
Schwerpunkt der Verwertbarkeit liegt also im Unterlassen der Rettung
Pro 2
Vergleich mit dem Abbruch fremder Rettungsbemühungen: es könnte keinen Unterschied machen, ob jemand eigene oder fremde Rettungshandlungen torpediere.
Garantenstellung
Ingerenz
(P) Kann ein durch Notwehr gerechtfertigtes Verhalten eine Garantenstellung aus Ingerenz begründen?
- Ansicht
- Garantenstellung auch bei rechtmäßigem
Vorverhalten möglich, solange nur eine
adäquate Gefahr verursacht wurde
Verteidiger ist nach Ende des Angriffs
Garant, da nur die erforderliche
Verteidigungshandlung von §32 StGB
gedeckt ist, d.h. auch pflichtgemäße
Handlungen führen zur Garantenstellung
Pro
- Wer rechtmäßig eine Gefahr geschaffen hat, fühlt sich i.d.R. eher für Gefahrabwendung verantwortlich als ein Unbeteiligter
Contra
sich verantwortlich fühlen ist nicht gleichzusetzen mit rechtlicher Verantwortlichkeit - Ansicht
Garantenstellung kann nur aus pflichtwidrigem Vorverhalten resultieren
Pro
- Es widerspricht der Natur des Notwehrrechts, den Angegriffenen, der sich “nur” verteidigt, plötzlich zum Garanten für Leib und Leben des Angreifers zu machen → Notwehrrecht wird ad absurdum geführt, wenn über das Unterlassen eine Strafbarkeit herbeigeführt wird. Außerdem keine Strafbarkeitslücke (323c StGB)
- Angreifer verursacht Situation → wieso soll für ihn ein Garant (der Angegriffene) einstehen, für den unverschuldet “Verunglückten” aber nicht
Pflichtenkollision
Prüfung
Rechtfertigung gem §34 StGB?
-> scheitert bei Interessenabwägung: betroffenen Rechtsgüter gleichwertig
ABER
Rechtfertigende Pflichtenkollision
Rechtfertigende Pflichtenkollision
Liegt vor, wenn der Garant rechtlich zwei gleichwertige Handlungspflichten zu erfüllen hat, von denen er physisch tatsächlich jedoch nur einer gerecht werden kann.
Die Rechtsordnung kann von V nichts Unmögliches verlangen, folglich handelte er aufgrund der Pflichtenkollision nicht rechtswidrig