Unterlassen Flashcards
Schema: echtes Unterlassungsdelikt
A. TB
I. OTB
a) obj. Tatbestandsmerkmale des Straftatbestandes
b) ungeschriebene Tatbestandsmerkmale
o tatsächliche Möglichkeit der gebotenen
aktiven Handlung
o Zumutbarkeit der gebotenen aktiven Handlung
II. STB
a) Vorsatz
b) sonst. subj. Tatbestandsmerkmale
B. ReWi
insb. rechtfertigende Pflichtenkollision
C. Schuld
insb. Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens
Schema: unechtes Unterlassungsdelikt
A. TB
I. OTB
a) Eintritt d. tatbestandsmäßigen Erfolgs
b) Nichtvornahme der gebotenen und möglichen
Handlung
c) hypothetische Kausalität d. Unterlassens
d) Garantenstellung i.S.d. § 13 StGB
e) Entsprechungsklausel (Gleichwertigkeit mit aktivem
Tun)
II. STB
B. ReWi
insb. rechtfertigende Pflichtenkollision
C. Schuld
insb. Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens
Abgrenzung echtes/unechtes Unterlassungsdelikt
echtes Unterlassungsdelikt
= Verstoß gegen gesetzlich normierte Gebotsnorm, z.B:
- § 123 I Alt. 2 StGB, Sich-nicht-Entfernen
- § 138 StGB, Nichtanzeige geplanter Straftaten
- § 323c StGB, Unterlassene Hilfeleistung
Garantenstellung nicht erforderlich!
unechtes Unterlassungsdelikt
= Strafbarkeit gem. § 13 durch Herbeiführen eines Erfolgsdelikts durch Unterlassen
Garantenstellung i.S.d. § 13 erforderlich!
Abgrenzung: Tun - Unterlassen
Aktives Tun: Kausalgeschehen wird in Gang gesetzt oder in bestimmte Richtung gelenkt
Unterlassen: “Den Dingen ihren Lauf lassen”; Möglichkeit des Eingreifens auslassen
Problem nur bei mehrdeutigen Verhaltensweisen. Bsp.:
Ziegenhaarfall = Fabrikant gibt Arbeiterinnen nicht desinfizierte Ziegenhaare. Die Arbeiterinnen sterben.
Schwerpunkt d. Vorwerfbarkeit Unterlassen der Desinfektion oder sorgfaltswidrige Übergabe der Haare (aktives Tun)?
-> hier wohl aktives Tun. Die fehlende Desinfektion betrifft hier nur die Sorgfaltswidrigkeit des Handelns.
Unterlassen der Rettungshandlung (unechtes Unterlassungsdelikt)
- objektive Gebotenheit
= aus Sicht eines objektiven Betrachters zur Erfolgsabwendung erforderliche Handlung - subjektive Möglichkeit
= Rettungshandlung muss dem Täter physisch-real möglich sein
=> fehlende subjektive Möglichkeit:- Handlungsunfähigkeit (z.B. Ohnmacht d. Täters)
- Fehlen notwendiger Hilfsmittel
Hypothetische Kausalität (unechtes Unterlassungsdelikt)
- modifizierte Äquivalenztheorie
wenn die unterlassene Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele. - Pflichtwidrigkeitszusammenhang
ist anzunehmen, wenn die Rettungshandlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Erhaltung des gefährdeten Rechtsguts geführt hätte.
Garantenpflichten (Übersicht)
§ 13 StGB
I. Beschützergarantenpflichten
= Schutzpflicht für Rechtsgut
Bsp.:
- aus besonderen Rechtssätzen
- enge natürliche Verbundenheit
- enge Gemeinschaftsbeziehungen
- freiwillige Übernahme
- bes. Pflichtenkreis
II. Überwachungsgarantenpflichten
= Verantwortlichkeit vor Gefahrenquelle
- Verkehrssicherungspflicht
- pflichtwidriges Vorverhalten (Ingerenz)
- Pflicht zur Beaufsichtigung Dritter
Begründung von Beschützergarantenpflichten
I. Gesetz, z.B.:
- § 666 Auskunftspflicht beim Auftrag (insb. iRv Betrug)
- § 1353 ehel. Lebensgemeinschaft
- § 1626 elterliche Sorge
II. enge natürliche Verbundenheit
- bei rechtlich fundiertem Verhältnis -> bloße
moralische Pflicht genügt nicht
o Vorhandensein einer effekt. Familiengemeinschaft
o Nähe des Familien- bzw. Verwandtschaftsverhältn.
III. Lebens- und Gefahrengemeinschaft (+) bei - nichtehel. Lebensgemeinschaft - Expeditionsteilnehmer (-) bei - Zechkumpanen - Rauschgiftkonsumenten
IV. freiwillige Übernahme - faktische Übernahme maßgeblich = zivilr. Wirksamkeit unerheblich - im Vertrauen auf die zugesagte Hilfe unterbleiben anderweitige Schutzmaßnahmen, Bsp.: o Arztvertrag o Babysitter o Bergführer
V. besonderer Pflichtenkreis, Bsp. Schutzpolizist
Begründung von Überwachungsgarantenpflichten
I. Verkehrssicherungspflicht
Bsp.: Betreiber einer Anlage (z.B. Atomkraftwerk),
Halter eines Pkw, z.B. bei Überlassung an
Fahrunkundigen
II. Pflichtwidriges Vorverhalten (Ingerenz)
- Gefahr für Rechtsgüter Dritter geschaffen
- Pflichtwidrigkeit muss in einem Verstoß gegen eine
Norm bestehen, die dem Schutz des betroffenen
Rechtsgutes dient (Ausnahmen z.B.: Verletzung
eines unbeteiligten Dritten im aggressiven Notstand)
ACHTUNG: Garantenstellung beim MIttäterexzess!
III. Pflicht zur Beaufsichtigung Dritter
- maßgeblich ist Vertrauen der Allgemeinheit darauf,
dass Pflichtiger Gefahren, die von den zu über-
wachenden Personen ausgehen, beherrscht
- Bsp.: Gefängnispersonal
Entsprechungsklausel
§ 13 I HS 2 StGB
Der Unrechtsgehalt des Unterlassens muss dem Unrechtsgehalt einer aktiven Tatbestandsverwirklichung nahekommen (“entspricht”).
- Erfolgsdelikte unproblematisch
- Verhaltensgebundene Delikte: problematisch§ 164 Verdächtigen
§ 240 Nötigen
§ 263 Täuschen
Problemfall: Mord in Verdeckungsabsicht durch Unterlassen:
h.M.: wenn Täter Rettungsbemühungen unterlässt, um zielgerichtet der Bestrafung wegen der zuvor begangenen Straftat zu entgehen