Übungsfälle Flashcards

1
Q

Waffensammler

Art. 23 EG StGB SH: Der RegR kann Vorschriften über Handel und Tragen von Waffen erlassen.
- § 12 I WaffenV: “Ausländer darf keine Waffen besitzen.”
- X (Ausländer) besitzt Waffen.
- X wird wegen Übertretung der Vo mit Busse CHF 500.- bestraft

[BGE 103 Ia 95]

A

👉 Verletzung Gesetzmässigkeitsprinzip
(nulla poena sine lege scripta)
1. Tragen vs. Besitzen (RegR hat Delegationsnorm verletzt, indem er Tatbestand ausgedehnt hat)
2. Verordnung vs. formelles Gesetz (Sanktion in blosser Vo verletzt Legalitätsprinzip; Sanktion muss in Gesetz im formellen Sinn stehen)

Nicht direkt Gesetzmässigkeitsprinzip:
3. Vertrauensschutz (Übergangsbestimmung)
4. (evtl. Diskriminierung)

Thema: Legalitätsprinzip

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2
Q

Nacktwandern

Art. 19 PolG/AR: Wer … öffentlich Sitte und Anstand grob verletzt, wird mit Busse bestraft
* X wandert in Herisau/AR nackt
* X wird gebüsst

[BGE 138 IV 13]

A

👉 Verletzung des Bestimmtheitsgebots
(nulla poena sine lege certa)

Richtigerweise: “Wandern ohne Bekleidung wird mit Busse bis Fr. 200.- bestraft.”

A.A. das BGer:
“Art. 19 al. 2 PolG/AR … ist hinreichend bestimmt. Aus der Norm ergibt sich klar und unmissverständlich, dass die grobe Verletzung von Sitte und Anstand in der Öffentlichkeit strafbar ist.”

Thema: Legalitätsprinzip

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3
Q

Ehe vs. Konkubinat

Art. 215 StGB (Mehrfachehe): Wer eine Ehe schliesst […], obwohl er verheiratet ist […], wird […] bestraft.
* A führte jahrelang eine Beziehung mit 2 Frauen, mit denen er 5 Kinder zeugte.
* Darf Art. 215 StGB auf Mehrfachkonkubinat ausgedehnt werden?

A
  1. Gesetz regelt Konkubinat nicht
  2. Unechte Lücke (qualifiziertes Schweigen): Gesetzgeber hat bewusst nur Mehrehe geregelt
  3. Ausdehnung wäre (verbotene) Analogie

👉 Art. 215 darf nicht per analogiam auf diesen Sachverhalt angewendet werden.

Thema: Legalitätsprinzip

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4
Q

Oralverkehr

Art. 189 StGB (Sexuelle Nötigung): Wer eine Person zur Duldung einer […] sexuellen Handlung nötigt
* Vater zwingt Stieftochter zu Oralverkehr
* Dh. Tochter wurde nicht zur Duldung, sondern zur Vornahme einer sexuellen Handlung genötigt
* Frage: Kann “Dulden” per analogiam auf “Handeln” ausgedehnt werden?

[BGE 127 IV 198[

A
  1. Gesetz regelt Problem nicht
  2. Echte Lücke (planwidrige Unvollständigkeit): Aus Materialien ergibt sich, dass Gesetzgeber das versehentlich nicht geregelt hat
  3. Auslegung (Grammatikalisch/Systema-tisch/Historisch/Teleologisch)

I.c. das BGer (teleologisch):
* Sinn und Zweck der Bestimmung zum Schutz der sexuellen Integrität ist, Opfer vor gewaltsamen sexuellen Übergriffen zu schützen.
* Kann also nicht darauf ankommen, ob aktiv oder passiv
* 👉 “Dulden” kann mithin so ausgelegt werden, dass es auch das “Vornehmen” umfasst.

BGer: “Massgebend ist nicht der Buchstabe des Gesetzes, sondern dessen Sinn… Der Grundsatz “keine Strafe ohne Gesetz” verbietet bloss, über den dem Gesetz bei richtiger Auslegung zukommenden Sinn hinauszugehen.”

Thema: Legalitätsprinzip

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5
Q

Taxifahrer

Art. 57 Abs. 5 SVG: Der Bundesrat kann vorschreiben, dass Insassen von Motorwagen Sicherheitsgurten benützen […]

Art. 3a Abs. 1 VRV: Bei Fahrzeugen, die mit Sicherheitsgurten ausgerüstet sind, müssen Führer und mitfahrende Personen die vorhandenen Sicherheitsgurten während der Fahrt tragen.

  • Taxifahrer steht an der roten Ampel, löst Sicherheitsgurt, um Fahrgast eine Visitenkarte zu geben.
  • Busse für wegen Nichttragens der Sicherheitsgurten
  • 👉 Darf Taxifahrer nach Art. 3a VRV gebüsst werden?

[BGE 137 IV 290]

Art. 3a Abs. 2 VRV: Von der Gurtentragpflicht sind ausgenommen: Von-Haus-zu-Haus-Lieferanten im Auslieferungsquartier, wenn nicht schneller als 25 km/h gefahren wird.

A

Problem: “während der Fahrt”
* Taxifahrer fährt nicht, sondern steht still.

Lösung:

  • Begriffskern: Im fahrenden Auto
  • Aussenbereich: Auto auf Parkplatz mit ausgeschaltenem Motor
  • Begriffshof: Auto im Verkehr aber stillstehen

👉 Auslegung möglich

Hier ist SV bereits vom Wortlaut erfasst; die Fahrt umfasst nicht bloss das Bewegen des Fahzeugs, sondern auch die Fahrt von A nach B (bspw. die Fahrt in den Urlaub). Jedenfalls ist es Sinn und Zweck der Norm, die Sicherheit der Insassen im Verkehr sicherzustellen. Würde die Norm derart ausgelegt, dass die Gurten an der roten Ampel stehend nicht, sobald die Ampel aber auf grün schaltet und losgefahren wird, wieder getragen werden müssen, schüfe dies sogar ein zusätzliches Risiko.

👉 Der Taxifahrer darf gebüsst werden.

Thema: Legalitätsprinzip

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6
Q

Genitalverstümmelung

  • Somalier Herr A. und Frau X. haben zwei Töchter
  • 2008: A. stellt in der Schweiz einen Asylantrag
  • 2013: X. lässt bei Töchtern eine Genitalverstümmelung durchführen
  • 2015: Familienzusammenführung in der Schweiz

👉 Kann X. in der Schweiz verurteilt werden?

[BGE 145 IV 17]

Art. 124 StGB (Verstümmelung weiblicher Genitalien)
1 Wer die Genitalien einer weiblichen Person verstümmelt, in ihrer natürlichen Funktion erheblich und dauerhaft beeinträchtigt oder sie in anderer Weise schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe nicht unter 180 Tagessätzen bestraft.
2 Strafbar ist auch, wer die Tat im Ausland begeht, sich in der Schweiz befindet und nicht ausgeliefert wird…

A

Ja
(Auch) für Straftaten i.S.v. Art. 124 StGB gilt das Universalitätsprinzip (Art. 124 Abs. 2 StGB)

Universalitätsprinzip ist grdsl. in Art. 5 StGB geregelt

Thema: Geltungsbereich

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7
Q

Mord in Phuket

  • Thailänder gesteht Raub und Mord an Schweizerin in Phuket
  • Zusätzlich Anklage wegen Vergewaltigung

👉 Ist Schweizer Strafrecht anwendbar?

A

Thema: Geltungsbereich

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8
Q

Frederick Toben

  • Frederick Toben versucht nach DE einzureisen; Festnahme und UHaft
  • Verdacht: Publikation rassistischer/revisionistischer Artikel auf Website des Adelaide Institute

👉 Wäre Frederick Toben nach Schweizer Recht strafbar?

[BGH 12. Dezember 2000 – 1 StR 184/00]

Art. 261bis StGB: Wer … Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnet, gröblich verharmlost oder zu rechtfertigen sucht…
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

dazu: Schwarzenegger, sic! 2001, 240 ff.

A

Frederick Toben könnte sich der Diskriminierung und Aufruf zu Hass nach Art. 261bis StGB strafbar gemacht haben, indem er Artikel revisionistischen Inhalts auf einer Website publizierte.

  1. Tathandlung: Publizieren rassistischer Inhalte (in Australien)
  2. Taterfolg: Kenntnisnahme (in der Schweiz)

👉 Frederick Toben wäre in der Schweiz nach Art. 261bis StGB strafbar, weil der Taterfolg (auch) in der Schweiz eingetreten ist.

Art. 3 Abs. 1 StGB: Dem Gesetz unterworfen ist, wer in der Schweiz ein Verbrechen oder Vergehen begeht.

Art. 8 Abs. 1 StGB: Ein Verbrechen oder Vergehen gilt als da begangen, wo der Täter es ausführt oder pflichtwidrig untätig bleibt, und da, wo der Erfolg eingetreten ist.

Thema: Geltungsbereich

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9
Q

CIA-Flüge

  • Ägypter “Abu Omar” (mutm. Terrorist) wird in Mailand von CIA-Team entführt und von Aviano über CH Luftraum nach Ramstein/DE geflogen
  • Von dort nach Kairo überführt

👉 Strafbarkeit der CIA-Agenten nach CH-Recht?

  1. Entführung (Art. 183 StGB)
  2. Verbotene Handlungen für einen fremden Staat
    (Art. 271 StGB)
A

Weil Flug durch Schweizer Luftraum, wurde die Entführung auch auf Schweizerischem Territorium begangen.

Thema: Geltungsbereich

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10
Q

Prank or Crime?

  • X gibt ein Interview
  • Plötzlich springt Y aus einer danebenstehenden Mülltonne
  • X erschrickt und versetzt dem Y einen Schlag ins Gesicht
  • Liegt eine strafbare Handlung vor?
A

Thema: Handlungsbegriff

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11
Q

Fallschirmspringer

  • Fallschirmspringer stürzt ab, weil Schirm nicht geöffnet
  • Er wird von einem Auto erfasst und stirbt
  • Kann der Autofahrer wegen fahrlässiger Tötung belangt werden?
A

Nur dann, wenn die Situation vorhersehbar gewesen wäre

Thema: Objektiver Tatbestand

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12
Q

James Foley

  • Journalist James Foley wird in Syrien von entführt
  • Später wird er vor laufender Kamera enthauptet
  • Video wird in Whatsapp-Gruppe geteilt

👉 Strafbarkeit der Beteiligten?

A

Drei Taten stehen im Vordergrund:
1. Entführung
2. Enthauptung
3. Teilen des Videos

Vorsätzliche Tötung (Art. 111):
* Täter: Jedermann ✅
* Tatobjekt: Menschlicher Körper ✅
* Tathandlung: (ist hier über den Erfolg definiert; dh. jede Handlung, die im Tod mündet, kann Tatbestandsmässige Handlung sein); ic. Enthauptung

Art. 111 StGB (Vorsätzliche Tötung): “Wer vorsätzlich einen Menschen tötet”

Art. 135 StGB (Gewaltdarstellungen):
1 “Wer Ton- oder Bildaufnahmen…, die… grausame Gewalttätigkeiten gegen Menschen…eindringlich darstellen…herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt oder zugänglich macht…”
1bis “… wer Gegenstände oder Vorführungen nach Absatz 1… erwirbt, sich über elektronische Mittel oder sonst wie beschafft oder besitzt.

Thema: Objektiver Tatbestand

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13
Q
  • Max schubst Patrick in ein Auto. Wie geplant stürzt Patrick und bricht dabei Seitenspiegel ab.
  • Strafbarkeit von Patrick?
A
  • Vis absoluta
  • Patrick ist gewissermassen ein Werkzeug
  • Patrick ist nicht strafbar

Thema: Handlungsbegriff

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14
Q
  • Nick fährt auf schneebedeckter Strasse
  • Plötzlich fahren Kinder mit Schlitten auf die Strasse
  • Reflexartig bremst Nick mit voller Kraft, kommt ins Rutschen und erfasst die Kinder.
  • Strafbarkeit von Nick?
A

Ja, Nick ist dafür strafbar.
* Zwar war seine Reaktion ein Automatismus, insofern nicht bewusst willentlich gesteuert.
* Aber die Handlung ist steuerbar (man kann es erlernen, in solchen Situationen richtig zu reagieren)

👉 Hier zeigt sich normative Komponente besonders gut: Wird als Handlung erklärt, weil man möchte, dass derartige Sachverhalte strafrechtlich erfasst sind.

Thema: Handlungsbegriff

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15
Q

Liegt in folgenden Fällen eine strafbare Handlung vor?

  1. X wird in Auto geschubst; bricht beim Fallen Seitenspiegel ab
  2. Niesanfall am Steuer; Auffahrunfall
  3. Bahnsuizid; Mensch springt vor Zug; Schaffner überfährt Mensch
  4. Fallschirmspringer stürzt auf Strasse; wird von Auto überfahren
  5. Prank: Y erschreckt X; X boxt Y reflexartig
A

Prüfung:
* Zweckgerichtet?
* Willentlich?
* Steuerbar?
* 👉 Handlung?
* Strafbar?

  1. Seitenspiegel
    Zweckger. ❎ | Willentl. ❎ | Steuerbar ❎ | Handlung ❎ | Strafbar ❎
  2. Niesanfall
    Zweckger. ❎ | Willentl. ❎ | Steuerbar ✔️ | Handlung ✔️ | Strafbar ✔️
  3. Bahnsuizid
    Zweckger. ❎ | Willentl. ❎ | Steuerb ❎ | Handlung ❎ | Strafbar ❎
  4. Fallschirmspringer
    Zweckger. ❎ | Willentl. ❎ | Steuerb ❎ | Handlung ❎ | Strafbar ❎
  5. Prank
    Zweckger. ✔️ | Willentl. ✔️ | Steuerbar ✔️ | Handlung ✔️ | Strafbar ❓

Thema: Handlungsbegriff

Seitenspiegel
* Vis absoluta: X wird willentlich als “Werkzeug” missbraucht

Nieasanfall:
* Steuerbar; denn es ist erlernbar, in dieser Situation adäquat zu reagieren; (Niesen unterdrücken, Bremsen, an den Rand fahren…) (Vermeidbarkeit)
* Wäre in concreto wohl Fahrlässigkeit, Handlung liegt aber vor

Bahnsuizid
* Vis absoluta: Schaffner wird willentlich als “Tötungswerkzeug” missbraucht

Prank:
* Steuerbar; denn man kann sich antrainieren, nicht gleich aktiv reinzuschlagen sondern sich passiv zu verteidigen. (Vermeidbarkeit)
* Trotzdem wohl nicht strafbar, wenn der Täter Putativnotwehr geltend machen kann.

Fllschirmspringer:
* Nicht steuerbar
* Weshalb nicht steuerbar? 👉 Vis absoluta
* Autofahrer wird unwillentlich als “Tötungswerkzeug” instrumentalisiert

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16
Q

Vaffanculo

_Vaffanculo_
1. Betreibungsbeamter O. stellt italienischem Metzger X einen Zahlungsbefehl zu.
2. X sagt zu O.: “Vaffanculo” und schmeisst ihn aus dem Lokal
3. 👉 Beschimpfung?

_Affanculo_
4. Betreibungsbeamter kann kein italienisch und meinte “Affanculo” meine “Affenarsch”
5. 👉 Was ist hier das Problem, welches man dogmatisch diskutieren kann?

Urteil 6B_794/2007 vom 14. April 2008

A

_“Vaffanculo”_
* Wörtlich: “va a fare in culo” (geh es in den Arsch machen)
* Alltagssprachlich: “Geh zur Hölle”
* Alleine noch keine Beschimpfung (auch aus normativer Sicht konnte daraus keine Beschimpfung gemacht werden, zumal der Ausdruck sehr üblich und weit verbreitet ist
* gem. BGer kann “Vaffanculo” in Kombination mit dem Rauswurf aber ehrverletzenden Charakter haben (👉 Beschimpfung)

_“Affanculo”_
* Muss der Erfolg in dem Sinne eingetreten sein, dass der Adressat einer Aussage, diese auch im gemeinten Sinne versteht?
* An “Affanculo” kann man die Strafbarkeit nicht anknüpfen, weil dies objektiv nie gesagt wurde
* Taterfolg: Äusserung muss beim Adressaten ankommen; er muss es hören und verstehen.

Problem also:
* Tathandlung: Äussern des “Vaffanculo”
* Taterfolg: Ankommen beim Adressaten; 👉 i.c. nicht gegeben (O versteht es falsch)
* Weil aber alle subjektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt sind, muss der Versuch geprüft werden.

Zusammenfassung:
* Erfolg: Wahrnehmung ehrverletzender Äusserung
* Verstandenes (“Affenarsch”) hat Metzger nie gesagt, mithin diesem nicht zurechenbar.
* Tatsächlich Gesagtes (“Vaffanculo”) wurde nicht richtig wahrgenommen
👉 Erfolg nicht eingetreten
* Prüfung des Versuchs

Art. 177 – Beschimpfung
1 Wer jemanden in anderer Weise durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten in seiner Ehre angreift, wird, auf Antrag, mit Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen bestraft.

17
Q

Bergsteigerkurs

  • Sohn möchte früher erben
  • Schenkt Vater Bergsteiger-Kurs
  • Stein trifft Vater am Kopf
  • Vater stürzt wie erhofft zu Tode

👉 War das Schenken nicht nur natürlich kausal, sondern auch adäquat kausal?

(M.a.W. gibt es hier normative Gründe, um es dem Sohn zuzurechnen oder ginge das zu weit?)

A

(Gem. Thommen):
Schenken eines Bergsteiger-Kurses ist grdsl. geeignet, damit nach dem gewöhlichen Lauf der Dinge und der Erfahrung des Lebens den Tod des Vaters zu begünstigen, zumal er damit dazu angeregt wird, eine sportliche Aktivität auszuführen, mit welcher eine erhöhte Gefahr für das Leben einhergeht.

Obwohl der Tod nicht komplett unvorhersehbar ist und die Aushändigung eines solchen Gutscheins einen solchen Erfolg begünstigt, ist die Adäquanz zu verneinen:

Das Mitverschulden des Vaters (der die Aktivität tatsächlich ausführt) tritt als Mitursache hinzu, welche das Schenken des Kurses als Ursache in den Hintergrund drängt.

Thema: Kausalität

18
Q

Bergsteiger-Kurs

  • Sohn möchte früher erben
  • Schenkt Vater Bergsteiger-Kurs
  • Stein trifft Vater am Kopf
  • Vater stürzt wie erhofft zu Tode

👉 Prüfe den Fall nach der Theorie der objektiven Zurechnung

A

_1. Schaffung_
* CSQN: Kann man sich Schenken des Gutscheins wegdenken, ohne dass auch Todeserfolg entfiele? 👉 Nein
* Ist kausal; er hat eine Gefahr geschaffen

_2. Unerlaubtes Risiko_
* Eigenes Risiko des Vaters

👉 Straflos

19
Q

Dachs

  • Zu Halloween verkleidet sich ein kleines Mädchen als Dachs
  • Hauseigentümer X meint, einen echten Dachs zu sehen
  • X schiesst auf das Mädchen und verletzt es schwer

👉 Strafbarkeit von X?

§ 41 Jagdgesetz/ZH vom 12. Mai 1929 (922.1)
Grundeigentümern, Pächtern und Verwaltern von Gutsbetrieben ist gestattet: Das Erlegen von schadenstiftenden Wildschweinen, Dachsen, Füchsen, Iltissen, Mardern, Eichhörnchen, Elstern, Eichelhähern, Krähen sowie von Haus- und Feldsperlingen im Umkreis von 100 Metern von ihren Wohn- und Wirtschaftsgebäuden.

A

Täter hat eine irrige Vorstellung über den Sachverhalt (dachte, er schiesse auf einen Dachs). Gem. Art. 13 Abs. 1 StGB muss dessen Tat demnach nach diesem Sachverhalt beurteilt werden.

Auf den vorgestellten Sachverhalt kommt das Jagdgesetz zur Anwendung. Danach könnte er sich der Wilderei strafbar gemacht haben. Allerdings könnte er sich auf den gesetzlichen Rechtfertigungsgrund in § 41 JagdG/ZH berufen.
Dh. möglicherweise würde er sich der Wilderei strafbar machen, allenfalls gar straflos sein, obwohl er ein Mödchen schwer verletzt hat, aber:

Art. 13 Abs. 2 StGB
Wäre der Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeidbar gewesen?
* Es war auf seinem Grundstück eine Halloween-Party im Gange entsprechend ist mit verkleideten Kindern zu rechnen.
* In dieser Situation hätte er insb. zumindest kurz nachfragen können, bevor er reinballert

👉 Strafbarkeit fahrlässige schwere KV

Thema: Irrtum

Art. 13 StGB – Sachverhaltsirrtum
1 Handelt der Täter in einer irrigen Vorstellung über den Sachverhalt, so beurteilt das Gericht die Tat zu Gunsten des Täters nach dem Sachverhalt, den sich der Täter vorgestellt hat.
2 Hätte der Täter den Irrtum bei pflichtgemässer Vorsicht vermeiden können, so ist er wegen Fahrlässigkeit strafbar, wenn die fahrlässige Begehung der Tat mit Strafe bedroht ist.

20
Q

Katzenkönig

  • *

[BGH, Urteil vom 15.09.1988, Az. 4 StR 352/88 - Katzenkönig]

A
21
Q

Regenmantel

  • Nach einem Restaurantbesuch zieht X Ihren Regenmantel wieder an.
  • Zuhause stellt X fest, dass es nicht Ihrer war.
  • Ihrer war von H&M (CHF 100.-), der mitgenommene von Hackett (CHF 500.-) .

Art. 139 StGB – Diebstahl
1. Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.

Art. 137 StGB – Unrechtmässige Aneignung
1. Wer sich eine fremde bewegliche Sache aneignet, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird […] mit Frei- heitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

A
  1. Im Restaurant kein Diebstahl, weil weiss nicht, dass fremde Sache
  2. Zuhause macht X sich der unrechtmässigen Aneignung strafbar aber nicht des Diebstahls, weil das Wegnehmen wegfällt

Thema: Irrtum

22
Q

Aargauer Rocker

  • April 1974: W. und M. trinken in Olten grosse Mengen Alkohol und kommen überein, es müsse noch etwas «laufen».
  • Sie schlagen wahllos Personen nieder. K. stossen sie in die Aare.
  • K. rettet sich schwer verletzt ans Ufer.
  • K. habe sich als widerspenstig erwiesen, W. und M. hätten sich in ihrer “Rockerehre” verletzt gefühlt.

👉 OGer/AG verurteilt beide wegen Gefährdung des Lebens (Art. 129 StGB)
👉 Vor BGer umstritten: Allenfalls gar eventualvorsätzlich versuchte Tötung?

BGE 103 IV 65 – Rockerehre

A

_Art. 111 StBG – Vorsätzliche Tötung_
* Tathandlung: In die Aare stossen
* Taterfolg: Tod ❎
* 👉 Prüfung Versuch

_Versuch:_
* Subjektiver TB bzgl. aller Obj. TB erfüllt, aber nicht alle Obj. TBm gegeben
* Wissen/für möglich halten, dass K. stirbt
* Wollen/in Kauf nehmen, dass er stirbt

  • W. und M. halten es zumindest für möglich, dass K. stirbt
  • W. und M. gehen angetrunken durch die Stadt und greifen wahllos Personen an. Damit zeigen sie, dass sie relativ gleichgültig auf destruction aus sind. Sie hätten wohl nicht wollen, dass K stirbt, aber in dem Moment haben sie es in Kauf genommen.

Lässt sich auch mit der Risikoerhöhungs-Theorie des BGer begründen:
* Je höher das geschaffene Risiko und
* je weniger sich um Risikominderung bemüht,
* desto eher kann auf Eventualvorsatz geschlossen werden.

Das BGer:
«Der Erfolg ist auch dann in Kauf genommen und damit gewollt, wenn der Täter ernsthaft mit dessen Eintritt rechnet und er dennoch handelt, mag ihm dieser Erfolg, für sich allein genommen, auch unerwünscht sein.»

Thema: Eventualvorsatz

23
Q

Gelfingen

  • spontanes Strassenrennen auf Landstrasse
  • mit 140 km/h in Dorf eingefahren
  • 2 Jugendliche auf Trottoir erfasst und getötet

[BGE 130 IV 58]

A

In diesem Fall hat das BGer seine Risiko-Erhöhungs-Theorie entwickelt:

«Je grösser die Wahrscheinlichkeit der Tatbestandsverwirklichung ist und je schwerer die Sorgfaltspflichtverletzung wiegt, desto näher liegt die tatsächliche Schlussfolgerung, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen.»

24
Q

Thema: Notstand

April 2018: Skitourengänger erfrieren auf Weg zur Cabanne des Vignettes am Pigne d’Arolla.
* Hätten sie in die Hütte einbrechen dürfen?

Juli 2020: Tierpflegerin im Zoo wird von Tiger tödlich verletzt
* Hätte sie sich mit einer Waffe zur Wehr setzen dürfen?
* Hätten Kollegen ihr mit Waffengewalt helfen dürfen?

November 2018: Klima-Aktivisten spielen in CS Tennis
* Hausfriedensbruch durch Notstand gerechtfertigt?

A
25
Q

Thema: Schuld

Breivik:
* tötet 77 Menschen
* Manifest gegen Kulturmarxismus etc.
* Gutachten 1: Schwere psychische Störung (sah sich u.A. als nächster Herrscher von Norwegen etc.)
* Gutachten 2: Geistig gesund und damit schuldfähig
* Gericht folgt Ga2: Schuldfähig, 21 Jahre Haft

> Weshalb ist man Ga2 gefolgt?

A
  • Politische Gründe
  • Grausamkeit der Tat ist jedenfalls kein Hinweis
  • Wichtig ist zu sehen, dass in krassen Fällen aber auch Argumente/Überlegungen in das Urteil einfliessen können, die nicht jurisischen Ursprungs sind.
26
Q

Thema: Actio libera in causa

  • B plante Übernachtung bei Freund, weil am Folgetag ein Meeting
  • Alkohol
  • geht zu Bett
  • steht um 01.30 Uhr auf
  • will nach Hause fahren, weil kein Wasser gefunden
  • Unfall mit Sachschaden
  • 3.3 Prom.

[BGE 117 IV 292]

A

Tatbestandsmässigkeit ☑️
Rechtswidrigkeit ☑️

Schuld:
Art. 19 Abs. 1 StGB ( mangelndes Bewusstsein > Schuldunfähig)
Art. 19 Abs. 4 StGB (ALIC):
* Vorsatz bzgl. Herbeiführung der SUF ☑️ (haben sich bewusst betrunken)
* Vorsatz bzgl. späterer Tat ❌ (Tat nicht vorhergesehen, mangels anderweitiger Hinweise auch nicht vorhersehbar)
* Aber Strafbarkeit nach Art. 263 StGB (selbstverschuldete Trunkenheit)

27
Q

Thema: Actio libera in causa

Macht sich gewalttätiger Ehemann, der im Vollrausch immer wieder seine Frau verprügelt, strafbar, wenn er keine Hilfe in Anspruch nimmt?

A

Könnte sich der leichten, evtl. schweren KV schuldig gemacht haben.
Tatbstandsmässigkeit ☑️
Rechtswidrigkeit ☑️

Schuld:
Art. 19 Abs. 1 StGB: SUF
Art. 19 Abs. 4 StGB: ALIC:
* Vorsatz bzgl. Herbeiführung der SUF ☑️
* Vorsatz bzgl. späterer Tat ☑️ (Eventualvorsatz)
Weil nicht das erste mal, hat er es zumindest für möglich gehalten, es sind keine Hinweise ersichtlich, weshalb er es nicht auch in Kauf genommen haben sollte)

Zweite Argumentation möglich: Gar keine Actio libera, weil Alkoholsucht > dann könnte (str) man ihm vorwerfen, dass er seine Sucht nicht behandeln liess

28
Q

Thema: Actio libera in causa

Hat sich der Typ, der in Hangover 1 den anderen Rohypnol (Roofies) in den Trink gab, strafbar gemacht?

A

Etliche Delikte (SB/Diebstahl/Entführung/Hausfriedensbruch/BtmG)
Tatbestandsmässigkeit ☑️
Rechtswidrigkeit ☑️

Schuld:
Bzgl. BtmG ☑️
Weitere:
Art. 19 Abs. 1 StGB: SUF
Art. 19 Abs. 4 (ALIC):
* Vorsatz bzgl. Herbeiführung SUF ☑️
* Vorsatz bzgl. Taten:
* > bestimmte Delikte mind. in Grundzügen vorhergesehen❌
* > Strafbarkeit nach 263 StGB wäre aber noch zu prüfen

29
Q

Blood and Honour

  • Gruppe jugendlicher Rechtsextremer («Blood and Honour»)
  • Hatten von Ska-Konzert in Frauenfeld gehört
  • Trafen sie sich Samstag, 26. April 2003, 21.00 Uhr in einem Restaurant in Marthalen/ZH zu einer Lagebesprechung.
  • Beschluss nach Frauenfeld zu fahren, um «Linke zu vermöbeln»
  • Trugen Militärstiefel, Stahlkappenschuhe
  • A. und B. wollten an jenem Abend ein Ska-Konzert besuchen und waren auf dem Weg zum Bahnhof.
  • Als die Gruppe A. und B. erblickte, bildete sie eine V-Kampfformation über die ganze Strassenbreite, um die beiden an der Flucht zu hindern.
  • X. schlug A. Flasche über den Kopf.
  • Darauf begannen er und die anderen Angreifer, A. und B. mit Fusstritten und Faustschlägen zu traktieren.
  • B. lag bereits nach kurzer Zeit reglos am Boden. A. versuchte immer wieder wegzukriechen.
  • Das stachelte die Angreifer an, ihn bis zur Reglosigkeit zusammenzuschlagen.
  • Sie drückten ihn mit Gewalt zu Boden und erteilten ihm schwere Fusstritte gegen den Kopfbereich.
  • Möglicherweise wegen eines vorbeifahrenden Streifenwagens liessen sie von ihrem Opfer ab.
  • Ohne sofortige medizinische Versorgung wäre A. an seinen Hirnverletzungen gestorben.
  • A. wird lebenslang auf fremde Betreuung angewiesen bleiben.

Strafbarkeit von X. (Anführer)?
* Worin liegt hier die fehlende Vollendung?
* Was ist bzgl. dem Tatentschluss zu Prüfen?

[BGer 6S.418/2006, 21. Februar 2007]

A

Die fehlende Vollendung liegt hier darin, dass - wenn man eine vorsätzliche Tötung prüft - der Erfolg (Tod von A) nicht eingetreten ist.

Tatentschluss:
Wer sehenden Auges mit Stahlkappenschuhen wiederholt gegen den Kopf einer am Boden liegenden Person tritt weiss, dass er diese Person damit töten kann und wenn man dann trotzdem damit weitermacht, kann dem Täter auch unterstellt werden, dass er dir Tötung zumindest in Kauf genommen hat.

30
Q

“Sandro 89”

  • Ab 20. Januar 2003 trat A. mehrfach in Kontakt mit “Sandro 89”, der vorgab, er sei erst 14 Jahre alt.
  • A. strebte Treffen mit “Sandro” an, um sexuelle Handlungen vorzunehmen zu können.
  • Vereinbarte Treffen mit “Sandro” auf den 27. Januar 2003, 14.00 Uhr, beim McDonald’s am Bahnhof Basel.
  • Bis zum Treffen stand er mit Sandro in stetem SMS-Kontakt
  • Am 27. Januar 2003 fuhr A. von Oensingen nach Basel.
  • In der Folge kam es indes zu keinen sexuellen Handlungen mit dem Knaben.
  • A. wurde um 14.10 Uhr vor dem Mc Donald‘s Restaurant am Bahnhof festgenommen.
  • Bei “Sandro” handelte es sich um einen verdeckten Ermittler der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt.

(Vorfrage: Worin iegt hier die fehlende Vollendung?)
Strafbarkeit von A?

[BGE 131 IV 100]

A

Zur Vorfrage: Die fehlende Vollendung liegt hier darin, dass der Täter mit dem Kind keine sexuellen Handlungen vorgenommen hat.

31
Q

Untauglicher Versuch? Ggf. einfacher (22 I) od. qualifizierter (22 II)?

“Sandro89”
* Ab 20. Januar 2003 trat A. mehrfach in Kontakt mit “Sandro 89”, der vorgab, er sei erst 14 Jahre alt.
* A. strebte Treffen mit “Sandro” an, um sexuelle Handlungen vorzunehmen zu können.
* BGE 131 IV 100

Abtreibung mit Senfbädern?
* 1943: Hansrudolf Amsler hat einer Frau empfohlen, ihre Leibesfrucht mit Senfbädern abzutreiben.
* BGE 70 IV 49

“Bahnhofs-Raub”
* B. überfiel Vorstand des Bahnhofs in O. und erbeutete Fr. 904.50 sowie zwei unpersönliche GA (ca. Fr. 8’200.–).
* B. nahm irrtümlich an, der mitgeführte Revolver sei geladen.
* Strafbarkeit nach Art. 140 Ziff. 2 StGB
* BGE 124 IV 97

A

“Sandro89”
* Untauglicher Versuch (untaugliches Tatobjekt)
* Einfach (denn er hat

Abtreibung mit Senf
* Untauglicher Versuch
* Qualifiziert

“Bahnhofs-Raub”
* Untauglicher Versuch
* Einfach