4. Subjektiver Tatbestand Flashcards
Unterscheide
Kausale Handlungslehre
vs
Finale Handlungslehre
Kausale Handlungslehre
Versteht Handlung als vom menschlichen Willen getragene Verursachung einer Veränderung in der Aussenwelt
* Handeln ist Verursachen
* Unrecht = verursachter Erfolg
Finale Handlungslehre
Versteht Handlung als zweckgerichtetes, vom Willen auf ein Ziel hin gesteuertes Geschehen
* Handeln ist Zwecktätigkeit
* Unrecht = verursachter & angestrebter Erfolg
Erkläre die
Parallellwertung in der Laiensphäre
Bezieht sich auf Wissenselement im subjektiven Tatbestand
Täter muss nicht über genaue rechtliche Voraussetzungen der Tatbestände wissen
Beispiele
* Sachbeschädigung: Täter muss bzgl “fremde Sache” nicht genaue Eigentumsverhältnisse kennen. Ausreichend: Dass jmd. anderem gehört.
* Urkundenfälschung: Täter muss nicht genauen Urkundenbegriff kennen. Ausreichend: Ihm ist bewusst, dass er ein rechtserhebliches Dokument fälscht.
Österreich kennt kenien dem Art.13 StGB entsprechenden Tatbestandsirrtum - wieso?
Streng genommen braucht es Art. 13 StGB nicht:
Abs 1 besagt: Prüfung, so wie vorgestellt.
* Ohne Art. 13 Abs. 1 wäre der Vorsatz nicht erfüllt, weil subj TB nicht im obj TB gespiegelt
* Dann Prüfung Versuch des (obj. & subj.) verwirklichten TBs (Versuch wird gleich bestraft, wie Tat)
Zu welchem Zeitpunkt muss der subjektive Tatbestand erfüllt sein sein?
Nur im Zeitpunkt der Tatbegehung
Dh. es gibt keinen dolus subsequens
Bsp. Mantel-Verwechslung: Keine strafbarkeit für Diebstahl, wenn im nachhinein gemerkt, dass fremde bewegliche Sache weggenommen
Wissen bzgl. Kausalverlauf
BGE 130 IV 58
«Bei Delikten, die den Eintritt eines Erfolges erfordern, gehört zur Wissensseite des Vorsatzes eine Vorstellung über den Zusammenhang zwischen dem eigenen Handeln und dem Erfolg.»
- Was man tut
- Was dann passiert
Nenne die wichtigsten
Irrtümer über den Geschehensablauf
- Irrtum über den Kausalverlauf
- Error in persona
- Aberratio ictus
- Dolus generalis
Was umschreibt der
Irrtum über den Kausalverlauf
Täter irrt sich über die Art und Weise, in der es zu dem von ihm gewollten Deliktserfolg kommt
Wie ist folgendes rechtlich zu behandeln?
Irrtum über den Kausalverlauf
Vorsatz entfällt nur (BGer)
* bei wesentlicher Abweichung im Kausalverlauf, also
* bei ausserhalb des nach Erfahrung des Lebens Vorhersehbarem
Hintergedanke: Vorsatz ist Prognose künftigen Geschehens;
* Kausalverlauf ist grdsl. immer ein dynamisches Geschehen und
* Vorsatz deshalb immer mit gewisser Unsicherheit behaftet, weil nicht genau vorhersehbar, wie etwas passiert
Bsp:
* Täter stösst Opfer im Winter von Brücke, um es zu ertränken
* Opfer schlägt Kopf am Brückenpfeiler auf und stirbt
Eigentlich:
* Versuchte Tötung, weil nicht an ertrinken gestorben
* Fahrlässige Tötung, weil Brückenpfeiler
Lösung:
* Dass Opfer beim Fallen igendwo aufschlägt und damit nicht am Ertrinken sondern am Aufprall stirbt, liegt noch im Bereich der allgemeinen Lebenserfahrung
* 👉 unwesentliche Abweichung im Kausalverlauf
* 👉 vorsätzliche Tötung
Was umschreibt der
Dolus Generalis
Täter nimmt zwei Handlungen vor, wobei er irrtümlich davon ausgeht, den deliktischen Erfolg bereits mit der ersten bzw. erst durch zweite Handlung erreicht zu haben.°
👉 BGer dolus generalis auf die gesamte Tötung:
* Wollte töten und hat es schlussendlich auch erreicht.
* Was dazwischen genau war, ist nicht so wichtig.°°
° Bsp: Ehefrau “erschlägt” Mann
* Zur Vertuschung trennt sie vermeintlicher Leiche den Kopf ab
* Problem: “erschlagen” = Versuchte vorsätzliche Tötung / Abtrennen = fahrlässige Tötung
°° Vgl. BGE 109 IV 94:
* Täter wollte Tod des Opfers
* Hat durch seine Handlungen Todesursachen gesetzt
* Mit Verurteilung wegen vollendeten Tötungsdelikts wird ihm kein Erfolg zu Lasten gelegt, der nicht seinem Willen entsprochen hätte.
Im Resultat einleuchtend; strafrechtsdogmatisch nicht überzeugend (im Resultat auch gleiche Bestrafung möglich, zumal Versuch vs. vollendete Tat gleich hoch bestrafbar)
Was umschreibt der
Error in persona
Angriffsobjekt & Verletzungsobjekt zum Zeitpunkt des Handels des Täters identisch. Aber Täter irrt über Identität des Opfers.
Folge:
* Was Täter sich vorher gedacht hat, ist irrelevant
* Objekte gleichwertig: irrelevanter Irrtum
* Obj nicht gleichwertig: Normaler Sachverhaltsirrtum nach Art. 13
Bsp. vorsätzliche Tötung:
* A will B töten, erschiesst aber C
* Art. 111: “eines Menschen” 👉 A will einen Menschen töten, A tötet einen Menschen 👉 Identität des Menschen ist irrelevant
Was umschreibt der
Aberratio ictus
= “fehlgeleiteter Schuss”
Auseinanderfallen von Angriffsobjekt und Verletzungsobjekt zum Zeitpunkt des Handelns. Aufgrund von Umständen, die er nicht beherrscht
Folge:
* Versuch bzgl. nicht getroffenem Angriffsobjekt
* Fahrlässigkeit bzgl. getroffenem Verletzungsobjekt
Bsp. Schwere Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten
* Demonstrant tritt mit Molotov-Cocktail auf Polizei zu und will werfen
* Polizist möchte ihn abhalten, indem er auf ihn schiesst
* Schuss verfehlt Demonstranten und trifft innocent bystander
Unterscheide
Error in persona
vs
Aberratio ictus
Error in persona:
Angriffsobjekt und Verletzungsobjekt sind zum Zeitpunkt des Handels des Täters identisch.
Aberratio ictus:
Angriffsobjekt und Verletzungsobjekt fallen zum Zeitpunkt des Handels auseinander.
Wichtig:
Als Beurteilungszeitpunkt ist ausschliesslich Augenblick der Vornahme der Tathandlung (respektive des Unterlassens, sofern Unterlassungsdelikt) wichtig ist.
Erkläre, ob sich das Wissen auch beziehen muss auf das
Unrecht
M.a.W. ob man bereits beim Vorsatz wissen muss, dass man sich strafbar verhält.
Nein.
vgl. Art. 21 StGB:
“Wer bei Begehung der Tat nicht weiss und nicht wissen kann, dass er sich rechtswidrig verhält, handelt nicht schuldhaft”
Ist rechtspolitischer Entscheid; könnte auch auf Vorsatzebene behandelt werden aber mit erheblichen Folgen:
* Nachbar klingelt spätnachts bei Arzt X weil er Hustensaft braucht
* Genervt gibt X ihm Abführmittel
* X hält es für einen derben, aber rechtlich harmlosen Scherz.
* X könnte sich der Tätlichkeit nach Art. 126 strafbar gemacht haben, indem er dem Nachbarn ein falsches Medikament gab.
Fehlendes Unrechtsbewusstsein:
* Vorsatzproblem? Falls ja, straflosigkeit, weil fahrlässige Tätlichkeit°
* Schuldproblem. Nach Art. 126 StGB strafbar, da vermeidbarer Irrtum°°
° Art. 13 StGB:
* Müsste nach seiner Vorstellung beurteilt werden
* Nur noch, ob bei genügender Sorgfalt vermeidbar
* dh. nach Fahrlässigkeit zu beurteilen
* Fahrlässige Tätlichkeit gibt es nicht
* 👉 straflos
°° Er hat zwar nicht gewusst, dass es strafbar ist, aber er hätte es wissen können. Abhandlung des Unrechtsbewusstseins auf der Schuldebene erweitert also die Strafbarkeit.
Subjektiver Tatbestand: Wie umschreibt das Bundesgericht den
Willen
BGE 130 IV 58
«Neben dem Wissen um die reale Möglichkeit der Tatbestandserfüllung verlangt der Vorsatz auch den Willen, den Tatbestand zu verwirklichen. Der Täter muss sich gegen das rechtlich geschützte Gut entscheiden.»
Subjektiver Tatbestand: Wie umschreibt das Bundesgericht den
Dolus directus 1. Grades
&
Dolus directus 2. Grades
BGE 130 IV 58
Dolus directus 1. Grades
«Dieser Wille ist gegeben, wenn die Verwirklichung des Tatbestandes das eigentliche Handlungsziel des Täters ist oder ihm als eine notwendige Voraussetzung zur Erreichung seines Zieles erscheint.»
Dolus directus 2. Grades
«…Dasselbe gilt, wenn die Verwirklichung des Tatbestandes für den Täter eine notwendige Nebenfolge darstellt, mag sie ihm auch gleichgültig oder gar unerwünscht sein.»