5. Rechtswidrigkeit Flashcards

1
Q

Nach welchen Prinzipien funktioniert die Rechtfertigung?

A
  1. Prinzip des überwiegenden Interesses°
    (Notstand; Wahrung überwiegender Interessen; Pflichtenkollision)
  2. Schutzprinzip°°
    (Notwehr)
  3. Autonomieprinzip°°°
    (Einwilligung)

° Wenn man überwiegende Interessen zulasten weniger schwerwiegenden Interessen wahrt.
°° Wenn man angegriffen wird
°°° Eigenverantwortliches Disponieren über bestimmte Rechtsgüter qua Einwilligung

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2
Q

Nenne

Rechtfertigungsgründe

(unterschieden nach Ort, wo geregelt)

A

Strafgesetzliche
* Notstand (Art.17)
* Notwehr (Art.15)

Ausserstrafgesetzliche (Art. 14)°
* Hausdurchsuchung (StPO 244)
* Beschlagnahme (StPO 263)
* Untersuchungshaft (StPO 221)
* Grundeigentumseingriff (ZGB 701)…

Über-/Aussergesetzliche
* Einwilligung°°
* Mutmassliche Einwilligung
* Wahrung berechtigter Interessen
* Pflichtenkollision°°°

° Zahlenmässig weitaus am häufigsten
°° Praktisch wichtigster bei aussergesetzlichen
°°° ultra posse nemo tenetur

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3
Q

Erkläre die

Struktur des Notstands

[Notstand]

A

Rechtfertigender Notstand ist in Art. 17 StGB geregelt.

Notstandssituation zeichnet sich dadurch aus, dass
* mindestens zwei Güter
* derart miteinander verknüpft sind,
* dass das eine nur durch Verletzung des anderen gerettet werden kann.

Beispiel: Bergsteiger
Bedrohtes Gut (Menschenleben) kann nur auf Kosten der Verletzung eines anderen Guts (Eigentum) gerettet werden.

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4
Q

Nenne die Voraussetzungen

Rechtfertigender Notstand
(Art. 17 StGB)

[Notstand]

A

(Tatbestandsmässige Handlung)

Notstandslage
* Individualrechtsgut (“um ein eigenes oder das Rechtsgut einer anderen Person”
* Gefahr (“Gefahr”)
* Unmittelbarkeit (“unmittelbaren”)

Notstandshandlung (“handelt”)
* Eignung (“abwendbaren”)
* Subsidiarität (“nicht anders”)
* Interessenabwägung (“höherwertige Interessen”)

_________________

Subj. TB:
* Kenntnis der Notlage
* Wille zur Interessenwahrung

Art. 17 StGB – Rechtfertigender Notstand
Wer eine mit Strafe bedrohte Tat begeht, um ein eigenes oder das Rechtsgut einer anderen Person (Individaulrechtsgut) aus einer unmittelbaren (Unmittelbarkeit), nicht anders (Subsidiarität) abwendbaren (Eignung) Gefahr (Gefahr) zu retten, handelt rechtmässig, wenn er dadurch höherwertige Interessen (Interessenabwägung) wahrt.

° Bsp. Bergsteiger: Rettet durch Eindringen sein eigenes Leben (IRG) oder das Leben eines Kollegen

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5
Q

Nenne verschiedene

Notstands-Konstellationen
je nach Gefahrenquelle

[Notstand]

A

1 Naturgefahr: 🌪 Gefahr → 👤
* Handlung: 👤 → 🏠 (👉 Agressiv-Notstand°)

2 Tierangriff: 🐅 Gefahr → 👤
* Handlung: 👤 → 🏠 (Agressiv-Nostrand)
* Handlung: 🐅 ← 👤 (👉 Defensiv-Notstand°°)

3 Menschlicher Angriff: 🔪 Gefahr → 👤
* Handlung: 👤 → 🏠 (Agressiv-Notstand)
* Handlung: 🔪 ← 👤 (👉 Notwehr)

4 Nötigung: 📱 → 👤
* Handlung: 👤 → 💊°°° (Agressiv-Notstand)

5 Individuelle Interessenkollision: 🔥 → 👶 ← 🕸
* Handlung: 👶 ← 🕸 (Notstand)°°°°

° Weil Handlung Täters agressiv gegen Rechtsgüter unbeteiligten Dritten gerichtet

°° Sich wehren gegen Sphäre desjenigen, der für Gefahr verantwortlich ist.

°°° Bsp. Drogenkurriere: Sagen, sie hätten nur geschmuggelt, weil Familie bedroht

°°°° Bsp. Baby aus brennendem Haus in Rettungstuch geworfen
* Feuer bedroht körperl. Unversehrtheit des Kindes
* Wurf aus Fenster bedroht körperl. Unversehrtheit des Kindes

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6
Q

Interessenabwägung
Weshalb müssen Interessen höherwertig sein?

[Notstand]

A

Weil regelmässig Solidarität eines Dritten in Anspruch genommen wird, der mit Notstandslage nichts zu tun hat.

Dritter muss Eingriff in sein Rechtsgut dulden.

Wegen dieser Zumutung ist vorausgesetzt, dass wesentlich überwiegende Interessen gewahrt werden.

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7
Q

Interessenabwägung
Wann sind die Interessen höherwertig?

[Notstand]

A

1 Rang der Rechtsgüter
* Leben ist höherwertig als Eigentum

2 Schwere der Verletzung
* Wenn sich gleich(-rangige) Rechtsgüter gegenüberstehen
* Bsp. Flurschaden durch Löschfahrzeuge
* Abwägung nach Schadenshöhe

3 Nicht: Zahl der Opfer
* Jedes Menschenleben wiegt unendlich schwer

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8
Q

Interessenabwägung
Müssen Interessen immer höherwertig sein, damit Rechtfertigung eintritt?

[Notstand]

A

Nein

Agressiv-Notstand: Rechtfertigung nur bei Höherwertigkeit
* Weil Solidarität eines Dritten in Anspruch genommen

Defensiv-Notstand: Rfg. bei Gleichwertigkeit
* Weil nicht Solidarität erzwungen, sondern Zumutung abgewehrt

Individuelle Interessenkollision: Rfg. bei Gleichwertigkeit
* Weil nicht in Sphäre von Dritten eingegriffen sondern von Betroffenem selbst

Nötigungsnotstand: Rfg. nicht einmal bei Höherwertigkeit
* Weil sonst dem Tatbetroffenen Notwehr/Gegenwehr abgeschnitten wird

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9
Q

Umschreibe die

Wahrung berechtigter Interessen

[Wahrung bererchtiger Interessen]

A

(Übergesetzlicher Rechtfertigungsgrund)

Wahrung allgemeiner Interessen (wichtigster Unterschied zum Notstand, wo Wahrung individueller Interessen)

Nicht Gefahrenabwehr, sondern Ausübung von Freiheitsrechten bzw. das Anstreben sozialerwünschter Zustände.

👉 Die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

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10
Q

Definition der

Wahrung berechtigter Interessen

[WbI]

A

“Wahrung berechtigter Interessen setzt voraus, dass die Tat ein zur Erreichung des berechtigten Ziels notwendiges und angemessenes Mittel ist, sie insoweit den einzig möglichen Weg darstellt und offenkundig weniger schwer wiegt als die Interessen, welche der Täter zu wahren sucht.”

BGE 127 IV 122

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11
Q

Nenne die

Rechtfertigungs-Voraussetzungen der
Wahrung berechtigter Interessen

[gem. BGE 127 IV 122]

A

Tat

Ziel: (“…berechtigten”)
* sozial erwünscht (bsp. Awareness) oder
* (Grund)rechtlich (bsp. Versammlungsfreiheit) geschützt

Mittel
* Eignung (”..notwendiges und angemessenes..”)
* Subsidiarität (”..einzig möglichen Weg..”)
* Proportionalität (”..weniger schwer wiegt, als Interessen, welche Täter zu wahren sucht..”)

BGE 127 IV 122 (Wahrung berechtigter Interessen)
“Wahrung berechtigter Interessen setzt voraus, dass die Tat (Tat) ein zur Erreichung des berechtigten Ziels (Ziel) notwendiges und angemessenes (Eignung) Mittel ist, sie insoweit den einzig möglichen Weg (Subsidiarität) darstellt und offenkundig weniger schwer wiegt als die Interessen, welche der Täter zu wahren sucht. (Proportionalität)”

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12
Q

Definiere die

Notwehr (Art. 15 StGB)

A

Angemessene Abwehr eines gegenwärtigen oder unmittelbar drohenden rechtswidrigen menschlichen Angriffs

Basiert auf dem Prinzip, dass das Recht dem Unrecht nicht weichen muss (stand your ground)

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13
Q

Nenne die Voraussetzungen

Rechtfertigende Notwehr
(Art. 15 StGB)

A

(Tathandlung)

Notwehrlage (Angriff)
* menschlicher Angriff
* Individualrechtsgut (“..jemand..”)
* Gegenwärtig/unmittelbar drohend
* Rechtswidrig (“..ohne Recht..”)

Abwehrhandlung (Opfer/Dritter)°
* Gegen Angreifer
* Subsidiarität Abwehr mittel°°
* Proportionalität°°° (“..Umständen angemessene Weise..”)

Art. 15 Notwehr:
Wird jemand (Individualrechtsgut) ohne Recht (Rechtswidrig) angegriffen oder unmittelbar mit einem Angriff bedroht (Gegenwärtigkeit/Drohend), so ist der Angegriffene und jeder andere berechtigt, den Angriff in einer den Umständen angemessenen Weise abzuwehren.

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14
Q

Nenne und Erläutere die

Notwehrlage als Voraussetzung gem. Art. 15 StGB

A

1. Menschlicher Angriff

2. Gegen Individualrechtsgut

3. Gegenwärtig/unmittelbar drohend
* keine Präventivnotwehr
* keine Rache

4. Rechtswidrig
* Keine Notwehr gegen Notwehrende
* Keine Notwehr bei rechtfertigendem Notstand
* Notwehr bei entschuldigendem Notstand

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15
Q

Nenne und Erläutere die

Anforderungen an die Abwehrhandlung gem. Art. 15 StGB

A

1. Gegen Angreifer
* Abwehr durch Eingriff in Rechtsgüter von Angreifer
* Angegriffene darf Angriff abwehren
* Jeder Dritte darf Angriff auf Angegriffene abwehren (Notwehrhilfe)

2. Subsidiarität Abwehrmittel
* Keine Pflicht, vor Angreifer zurückzuweichen
* Sog. Stand your Ground

3. Proportionalität (“..Umständen angemessene Weise..”)
* Interessen müssen aber nicht höherwertig sein (vs. Notstand)°
* Auch Eingriff in höher wiegende Rechtsgüter kann gerechtfertigt sein
* Dh. Hürde zur Unangemessenheit hoch°°

° Grund: Bei der Notwehr gilt Schutzprinzip
°° Bloss bei kompletter Disproportionalität Rechtsgüter & Schwere des Eingriffs (bspw. BGE 107 IV 12; Wechselstube; Dieb flüchtet mit 2 Jahresgehältern, Schuss in Beine 👉 proportional)

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16
Q

Erkläre & Erläutere die

Putativnotwehr

A

Irrige Annahme einer Notwehrsituation°

Art. 13 StGB (Sachverhaltsirrtum) ist anwendbar
Dh. Täter ist zu seinen Gunsten so zu stellen, wie das, was er sich vorgestellt hat.

👉 Täter handelt nicht rechtswidrig°°

° Dh. eines unmittelbaren menschlichen Angriffs
°° Dem Problem, dass irrtümlich Angegriffener sich konsequenterweise seinerseits nicht mehr rechtmässig wehren dürfte könnte damit begegnet werden, dass bei diesem wiederum eine Putativnotwehr angenommern werden könnte.

17
Q

Nenne

Einschränkungen des Notwehrrechts

A

Provozierter Angriff°
👉 Kein Notwehrrecht
(Rechtmissbrauch)

Verschuldeter Angriff
👉 Einschränkung Notwehrrecht
(Mitverantwortung)

Angriff Schuldunfähiger°°

👉 Einschränkung Notwehrrecht
(Rechtsbewährung. gering)

° Fälle sind selten
°° Kinder / psych. Beeinträchtigte

18
Q

Erkläre das

Autonomieprinzip

A

Basis für rechtfertigende Einwilligung
Volenti non fit iniuria
Rechtsgüterschutz ist Freiheitsschutz°

° Freiverantwortliche Disponierung über die eigenen Rechtsgüter

19
Q

Nenne die Voraussetzungen der rechtfertigenden

Einwilligung

A

Verfügungsbefugnis°

Eigenverantwortlichkeit

Erklärung

Subj.: Kenntnis der Einwilligung / Wille, Autonomiezu wahren

° dh. Person muss überhaupt befugt sein, über das tangierte Rechtsgut zu verfügen

20
Q

Erkläre das Kriterium der

Verfügungsbefugnis

[Einwilligung]

A

1. Individualrechtsgut
* Einwilligender kann nur über Güter disponieren, die ihm zustehen (Körper/Vermögen/Freiheit etc.)
* Nicht: Güter der Allgemeinheit°

2. Schranken
* Leben (dh. man kann nicht in eigene Tötung einwilligen)
* sKV (wenn sinnlos)°°
* Allgemeingüter

° Bspw. Bauer, der Sodermüll auf seinem Acker erlaubt gefährdet auch öff. Gesundheit
°° Gem. BGer & h.L. kann nicht in sinnlose sKV eingewilligt werden.

21
Q

Wann ist eine Einwilligung

eigenverantwortlich ?

[Einwilligung]

A

Wenn sich eine urteilsfähige Person im besitze aller notwendiger Informationen frei dafür entscheidet.

Urteilsfähigkeit
* vgl. Art. 16 ZGB
* nicht nötig: Mündigkeit (BGE 134 II 235)

Aufklärung
* informed consent

keine Willensmängel
* Klar: Drohung / Zwang°
* Täuschung: str.; mögl. Kriterium: Arglist

° Wichtig zu unterscheiden aber: Zwang (der Einwilligung ungültig macht) von der Zwangslage (welche Einwilligung noch nicht zwingend ungültig macht)

22
Q

Nenne die formellen Voraussetzungen der

Erklärung der Einwilligung

A

Ex Ante
* Nachträgliche Billigung hebt Strafbarkeit der Tat nicht auf; dh. wirkt nicht rechtfertigend

kein Widerruf
* Einwilligung ist jederzeit widerrufbar

Form
* grdsl. ist Einwilligung formfrei gültig
* ggf. Einhaltung von Formvorschriften

23
Q

Um welche Sachverhalte geht es bei Fällen der

mutmasslichen Einwilligung

A

Fälle, wo Einwilligung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann

Fallkonstellationen:
1. Notfallbluttransfusion bei Bewusstlosem
2. Notfallbluttransfusion bei bewusstl. Zeuge Jehova
3. Mit Velo abwesenden Freundes zum HB

24
Q

Wann ist eine rechtfertigende

mutmassliche Einwilligung?

A

Verfügungsbefugnis
* Individualrechtsgut
* Schranke: Leben/sKV
* Entscheidungszwang

Betroffener
* Entscheidungsunfähig (dauernd/vorübergehend)
* Subjektiv in seinem Sinne (mutm. gewünscht)
* In dessen objektiven Interesse

25
Q

Wann ist jmd.

Entscheidunfähig

A

Bewusstlos (vorübergehend)
Demenz/Koma (dauernd)
Abwesenheit

26
Q

Nenne die Voraussetzungen der

Stellvertretende Einwilligung

A

Verfügungsbefugnis
* Individualrechtsgut
* Schranken

Vertreter
* Zuständig
* Entscheidungszwang
* Aufklärung (damit informed consent)
* Erklärung (formfrei/ ex ante)

Vertretener
* Urteilsunfähig
* Subjektiv in seinem Sinne (u/o)
* In seinem objektiven Interesse

27
Q

Wie kann Abgewogen werden zwischen

Objektivem Interesse
vs
subjektivem (mutm.) Wille

A

Je weniger im objektiven Interesse, desto eher muss es im (mutm.) subjektiven Wille der betroffenen Person sein.

28
Q

Erläutere den Rechtfertigungsgrund der

gesetzlich erlaubten Handlung

A

Art. 14 StGB

Wer tut, was das (bzw. ein) Gesetz gebietet, handelt nicht strafrechtswidrig.
(dh. immer Art. 14 i.V.m.)