Paar- und Familientherapie Flashcards
Geschichte und Stand Paar- und Familientherapie
• Ab den 30er Jahren in den USA Behandlung von Patient:innen und deren Familien
• Integration von systemtheoretischen und kommunikationswissenschaftlichen
Ansätzen
ØEntwicklung der Familientherapie als neuem Ansatz ØPaartherapie als Variante der Familientherapie
• Marital/Couple Family Therapy (MFT/CFT) wissenschaftlich anerkannt in vielen Ländern
• In Deutschland: systemische, psychodynamische und verhaltenstherapeutische Paar- und Familientherapie, aber wenig Anwendung in der Versorgung
Paar- / Familientherapie def
„Ein psychotherapeutischer Ansatz mit dem Ziel Interaktionen zwischen Partnern, Familienmitgliedern, oder zwischen einer Familie und anderen interpersonellen Systemen zu verändern und dadurch Probleme einzelner Familienmitglieder, von Familiensubsystemen oder der Gesamtfamilie zu lindern (vgl. Schreib & Wirsching, 2004, S. 3).“
Systemische Therapie
„Ein psychotherapeutisches Verfahren, dessen Fokus auf dem sozialen Kontext psychischer Störungen liegt und das zusätzlich zu einem oder mehreren Patienten („Indexpatienten“) weitere Mitglieder des für den Patienten bedeutsamen sozialen Systems einbezieht und/oder fokussiert ist auf die Interaktionen zwischen Familienmitgliedern und deren sozialer Umwelt.“
Ø Zirkuläre Wechselwirkungsprozesse auf intrapsychischer, biologisch- somatischer und interpersoneller Ebene (WBP, 2009; Sydow et al., 2007a, S. 15)
Ø Als Einzel-, Paar-, Familien-, Gruppen- oder Multi-Familien-/Paar-Gruppen- Therapie möglich
Psychodynamische Paar- /Familientherapie
- (unbewusste) Konflikte, Delegationen (Aufträge) und Traumatisierungen werden von Generation zu Generation weitergegeben: Mehrgenerationenperspektive
- Intrapsychische Aspekte, wie z.B. Abwehrprozesse sind bedeutsam
- Fokus liegt sowohl auf der psychischen Situation einzelner als auch auf den realen Beziehungen der Betroffenen
- Ziel ist die gesteigerte Einsicht, eine Verbesserung der realen Beziehungen und der Symptomatik (Reich et al., 2007; Sydow & Seiferth, 2015)
Bindungs- Mehrgenerationenperspektive
• Verknüpfung von systemischen und psychodynamischen Konzepten
• Enger Bezug zur Bindungstheorie
• Klinische Probleme als
Ø ungelöste familiäre Vermächtnisse und Loyalitäten,
Ø unzureichende Differenzierung,
Ø überfordernde familiäre Delegationen,
Ø unausgeglichene Schuld- und Verdienstkonten zwischen Individuen und Generationen (Boszormenyi-Nagy & Spark, 2006)
• „ererbte Traumata“ = implizite und unbewusste Transmission von Traumata an die nächste Generation
• “Parentifizierung“ = Kinder werden unbemerkt Tröster und Hilfstherapeuten von psychisch überlasteten Eltern
• „ererbte Traumata“ =
implizite und unbewusste Transmission von Traumata an die nächste Generation
• “Parentifizierung“ =
Kinder werden unbemerkt Tröster und Hilfstherapeuten von psychisch überlasteten Eltern
Psychodynamische Familientherapie
Foki
„tiefere“ Störungen und ihre Wurzeln in der frühen Kindheit
• Ursache-Wirkungs- Zusammenhänge
• eher pathologische Aspekte
Foki Systemische Familientherapie
- Aktuelle Probleme und ihre Vernetztheit mit der (sozialen) Umwelt
- zirkuläre Wechselwirkungen
- eher Ressourcen
Psychodynamische Familientherapie
Stellenwert unbewusster Motive
Stärkere Beachtung
Stellenwert unbewusster Motive Systemische Familientherapie
Geringere Beachtung
Zeitorientierung Psychodynamische Familientherapie
Eher Vergangenheit
Zeitorientierung Systemische Familientherapie
Eher Gegenwarts-/ Zukunftsorienierung
Sozioökonomischer und kultureller Kontext Psychodynamische Familientherapie
Geringere Betrachtung
Sozioökonomischer und kultureller Kontext Systemische Familientherapie
Starke Betrachtung
Psychodynamische Familientherapie
Therapieziele
Nicht immer explizit Konkrete,
Therapieziele Systemische Familientherapie
explizite vereinbart Therapieziele
Psychodynamische Familientherapie Ziel
Tiefgreifender Persönlichkeitswandel
Systemische Familientherapie Ziel
Kleine, strategisch wichtige Veränderungen
Psychodynamische Familientherapie Vorgehen
„Durcharbeiten“
Systemische Familientherapie Vorgehen
Anstoßen/ neue Impulse geben und auf die
Selbstregulation des Systems vertrauen
Psychodynamische Familientherapie Umgang mit „Widerstand“
Deutung des Widerstands
Systemische Familientherapie Umgang mit „Widerstand“
„Nutzung“ des Widerstands
Psychodynamische Familientherapie Frequenz
Höherfrequenter
Systemische Familientherapie Frequenz
niederfrequenter
Systemisch-integrativer Konsens
- Jeder Mensch steht in Wechselbeziehung zu seiner Umwelt: gesundes und gestörtes Verhalten und Erleben ist geprägt vom sozialen Umfeld und wirkt auf dieses
- Wiederkehrende Beziehungserfahrungen werden verinnerlicht und prägen das zukünftige Beziehungsverhalten („Bindungstheorie“)
- In allen länger dauernden Beziehungen entwickeln sich dauerhafte, sich verfestigende Interaktionsmuster (z.B. „Teufelskreise“), Muster entstehen unabsichtlich
- Beachtung von Machtunterschieden (z.B. zwischen Kindern und Eltern) sowie sozioökonomische, historische, kulturelle Kontexte
Therapeutische Grundhaltung paar und Familientherapie
• “Allparteilichkeit“ bzw. wechselnde Parteilichkeit und Respekt ggü. allen relevanten Personen sowie „beidäugiges Sehen“, das auf Stärken und Schwächen aller Beteiligten achtet
• Exploration des biopsychosozialen Kontexts und Herausarbeiten der zirkulären Wechselbeziehungen
• Bemühen um gute Kooperationsbeziehungen zu allen Beteiligten
• „Sprache der Veränderung“ um neue Handlungsspielräume zu eröffnen
• Festschreien alter problematischer Gewissheiten vermeiden
•
• Kollaborative Entwicklung
• Teamarbeit, Notizen und Pausen im Gespräch
Selbsterfahrung und kontinuierliche Supervision
Interventionen paar und Familientherapie
- Veränderung familiärer Strukturen und Interaktionsmuster
- Systemische Fragen
- Genogramm
- Familienskulptur
- Positives Umdeuten (“Reframing“)
- Veränderung familiärer Strukturen und Interaktionsmuster
• Analyse der familiären Interaktionsmuster
• Interventionen:
Ø mögliche Bedeutungen von Verhalten bewusst mache Ø konfrontieren
Ø handelnd eingreifen
Mutter mit ihrer 9-jährigen Tochter auf dem Schoß, verdeckt mit der Hand ihr Gesicht und sagt „Sie ist ja so schüchtern und traut sich nichts zu.“
Ø “Wie fühlen Sie sich da, wo sie gerade sitzen?“
Ø „Sie scheinen ihr Sprachrohr zu sein.“
Ø „Setz Dich doch mal auf den Stuhl am anderen Ende des Tisches.“
2.Systemische Fragen
- Triadische/ zirkuläre Fragen: mehr über Interaktionsabläufe und Beziehungsmuster erfahren
- Hypothetische Fragen: „Wunder- oder Feenfragen“ zum Erkennen psychosozialer Zusammenhänge
- Fragen zur „Verflüssigung“ von Eigenschaften: zum Auflösen starrer Eigenschaftsbegriffe, Fragen nach dem KontextBeispiel:
Ø „Frau Müller, wie reagiert Ihr Mann denn auf das Schuleschwänzen Ihres Sohnes?“
Ø „Was würde passieren, wenn ein Wunder passiert und Ihre Krankheit über Nacht verschwunden wäre?“
Genogramm
- Graphische Darstellung von Familienereignissen und Daten, ähnlich wie ein Stammbaum
- Daten aller Familienangehörigen über mind. 3 Generationen
- Geburtstag-, Todesdaten, Berufe, Religion, Beginn/ Ende Partnerschaften…
- Familienskulptur
Symbolisch-metaphorische Darstellung emotionaler Bindungen und hierarchischer Strukturen in der Familie
• Ermöglicht Abbildung impliziter Bindungs- und Beziehungsmuster
• Gegenwärtige und vergangene Situationen verschiedener Familienmitglieder
• Ideal- und Zukunftsvorstellungen von besonderem Interesse
Positives Umdeuten (“Reframing“)
• Problemverhalten wird positiv und sinnvoll gedeutet, in einen anderen Rahmen gesetzt
Indikation paar und Familientherapie
- Störung betrifft mehr als einen Menschen
- Ein oder mehrere Personen wünscht Einbeziehung des Partners
- Starke Abhängigkeit einer Person mit Symptomen von einer anderen (z.B. Kinder)
- Wechselwirkungen zwischen partnerschaftlichen/familiären Interaktionen und Krankheitsgeschehen
- Aktivierung familiärer Ressourcen
Kontraindikation paar und Familientherapie
- Unerwünschte Wirkungen im Verlauf, Therapiezielerreichung wird verhindert
- Indexpatient:in und/oder Familie/ Paar lehnt Therapie ab
- Schwere kognitive Beeinträchtigung einer Person
- Gefahr von Gewalttätigen Eskalationen, Beschimpfungen, Retraumatisierungen