M2 E3 Flashcards

1
Q

Beschreibe kurz die dimensionale und semantische Analyse, die einer deskriptiven Untersuchung vorausgehen.

A

Geht es bei einem Forschungsvorhaben in erster Linie um die beschreibende Diagnose eines Sachverhalts (deskriptive Untersuchung), so wird sich der Blick zunächst auf die empirische Struktur des Realitätsausschnitts richten, über den Daten erhoben werden sollen. Hierüber werden möglichst umfassend diejenigen Informationen zusammengetragen, die bereits existieren. Auf der Grundlage dieser – zunächst mehr oder weniger unstrukturierten – Informationssammlung filtert man die Aspekte („Dimensionen“) des empirischen Untersuchungsgegenstands heraus, die für die aktuelle Fragestellung besonders bedeutsam erscheinen. Dieser Arbeitsabschnitt wird im Folgenden als „dimensionale Analyse des Untersuchungsgegenstandes“ (oder kurz „Dimensionsanalyse“) bezeichnet.
Anschließend sind die geeigneten sprachlichen Symbole (objektsprachliche Begriffe) zu wählen, die den Untersuchungsgegenstand in der als problemangemessen erkannten Differenzierung – d.h. kontrolliert selektiv – abzubilden und kommunikativ zu vermitteln erlauben. Um zugleich sicherzustellen, dass die erzielten Forschungsresultate nicht lediglich einen bestehenden Datenfriedhof vergrößern, sollten die verwendeten objektsprachlichen Begriffe dennoch „theoretisch relevant“ sein (darauf wird an späterer Stelle noch weiter eingegangen; vgl. auch Abschnitt 1.3.5: „deskriptives Schema“).

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2
Q

Beschreibe die dimensionale und semantische Analyse, die einer empirischen Überprüfung vorausgehen.

A

Ist demgegenüber die empirische Überprüfung einer Theorie oder von Theorieteilen (Hypothesen) das Ziel einer Untersuchung, so enthalten die zu testenden Hypothesen bereits explizite Behauptungen über die Struktur des empirischen Untersuchungsgegenstands. Das heißt: Überlegungen darüber, wie der Gegenstand beschaffen ist, über den Daten erhoben werden sollen, sowie welche seiner Aspekte untersuchungsrelevant sind und welche nicht, brauchen hier nicht am Anfang der Phase der „Konzeptspezifikation“ zu stehen; denn die Art und Richtung der Selektion wird bereits durch die Hypothesen vorgegeben. Auch die verwendeten sprachlichen Zeichen (Begriffe) sind in den Formulierungen der Hypothesen bereits festgelegt. Da jedoch Begriffe nicht immer und von jedem eindeutig und einheitlich verwendet werden, wird es in diesem Fall (d.h. bei hypothesentestender Forschung) einer der ersten Arbeitsschritte sein müssen, die Bedeutung der in den Hypothesen verwendeten Begriffe zu klären. Es ist also zu prüfen, was der Autor der Theorie oder der Hypothesen über die empirische Realität präzise behauptet; es ist zu erschließen, was mit den verwendeten Begriffen im Detail gemeint ist.
Nicht nur dies: Im Falle hypothesentestender Forschung hat es der Empiriker mit sog. „theoretischen“ (oder theoriesprachlichen) Begriffen zu tun, das heißt mit Begriffen, die bewusst so allgemein und abstrahierend gehalten sind, dass sie üblicherweise mehr als eine eng abgrenzbare Menge konkreter Ereignisse umgreifen (bitte lesen Sie ggf. noch einmal Abschnitt 2.4.2). In diesem Falle muss festgelegt werden, welches die konkreten empirischen Beziehungen und Sachverhalte sein sollen, auf die die theoretische Aussage anzuwenden sei. Mit anderen Worten: Aus der (allgemeinen) Theorie sind unter Einhaltung logischer Regeln (durch Deduktion) spezifische Hypothesen für spezifische Sachverhalte abzuleiten. Hierzu ist es in aller Regel notwendig, die in der Theorie verwendeten „theoretischen Begriffe“ oder Konstrukte zu spezifizieren und „empirisch zu interpretieren“, d.h. ihren Bedeutungsgehalt für die konkrete Untersuchungssituation festzulegen. Für die dann angesprochenen spezifischen Sachverhalte soll sich die (allgemeine) Theorie „bewähren“. Jede denkmögliche empirische Situation, die von der Theorie ausgeschlossen wird, ist ein „potentieller Falsifikator“ dieser Theorie. Die Aufgabe der Festlegung der zwecks Hypothesentests zu untersuchenden konkreten empirischen Beziehungen und Sachverhalte bedeutet also: aus der Gesamtheit der potentiellen Falsifikatoren einer Hypothese (bzw. Theorie) eine Auswahl zu treffen.4
Dieser Arbeitsabschnitt der Erschließung der Bedeutung von Begriffen (der Rekonstruktion ihrer „semantischen Regeln“, aber auch der „empirischen Interpretation“ theoretischer Begriffe) wird im Folgenden als „semantische Analyse“ bezeichnet. Erst danach kann endgültig entschieden werden, über welche empirischen Gegebenheiten Daten zu sammeln sind.
. 4 Es sei daran erinnert, dass dieser Konfrontation der Theorie mit Beobachtungsdaten drei andere Prüfungsdurchgänge voranzugehen haben (vgl. Abschnitt 1.3.2): 1. der logische Vergleich der Folgerungen (der abgeleiteten Hypothesen) untereinander, d.h. die Suche nach internen Widersprüchen, 2. die logische Analyse der Theorie auf ihren empirischen Gehalt, 3. der Vergleich mit alternativen Theorien (Popper 1971; Opp 1976, Kapitel VIII).

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3
Q

Was ist beiden Ausgangssituationen (beschreibende Diagnose, Theorietest) gemeinsam?

A

Gemeinsam ist beiden Ausgangssituationen (beschreibende Diagnose, Theorietest) die Notwendigkeit, die empirische Wirklichkeit mit Begriffen zu verknüpfen; also entweder relevante Dimensionen der zu untersuchenden Realität mit Begriffen zu bezeichnen oder umgekehrt – von theoretischen Begriffen ausgehend – die Begriffe mit konkreten Aspekten der Wirklichkeit in Beziehung zu setzen, d.h. anzugeben, welche Aspekte der Realität im konkreten Untersuchungsfall unter den Begriff subsumiert werden sollen. Die Begriffe sind – mit anderen Worten – so zu wählen und ggf. zu definieren, dass eine Korrespondenz zwischen empirischen Sachverhalten und sprachlichen Zeichen hergestellt ist.
Häufig werden die in Frage kommenden Begriffe in der alltäglichen und/oder wissenschaftlichen Sprache nicht genau den Bedeutungsgehalt haben, der für den konkreten Untersuchungsfall zweckmäßig ist. In diesem Fall werden präzisierende und/oder einschränkende Definitionen notwendig, in denen nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten die sprachlichen Zeichen auf damit gemeinte Aspekte der Realität („Referenzobjekte“) bezogen werden. Der Definition hat also entweder eine dimensionale Analyse des Gegenstandsbereichs voranzugehen (bei deskriptiven Untersuchungen), oder der für die Untersuchung geltenden Definition hat eine semantische Analyse der in den Hypothesen vorkommenden Begriffe voranzugehen.
Dadurch wird nicht nur sichergestellt, dass intersubjektive Klarheit über die Bedeutung der verwendeten Begriffe besteht, sondern auch, dass die Begriffe empirischen Bezug haben. In der Erfahrungswissenschaft folgt auf diese semantische Klärung noch als weiterer Schritt die Verknüpfung von Begriffen mit empirischen Sachverhalten, und zwar in einer Weise, dass durch Forschungsoperationen (also durch Beobachtung, Befragung, Inhaltsanalyse usw.) entscheidbar wird, ob der gemeinte Sachverhalt in der Realität vorliegt oder nicht. Dies nennt man Operationalisierung (manchmal auch operationale Definition, Referition).

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4
Q

Erläutere die Ausdrücke „Begriffe“ und „Dimensionen“!

A

Beide beziehen sich aufeinander; und zwar soll – nach Zetterberg (1973) – unter Dimension (der Realität) eine „Eigenschaft der Wirklichkeit“ (also des zu untersuchenden Gegenstandsbereichs) verstanden werden. Begriffe dagegen sind Bestandteil der Sprache, mit denen der Gegenstandsbereich „besprochen“, bezeichnet wird. Man kann für die gleiche Dimension der Realität verschiedene Begriffe prägen (Synonyme wie Automobil oder Kraftfahrzeug oder Auto oder Kfz). Man kann auch für unterschiedliche Gegenstände der Realität den gleichen Begriff benutzen (Homonyme, Homogramme, z.B. „Hahn“, wobei sich erst aus dem Kontext ergibt, ob der Hahn auf dem Hühnerhof oder der an der Wasserleitung gemeint ist).

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5
Q

Fasse die Gedanken zur dimensionalen Analyse in der deskriptiven und hypothesentestenden Forschung zusammen!

A

Bei deskriptiver Aufgabenstellung wird es die erste Aufgabe des Forschers sein, die nach der Fragestellung zu erfassenden Dimensionen der Wirklichkeit festzulegen und abzugrenzen. Wenn dies auf der gedanklichen Ebene geschehen ist – zugegebenermaßen eine Abstraktion –, dann muss der Forscher dazu die geeigneten deskriptiven Kategorien definieren. Diesen gesamten Vorgang nannte Zetterberg „dimensionale Analyse“.6 Als Resultat der Verknüfpung mit geeigneten Begriffen erhalten wir das „deskriptive Schema“ des Untersuchungsgegenstands.
6 „In der modernen soziologischen Theorie richtete sich die Aufmerksamkeit in starkem Maße auf die Entwicklung von Definitionen deskriptiver Kategorien (Taxonomien). Wir wollen dies dimensionale Analyse nennen.” (Zetterberg 1973, 105).

Ziel der dimensionalen Analyse bei sozialwissenschaftlichen Forschungen ist also die Aufstellung eines Modells der für die empirische Studie relevanten Dimensionen des Untersuchungsgegenstands und die Zuordnung geeigneter Begriffe der. Dieses Dimensions- und Begriffssystem ist der Orientierungsrahmen bei deskriptiver Forschung. Das (den Untersuchungsdimensionen zugeordnete) Begriffssystem soll aber zugleich „theoretisch relevant“ sein, damit die Ergebnisse zur Theoriebildung und -fortentwicklung verwendet werden können.
Dieses Zusammenbringen von Objektbereich und Sprache ist jedoch nicht lediglich bei deskriptiver Forschung ein zentraler Arbeitsschritt; er ist ebenso unabdingbar bei hypothesentestenden Untersuchungen. Der ins Auge springende Unterschied ist (lediglich) der entgegengesetzte Startpunkt dieses Bemühens: Hypothesentestende Forschung hat von Begriffen auszugehen, die bereits in ihrem jeweils theoretischen Zusammenhang festgelegt worden sind und deren spezifische Bedeutung im gegebenen (Hypothesen-)Kontext zunächst zu klären ist. D.h. am Anfang steht die Notwendigkeit einer präzisen semantischen Analyse: Die Begriffe werden in ihre Bedeutungskomponenten zerlegt; es wird festgestellt, welche Bedeutungsdimensionen der theoretische Begriff anspricht. Dieser semantischen Klärung hat sodann die „empirische Interpretation“ zu folgen; anders formuliert: Es ist zu explizieren, auf welche Dimensionen des Objektbereichs sich die Bedeutungsdimensionen des Begriffs konkret beziehen (sollen).

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6
Q

Was ist nun mit dem zuletzt so häufig benutzten Begriff „Dimension“ praktisch gemeint (und zwar gleichgültig, ob „Bedeutungsdimension“ oder „Dimension der Wirklichkeit“)?

A

Als Beispiel möge der Begriff „individuelle Lebensqualität“ dienen. Mit ihm wird ein empirischer Sachverhalt bezeichnet, der u. a. dadurch charakterisiert ist, dass er nicht nur einen einzigen Aspekt hat, dass er also nicht „eindimensional“, sondern „mehrdimensional“ ist. Richten Sie jetzt Ihre Überlegungen nicht auf das sprachliche Zeichen, den Begriff „Lebensqualität“, sondern auf den gemeinten realen Sachverhalt. Dieser setzt sich nach übereinstimmender Vorstellung aus einer Vielzahl von Teilaspekten (eben: „Dimensionen“) zusammen, die sehr unterschiedlich ausgeprägt sein können: Umweltqualität insgesamt, Wohnumwelt, Wohnung, Konsummöglichkeiten, Freizeit, Berufsund Arbeitssituation, Familiensituation und noch manches mehr. Alles dies sind „Dimensionen der Lebensqualität“, Aspekte der Realität, an denen wir unterscheiden (können), ob die Lebensqualität „hoch“ oder „niedrig“ ist, genauer: ob die Lebensqualität als hoch oder niedrig gelten soll. Noch einmal: Auch wenn wir an dieser Stelle zur Wiedergabe unserer gedanklichen Strukturierung des Sachverhalts Lebensqualität sprachliche Zeichen verwenden müssen (wie „Umweltqualität“ oder „Wohnung“) – Ihre Denkarbeit sollte sich im Moment auf die Ebene der empirischen Sachverhalte (nicht der Begriffe) richten.
Nehmen wir von den aufgezählten Dimensionen eine heraus: die Familiensituation. Auch hiermit ist wieder ein empirischer Sachverhalt gemeint, der nicht eindimensional ist. Wiederum kann man verschiedene Aspekte unterscheiden: Grad der emotionalen Sicherheit (z.B. Konfliktfreiheit, Familiengebundenheit der Kinder usw.), materielle Sicherheit, Familienzyklus und einiges mehr. Auch von diesen „Unterdimensionen“ sei eine herausgegriffen: Familienoder Lebenszyklus. Erneut bezeichnet dies einen empirischen Sachverhalt, der offensichtlich nicht eindimensional ist; denn darunter wird eine Kombination der Merkmale Alter, Familienstand, Kinder im Haushalt verstanden. Beispielsweise fassen die Merkmalskombinationen „jung/verheiratet/kinderlos“ zur Vorstellung „Familie im Gründungsstadium“ und „alt/verheiratet/Kinder nicht mehr im Haushalt der Eltern“ zur Vorstellung „reduzierte Familie“ zusammen.
Erst die Teilaspekte, aus denen sich entsprechend diesem Konzept der „Familienzyklus“ zusammensetzt – Alter, Familienstand, Kinder im Haushalt –, sind „eindimensional“: Jeder dieser Teilaspekte kann auf einer einfachen Skala abgebildet werden: Altersangabe in Jahren, Familienstand auf einer Nominalskala (ledig, verheiratet, geschieden etc.) und Kinder im Haushalt in natürlichen Zahlen.
Unter „Dimensionen“ sind also diejenigen Merkmale zu verstehen, nach denen empirische Sachverhalte unterschieden werden können. Je nach Fragestellung kann diese dimensionale Unterscheidung weit vorangetrieben werden (im Beispielsfall etwa bis hin zu Individualmerkmalen wie Alter, Familienstand, Kinderzahl), oder man wird sich auf einer höheren Abstraktionsstufe bewegen (z.B. wenn Dimensionen der Lebensqualität in verschiedenen Regionen zu untersuchen sind). Bitte beachten Sie jedoch: Mit „Dimensionen“ sind nicht die Merkmalsausprägungen gemeint wie „67 Jahre alt“ oder „verheiratet“, mit denen man eine einzelne Person charakterisiert, sondern gemeint ist immer das ganze Spektrum möglicher Ausprägungen eines Merkmals (hier eben: Alter und Familienstand).
Auf derjenigen Ebene, bis zu der die dimensionale Unterscheidung „gedanklich“ vorangetrieben wird, setzt der Forscher für die zu unterscheidenden Dimensionen Begriffe ein, die zu definieren und für die gegebenenfalls Indikatoren festzulegen sind.

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7
Q

Beschreibe noch einmal in wenigen Worten den Unterschied zwischen der dimensionalen Analyse des Gegenstandsbereichs und der semantischen Analyse von Begriffen.

A

Richten wir den Blick bei unseren Bemühungen um gedankliche Strukturierung (wie im obigen Beispiel) auf den empirischen Gegenstand, dessen Details wir ergründen und ordnen wollen, dann handelt es sich um eine dimensionale Analyse des Gegenstandsbereichs. Setzen wir uns dagegen mit der Frage auseinander, welche Bedeutungen sprachlichen Zeichen zugeschrieben werden (sollen), dann bemühen wir uns um eine semantische Analyse von Begriffen (oder: eine Analyse der Bedeutungsdimensionen von Begriffen).
Um auf unser Beispiel zurückzukommen: Bei einer semantischen Analyse des Begriffs „Lebensqualität“ würde unsere Frage nicht lauten, aus welchen Aspekten sich der „Sachverhalt Lebensqualität“ zusammensetzt, sondern was Personen meinen, wenn sie von „Lebensqualität“ reden.
Die geforderte Unterscheidung zwischen der dimensionalen Analyse eines empirischen Gegenstandsbereichs und der semantischen Analyse von Begriffen fällt – wie bereits angemerkt – manchen Studierenden anfangs schwer; denn beides kann nur sprachlich kommuniziert werden. Vielleicht hilft hier eine Unterscheidung nach der Art der verwendeten Sprache: Begriffe, mit denen wir Sachverhalte, Ereignisse (allgemeiner: Objekte) bezeichnen, gehören zur Objektsprache; Aussagen, die wir über die sprachlichen Zeichen treffen, gehören zur Metasprache. Das bedeutet dann: Als Resultat einer dimensionalen Analyse erhalten wir objektsprachliche Aussagen; das Resultat einer semantischen Analyse formulieren wir in einer Metasprache. Und vielleicht hilft auch ein Satz weiter, den ich bei Wienold (2000, 147) gefunden habe: „Das Bild eines Hundes bellt nicht.“

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8
Q

Aufgabe: Lese für eine dimensionale Analyse Kapitel 3.2.!

Erledigt und verstanden. (Material ist nicht in BS!)

A

OK

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9
Q

Aufgabe: Lese für eine semantische Analyse Kapitel 3.3.!

Erledigt und verstanden. (Material ist nicht in BS!)

A

OK

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10
Q

Zusammenfassung: Semantische Analyse und dimensionale Analyse im Vergleich

A

Beide Aufgaben – dimensionale Analyse (der Struktur eines Gegenstandsbereichs) und semantische Analyse (der Bedeutung eines Begriffs) – haben gemeinsam, dass ein zunächst noch unterbestimmter Sachverhalt gedanklich strukturiert und begrifflich präzisiert werden soll.
Richtet sich der Blick auf einen empirisch existierenden oder gedanklich vorgestellten Gegenstandsbereich, dann sind die Eigenschaftsdimensionen dieses „Gegenstands“ von Interesse. Bei einem physikalischen Gegenstand könnte das sein: das Material, aus dem er besteht, seine Form, Festigkeit, Größe, sein Gewicht usw.; bei Personen etwa: Alter, Geschlecht, Bildung, Beruf, Familienstand usw.; bei Organisationen etwa: Organisationsziele, Struktur, Zahl der Mitglieder usw.
Ist der Ausgangspunkt ein sprachliches Zeichen (ein „Begriff“), dann geht das Interesse dahin zu erkunden, was dieser Begriff „bedeutet“, d.h. wen oder was er „bezeichnet“ und nach welchen (semantischen) Regeln bei der Anwendung dieses Begriffs auf die „Realität“ entschieden werden kann, ob ein Sachverhalt unter das mit dem Begriff „Gemeinte“ fällt.
Bei einer dimensionalen Analyse ist die Abfolge der Arbeitsschritte entgegengesetzt: Am Anfang steht die gedankliche Strukturierung des Gegenstandsbereichs, gefolgt von der Entscheidung, welche Gegenstandsdimensionen untersuchungsrelevant sein sollen. In einem Denkmodell werden sodann die möglichen Zusammenhänge zwischen diesen „relevanten“ Dimensionen dargestellt (vgl. etwa in Kapitel 3.2 das „Feldschema Massenkommunikation“ auf S. 149). Natürlich sind die Überlegungen über den Gegenstandsbereich ohne das Instrument Sprache nicht kommunikationsfähig. Daher müssen die untersuchungsrelevanten Gegenstandsdimensionen mit geeigneten Begriffen bezeichnet werden, und daher ist auch das Denkmodell über Zusammenhänge zwischen den Dimensionen in die Form forschungsleitender Hypothesen zu gießen.36
Wo wir nicht auf allgemein eingeführte und in der wissenschaftlichen Disziplin eindeutig verwendete Begriffe zurückgreifen können, müssen wir ggf. die für die Untersuchung geeigneten Begriffe explizit durch Definition neu einführen. Genau genommen geht also in der Phase der Ausformulierung des deskriptiven Schemas die dimensionale Analyse in die semantische Analyse über; denn nur mit ihrer Hilfe ist entscheidbar, ob Begriffe existieren, die für unsere Gegenstandsüberlegungen passen und zugleich hinreichend eindeutig verwendet werden.

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11
Q

Was ist Semiotik?

A

Die Wissenschaft von der Sprache, von der Funktion sprachlicher Zeichen, wird Semiotik genannt. Ihr Arbeitsfeld ist üblicherweise unterteilt in Syntaktik, Semantik und Pragmatik.
– Die Syntaktik handelt von den Beziehungen der Zeichen untereinander (z.B. Grammatik, Zeichensetzung).
– Die Semantik befasst sich mit den Beziehungen zwischen den sprachlichen Zeichen und ihren Bedeutungen, d.h. mit der Relation zwischen sprachlichen Zeichen und den damit bezeichneten Sachverhalten (den „Referenzobjekten“).
– Die Pragmatik schließlich handelt von den Beziehungen zwischen Zeichen und Menschen; sie untersucht z.B. den unterschiedlichen Sprachgebrauch bei verschiedenen Personen oder Gruppen (vgl. vorn: „mehrdeutige“ Begriffe). 
Wissenschaftliche Erkenntnisse werden unter Verwendung von Symbolsystemen weitergegeben und diskursiv (in argumentativer Auseinandersetzung im 
Kreis der Wissenschaftler oder zwischen Wissenschaft und Anwendern) auf ihre Haltbarkeit geprüft, „kritisiert“ (vgl. Kapitel 1). Sollen wissenschaftliche Erkenntnisse „kritisierbar“, „intersubjektiv nachprüfbar“ sein, muss die verwendete Sprache zwei Funktionen in möglichst optimaler Weise erfüllen: die Repräsentanz- und die Kommunikationsfunktion.

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12
Q

Was sind Repräsentanz- und Kommunikationsfunktion?

A

Repräsentanzfunktion der Sprache heißt, dass die Begriffe in eindeutiger Weise die gemeinten Sachverhalte (Referenzobjekte) repräsentieren. Daraus folgt zum einen, dass die Sprache differenziert genug sein muss, um die Struktur des Untersuchungsgegenstandes – wie sie von der Wissenschaftlerin oder dem Wissenschaftler gesehen wird – exakt abzubilden. So kommt es, dass jede Wissenschaft sich ihren Satz von ganz spezifischen Fachausdrücken schafft (fachspezifische wissenschaftliche Terminologie). Aus der Forderung nach optimaler Erfüllung der Repräsentanzfunktion folgt für die verwendeten Begriffe weiter, dass ihnen durch präzise Definitionen eindeutige Bedeutungen zuzuweisen sind.
In teilweisem Widerspruch zur Repräsentanzfunktion der Sprache steht ihre Kommunikationsfunktion. Wissenschaft ist nicht Sache eines Einzelnen, sondern ist auf die Kommunikation zwischen den am Wissenschaftsprozess beteiligten Personen sowie zwischen Wissenschaft und anderen Adressaten (z.B. interessierten Laien, Anwendern) angewiesen. Um die Kommunikationsfunktion zu erfüllen, muss die von den Wissenschaftlern gewählte Sprache daher von möglichst vielen Personen „richtig“ verstanden werden. Soweit es sich bei den Kommunikationspartnern um Angehörige der gleichen wissenschaftlichen Fachrichtung handelt, erfüllen die spezifischen Fachtermini nicht nur die Repräsentanz-, sondern in idealer Weise auch die Kommunikationsfunktion. Schon für Angehörige anderer wissenschaftlicher Fachrichtungen aber – und erst recht für interessierte Laien – kann es sich bei solchen Fachtermini um eine kaum noch verstehbare Fremdsprache handeln. Die Wissenschaftler werden also in ihren Forschungsberichten darauf achten müssen, welches die Zielgruppe ihrer Mitteilungen ist. Bei Veröffentlichungen außerhalb von wissenschaftlichen Fachbuchreihen oder Fachzeitschriften ist entweder eine alltagsnähere Sprache (möglicherweise unter Inkaufnahme von Ungenauigkeiten) zu wählen oder sind zumindest die Fachtermini jeweils zu erläutern.

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13
Q

Erläutere “Begriff”, “Extension”, “empirischen Bezug” und “Indikatoren”!

A

Begriffe sind sprachliche Zeichen (Wörter), die nach bestimmten Regeln (semantische Regeln, Bedeutungszuweisungen) mit Phänomenen der Realität oder gedanklichen Vorstellungen verbunden sind. Diese Verbindung zwischen sprachlichem Zeichen und dem damit Gemeinten kann man extensional und intensional vornehmen. Unter Extension (Begriffsumfang) versteht man die Menge aller Objekte, die mit einem Begriff bezeichnet werden sollen (z.B. Extension des Begriffs „Haus“ = die Menge aller Häuser, die es irgendwo und irgendwann gibt, gegeben hat oder geben wird). Mit Intension (Begriffsinhalt) ist die Menge aller Merkmale gemeint, die den mit einem Begriff bezeichneten Objekten gemeinsam sind (z.B. Intension des Begriffs „Haus“ = die Menge aller Merkmale, die ein Objekt besitzen muss, damit wir es als Haus akzeptieren).
Begriffe, deren Extension empirische Objekte umfasst (die sich also nicht nur auf gedanklich vorgestellte Sachverhalte beziehen), haben empirischen Bezug. Der empirische Bezug kann direkt sein; dann sind die mit einem Begriff bezeichneten Objekte/Merkmale unmittelbar oder unter Zuhilfenahme von Instrumenten beobachtbar (z.B. sind Eiweiß-Moleküle durch ein Mikroskop beobachtbar). Der empirische Bezug kann aber auch indirekt sein; dann sind die bezeichneten Objekte/Merkmale nicht unmittelbar feststellbar, auch nicht mit Hilfe von Instrumenten. Auf ihr Vorhandensein muss vielmehr aus der Beobachtung anderer, direkt feststellbarer Objekte/Merkmale („Indikatoren“) geschlossen werden. Nehmen wir z.B. „Geiz“ als dispositionales Merkmal, als Charaktereigenschaft einer Person: Das Vorliegen oder Nichtvorliegen dieses – als solches nicht beobachtbaren – Merkmals wird durch das faktische Verhalten dieser Person in bestimmten Situationen angezeigt, „indiziert“. Trotzdem: Mit dem Begriff „Geiz“ meinen wir eben nicht das beobachtbare Verhalten, sondern eine Charaktereigenschaft, die sich lediglich in einem spezifischen Verhalten äußert.

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14
Q

Welche Rolle spielen Definitionen in deskriptiven Analysen und Hypothesenprüfungen?

A

In beiden Fällen ist es nötig, die beabsichtigte Benutzung der Begriffe so präzise zu beschreiben (d.h. sie zu „definieren“), dass unsere Argumentation intersubjektiv nachvollziehbar wird. Damit soll zum einen sichergestellt werden, dass zweifelsfrei klar ist, welche Sachverhalte und/oder Aspekte in die Untersuchung einbezogen werden und welche nicht (s.o. Repräsentanzfunktion der Sprache). Dabei sind zum anderen die Begriffe so zu wählen, dass die an den Forschungsbefunden Interessierten (insbesondere die Zielgruppe des Projekts) die empirischen Ergebnisse und deren Interpretationen ohne schwierige „Übersetzungsleistungen“ nachvollziehen können (s.o. Kommunikationsfunktion).

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15
Q

Was genau bedeutet nun der bisher schon so oft benutzte Terminus „Definition“?

A

Ganz generell sind Definitionen Verknüpfungen zwischen sprachlichen Zeichen nach bestimmten Regeln. Definitionen sind also nicht Verknüpfungen zwischen Zeichen und „Sachverhalten“ nach Korrespondenzregeln. „Definitorische Aussagen werden dazu verwendet, den wissenschaftlichen Sprachgebrauch festzulegen. Sie sind also Mittel der Festsetzung von Verwendungsregeln für Ausdrücke der Wissenschaftssprache“ (Albert 1973, 73). Die Gesamtheit der Ausdrücke der Wissenschaftssprache (Termini) stellt die spezifische Terminologie einer wissenschaftlichen Disziplin dar, sie ist – vor allen Methoden wie Befragung, Test, Beobachtung usw. – deren „Grundwerkzeug“ (Heller/Rosemann 1974, 19).
An der graphischen Darstellung des Konzepts „Begriff“ (auf S. 154) können Sie sich nun auch veranschaulichen, was eine „Definition“ ist: Sie ist a) die Beschreibung (oder Auflistung) der „semantischen Regeln“ für die Verwendung des „Begriffs“ sowie b) die Zuordnung eines sprachlichen Symbols (Wort), mit dem dieser Begriff „bezeichnet“ werden soll.

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16
Q

Was ist eine Nominaldefinition?

A

Eine Definition soll danach sein:
die Festlegung der Bedeutung eines Begriffs (des Definiendums) durch einen bereits bekannten Begriff oder durch mehrere bereits bekannte andere Begriffe (Definiens). Definitionen sind konventionelle – d.h. per Vereinbarung getroffene – Festlegungen der Bedeutung sprachlicher Zeichen (Giesen/Schmid 1976, 33; vgl. auch Opp 1976, 189ff.).
Eine Nominaldefinition ist also formal nichts weiter als eine tautologische Umformung; das Definiendum ist bedeutungsgleich, ist identisch mit dem Definiens. Mit anderen Worten: Bei der Nominaldefinition geht man davon aus, dass zwei Zeichen oder Ausdrücke (Definiendum und Definiens) dieselbe Bedeutung haben, sich auf dieselben Gegenstände der Realität (auf dieselben Referenzobjekte) beziehen lassen. Das impliziert zugleich, dass eine solche definitorische Beziehung zwischen zwei Ausdrücken keinen empirischen Bedingungszusammenhang zwischen verschiedenen Gegenständen, sondern eine logische Relation zwischen Ausdrücken und Zeichen unserer Sprache darstellt.
Schreibweise: Definiendum: = df.: Definiens A = df.:B,C,D
Damit Definitionen in dieser Form möglich sind, müssen bereits einige Begriffe existieren, die undefiniert eine präzise Bedeutung haben (Voraussetzung also: gemeinsame Sprache, gemeinsamer kultureller Hintergrund). In jede Definition gehen notwendigerweise undefinierte Begriffe ein, die in ihrer Bedeutung als bekannt vorausgesetzt werden: Das Definiendum als „Unbekanntes“ wird durch Bekanntes im Definiens erläutert. Für die Theoriebildung auf der Grundlage nominaldefinierter Begriffe heißt dies, dass im Idealfall eine möglichst kleine Gruppe außerlogischer Termini zu finden ist (= ursprüngliche oder einfache Begriffe), aus denen mit Hilfe verschiedener Kombinationen untereinander und durch Verknüpfung mittels logischer Termini alle anderen außerlogischen Begriffe der Theorie definiert werden können (= abgeleitete Begriffe) (Zetterberg 1973, 113).
Zusammengefasst: Nominaldefinitionen haben keinen empirischen Informationsgehalt. Dennoch sind sie weder überflüssig noch Selbstzweck; denn sie sollen die Mitteilung und die Diskussion in der Wissenschaft erleichtern. Sie sollen vor allem die intersubjektive Kontrolle des empirischen Forschungsprozesses ermöglichen. Was nicht präzise definiert ist, kann auch nicht eindeutig nachvollzogen und nachgeprüft werden. Nominaldefinitionen sind ein geeignetes Instrument, Begriffe exakt und unmissverständlich auf die Bedürfnisse eines Forschungsprojektes zuzuschneiden.

17
Q

An dieser Stelle sei noch einmal eine Aussage aus Kapitel 1 aufgegriffen, wonach auch für den Fall deskriptiver Untersuchungen die Begriffe, mit denen die Realität strukturiert wird, „theoretisch relevant“ sein sollten. Warum?

A

Dass es offensichtlich sinnlos und für den Fortschritt einer Wissenschaft nutzlos ist, nicht weiter verwertbare Datenfriedhöfe mit „rein“ deskriptiven Untersuchungen zu produzieren, ist nur die eine Seite. Die andere ist, dass – wie mehrfach erwähnt – durch Begriffe der Gegenstandsbereich der Forschung erst strukturiert wird. Begriffe haben insofern die Funktion, aus der Fülle von Merkmalen eines Gegenstandsbereichs diejenigen Aspekte herauszufiltern, die im gegebenen Zusammenhang als relevant angesehen werden, und die übrigen Aspekte als für den gegebenen Zusammenhang irrelevant außer Acht zu lassen (Selektivität von Begriffen).
Mit anderen Worten: Ein Begriff erfasst niemals alle Merkmale eines Gegenstands oder Sachverhalts, sonst müsste für jeden individuellen Gegenstand oder Sachverhalt eine spezielle Bezeichnung (ein Name) gefunden werden. Vielmehr treten bestimmte Eigenschaften und Beziehungen ins Blickfeld, andere bleiben unberücksichtigt. Entsprechend legt ein Begriff (und mehr noch die jeweilige Gesamtheit der wissenschaftlichen Begriffe, die Terminologie) bestimmte Fragestellungen nahe und blendet andere aus. Diese Selektivität kann nicht willkürlich geschehen, sondern sie muss von einem Vorverständnis, von – zumindest – Alltagstheorien über die Struktur des mit dem Begriff zu bezeichnenden Gegenstandsbereichs ausgehen.
Nehmen wir ein so einfaches Wort wie „Tisch“, so verstehen wir darunter ganz selbstverständlich die Bezeichnung für einen Gegenstand, der in der Regel nicht zum Sitzen konstruiert wurde, der im allgemeinen eine waagerechte Platte auf vier „Füßen“ oder einem meist senkrechten Ständer aufweist usw. Welche Merkmale uns auch noch einfallen mögen; es wird jedenfalls eine Liste von relativ wenigen Merkmalen sein, die wir zur Entscheidung benötigen, ob ein Gegenstand Tisch ist oder Nicht-Tisch. Und es zeigt sich an den vagen Merkmalsformulierungen wie „im allgemeinen eine waagerechte Platte“, dass „Tisch“ von seiner Funktion und nicht so sehr von seiner Erscheinung her definiert wurde, dass also von der Verwendungsmöglichkeit oder der tatsächlichen Verwendung her entschieden wird, ob etwas als Tisch gilt oder nicht.
Das setzt aber voraus, dass wir eine „Alltagstheorie“ besitzen, für welche Zwecke in der Regel ein Tisch verwendet wird und welche Eigenschaften ein Gegenstand besitzen muss, damit er als Tisch geeignet ist. Nicht der Gegenstand als solcher setzt seine Definition als „Tisch“ fest, sondern unsere Art der Nutzung. Deshalb werden wir auch Eigenschaften wie Farbe, Form der waagerechten Tischplatte oder ob aus Metall oder Holz oder Glas bestehend oder ob mit vier oder drei Beinen oder einem einzigen im Fußboden verankerten Ständer versehen usw. als im gegebenen Zusammenhang (nämlich für die Entscheidung, ob Tisch oder Nicht-Tisch) irrelevant außer acht lassen; irrelevant, weil wir aus unserer „Theorie“ wissen, dass z.B. die Farbe für die Verwendungsfähigkeit eines Gegenstands als Tisch unerheblich ist.
Noch einmal:
Wir bilden durch Begriffe die jeweils relevanten, die Einzelerscheinung übergreifenden, allgemeinen Eigenschaften eines Gegenstandsbereichs ab. Dazu benötigen wir eine „Theorie“ über den Realitätsausschnitt, den wir mit solchen notwendigerweise verallgemeinernden Begriffen auf gedanklicher Ebene strukturieren wollen. Je besser, je verlässlicher die Theorie, nach der wir den Gegenstandsbereich strukturieren, desto präziser werden die Beschreibungen; und umgekehrt: Je präziser die Beschreibungen, desto besser werden wir unsere Theorie über den Gegenstandsbereich formulieren können.
Deshalb sind wir bei jeder Begriffsbildung nicht nur auf eine vorab vorhandene Theorie angewiesen, sondern formulieren zusätzlich die Forderung: Auch die für deskriptive Zwecke verwendeten Begriffe sollen so definiert werden, dass sie theoretisch verwertbar sind; nur dann sind die Ergebnisse der Beobachtungen auf die „Vorab-Theorie“ beziehbar.

18
Q

Was ist die Klassifikationsfunktion von Begriffen?

A

Wenn ein Begriff vorhanden und seine Bedeutung entweder aufgrund des allgemeinen Sprachgebrauchs oder explizit durch Definition klar ist, erlaubt uns dieser Begriff, aus der Vielfalt von Gegenständen Klassen identischer Fälle zu bilden. Bei genauem Hinsehen erweisen sich allerdings die Elemente dieser Klassen als gar nicht identisch; sie sind vielmehr identisch lediglich im Hinblick auf eine begrenzte Zahl von Merkmalen und können unterschiedlich sein hinsichtlich sämtlicher anderer möglicher Merkmale (vgl. das Beispiel „Tisch“). Man nennt dies die Klassifikationsfunktion von Begriffen.

19
Q

Was ist die Synthesefunktion von Begriffen?

A

Begriffe ermöglichen es aber nicht nur, Gegenstände zu klassifizieren. Durch die Auswahl und Definition von Begriffen wird zusätzlich entschieden, welche unserer verschiedenen Beobachtungen zusammengehören, welche Daten und welche Sinneseindrücke nicht als Informationen über isolierte Phänomene, sondern als „ganzheitlicher Komplex“ behandelt werden sollen.
Nehmen wir als Beispiel den Begriff „Wettbewerb“, so fasst dieser die Aktivitäten mindestens zweier Personen zusammen, falls zusätzliche Bedingungen erfüllt sind, nämlich: dass die Aktivitäten der Personen auf das gleiche Ziel gerichtet sind, dass es sich bei diesem Ziel um ein knappes Gut handelt (etwa Geld bei wirtschaftlichem Wettbewerb oder der Sieg bei sportlichem Wettbewerb) und dass jeder der „Wettbewerber“ weiß, dass mindestens eine andere Person das gleiche Ziel verfolgt, ihr das knappe Gut also streitig machen könnte. Das heißt, die Aktivitäten von mindestens zwei Personen werden nicht als getrennte Ereignisse gesehen, sondern sie werden als eine Einheit aufgefasst und unter einem einzigen Begriff subsumiert. Formuliert man weniger einschränkende Bedingungen, welche Aktivitäten zu einem zusammenhängenden Komplex zusammengefasst werden sollen, kommt man beispielsweise zum soziologischen Begriff der „Interaktion“.
In beiden Fällen („Wettbewerb“ und „Interaktion“) werden Ereignisse, die prinzipiell auch isoliert betrachtet werden können, zu einer Einheit zusammengefasst und mit einem speziellen Begriff bezeichnet. Man nennt dies die Synthesefunktion von Begriffen.

20
Q

Gib ein Beispiel dafür, daß bestimmte Aspekte der Realität “wegdefiniert” werden können!

A

Begriffsbildung und Begriffsdefinition sind ein wichtiger Abschnitt von zentraler Bedeutung in jeder Untersuchung. Werden Definitionsmerkmale unzweckmäßig gewählt, können wesentliche Beziehungen in der Realität verschleiert, „wegdefiniert“ werden.
Beispiel: „Soziale Schicht“ sei definiert durch eine Kombination von Merkmalen der sozialen Herkunft, der eigenen Bildung, des Berufsprestiges und des Einkommens. Wenn man dies tut, dann werden damit alle Beziehungen „wegdefiniert“, die sich in Hypothesen ausdrücken könnten, wie: Je höher der Status des Elternhauses, desto höher die Bildung der Kinder und deren späteres Berufsprestige sowie deren Einkommen (vgl. Kapitel 3.2). Setzt sich ein bestimmter Sprachgebrauch auf der Grundlage begrifflicher Strukturierung der sozialen Realität durch, dann können auch bestimmte Fragestellungen nicht mehr aufgeworfen werden, weil sie in der Sprache nicht vorgesehen sind.

21
Q

Mit welchen 4 Kategorien unterscheidet A. Kaplan die unterschiedlichen Grade an Theoriegehalt sowie die Art des empirischen Bezugs?

A

Nach Kaplan (1964, 54ff.) bietet sich folgende Einteilung an:
a) Beobachtungstermini (observational terms): Diese lassen sich aufgrund relativ einfacher und direkter Beobachtungen anwenden (Beispiele: Einkauf, Spaziergang, Familie, Arbeitsgruppe, Alter, Geschlecht, Klausurteilnehmer, Papagei). Man nennt solche Begriffe mit direktem empirischem Bezug auch empirische oder deskriptive Begriffe.
b) Indirekte Beobachtungstermini (indirect observables): Diese können nur mit Hilfe einer Kombination von Beobachtung und Schlussfolgerung angewendet werden. Die bezeichneten Tatbestände sind nicht direkt beobachtbar. Die Begriffe haben einen indirekten empirischen Bezug. Man benötigt direkt erfahrbare Indikatoren, die auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen des durch den Begriff gemeinten Sachverhalts hindeuten. (Beispiele: „Norm“: Indikator = Belohnung/Bestrafung bestimmter Verhaltensweisen; „Erreichbarkeit“: Indikator = Fußweg in Minuten oder Entfernung in km; „Sozialstatus“: Indikatoren = Berufsprestige und/oder Bildung und/oder Einkommen und/oder Ansehen des Wohngebiets und/oder materieller Besitz etc.).
c) Konstrukte (constructs): Sie werden weder aufgrund direkter noch aufgrund indirekter Beobachtungen angewendet, sind aber aufgrund von Beobachtungen definiert; sie „konstruieren“ eine bestimmte Sicht auf die Realität (Beispiel: ‚soziale Mobilität’ = df. Ergebnis des Vergleichs des sozialen Status der gleichen Person zu verschiedenen Zeitpunkten).
d) Theoretische Begriffe (theoretical terms): Sie haben „theoretischen Gehalt“, beziehen sich u.a. auf Zusammenhänge zwischen einzelnen Variablen (Beispiel: ‚Urbanismus’: Es wird das gleichzeitige Vorhandensein einer ganzen Reihe von Eigenschaften und Erscheinungen unterstellt, z.B. städtischer Lebensstil mit Merkmalen wie Anonymität, geringe soziale Kontrolle, Beschränkung enger sozialer Beziehungen auf einen Kern von Verwandten und Freunden, besondere Kommunikationsformen etc.; weiteres Beispiel: soziales System).
Mit Ausnahme von a) sind für die Entscheidung über das Vorliegen der mit den Begriffen bezeichneten Tatbestände Indikatoren erforderlich.
Zumindest der Unterscheidung zwischen direkten Beobachtungstermini und den nur indirekt beobachtbaren Sachverhalten kommt für die empirische Sozialforschung eine zentrale Bedeutung zu.

22
Q

Was besagt der Begriffsnominalismus?

A

Nach Auffassung der „Schule“ des Begriffsnominalismus sind Begriffe etwas dem bezeichneten Phänomen gegenüber Äußeres; der Zusammenhang von Begriff und Gegenstand ist rein konventioneller (also vereinbarungsgemäßer) Art. Begriffe sind lediglich ein prinzipiell auswechselbares Etikett. Auch der Zusammenhang von Definiens und Definiendum ist veränderbar.
Die nominalistische Maxime für Begriffsbestimmungen, für Definitionen lautet:
Jedes Wort kann verschiedene Bedeutungen tragen (Homogramme, Homonyme), und jede Bedeutung kann durch verschiedene Wörter repräsentiert werden (Synonyme).
Begriffe spielen die Rolle des „Wegweisers“ zur Wirklichkeit; sie leuchten denjenigen Teil der Wirklichkeit aus, auf den sie gerichtet sind. Diese Funktion wird umso besser erfüllt, je stärker zwei Bedingungen beachtet werden: Präzision und empirischer Bezug.

23
Q

Gib ein Beispiel für die Nominaldefinition von „politische Partei“ (lies: Definition der Zeichenfolge „politische Partei“, die jetzt noch bedeutungsleer ist)!

A

Eine politische Partei (P) soll sein: (= df.) eine Organisation (O) mit eingeschriebenen Mitgliedern (M) und demokratischer Binnenstruktur (dB), die an Wahlkämpfen teilnimmt (W) und sich um Regierungsbeteiligung bewirbt (R). Oder: P1 = df. O, M, dB, W, R.
(„P1“, weil prinzipiell beliebig viele Definitionen möglich sind.)
Damit ist explizit, präzise und erschöpfend bestimmt, was als politische Partei gelten soll. Gegen diese Definition kann man höchstens einwenden, sie sei unzweckmäßig, weil sie z.B. zu viele Vereinigungen ausschließt, die aus bestimmten Gründen auch in eine Untersuchung über politische Parteien einbezogen werden sollten.
Ein anderer Forscher könnte deshalb definieren: P2 = df. O, M, dB.
Jeder dieser so definierten Begriffe verbindet mit der gleichen Zeichenkombination „politische Partei“ eine andere Gesamtheit von empirischen Phänomenen, strukturiert also den Gegenstandsbereich in anderer Weise, zieht andere Grenzen. Hieran wird die Klassifikationsfunktion von Begriffen recht deutlich: Jeder der so definierten Begriffe P1 bis P5 klassifiziert die Gesamtheit der „Organisationen“ in anderer Weise als Partei oder Nicht-Partei. Aber auch: Mit der gleichen Wortkombination „politische Partei“ werden andere Bedeutungen verbunden.

24
Q

Gib eine genauere Bestimmung von Nominaldefinitionen!

A

Aussagen über die Gleichheit der extensionalen und intensionalen Bedeutung zweier oder mehrerer Begriffe.
„Ein zu definierendes sprachliches Zeichen (Definiendum) wird mit einem definierenden Zeichen (Definiens) gleichgesetzt. Knüpft diese Gleichsetzung an einen vorhandenen Sprachgebrauch an, spricht man von einer deskriptiven, schafft sie erst einen neuen Sprachgebrauch, von einer stipulativen Nominaldefinition“ (Esser/Klenovits/Zehnpfennig 1977, Bd. 1, 79).
Intension (intensionale Bedeutung) des nominalistisch definierten Begriffs heißt also im gegebenen Fall: die Menge der Eigenschaften, die herangezogen worden sind, um „politische Partei“ von anderen Organisationen abzugrenzen (im Falle der Definition P5 sind dies: O, M, R, V; dagegen werden zur Entscheidung, ob ein Objekt eine „politische Partei“ im Sinne von P1 ist, die Eigenschaften O, M, dB, W, R – aber nur diese – berücksichtigt).
Um dagegen die Extension (extensionale Bedeutung) des nominalistischen Begriffs „politische Partei“ anzugeben, wäre eine Liste erforderlich, auf der die Menge aller Objekte verzeichnet ist, die als „politische Partei“ gelten sollen. Im Falle der Definition P1 wären dies alle Organisationen, die die Eigenschaften O, M, dB, W, R besitzen. Die Extension von P1 etwa ist vermutlich geringer als die von P4, da P1 sämtliche Eigenschaften von P4 einschließt (O, M, R) und zusätzlich noch zwei weitere (dB, W) enthält; P1 führt mehr definitorische Bedingungen ein, die eine Organisation erfüllen muss, um als „politische Partei“ zu gelten.

25
Q

Was sind Vor- und Nachteile nominalistischer Definitionen?

A

Der Vorzug nominalistischer Definitionen ist deren Präzision. Das Definiendum bedeutet genau das, was im Definiens steht, nicht mehr und nicht weniger. Der Nachteil dieser Beliebigkeit der Begriffsbildung liegt in der mangelnden Möglichkeit des Vergleichs von Forschungsergebnissen, die aufgrund unterschiedlicher Definitionen gewonnen wurden. Aussagen, die für politische Parteien = df. P1 gelten, beziehen sich auf einen anderen Gegenstandsbereich als Aussagen über politische Parteien = df. P2, und zwar wegen der unterschiedlichen Extension (wegen des unterschiedlichen „Begriffsumfangs“) von P1 und P2. Identisch sind lediglich die verwendeten Worte. Empirische Regelmäßigkeiten, die für den Gegenstandsbereich P1 zutreffen, müssen deshalb nicht in gleicher Weise auch für die Gegenstandsbereiche P2, P3, P4 oder P5 zutreffen.
Eine weitere Eigenschaft von Nominaldefinitionen ist, dass eine Nominaldefinition niemals falsch sein kann; denn sie macht keine Aussagen über die Eigenschaften der Realität. Sie legt lediglich fest, welche Eigenschaften ein empirischer Gegenstand oder Sachverhalt aufweisen muss, um unter die Menge der Gegenstände oder Sachverhalte zu fallen, die mit der Definition begrifflich abgegrenzt worden sind.
Aus dem gleichen Grunde kann eine Nominaldefinition auch niemals „richtig“ sein. Das Beurteilungskriterium Falschheit/Richtigkeit trifft auf Nominaldefinitionen nicht zu; stattdessen ist nach ihrer Zweckmäßigkeit zu fragen.
Nominaldefinitionen sind Klassifikationsvorschriften; sie sind Anweisungen an die Beobachter: Nur Tatbestände, die die folgenden Bedingungen erfüllen, sollen mit dem Begriff (z.B. „politische Partei“) bezeichnet werden; allen anderen Tatbeständen soll dieser Begriff nicht zugeschrieben werden (= Nicht-P). Im Extremfall könnte es so sein, dass empirisch überhaupt kein Tatbestand die im Definiens aufgeführte Eigenschaftskombination besitzt und somit der definierte Begriff überhaupt keine Entsprechung in der Realität hätte (Extension = null: alle Objekte fallen unter die Kategorie Nicht-P). Auch damit wäre die Definition nicht „falsch“, sie wäre allerdings völlig unbrauchbar: die Klassifikationsvorschrift wäre derart, dass sich überhaupt nichts in unterschiedliche Klassen einteilen ließe.

26
Q

Beschreibe die Position des Begriffsrealismus und erkläre die Idee von Realdefinitionen!

A

Der Begriffsrealismus betrachtet Begriffe als unmittelbare Widerspiegelung der Erscheinung. Natürlich – welchem Gegenstand welches sprachliche Zeichen zugeordnet wird, das ist gesellschaftliche Konvention. Aber: Es ist nicht in das Belieben des einzelnen „Definierers“ gestellt, welche Facetten des Gegenstandes mit einem Begriff hervorgehoben und welche außer Acht gelassen werden. Der Begriff strukturiert nicht den Gegenstandsbereich, sondern er zeichnet die Struktur des Gegenstandsbereichs nach. Der Begriff wird geprägt durch die Eigenschaften des Gegenstandsbereichs selbst; er bildet auf der Ebene der Sprache „das Wesen“ (weniger anspruchsvoll: das Wesentliche) des Gegenstands/Objekts ab. Was aber an einem Sachverhalt wesentlich ist, ist nach diesem Verständnis vom bezeichneten Sachverhalt abhängig und nicht von der Willkür desjenigen, der einen Begriff definiert.
Die Realdefinition ist deshalb eine Aussage über Eigenschaften eines Gegenstands oder Sachverhalts, die im Hinblick auf diesen Gegenstand/Sachverhalt für wesentlich gehalten werden (und nicht – wie bei der Nominaldefinition – im Hinblick auf eine an den Gegenstand/Sachverhalt herangetragene Fragestellung). Realdefinitionen sind also Behauptungen über die Beschaffenheit oder über das „Wesen“ eines Phänomens und haben damit den gleichen Status wie empirische Hypothesen: sie müssen sich an der Realität des bezeichneten Phänomens bewähren, und sie können richtig oder falsch sein.
Heißt jetzt das Definiendum – das zu Definierende – „politische Partei“, dann stehen im Definiens Eigenschaften, die das Wesentliche des Phänomens „politische Partei“ (P) zum Ausdruck bringen sollen. Das Phänomen selbst und dessen Eigenschaften sind durch die Definition zu erschließen. Es soll also nicht für die Zwecke der Kommunikation ein bestimmter Sprachgebrauch hier und jetzt lediglich vereinbart werden. Vielmehr wird vorausgesetzt, dass es den zu definierenden Begriff mit seinem gegenstandsbezogenen Vorstellungsinhalt bereits gibt. Anders ausgedrückt: Die Klassifikation in P und Nicht-P existiert bereits; in der Definition sind nun diejenigen Eigenschaften aufzulisten, die es erlauben, korrekt zwischen P und Nicht-P zu unterscheiden.

27
Q

Was sind operationale Definitionen?

A

Neben Nominal-und Realdefinitionen kann man auch noch die operationale Definition von Begriffen finden. Hierbei geschieht die Bedeutungszuweisung durch die Angabe von MessOperationen. Beispiel: „Härte“ (von Materialien) = df. Material A ist härter als Material B, wenn Material B von A geritzt werden kann, aber nicht Material A von B. Diese Art von Definition darf nicht verwechselt werden mit der „Operationalisierung“, die erforderlich ist, um einen bereits definierten Begriff empirisch anwendbar zu machen (s. Kapitel 4).

28
Q

Erkläre den Unterschied zwischen Nominal- und Realdefinitionen!

A

Der Unterschied im sprachlogischen Status von Real- und Nominaldefinition drückt sich bereits in den Formulierungen aus, die im Zusammenhang mit den beiden Definitionstypen gewählt werden. Bei einer Nominaldefinition wird immer deutlich gemacht, dass „per Definition“ einem Definiendum bestimmte Eigenschaften zugeschrieben werden: „P1 = df. O, M, dB, W, R.“ Oder verbal: „Unter einer politischen Partei soll verstanden werden…“ Oder: „Wenn im Folgenden von politischer Partei die Rede ist, dann ist damit gemeint…“ oder: „Ich definiere für die vorliegende Untersuchung politische Partei wie folgt: …“
Bei einer Realdefinition dagegen würde es heißen: „Eine politische Partei ist O, M, dB, W, R.“ Oder: „Als das Besondere einer politischen Partei sind die folgenden Merkmale anzusehen: …“ Oder: „Wesentlich für politische Parteien sind die Merkmale: …“
Solche Unterscheidungen schon bei der Schreibweise und bei der Wahl der verwendeten Wörter sind – wie Opp (1976, 95) hervorhebt – durchaus nicht „ein überflüssiges Produkt pedantischer Logiker“. Ohne eine klare Kennzeichnung des Definitionstyps könnten Unklarheiten darüber entstehen, ob lediglich ein Vorschlag über die präzise Verwendung eines bestimmten Ausdrucks gemacht wird (Nominaldefinition) oder ob etwas über die Realität ausgesagt werden soll.
Wird bei einer Nominaldefinition von „politischer Partei“ der Beobachter mit einer Organisation konfrontiert, die zwar nach allgemeiner Überzeugung als politische Partei einzustufen wäre, die aber mindestens eines der Definitionsmerkmale nicht aufweist, dann ist die Konsequenz: Diese Organisation fällt nicht in die Menge der als politische Partei definierten Organisationen und wird nicht in die Untersuchung einbezogen. Falls diese Konsequenz als nicht sinnvoll erscheint, ist die Definition nicht etwa falsch, sondern unzweckmäßig. Handelte es sich dagegen um eine Realdefinition von politischer Partei, dann ist die Konsequenz eine andere: Die Definition ist falsch, sie muss geändert werden.
Nehmen wir an, die Einschätzung werde allgemein akzeptiert: Die NPD ist eine politische Partei. Nehmen wir ferner an, es sei empirisch wahr, dass die NPD keine demokratische Binnenstruktur aufweist. Dann stimmt in der Realdefinition „P ist O, M, dB, W, R“ ein Bestandteil nicht: Wir haben eine politische Partei gefunden, die keine demokratische Binnenstruktur aufweist. „Demokratische Binnenstruktur“ ist also offenbar keine Eigenschaft, die „das Wesen“ einer politischen Partei ausmacht. Wenn man weiter davon ausgeht, dass auch eine staatliche Einheitspartei eine politische Partei ist, dann trifft für diese empirisch nicht zu, dass sie sich im Wahlkampf um Regierungsbeteiligung bewirbt; eine Wahl in einem Staat mit nur einer Einheitspartei hat eine andere Funktion als in einem Staat mit konkurrierenden politischen Parteien, nämlich: Bestimmung der Repräsentanten dieser Partei für die Regierungsorgane. Wenn dies so ist, dann ist aber auch die Eigenschaft „sich in Wahlkämpfen um Regierungsbeteiligung bewerben“ nicht ein „wesentliches“ Bestimmungsmerkmal politischer Parteien. Die Realdefinition wäre dann auch in dieser Hinsicht falsch. Und so könnte es im Prinzip jedem der anderen genannten Definitionsmerkmale ergehen.
Da die Realdefinition etwas aussagt über den Gegenstand, so wie er unabhängig von dieser Definition schon existiert und nicht erst durch die Definition konstruiert und strukturiert wird, kann sie in vielfacher Hinsicht empirisch falsch sein. Realdefinitionen können aber nicht nur falsch sein, sie können praktisch auch niemals vollständig sein. Man kann unmöglich sämtliche Eigenschaften, die ein bereits bekannter Gegenstand hat, in die Definition aufnehmen. Anspruch und Ziel von Realdefinitionen ist es ja gerade, nur „das Wesentliche“ hervorzuheben. Aber das, was wirklich wesentlich ist – nicht was vereinbarungsgemäß als wesentlich erachtet werden soll –, kann nicht mit letzter Sicherheit bestimmt werden. In unterschiedlichen historischen Epochen können jeweils andere Aspekte eines Phänomens wesentlich sein (man denke etwa an den Wandel der Bedeutung von „Familie“).
Zusammengefasst: Unter Realdefinition versteht man die Angabe des „Wesens“ der Sache, die mit dem zu definierenden Begriff bezeichnet wird. Das Definiendum (z.B. P) soll durch bestimmte Eigenschaften (z.B. O, M, dB, W, R) definiert werden, weil diese „wesentliche“ Merkmale des bezeichneten Phänomens – hier: P – darstellen; oder anders ausgedrückt: weil diese Eigenschaften unabdingbare Kriterien darstellen, nach denen wir das gemeinte Phänomen von anderen Sachverhalten abgrenzen können.
Letztlich bleibt allerdings – wegen der Unklarheit des Begriffs „Wesen“ – die Bedeutung von „Realdefinition“ recht vage; es bleibt unbestimmt, was denn – um die gleiche Terminologie zu verwenden – „das Wesen der Realdefinition“ ausmacht. So arbeitet beispielsweise Hempel (1974, 17ff.) drei mögliche Bedeutungen des Begriffs „Realdefinition“ heraus – analytische Definition oder Bedeutungsanalyse, empirische Analyse, Begriffsexplikation –, die mit den Ausführungen dieses Abschnitts nur teilweise übereinstimmen.