M1 F4 Flashcards
Welche Wurzeln hat die moderne empirisch-analytische Wissenschaftsauffassung?
Historisch gesehen hat sich die moderne empirisch-analytische Wissenschaftsauffassung in den Sozialwissenschaften aus dem Empirismus bzw. Positivismus entwickelt. Häufig wird sie daher auch als „Neopositivismus“ bezeichnet.
Auf wen geht der ältere Empirismus (als Vorläufer des Neopositivismus) zurück?
Der ältere Empirismus geht wesentlich auf den englischen Aufklärer David Hume (1711-1776) und den französischen Philosophen Auguste Comte (1798-1857) zurück.
Was forderte Comte?
Comte forderte, von dem Gegegebenen, vom Tatsächlichen, eben vom „Positiven“, auszugehen und hielt die Frage nach den hinter den Erscheinungen stehenden Ursachen für philosophisch unfruchtbar.
Erkläre Comtes „Dreistadiengesetz“!
Die Entwicklung der Menschheit verläuft hiernach in drei verschiedenen Zuständen (Stadien), dem theologischen bzw. fiktiven Zustand, dem metaphysischen bzw. abstrakten Zustand und dem wissenschaftlichen bzw. positivistischen Zustand.
Erst im positivistischen Stadium hat die Menschheit den religiösen und den metaphysischen Aberglauben überwunden und das wissenschaftliche Denken erreicht. Nach Comte gilt das Dreistadiengesetz für die Entwicklung der Wissenschaft, für jeden ihrer Zweige, aber auch für die Entwicklung des Individuums.
Wer hat die Thesen von Comte ausgebaut?
Die Thesen von Comte wurden von John Steward Mill (1806-1873) und Herbert Spencer (1820-1903) aufgegriffen und ausgebaut (englischer Positivismus). Die Position des englischen Positivismus wird als „naiver Empirismus“ bezeichnet.
Beschreibe den naiven Empirismus!
Für den naiven Empiristen lassen sich mit Hilfe der Wissenschaft „wahre“ Erkenntnisse über die Natur gewinnen. Über Beobachtung und Experiment werden Daten gesammelt, aus denen dann über Generalisierungen, Abstraktionen usw. Gesetzmäßigkeiten abgeleitet werden. Diese Gesetzmäßigkeiten stellen im Idealfall „Naturgesetze“ dar, die der Forscher nur „entdecken“ muss.
Wie plausibel ist der naive Empirismus?
So plausibel und deswegen immer noch weit verbreitet diese Sichtweise ist, so falsch ist sie leider auch. Wenn die naiven Empiristen recht hätten, wäre Wissenschaft sehr viel einfacher als sie tatsächlich ist. So wird diese Position heute auch von keinem Wissenschaftstheoretiker mehr vertreten.
Von wem wurden die wichtigsten Argumente gegen den naiven Empirismus entwickelt?
Sie wurden von Vertretern des sog. „logischen Empirismus“ des „Wiener Kreises“ entwickelt.
Wer war wesentlich an der Entwicklung des logischen Empirismus beteiligt?
Rudolf Carnap (1891-1970), der zusammen mit Moritz Schlick (1882-1936) als Begründer des Wiener Kreises gilt. Starken Einfluss auf die Entwicklung des logischen Empirismus übte auch Ludwig Wittgenstein (1889-1951) mit seinem „Tractatus logico-philosophicus“ (1921) aus.
Was ist die Haupterkenntnis der logischen Empiristen?
Die logischen Empiristen erkannten, dass einem die Natur nicht sagen kann, was man an ihr beobachten soll. Der Forscher muss also schon vorher wissen, was er beobachten will. Er muss Kriterien haben, nach denen er aus der unendlichen Menge von „Beobachtbarem“ auswählen kann. Mit anderen Worten:
Wissenschaft beginnt nicht mit der Erfahrung, sondern mit theoretischen Konzeptionen.
Woraus besteht dem logischen Emp. zufolge Wissenschaft?
Für den logischen Empiristen besteht Wissenschaft aus einem System von Sätzen, die zueinander nicht in Widerspruch stehen dürfen.
Wie können Satzsysteme im logischen Empirismus mit der Realität in Beziehung gebracht werden?
Die Lösung dieses Problems besteht für den logischen Empirismus in den sog. Protokollsätzen.
Protokollsätze sind singuläre Sätze, die sich unmittelbar auf Beobachtungsdaten beziehen, die die Realität also „direkt“ beschreiben sollen.
Was wird im logischen Empirismus als wissenschaftliche Sätze akzeptiert?
Nun lassen sich natürlich nicht alle Sätze durch Protokollsätze an die Realität „anbinden“. Daher wird im logischen Empirismus eine ziemlich radikale Einschränkung in Bezug auf wissenschaftlich sinnvolle Sätze getroffen: nur solche Sätze, die entweder selbst Protokollsätze sind oder aus denen sich Protokollsätze eindeutig ableiten lassen, werden als „wissenschaftliche“ Sätze akzeptiert.
(Der Unterschied zwischen wissenschaftlichen und unwissenschaftlichen Sätzen liegt nicht etwa darin, dass erstere „richtig“ und letztere „falsch“ wären, sondern darin, dass sich wissenschaftliche Aussagen an der Realität – also „empirisch“ – überprüfen lassen und unwissenschaftliche Sätze einer solchen Prüfung nicht zugänglich sind. Empirisch nicht prüfbare Sätze sind für den logischen Empiristen genauso sinnlos wie semantisch falsch gebildete („Helmut Kohl ist eine Primzahl“).)
Wie verläuft im logischen Empirismus der Prozess der empirischen Überprüfung?
Hierzu bedient sich der logische Empirismus – wie schon der naive Empirismus – der Methode der „Induktion“. Im logischen Empirismus wird die Induktion gegenüber dem naiven Empirismus allerdings beträchtlich eingeschränkt. Es wird nicht mehr aus der Beobachtung von Einzelfällen auf Naturgesetze geschlossen, sondern es geht darum, den Geltungsanspruch hypothetischer Vorhersagen aufgrund von früher gewonnenen Beobachtungen zu begründen. Hypothesen sollen empirisch „verifiziert“ werden. Je häufiger dies gelingt, sich eine Hypothese also empirisch bestätigen lässt, desto höher soll ihr Vorhersagewert für zukünftige Ereignisse sein.
Was kann gegen das Verifikationsprinzip des logischen Empirismus vorgebracht werden?
Wir können uns einer Allaussage also nie sicher sein, da sie sich auch auf zukünftige Ereignisse bezieht, die wir natürlich empirisch nicht vorher erfassen können. Das Verifikations-Konzept des logischen Empirismus hat sich also als nicht haltbar herausgestellt, wobei die Kritik vor allem auf den Philosophen Sir Karl Raimund Popper (1902-1994) zurückgeht.
Warum läßt sich das Verifikationskonzept auch durch die Einführung statistischer Sätze in Form von Wahrscheinlichkeitsaussagen nach Popper nicht halten?
Um dies zu erläutern, greifen wir noch einmal auf das Schwan-Beispiel zurück. Wenn wir nicht behaupten, dass alle Schwäne weiß sind, sondern nur, dass die meisten Schwäne weiß sind, brauchen wir vor der Entdeckung eines schwarzen Schwans keine Angst mehr zu haben. Natürlich lässt sich der Ausdruck „die meisten“ auch präzisieren: Wir beobachten z.B. eine größere Menge von Schwänen und stellen fest, dass von 1.000 Schwänen 950 weiß und 50 schwarz sind. Jetzt können wir einen anderen induktiv gewonnenen Satz aufstellen „95% aller Schwäne sind weiß, 5% aller Schwäne sind schwarz“ (vgl. Seifert 1970, S. 164ff.). Diese Aussage lässt sich weder durch das Auffinden eines weißen noch durch die Beobachtung eines einzelnen schwarzen Schwanes widerlegen – jedoch durch die Entdeckung von roten oder blauen Schwänen. Auch könnte sich durch die Beobachtung weiterer Schwäne ergeben, dass wir das Prozentverhältnis korrigieren müssen.
Wann wurde das Experiment in die Psychologie eingeführt?
Das Experiment als Methode ist in den Naturwissenschaften entwickelt worden und in die Psychologie ca. 1880 von William James an der Harvard Universität und von Wilhelm Wundt an der Universität Leipzig eingeführt worden jeweils durch die Gründung eines psychologischen Labors (Bringmann, Voss & Ungerer 1997).
Was ist das Ziel von Experimenten?
Ziel eines Experiments ist es, die Auswirkungen der unabhängigen Variablen auf die abhängige Variable zu untersuchen, um zu klären, inwieweit die vom Versuchsleiter herbeigeführte Änderung bzw. Manipulation der unabhängigen Variable als Ursache für Änderungen in der abhängigen Variable aufgefasst werden können.
Was ist nicht nur in den klassischen Naturwissenschaften, sondern auch in der Psychologie die Standardmethode zur Untersuchung kausaler Zusammenhänge?
Das Experiment.
Was bedeutet, “ein Experiment” zu machen?
„ein Experiment machen“ bedeutet, etwas auszuprobieren und ist mit gezielten Handlungen (z.B. Veränderungen eines Objekts) der Akteure verbunden.
Durch welche Bedingungen ist nach Huber (2005, S.69) ein Experiment vor allem charakterisiert?
(1) „Der Experimentator variiert systematisch mindestens eine Variable (die sog. unabhängige Variable) und registriert, welchen Effekt diese aktive Veränderung bewirkt (in einer oder mehreren Experimentalgruppe(n) im Vergleich zu einer Kontrollgruppe in Bezug auf die abhängige Variable).
(2) Gleichzeitig schaltet er die Wirkung von anderen Variablen aus (mit einer der Techniken zur Kontrolle von Störvariablen).“
Welche drei zentralen Anforderungen an experimentelle Designs gibt es? (Die können z.T. aus dem üblichen Konzept von Kausalität abgeleitet werden.)
a) die Rahmenbedingungen bzw. Untersuchungssettings müssen in der Versuchsund Kontrollgruppe identisch sein;
b) die Versuchspersonen als Teil dieser Settings müssen in der Versuchsund Kontrollgruppe aus derselben Grundgesamtheit stammen und exakt vergleichbar sein (analog zum Untersuchungsmaterial in den Naturwissenschaften);
c) Versuchs- und Kontrollgruppe unterscheiden sich nur durch das Treatment, das in der Versuchsgruppe realisiert wird.
Wie werden die unabhängigen Variablen noch bezeichnet?
Die unabhängige(n) Variable(n) werden auch als sogenannte(s) Treatment(s) bezeichnet.
Welche Arten von Treatments gibt es?
Der Begriff „Treatment“ ist dabei weit gefasst; es kann sich dabei um die (a) Variation bestimmter situativer Bedingungen, z.B. akustischer oder optischer Reize bei Wahrnehmungsexperimenten, Anwesenheit bzw. Verhalten von Personen bei sozialpsychologischen Experimenten handeln oder um (b) Interventionen, z.B. Lernund Trainingsprogramme, Formen von Psychotherapie.