M1 F2 Flashcards
Was ist der Kern des Statement Views bezogen auf Theorien?
Das ganze geht auf Hempel zurück. Darin werden Theorien als Mengen von Aussagen konzipiert. (Sehr Quine-like: Ihre Begriffe entsprechen den Knoten, während die Fäden, welche diese verbinden, zum Teil den Definitionen und zum Teil den Grund- und abgeleiteten Hypothesen der Theorie entsprechen.)
Was besagt der non-statement-view?
Gemäß der „Nicht-Aussagen-Konzeption“ umfassen Theorien einen mathematischen Strukturkern der Theorie, der das Fundamentalgesetz und die grundlegenden Nebenbedingungen enthält, die alle Anwendungen miteinander verbinden und eine offene Menge intendierter Anwendungen. Die Nicht-Aussagen-Konzeption wurde von Sneed und Stegmüller explizit auf ausgereifte physikalische Theorien bezogen und von Herrmann (1976, S. 42) lediglich eingeschränkt und analogisierend auf die Psychologie übertragen.
Welche drei Arten wissenschaftlicher Aussagen werden im Statement-View unterschieden, und welche Sprachen kann man ihnen zuordnen?
- Aussagen, die außer den logischen Zeichen nur Beobachtungsbegriffe enthalten und die Ebene der Beobachtung bilden (Beobachtungssprache) (“Besonders die Bedeutung der Beobachtungsbegriffe kann erst im Lichte einer bestimmten Theorie verstanden werden, wobei ein und derselbe Beobachtungsbegriff vor dem Hintergrund einer anderen Theorie auch etwas anderes bedeuten kann.”)
- Aussagen, die außer den logischen Zeichen nur theoretische Begriffe enthalten, die den ‚Knoten’ entsprechen (Theoretische Sprache)
- Aussagen, die außer den logischen Zeichen Beobachtungsbegriffe und theoretische Begriffe enthalten und als ‚Interpretationsfäden’ fungieren (System der Zuordnungsregeln).
Dennis und Kintsch (2007) haben eine Liste von Kriterien zur Bewertung von Theorien erstellt, die sich an den gängigen wissenschaftstheoretischen Maßstäben orientiert. Wie lauten die ersten fünf Kritieren?
- Deskriptive Angemessenheit
- Präzision und Interpretierbarkeit
- Kohärenz und Konsistenz
- Vorhersage und Falsifizierbarkeit
- Erklärungswert
Wie lauten die zweiten fünf Kriterien der Liste von Dennis und Kintsch zur Bewertung von Theorien?
- Einfachheit
- Originalität
- Breite
- Angewandte Relevanz (Usability)
- Rationalität
Was versteht man in der 10er-Liste zur Bewertung von Theorien unter dem Ausdruck Deskriptive Angemessenheit (Descriptive adequacy)?
Stimmt die Theorie mit vorliegenden verhaltensbezogenen, physiologischen, neuropsychologischen und anderen empirischen Daten überein? Dieses Kriterium betrifft das Ausmaß, in dem die aus einer Theorie ableitbaren Beobachtungen bestätigt werden können.
Was versteht man in der 10er-Liste zur Bewertung von Theorien unter dem Ausdruck Präzision und Interpretierbarkeit (Precision and interpretability):
Ist die Theorie so präzise beschrieben, dass sie leicht und eindeutig verstanden und interpretiert werden kann? Dieses Kriterium betrifft die oben skizzierte Vagheit und Mehrdeutigkeit von Begriffen, die sich mehr oder weniger durch eine ganze Theorie ziehen können.
Was versteht man in der 10er-Liste zur Bewertung von Theorien unter dem Ausdruck Kohärenz und Konsistenz (Coherence and consistency):
Enthält die Theorie logische Fehlschlüsse? Bilden die unterschiedlichen Komponenten einer Theorie ein kohärentes Ganzes? Stimmt die Theorie mit Theorien aus anderen Bereichen überein (z.B. biologischen Gesetzmäßigkeiten).
Was versteht man in der 10er-Liste zur Bewertung von Theorien unter dem Ausdruck Vorhersage und Falsifizierbarkeit (Prediction and falsifiability)?
Ist die Theorie so formuliert, dass empirische Prüfungen zu einer Widerlegung der Theorie führen können? Dieses Kriterium entspricht der Hauptforderung des kritischen Rationalismus (vgl. Abschnitt 2.1.2.4).
Was versteht man in der 10er-Liste zur Bewertung von Theorien unter dem Ausdruck Erklärungswert (Postdiction and explanation)?
Erklärt die Theorie bereits vorliegende empirische Befunde? Da Vorhersagen in der Psychologie in vielen Fällen schwierig und nur eingeschränkt möglich sind, sollte eine Theorie auch nach dem Ausmaß bewertet werden, in dem sie bereits eingetretene Ereignisse erklären kann (Retrognose im Gegensatz zur Prognose).
Was versteht man in der 10er-Liste zur Bewertung von Theorien unter dem Ausdruck Einfachheit (Parsimony)?
Ist die Theorie so einfach wie möglich? Dieses Kriterium ist in gewisser Weise relativ und nachgeordnet, da Theorien natürlich auch kompliziert sein können, weil es einfacher leider nicht geht. Allerdings gilt ein Ausspruch des mittelalterlichen Philosophen William von Ockham auch noch für die heutige Theoriebildung: „Entia non sunt multiplicanda sine necessitate“. Dieses auch als Ockham’s Razor bekannte Prinzip besagt, dass Entitäten nicht ohne Notwendigkeit vermehrt werden dürfen und das einfachere komplizierteren Theorien vorzuziehen sind, wenn sie dieselben Phänomene erklären können.
Was versteht man in der 10er-Liste zur Bewertung von Theorien unter dem Ausdruck Originalität (Originality)?
Ist die Theorie neu oder reformuliert sie lediglich bestehende Theorien?
Was versteht man in der 10er-Liste zur Bewertung von Theorien unter dem Ausdruck Breite (Breadth)?
Lässt sich die Theorie auf einen weiten Bereich von Phänomenen anwenden oder ist sie auf einen engen Phänomenbereich beschränkt? Gerade in der Psychologie gibt es viele Mini-Theorien, die nur auf sehr spezifische Phänomene und unter ganz bestimmten Randbedingungen anwendbar sind. Theorien sollten aber einen möglichst breiten Anwendungsbereich haben.
Was versteht man in der 10er-Liste zur Bewertung von Theorien unter dem Ausdruck Angewandte Relevanz (Usability)?
Hat die Theorie Implikationen für angewandtpsychologische Fragestellungen? Der berühmte deutsche Psychologe Kurt Lewin soll einmal gesagt haben, dass es nichts praktischeres gebe, als eine gute Theorie. Die praktische Bedeutung einer Theorie, z.B. die Relevanz für die Lösung sozialer und psychischer Probleme, ist also ebenfalls ein wichtiges Bewertungskriterium.
Was versteht man in der 10er-Liste zur Bewertung von Theorien unter dem Ausdruck Rationalität (Rationality)?
Macht die Theorie Annahmen über die „Architektur“ des psychischen Systems, die im Lichte von evolutionären Bedingungen, Sinn machen? Über dieses Kriterium von Dennis und Kintsch lässt sich streiten, da es eine bestimmte theoretische Perspektive (die Evolutionstheorie) als Bedingung für die Angemessenheit anderer Theorien einsetzt.
Was bedeutet “Erklären”?
Erklären ist ein Begriff, der auch in der Alltagssprache verwendet wird und in diesem Kontext bedeutet, dass für ein Ereignis oder Phänomen Gründe oder Ursachen angegeben werden können.
Was ist das bekannteste Modell für wissenschaftliche Erklärungen?
Das bekannteste Erklärungsmodell stammt von Hempel und Oppenheim (vgl. Hempel, 1977) und beschreibt die Struktur deduktiv-nomologischer Erklärungen (sogenanntes DNbzw. HO-Schema).
Woraus besteht eine DN-Erklärung?
Eine deduktiv-nomologische Erklärung besteht aus dem Explanans und dem Explanandum.
Was beinhaltet das Explanans in einer DN-Erklärung?
Das Explanans besteht aus allgemeinen Gesetzen (Hypothesen oder theoretische Annahmen) und Antezedenzbedingungen bzw. Sätzen, die die Antezedenzbedingungen beschreiben.
Was beinhaltet das Explanandum in einer DN-Erklärung?
Das Explanandum beinhaltet eine Beschreibung des zu erklärenden Ereignisses und wird logisch aus dem Explanans abgeleitet.
Nenne ein Beispiel für eine DN-Erklärung!
G: Wenn eine Person hohe Prüfungsangst hat, so verringert sich ihre Leistung bei kognitiven Aufgaben
A: P hatte Prüfungsangst
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E: P erbrachte eine verringerte Leistung
Was sind die Adäquatheitsbedingungen für DN-Erklärungen?
Zusätzlich müssen korrekte deduktiv-nomologische Erklärungen sogenannten Adäquatheitsbedingungen genügen, nämlich:
- Das Argument, das vom Explanans zum Explanandum führt muss logisch korrekt sein
- Das Explanans muss mindestens ein allgemeines Gesetz enthalten
- Das Explanans muss empirischen Gehalt besitzen
- Die Sätze, aus denen das Explanans besteht, müssen gut bewährt sein
Was sind typische Verletzungen der Adäquatheitsbedingungen des DN-Schemas?
Beispielsweise kann es sein, dass Gesetzesaussagen noch gar nicht formuliert, geschweige denn geprüft oder Antezedensbedingungen nur zum Teil bekannt sind. Die Komplexität des Gegenstandsbereichs der Psychologie bringt es mit sich, dass gut bewährte Gesetzesannahmen häufig fehlen. Außerdem liegen in der Psychologie keine deterministischen, sondern lediglich Wahrscheinlichkeitszusammenhänge vor, die keine exakte Prognose für Einzelfälle erlauben.
Erläutere das Problem der Preemption, das gegen das DN-Schema vorgebracht wurde!
Peter Achinstein (1983) z.B. hat auf das Problem der „Preemption“ (Zuvorkommen) hingewiesen, das sich mit folgendem Beispiel veranschaulichen lässt:
G: Jede Person, die ein Pfund Arsen zu sich nimmt, stirbt binnen 24 Std.
A: Jones aß ein Pfund Arsen
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E: Jones starb innerhalb von 24 Stunden
Diese Erklärung scheint auf den ersten Blick korrekt. Nun kann es aber sein, dass Jones kurz nach der Einnahme des Arsens von einem Bus überfahren wird und dabei stirbt. Die Ableitung aus G und A gilt dann zwar weiterhin, sie liefert aber nicht die exakte Erklärung für das Ableben von Jones. Der Bus war schneller!