M1 F3 Flashcards

1
Q

Wie heißt in Deutschland der erste und wichtigste Konstruktivist in der Psychologie?

A

Klaus Holzkamp (1972)

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2
Q

Was ist Exhaustion?

A

Man kann widersprechende empirische Ergebnisse mit entsprechender Phantasie und Kreativität immer irgendwelchen „Störquellen“ zuschreiben. Der Fachausdruck für dieses Verfahren ist „Exhaustion“ bzw. „exhaurieren“. „Exhaustion“ bedeutet eigentlich „Ausschöpfung“: ausgeschöpft werden alle Möglichkeiten, eine Theorie oder Hypothese vor der Falsifikation zu retten. Durch das Verfahren der Exhaustion werden Theorien gegenüber der Realität, immunisiert: ihr Scheitern wird unmöglich.

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3
Q

Welche Rolle spielt Exhaustion im Konstruktivismus?

A

Das „Exhaustions-Verfahren“ stellt ein wichtiges Prinzip im sog. „Konstruktivismus“ dar, den Holzkamp (1968; 1972) in Anlehnung an frühere Wissenschaftstheoretiker (vor allem Hugo Dingler, 1881-1954) neu formuliert hat. Holzkamp sieht den Konstruktivismus als eine konsequente Weiterentwicklung des kritischen Rationalismus von Popper an.

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4
Q

Worauf bezieht sich der Name “Konstruktivismus”?

A

Der Name – Konstruktivismus bezieht sich darauf, dass nach dieser wissenschaftstheoretischen Konzeption der Forscher die „Realität“, auf die sich seine Theorien beziehen, auswählend oder herstellend selbst „konstruiert“. Im Konstruktivismus hat die Theorie eine absolute Dominanz gegenüber der Empirie.

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5
Q

Was ist das Erkenntnisziel im Konstruktivismus?

A

So ist auch konsequenterweise jeglicher Anspruch darauf, die „Wahrheit“ erkennen zu können, im Konstruktivismus aufgegeben. Stattdessen geht es hier nur noch um den „Willen zur Eindeutigkeit“. Holzkamp (1972, S. 92) unterscheidet hierbei zwischen dem Streben nach “systemimmanenter“ und dem Streben nach „systemtranszendenter“ Eindeutigkeit.

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6
Q

Was sind systemimmanente und systemtranszendente Eindeutigkeit?

A

Die systemimmanente Eindeutigkeit bezieht sich auf die geforderte logische Widerspruchslosigkeit in einer wissenschaftlichen Theorie.
Die Forderung nach systemtranszendenter Eindeutigkeit bezieht sich auf die Anbindung einer aus Sätzen aufgebauten Theorie an die Empirie. („Eine Theorie ist in dem Maße systemtranszendent eindeutig, als – in besonderen Sätzen erfasste – reale Verhältnisse ausgewählt oder hergestellt werden können, die mit der Theorie in Einklang stehen“ (Holzkamp 1972, S. 93).)

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7
Q

Was ist die Realisation im Konstruktivismus?

A

Theorie und Empirie werden also dadurch zueinander in Beziehung gesetzt, dass reale Verhältnisse ausgewählt oder hergestellt werden, deren Vorhandensein von der jeweiligen Theorie postuliert wird.
Dieses Auswahl bzw. Herstellungsverfahren wird Realisation genannt. In dieser Realisation zeigt sich die radikale Abwendung des Konstruktivismus vom Prinzip der Induktion: Es wird nicht von der empirischen Basis auf die Theorie geschlossen, sondern der Forscher wählt gemäß den Vorgaben seiner Theorie reale Verhältnisse aus oder stellt sie selbst her (z.B. im Experiment).

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8
Q

Warum will Holzkamp das Exhaustions-Prinzip nicht uneingeschränkt akzeptieren?

A

Wie er selbst hierzu bemerkt, würde sonst jede Theorie trotz aller Abweichungen in empirischen Daten unbegrenzt aufrechterhalten werden können (Holzkamp 1972, S. 94). Außerdem ließe sich eine unbegrenzte Exhaustionsmöglichkeit nicht mit dem Prinzip der systemtranszendenten Eindeutigkeit in Übereinstimmung bringen: eine Anbindung an die Realität ist dort überflüssig, wo durch diese keinerlei Rückschlüsse auf die Theorie möglich wären.

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9
Q

Beschreibe Holzkamps Idee, mit dem Belastetheits-Konzept die Exhaustion einzuschränken!

A

Holzkamp versuchte, methodologische Verfahrensregeln aufzustellen, die die Exhaustionsmöglichkeiten einschränken sollen. Es soll also zwischen „erlaubten“ und „unerlaubten“ Exhaustionen unterschieden werden. Er hat hierzu das Konzept des „Belastetheitsgrades“ von Theorien entwickelt: Gemäß dem Belastetheits-Konzept sollen Exhaustionen nur insoweit zulässig sein, als die Behauptung, bestimmte Abweichungen zwischen Theorien und Daten gehen auf störende Bedingungen zurück, selber wieder begründbar ist.

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10
Q

Was ist nach Holzkamp die Belastetheit von Theorien?

A

Sofern der – logisch immer mögliche – Rückgriff auf störende Bedingungen zur Interpretation von Abweichungen nicht begründet werden kann, wird der Umstand, dass die theoretische Annahme nur durch Exhaustion aufrechterhalten werden konnte, der Theorie als „Belastetheit“ zugerechnet. Je höher der Belastetheitsgrad einer Theorie ist, um so mehr verringert sich ihr „empirischer Wert“ bzw. ihr „Realisationsgrad“. Theorien mit geringerem Realisationsgrad sind unter sonst gleichen Umständen in geringerem Maße wissenschaftlich vertretbar als Theorien mit höhrerem Realisationsgrad, was durch Rückgriff auf das Prinzip der systemtranszendenten Eindeutigkeit begründbar ist. (Holzkamp 1972, S. 95)

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11
Q

Beschreibe Alberts Kritik an Holzkamps Konstruktivismus!

A

Albert wirft Holzkamp z.B. vor, er habe die wissenschaftstheoretischen Auffassungen von Popper so umgedeutet, „dass der Sinn dieser Lehre ins Gegenteil verkehrt wird“ (Albert 1973, S. 19). So sei z.B. die Kritik Holzkamps am Falsifikations-Konzept unverständlich, da Popper gar nicht bestreite, dass eine Theorie trotz widersprechender empirischer Befunde beibehalten werden könne. Da Popper keineswegs – wie Holzkamp unterstelle – den Anspruch auf Erkenntnis der Realität als sinnlos hinstellen wolle, könnte in Bezug auf das Exhaustions-Verfahren allenfalls strittig sein, ob es erkenntnisfördernd sei.

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12
Q

Was ist kritischen Wissenschaftstheorien gemeinsam?

A

Gemeinsam ist ihnen, dass sie eine Unterordnung der Sozialwissenschaften unter die Naturwissenschaften ablehnen, und dass sie in mehr oder weniger engem Bezug auf Karl Marx (1818 – 1883) herausstellen, dass Wissenschaft immer Teil eines historisch wandelbaren Bereichs ist und gesellschaftlichen Bestimmungen unterliegt.

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13
Q

Fasse den Positivismusstreit zusammen!

A

Popper und Albert bezogen sich in diesem sog. Positivismusstreit zum Teil auf den früher von Max Weber (1864 – 1920) und Gustav Schmoller ausgetragenen Werturteilsstreit, in dem Weber die Trennung von Werturteilen und wissenschaftlichen Sätzen gefordert hatte (vgl. auch 4.3.3).
Die Vertreter der Frankfurter Schule versuchten, im Positivismusstreit herauszustellen, dass jeder Theoriebildung immer schon ein Erkenntnisinteresse vorausgehe (Habermas) und dass Theorien von Herrschaftsinteressen durchsetzt seien (Adorno). Den Neopositivisten wurde eine verschleiert normative Funktion des falschen Bewusstseins (Habermas) vorgeworfen. Der Forscher selbst sei stets Teil der Gesellschaft und könne sich nicht außerhalb seiner selbst stellen. Er müsse daher sein Verhältnis zu Gesellschaft, Forschung und Wissenschaft dialektisch mitbedenken.

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14
Q

Warum blieb der Positivismusstreit in der scientific community der Psychologen zunächst fast völlig unbeachtet?

A

Zu erklären ist dies wohl mit der Tatsache, dass die nachwachsende Psychologengeneration Anfang der sechziger Jahre vollauf damit beschäftigt war, neobehavioristisches Denken der vorwiegend amerikanischen Psychologie zu übernehmen und (durchaus erfolgreich) in Praxis umzusetzen (vgl. zur Geschichte der Psychologie nach 1945 u.a. Lück et al. 1987).

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15
Q

Wofür steht Kritische Psychologie in der Holzkamp-Schule?

A

Für die marxistisch fundierte psychologische Forschung und Praxis. Sowohl Inhalte, Methoden als auch Anwendungen der „bürgerlichen“ Psychologie (sei sie empirisch-analytischer, sei sie hermeneutisch-verstehender Art) werden von der Kritischen Psychologie kritisiert.

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16
Q

Nenne die beiden zentralen Kritikpunkte der kritischen Psychologie!

A
  1. Die bürgerliche Psychologie arbeitet mit der Fiktion des aus seinen gesellschaftlichen Bezügen herausgelösten Individuums. Das psychologische Experiment spiegelt diese Desintegration und Parzellierung deutlich wider.
  2. Die Theorien der bürgerlichen Psychologie sind beliebig. Theoriegeschichte nimmt sich daher wie ein Wechsel von Moden dar. Der Grund für diese Beliebigkeit wird von marxistischen Psychologen in der Zirkularität des Theorie-EmpirieVerhältnisses gesehen: Die empirischen Befunde bestimmen sich nach den Hypothesen, diese nach den Theorien. Die Theorien selbst stehen langfristig in Konkurrenz miteinander.
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17
Q

Was ist der marxistische Hintergrund der Kritik der kritischen Psychologie?

A

Sie erfolgt vor dem Hintergrund der Aussagen von Marx, das gesellschaftliche Sein bestimme Bewusstsein, und das menschliche Wesen sei das Ensemble der gesellschaftlichen Verhältnisse (6. Feuerbach-These). Die Thesen von Marx sollten nach Holzkamp (1977, S. 50ff.) nicht so missverstanden werden, dass das Individuum lediglich unter gesellschaftlichen Einflüssen steht, wie dies im Übrigen die Grundannahme der gesamten Sozialpsychologie ist. Holzkamp fordert vielmehr ein dialektisches Verhältnis von Mensch und Gesellschaft in der psychologischen Forschung.

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18
Q

Wird die von Holzkamp geforderte dialektische Beziehung von allen marxistisch orientierten Psychologen/Theoretikern akzeptiert?

A

Einige, wie Lorenzer, Horn u.a., sehen die Psychoanalyse als brauchbare und kompatible psychologische Theorie im Kontext der marxistischen Gesellschaftstheorie an, da Marx nur objektive gesellschaftliche Strukturen bedacht habe. Diese Position lehnt Holzkamp ebenso ab, wie die einiger orthodoxer Marxisten, die die Entwicklung marxistisch psychologischer Theorien grundsätzlich mit der Begründung ablehnen, subjektwissenschaftliche Ansätze seien als solche illegitim, da die Aufgabe der Bestimmung der Individualität und Subjektivität des Menschen durch die ökonomische Theorie von Marx zu erklären sei.

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19
Q

Warum steht Holzkamp in der Reihe der marxistisch orientierten Theoretiker zwischen zwei Extremen?

A

Er hält eine Kritische Psychologie als marxistische Individualwissenschaft für möglich und notwendig, ordnet sie jedoch der marxistischen gesellschaftlich-historischen Analyse unter (1977, S. 64). Die Forschungsthematik der Kritischen Psychologie innerhalb des wissenschaftlichen Sozialismus ergibt sich für Holzkamp daraus, dass „Individuen permanentes Resultat ihrer individualgeschichtlichen Entwicklung sind, eines Prozesses, der zwar mit dem gesellschaftlich-historischen Entwicklungsprozess eng verflochten, aber dennoch von ihm unterscheidbar ist“ (S. 65). Aus gesellschaftlicher Sicht sind diese individuellen Entwicklungen nur „quasi ein mikroskopischer Aspekt des historischen Prozesses selbst“ (S. 65).

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20
Q

Wer gilt als Begründer der Verstehenden Psychologie?

A

Als Begründer der Verstehenden Psychologie wird heute Wilhelm Dilthey (1833 – 1911) angesehen. Doch hat Dilthey selbst diesen Begriff nicht geprägt und nicht gebraucht. Dilthey sprach von „Realpsychologie“ (1865) und dann von „beschreibender und zergliedernder Psychologie“ (1894) und zuletzt von „Strukturpsychologie“ (Nachlassfragment).

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21
Q

Wer sprach als erstes von verstehender Psychologie?

A

Karl Jaspers war es, der 1913 erstmals von „Verstehender Psychologie“ sprach. Spranger bevorzugte den Begriff „Geisteswissenschaftliche Psychologie“ (vgl. hierzu Pongratz 1967, S. 263).

22
Q

Was ist verstehende Psychologie?

A

Einfach gesagt, handelt es sich bei der Verstehenden Psychologie zunächst um die Anwendung von Hermeneutik und Phänomenologie auf Fragen der Psychologie. Damit wurde die Verstehende Psychologie zur ersten großen Gegenbewegung zur Wundtschen Elementenpsychologie. Spätere geisteswissenschaftliche Psychologen verstanden sich oft als Gegner des Behaviorismus.

23
Q

Ist für Dilthey Psychologie Erfahrungswissenschaft?

A

Ja. Ausdrücklich beruft sich Dilthey auf den Positivismus. Die Gewissheit der Realität ist für ihn nicht aus dem reinen Denken zu gewinnen (dies ist seine Kritik an Kant), sondern nur in unserer Erfahrung – genauer: in der Erfahrung des Widerstandes, den wir in der Realität erleben. Hierzu zählen für Dilthey z.B. das Tasterlebnis oder das Erlebnis der Zeit. Da alle Menschen diese grundlegenden Erfahrungen machen, ist für Dilthey auch Objektivität möglich.

24
Q

Wie unterscheiden sich nach Dilthey Geistes- und Naturwissenschaften?

A

Nach Dilthey untersuchen die Geisteswissenschaften auf der Grundlage der Naturwissenschaften (!) die an den Sinnesobjekten auftretenden geistigen Tatsachen, ihren Zusammenhang untereinander und ihren Zusammenhang mit den physischen Tatsachen.
Der Unterschied zu den Naturwissenschaften liege bei den Geisteswissenschaften darin, dass man gezwungen sei, in tierische und menschliche Organismen ein seelisches Geschehen zu verlegen. Die Gleichartigkeit eigener innerer Erfahrungen mit denen anderer Menschen muss angenommen werden. Daraus erwachse die Möglichkeit, die eigenen inneren Erfahrungen bis in ihre letzten Tiefen in anderen Personen wiederzufinden.

25
Q

Welche Formen des Verstehens unterscheidet Dilthey?

A

Er unterscheidet elementare und höhere Formen des Verstehens.

26
Q

Was sind die elementaren Formen des Verstehens?

A

Solche sogenannten „elementaren Formen des Verstehens“ regulieren im Alltag das Zusammenleben. Auch die Psychologie ist in Forschung und Praxis in hohem Maße darauf angewiesen.

27
Q

Was sind die höheren Formen des Verstehens?

A

Oft stimmen Lebensäußerungen und „Inneres“ nicht überein. Jemand schweigt, oder er verstellt sich. Auch in diesen Fällen ist uns noch ein Verstehen möglich, aber unser Urteil wird unsicherer. Ein weiterer Bereich - Zitat:
“Aus dem Verkehr des praktischen Lebens entstehen aber auch selbständige Anforderungen zu Urteilen über Charakter und Fähigkeiten des einzelnen Menschen. Wir rechnen beständig mit Deutungen von einzelnen Gebärden, Mienen, Zweckhandlungen oder zusammengehörigen Gruppen von solchen; sie vollziehen sich in Schlüssen der Analogie, aber unser Verständnis führt weiter: Handel und Verkehr, gesellschaftliches Leben, Beruf und Familie weisen uns darauf hin, in das Innere der uns umgebenden Menschen Einblick zu gewinnen, um festzustellen, wieweit wir auf sie rechnen können. Hier geht das Verhältnis zwischen Ausdruck und Ausgedrücktem über in das zwischen der Mannigfaltigkeit der Lebensäußerungen einer anderen Person und dem inneren Zusammenhang, der ihr zugrunde liegt. Dies führt weiter dahin, auch die wechselnden Umstände in Rechnung zu ziehen. Hier liegt also ein Induktionsschluss von einzelnen Lebensäußerungen auf das Ganze des Lebenszusammenhangs vor. Seine Voraussetzung ist das Wissen vom seelischen Leben und seinen Beziehungen zwischen (zu) Milieu und Umständen. Begrenzt wie die Reihe der gegebenen Lebensäußerungen, unbestimmt wie der grundlegende Zusammenhang ist, kann sein Ergebnis nur den Charakter der Wahrscheinlichkeit in Anspruch nehmen.” (1966, S. 43).

28
Q

Warum setzt Diltheys “Verstehen” ein Erleben voraus?

A

Uns bleibt z.B. bei dem Verstehen eines Gedichtes oder eines anderen Kunstwerkes nichts anderes übrig, als analog zu unseren eigenen Erfahrungen und Empfindungen die Lebensäußerung des Künstlers zu „verstehen“.

29
Q

Beschreibe die verstehende Psychologie nach Spranger.

A

Verstehende Psychologie nach Spranger geschieht quasi ahistorisch in einer bestimmten Kultur. So müssen die Aussagen – obwohl sie als allgemeingültige Erkenntnisse formuliert sind – stets in dem Zusammenhang gesehen werden, in dem sie entstanden. Sprangers „Psychologie des Jugendalters“ ist ein gutes Beispiel hierfür: Viele Aussagen, die in den Zwanzigerjahren Allgemeingültigkeit beanspruchten, müssen heute als überholt gelten.

30
Q

Dilthey hatte seine verstehende Geisteswissenschaft als Disziplin auf der Grundlage der Naturwissenschaften mit Anspruch der Allgemeingültigkeit verstanden. Konnte dieser Anspruch aufrecht erhalten werden?

A

Nein. (Der Dilthey-Schüler Georg Misch war es vor allem, der darauf hinwies, dass der Begriff der Allgemeingültigkeit nicht von vornherein zum Wesen der Wissenschaft gehört. Dilthey habe eben das Vorgehen und den Anspruch der Naturwissenschaften zum Teil in seine Geisteswissenschaften übernommen, ohne dass dies notwendig sei.)

31
Q

Inwieweit kann nach Bollnow (1948) die Psychologie als Wissenschaft gelten?

A

Otto Friedrich Bollnow (1948) unterscheidet zwischen Objektivität und Allgemeingültigkeit und stellt mit Misch heraus, dass die geisteswissenschaftliche Analyse keine Allgemeingültigkeit beanspruchen könne. Jedoch sieht Bollnow in den Geisteswissenschaften Objektivität als gegeben an. Wenn man den Anspruch der Allgemeingültigkeit im naturwissenschaftlichen Sinne fallen lassen müsse, so ziehe das keineswegs die Preisgabe des Objektivitätsanspruchs nach sich. Den Begriff „Objektivität“ versteht Bollnow als geisteswissenschaftlichen Begriff im Sinne der Hermeneutik. Es ist wichtig, den geisteswissenschaftlichen Objektivitätsbegriff vom Begriff der Objektivität in der Mess- und Testtheorie (Durchführungs-, Auswertungsund Interpretationsobjektivität) sorgfältig zu trennen (vgl. Kap. 5.4 Gütekriterien).

32
Q

Was war Karl Jaspers und wann lebte er?

A

Arzt, Psychiater und Philosoph. 1883 – 1969

33
Q

Was forderte Jaspers an der Psychiatrischen Klinik Heidelberg um 1909?

A

Wer Psychopathologie treibe, müsse vorerst denken lernen.

34
Q

Was fordert Jaspers in seiner „Allgemeinen Psychopathologie“?

A

Jaspers fordert in seiner „Allgemeinen Psychopathologie“ eine sorgfältige Beschreibung von psychischen Störungen, wobei er zunächst von einer Diagnose der Entstehung dieser Störungen absehen will. Dieses Vergegenwärtigen seelischer Zustände sieht Jaspers als Phänomenologie an. Aber er will mehr: “Im statischen Verstehen (Phänomenologie) erfassen wir gewissermaßen den Querschnitt des Seelischen, im genetischen Verstehen (verstehende Psychopathologie) den Längsschnitt.”

35
Q

Welche Formen des Verstehens unterscheidet Jaspers?

A

Um Missverständnissen und Unklarheiten aus dem Wege zu gehen, gebrauchen wir den Ausdruck „verstehen“ immer für das von innen gewonnene Anschauen des Seelischen, das wir als statisches und genetisches Verstehen unterscheiden.
Von der Einsicht in den prinzipiellen Gegensatz statischen Verstehens zur sinnlichen Wahrnehmung, genetischen Verstehens zum Erklären hängt die Möglichkeit eines geordneten Studiums und eines klaren Forschens in der Psychopathologie ab. Es handelt sich hier um völlig verschiedene letzte Erkenntnisquellen. (S. 19)

36
Q

Was ist vor der eigentlichen Untersuchungsdurchführung und Datenerhebung dringend geboten?

A

In Vortests bzw. Pilotstudien die zuvor geplante Versuchsanordnung und sämtliche Messinstrumente zu erproben und gegebenenfalls zu modifizieren.

37
Q

Was muß man vor dem Experiment organisieren?

A

o Vorbereitung der Versuchsräume, des Versuchsmaterials und der technischen Hilfsmittel (Computer, Videokameras etc.). Idealerweise sollten immer auch Ersatzgeräte zur Verfügung stehen, falls für die Studie notwendige Computer oder Videokameras ausfallen.
o Schulung und bei längeren Untersuchungsreihen gegebenenfalls Nachschulung der Versuchsleiter und Versuchsleiterinnen.
o Sicherstellung und genaue Dokumentation der Datenerhebung.
o Insbesondere bei experimentellen Untersuchungen Beachtung und Dokumentation von Störvariablen (vgl. Abschnitt7.2.4).
o Empirische Studien, in denen (psychotherapeutische) Interventionsmaßnahmen untersucht und evaluiert werden, sollten eine Supervison der durchführenden Trainer bzw. Therapeuten vorsehen.

38
Q

Weshalb ist für den Ablauf eines Experiments ein Drehbuch notwendig?

A

Da die Durchführung einer Studie für jeden einzelnen Probanden aus methodischen Gründen möglichst identisch ablaufen muss, ist der Ablauf eines Experiments, aber auch die Durchführung einer längerfristigen Interventionsmaßnahme so weitgehend wie möglich zu standardisieren. Würde ein Experiment oder eine Intervention bei jeder Versuchsperson immer mehr oder weniger anders ablaufen, dann wären die einzelnen Fälle nicht vergleichbar und könnten auch nicht zusammenfassend betrachtet und analysiert werden.

39
Q

Was passiert im idealtypischen Ablauf einer psychologischen Untersuchung, nachdem man sich für ein bestimmtes Forschungsthema entschieden hat?

A

Mann muss zunächst die relevante Literatur verarbeiten.

40
Q

Was sind die wichtigsten psychologischen Datenbanken, die für eine Literaturrecherche zur Verfügung stehen?

A

PsycINFO und PSYNDEX (vgl. Kurs 3402, KE 2). Diese Datenbanken stehen Studierenden der Psychologie über die Universitätsbibliotheken im Internet zur Verfügung.

41
Q

Warum besteht die Möglichkeitverschiedene konkrete Hypothesen abzuleiten?

A

Theorien sind mehr oder weniger breit und allgemein formuliert.

42
Q

Wann entsteht nach dem Basispostulat einer Theorie von Schlenker und Leary (1982) soziale Angst in realen oder vorgestellten Situationen?

A

Wenn eine Person motiviert ist, gegenüber anderen einen bestimmten Eindruck zu vermitteln, aber daran zweifelt, diesen Eindruck hervorrufen zu können. Damit verbunden ist die Erwartung unbefriedigender, eindrucksrelevanter Publikumsreaktionen.

43
Q

Welche vier Typen von Hypothesen unterscheiden Bortz und Döring (2006) sowie Bortz und Schuster (2010)?

A

Unterschiedshypothesen, Zusammenhangshypothesen, Veränderungshypothesen sowie Hypothesen in Einzelfall-Untersuchungen. Alle vier Hypothesenarten lassen sich noch weiter ausdifferenzieren und müssen im Verlauf der Operationalisierung und Untersuchungsplanung spezifiziert werden.

44
Q

Nenne Beispiele für Forschungshypothesen, die sich aus der Selbstdarstellungstheorie sozialer Angst ableiten lassen!

A

Männer und Frauen unterscheiden sich im Ausmaß sozialer Angst (Unterschiedshypothese); es besteht ein Zusammenhang zwischen niedrigen darstellungsbezogenen Selbstwirksamkeitserwartungen und sozialer Angst (Zusammenhangshypothese); soziale Angst, z.B. Redeangst, lässt sich durch ein Trainingsprogramm reduzieren, das darstellungsbezogene Selbstwirksamkeitserwartungen steigert (Veränderungshypothese). Insbesondere bei der beispielhaften geschlechtsbezogenen Unterschiedshypothese handelt es sich zugleich um eine Aggregathypothese (vgl. Westmeyer, 1996).

45
Q

Was ist der Unterschied zwischen Aggregat-Hypothesen und Einzelfall- bzw. singulären Hypothesen?

A

Aggregat-Hypothesen beinhalten Aussagen über Eigenschaften einer Population (Klasse, Kollektiv) als Ganzer, nicht aber über einzelne Personen dieser Population. Aussagen über einzelne Personen sind Gegenstand von Einzelfallhypothesen oder singulären Hypothesen (vgl. Abschnitt 7.5).

46
Q

Was bedeutet nun „empirisch-analytisch“?

A

Empirisch heißt „erfahrungsmäßig“, also auf Erfahrung, Beobachtung, Experiment usw. basierend. „Analytisch“ heißt zunächst einmal „in Bestandteile auflösend“: der zu untersuchende Gegenstand wird in seine Bestandteile zerlegt und deren Beziehungen untereinander werden beobachtet.

47
Q

Was ist zentral für die empirisch-analytische Herangehensweise?

A

Die vermeintliche empirisch-analytische „Zerlegung“ der menschlichen Persönlichkeit bedient sich vor allem mathematischer Methoden, wie z.B. der sog. „Faktorenanalyse“. Dieser Rückgriff auf mathematisch-naturwissenschaftliche Methoden ist eines der charakteristischen Merkmale empirisch-analytischer Vorgehensweisen.

48
Q

Erläutere das Begriffspaar “quantitativ vs. qualitativ”

A

Der Begriff „quantitativ“ hat sich mittlerweile fast zu einem Synonym für empirisch-analytische Forschung entwickelt. Das Attribut „qualitativ“ soll demgegenüber häufig das Wissenschaftsverständnis einer hermeneutisch-phänomenologischholistisch orientierten Psychologie charakterisieren. Statt des im Übrigen recht unpräzisen Begriffspaares quantitativ vs. qualitativ wird auch die (gleichermaßen unscharfe) Bezeichnung harte vs. weiche Daten gewählt.

49
Q

Was bedeutet “Nomothetisch” - und was macht Windelband damit?

A

Häufig begegnet man statt des Begriffs „empirisch-analytisch“ auch dem Begriff „nomothetisch“.
Dieser Begriff geht auf den deutschen Philosophen Wilhelm Windelband (1848-1915) zurück, der die auf Gesetze zielende Methode der Naturwissenschaft als „nomothetisch“, die das Einzelne, Ideelle, Geschichtliche hervorhebende Methode der Geisteswissenschaften als „idiographisch“ bezeichnete.
Im methodischen Sinne klassifiziert Windelband die Psychologie zwar als Gesetzeswissenschaft, stellt aber unabhängig davon fest, „… dass dieselben Gegenstände zum Objekt einer nomothetischen und daneben auch einer idiographischen Untersuchung gemacht werden können“ (1905, S. 12).

50
Q

Nenne weitere Begriffe, die zur Charakterisierung des empirisch-analytischen Wissenschaftsverständnisses verwendet werden:

A

naturwissenschaftlich, nomologisch, neopositivistisch, szientistisch, usw.