FLB I - Verbale Fragen Flashcards
Definition psychologischer Diagnostik nach Kubinger (2009).
Ein Prozess, bei dem spezielle Verfahren verwendet werden, um gezielte Informationen über die psychischen Merkmale einer Person oder mehrerer Personen zu gewinnen.
Dieser Prozess umfasst z.B. das Klären der Fragestellung, die Auswahl der geeigneten Verfahren, die Anwendung und Auswertung dieser Verfahren, die Interpretation und Erstellung eines Gutachtens sowie das Festlegen von Interventionen oder Maßnahmenempfehlungen.
Die psychologische Diagnostik bereitet das psychologische Diagnostizieren für die praktische Anwendung vor.
Definition psychologischer Diagnostik nach Schmidt-Atzert und Amelang.
Psychologische Diagnostik nach Schmidt-Atzert & Amelang (2012) ist eine Teildisziplin der Psychologie, die sich mit der Beantwortung von Fragen zur Beschreibung, Klassifizierung, Erklärung oder Vorhersage menschlichen Verhaltens und Erlebens befasst.
Dabei werden gezielt Informationen über das Verhalten und Erleben einer oder mehrerer Personen sowie relevante Bedingungen erhoben.
Diese Informationen werden interpretiert, um die Fragestellung zu beantworten. Das diagnostische Handeln basiert auf psychologischem Wissen, und es werden Methoden verwendet, die wissenschaftlichen Standards entsprechen.
Was ist die Definition psychologischer Diagnostik nach dem Fernlehrbrief?
Psychologische Diagnostik beinhaltet die empirisch basierte, möglichst genaue Schätzung der Ausprägung und Veränderung psychologischer Konstrukte bei Merkmalsträgern sowie die möglichst genaue Klassifikation der Merkmalsträger in Gruppen mit ähnlichen psychischen Merkmalen, unter Beachtung transparenter, wissenschaftlicher und ethischer Standards sowie einer kompetenzbasierten, theorie- bzw. regelgeleiteten Integration und Interpretation der Informationen (Gutachten, Diagnose, Prognose) mit dem Ziel der Beantwortung diagnostischer Fragestellungen (z.B. Vorbereitung von Interventionsmaßnahmen und Entscheidungen).
Was sind Aufgaben der psychologischen Diagnostik?
- Vorbereitung und Absicherung von Entscheidungen und Interventionen.
- Entscheidungen und Interventionen in verschiedenen Anwendungsbereichen:
• Klinische Psychologie: Zuweisung zur Psychotherapie, Auswahl der Therapieform.
• Arbeits- und Organisationspsychologie: Berufsausbildung, Personaldiagnostik.
• Pädagogische Psychologie: Zuweisung zu einer speziellen Schule.
• Forensische Psychologie: Art des Haftvollzugs.
• Verkehrspsychologie: Berechtigung zur Fahrzeugführung.
- Fachspezifische Aspekte und Aufgaben der psychologischen Diagnostik in verschiedenen Teildisziplinen:
• Arbeits- und Organisationspsychologie: Maximierung des monitären Nutzens von Organisationen.
• Klinische Psychologie: Klassifikation von Personen in Diagnosesysteme zur Vorbereitung therapeutischer Maßnahmen.
- Beachtung ethischer und rechtlicher Rahmenbedingungen beim diagnostischen Arbeiten aufgrund der hohen Relevanz für die Gesellschaft und die betroffenen Individuen.
Was umfassen ethische Rahmenbedingungen in der psychologischen Diagnostik?
- Beziehung zu rechtlichen Aspekten: Ethische Verhaltensnormen gelten auch in Situationen, in denen keine direkte gesetzliche Regelung existiert. Hierbei wird insbesondere auf die Loyalität gegenüber dem Berufsstand verwiesen.
- Vermeidung unnötiger rechtlicher Auseinandersetzungen: Die Berufsordnungen des BDP und der FSP betonen die Anrufung von Ehrengerichten oder Schlichtungsstellen, bevor rechtliche Schritte gegen Kollegen eingeleitet werden.
- Psychologische Begutachtung: Ethikrichtlinien fordern bei der Erstellung von Gutachten höchstmögliche Sachlichkeit, wissenschaftliche Fundiertheit, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit. Gefälligkeitsgutachten, bei denen die persönliche Begünstigung bestimmter Personen im Vordergrund steht, sind unzulässig.
Was sind ethische Rahmenbedingungen?
Ethische Rahmenbedingungen in der psychologischen Diagnostik beziehen sich auf Verhaltensnormen und Richtlinien, die über die rechtlichen Vorgaben hinausgehen und den professionellen Umgang von Psychologinnen und Psychologen regeln.
Die Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs), der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) und die Schweizerische Gesellschaft für Psychologie (SWP) haben ethische Richtlinien und Berufsordnungen erstellt, die die Arbeitsbedingungen und Verantwortlichkeiten von Psychologen in Deutschland und der Schweiz beschreiben.
Was sind rechtliche Rahmenbedingungen?
Rechtliche Rahmenbedingungen in der psychologischen Diagnostik beziehen sich auf die gesetzlichen Bestimmungen und Regelungen, die in Deutschland gelten und die die Durchführung von psychologischer Diagnostik betreffen.
Das deutsche Grundgesetz legt bestimmte Einschränkungen für die psychologische Diagnostik fest, insbesondere in Bezug auf die Würde des Menschen und das Recht auf persönliche Entfaltung.
Ähnliche Regelungen finden sich auch in der Bundesverfassung der Schweiz.
Was ist die Definition des diagnostischen Prozesses?
Diagnostische Prozesse sind komplexe Entscheidungsprozesse in der Psychologie, bei denen Fachleute Verhalten anhand psychologischer Konstrukte beschreiben, klassifizieren, erklären, vorhersagen und gegebenenfalls Verhaltensänderungen empfehlen oder beurteilen.
Diese Prozesse durchlaufen verschiedene Stationen, die als “diagnostischer Prozess” bezeichnet werden.
Der diagnostische Prozess beinhaltet die Gewinnung von relevanten Informationen, ihre Integration zur Beantwortung einer Fragestellung, die Entwicklung von Entscheidungsstrategien und Plänen, die Ergebnisfindung und die Weitergabe der diagnostischen Informationen.
Was sind die vier Phasen des diagnostischen Prozesses nach Fernandez-Ballesteros et al. und Westhoff et al.?
- Analyse des Anliegens (d.h. Formulierung und Konzeptualisierung des Anliegens)
- Aufbereitung und Berichten der Ergebnisse
- Planung der Intervention
- Evaluation und Follow-up-Untersuchung
Diagnostischer Prozess Phase 1: Analyse des Anliegens
- Fragestellung des Auftraggebers prüfen und wichtige Informationen für die Bearbeitung erfassen
- Formulierung prüfbarer diagnostischer Hypothesen
- Operationalisierung der interessierenden Konstrukte
- Erheben von Informationen
- Verarbeitung von Informationen
Diagnostischer Prozess Phase 2: Aufbereiten und Berichten der Ergebnisse.
- Organisieren und Berichten von Ergebnissen (Schlussfolgerungen herausarbeiten, Gutachten erstellen)
Diagnostischer Prozess Phase 3: Planung der Intervention
- Planen der Intervention
- Durchführen von Intervention
Diagnostischer Prozess Phase 4: Evaluation und follow-up-Untersuchungen
- Evaluation und Nachuntersuchung
- Nachuntersuchung und follow-up
Was ist eine Anforderungsanalyse?
Die Anforderungsanalyse bezieht sich auf den Prozess der Festlegung der erforderlichen Merkmale und Informationen, die im diagnostischen Prozess erhoben werden sollen.
Sie befasst sich damit, wie die verschiedenen Informationen reduziert und integriert werden können, um Entscheidungen zu treffen.
Es gibt zwei Modelle, die in der Anforderungsanalyse verwendet werden können: das kompensatorische Modell und das konjunktive Modell.
Was ist das kompensatorische Modell?
Im kompensatorischen Modell können Schwächen in einer Merkmalsdimension durch Stärken in einer anderen Merkmalsdimension ausgeglichen werden.
Das bedeutet, dass zum Beispiel unterdurchschnittliche Leistungen in figuralen Aufgaben durch überdurchschnittliche Leistungen in verbalen Aufgaben kompensiert werden können.
Mit anderen Worten, wenn eine Person in einem bestimmten Bereich eine Schwäche aufweist, kann sie dies durch ihre Stärke in einem anderen Bereich ausgleichen.
Was ist das Konjunktive Modell?
Nach dem konjunktiven Modell werden Mindestleistungen für ein oder mehrere Merkmale festgelegt.
Zum Beispiel könnte festgelegt werden, dass ein Versicherungsvertreter durchschnittlich extravertiert, durchschnittlich freundlich und durchschnittlich gute Rechenfähigkeiten haben sollte.
Bei diesem Modell müssen alle relevanten Merkmale entsprechend der Mindestanforderung erfüllt sein (UND-Verknüpfung).
Das heißt, alle Mindestanforderungen müssen erfüllt sein, um als geeignet zu gelten.
Darüber hinaus kann in der Anforderungsanalyse auch festgelegt werden, ob nicht alle, sondern nur ein oder mehrere Merkmalsausprägungen den Mindestanforderungen entsprechen müssen (ODER-Verknüpfung).
Dies bedeutet, dass beispielsweise ein Versicherungsvertreter entweder durchschnittlich extravertiert oder durchschnittlich freundlich sein oder durchschnittliche Rechenfähigkeiten aufweisen muss.
Was ist die klinische Urteilsbildung?
Unter klinischer Urteilsbildung versteht man die Integration von Informationen auf der Grundlage subjektiver, intuitiver und informeller Einschätzungen, um zu einem diagnostischen Urteil zu gelangen.
Dies bedeutet, dass der Diagnostiker sein Fachwissen, seine Erfahrung und seine persönlichen Einschätzungen nutzt, um eine Entscheidung zu treffen.
Was ist die statistische Urteilsbildung?
Auf der anderen Seite steht die statistische Urteilsbildung, bei der Informationen mithilfe fester Regeln, Formeln und Algorithmen zu einem diagnostischen Urteil integriert werden.
Hierbei werden Zusammenhänge zwischen Prädiktor- und Kriteriumsvariablen berücksichtigt.
Es werden Daten analysiert und statistische Modelle verwendet, um Vorhersagen über bestimmte Kriterien zu treffen.
Klinische vs. Statistische Urteilsbildung
In Bezug auf die Frage, welche Methode besser ist, gibt es seit langem eine kontroverse Diskussion. Paul E. Meehl, ein prominenter klinischer Psychologe, führte Untersuchungen durch, um herauszufinden, ob statistische Auswertungen zu besseren Vorhersagen und Therapieentscheidungen führen als klinische
Auswertungen. Es wurden Metaanalysen durchgeführt, um den Nutzen beider Methoden empirisch zu untersuchen und zu vergleichen.
Es ist schwierig, eindeutig zu sagen, welche Methode generell besser ist, da es von vielen Faktoren abhängt.
- Statistische Urteilsbildung bietet den Vorteil der Objektivität und der Berücksichtigung großer Datenmengen.
- Es kann jedoch sein, dass bei komplexen oder individuellen Fällen zusätzliche klinische Einschätzungen und Erfahrungswerte notwendig sind, um eine fundierte Entscheidung zu treffen.
Insgesamt ist es sinnvoll, beide Strategien der Urteilsbildung zu nutzen und ihre jeweiligen Stärken zu berücksichtigen (kombinierter Ansatz).
Eine gute diagnostische Expertise sollte darauf abzielen, transparente Entscheidungsregeln zu
entwickeln, die den diagnostischen Prozess objektiver, reliabler und valider machen. Es ist auch wichtig, sich
der Einflüsse und Verzerrungstendenzen der Informationsverarbeitung bewusst zu sein und sie zu minimieren,
um die Qualität der diagnostischen Urteile zu verbessern
Welche beiden Entscheidungsarten gibt es im diagnostischen Prozess?
- Terminale Entscheidung
- Investigatorische Entscheidung
Was ist die Terminale Entscheidung?
Terminale Entscheidung bedeutet, dass der diagnostische Prozess abgeschlossen ist und eine endgültige Antwort auf die Fragestellung gefunden wurde.
Zum Beispiel könnte ein Psychologe eine terminale Entscheidung treffen, indem er feststellt, dass eine Person an einer bestimmten Störung leidet und eine entsprechende Behandlung empfiehlt.
Was ist die investigatorische Entscheidung?
Investigatorische Entscheidung bezieht sich auf den Fall, dass während des diagnostischen Prozesses neue Fragen auftauchen, die weitere Untersuchungen erfordern.
Zum Beispiel könnte ein Arzt bei der Untersuchung eines Patienten erste Informationen sammeln und feststellen, dass weitere Tests erforderlich sind, um eine genaue Diagnose zu stellen.
Die investigatorische Entscheidung führt zu einer Vertiefung der Untersuchung, um die zusätzlichen Fragen zu beantworten und möglicherweise zu einer endgültigen Entscheidung zu gelangen.
Welche Verzerrungstendenzen gibt es im diagnostischen Prozess?
- Repräsentativheuristik
- Verfügbarkeitsheuristik
- Ankerheuristik
- Simulationsheuristik
- Affektive Reaktionen
- Voreilige Schließung
- Bestätigungsfehler
Was ist die Repräsentativheuristik?
Wahrscheinlichkeiten von Ergebnissen wird als wahrscheinlicher eingeschätzt, wenn sie die zugrundeliegende Grundgesamtheit besser repräsentieren. Zum Beispiel könnte ein Psychologe aufgrund der Ähnlichkeit der Symptome eines Klienten mit einer typischen Fallbeschreibung eine Diagnose stellen, ohne die tatsächliche Prävalenz der Störung zu berücksichtigen.
Was ist die Verfügbarkeitsheuristik?
Diese Heuristik basiert darauf, dass Urteile beeinflusst werden von der Leichtigkeit, mit der Informationen aus dem Gedächtnis abgerufen werden können. Wenn bestimmte Informationen leicht verfügbar sind, werden sie bei der Entscheidungsfindung stärker berücksichtigt. Zum Beispiel könnte ein Gutachter eher an vergangene Fälle erinnert werden, bei denen eine bestimmte Diagnose gestellt wurde, und diese Information stärker gewichten.