Entwicklungspsychologie Woche 2 Flashcards

1
Q

*“Genetische Epistemologie” (Entwicklung des Erkennens)

A
  • Umfassende Theorie kognitiver Entwicklung:
    Geburt bis Adoleszenz (hier Maximum erreicht); bereichsübergreifend
    (Sprache, Gedächtnis, Moral, …)
  • Strukturalismus: Annahme abstrakter
    übergeordneter Denkstrukturen, die die
    Möglichkeiten und Beschränkungen auf der
    jeweiligen Entwicklungsstufe bedingen (→
    Strukturgenetische Theorie)
  • Stadientheorie
  • Entwicklung des Denkens in aktiver
    Auseinandersetzung mit der Umwelt
  • basierend auf Beobachtungen und
    Befragungen von Kindern verschiedenen
    Alters (im Säuglings- und Kleinkindalter
    besonders der eigenen Kinder Jaqueline,
    Lucienne & Laurent)
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2
Q

Piaget

Entwicklungsverlauf Stadientheorie

A

Entwicklungsverlauf: Stadientheorie
* vier aufeinander aufbauende Stufen
* Qualitative Veränderung: Kinder verschiedenen Alters denken qualitativ unterschiedlich
* breite Anwendbarkeit: versch. Themen und Domänen
* kurze Übergangszeit
* Invariante Abfolge

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3
Q

Piaget

“Motoren” der Entwicklung: Erkenntnistheoretische Grundannahmen

A
  • Konstruktivistische Erkenntnistheorie
  • Wissen als Produkt eines aktiven, erfahrungsgetriebenen Konstruktionsprozesses
  • intrinsische Neugier
  • lernen durch konstruktive Aktivität wichtiger als direkte Wissensvermittlung
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4
Q

Piaget

Interaktion von Anlage und Umwelt in der kognitiven Entwicklung

A
  • Adaption: Kinder verfolgen ihre Handlungsziele in adaptiver Weise (reagieren auf Umweltanforderungen) –> Anpassung
  • Organisation/Strukturierung: Partikuläre Erfahrungen werden in kohärentes Ganzes integriert
  • Äquilibration: Nach Gleichgewicht strebender Prozess des Zusammenspiels von Assimilation und Akkomodation
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5
Q

Äquilibration ist ein nach Gleichgewicht strebender Prozess des Zusammenspiels von…

A
  • Assimilation: Integration von Neuem in bestehende mentale Strukturen
  • Akkomodation Anpassung mentaler Strukturen in Reaktion auf Anforderungen der Umwelt –> Anpassung Strukturen an neue Erfahrungen
  • Vorhandene Strukturen noch nicht ausreichend, um neue
    Situation meistern (verstehen, handeln) zu können → Adaptationsprozesse
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6
Q

Die vier Stadien der Denkentwicklung nach Piaget

A
  • 0-2 Jahre Sensumotorisch: Sinneserfahrungen und Handlungen
  • 2-6/7 (Vorschulalter) Präoperational: Sprache und Symbolgebrauch
  • 7-12 Jahre Konkretoperational: Logisches Denken und Kategorisierung
  • ab 12 JahreFormaloperatorisch: Hypothetisches Denken, Wissenschaftliche Rationalität
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7
Q

Sensumotorisches Stadium (0-2 Jahre)

A
  • Handeln im Hier und Jetzt
  • Entwicklung der Intelligenz
    durch sensorische und
    motorische Fähigkeiten in
    6 Stufen
  • ~ 2 Jahre: Fähigkeit zur
    zeitlich verzögerten
    Nachahmung als Beginn
    der Fähigkeit zu dauerhaft
    mentaler Repräsentation
  • Entwicklung der stabilen Obejektrepräsentation:
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8
Q

Entwicklung der Objektrepräsentation

A
  1. keine Objektpermanenz (vor 8.Lebensmonat): Wenn ein Objekt außer Sicht ist, wird nicht danach gesucht
  2. A nicht B Suchfehler (Ende ersten Lebensjahres): Tendenz dorthin zu greifen, wo man ein Objekt zuvor gefunden hat, nicht dorthin, wo es zuletzt versteckt wurde
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9
Q

Übergang zum präoperationalen Stadium (18-24 Monate)

A

In der letzten Phase des sensumotorischen Stadiums (ab ca 18 Monaten) erlangen die Kinder nach Piaget die Fähigkeit dauerhafte mentale Repräsentationen zu bilden
1. erste Anzeichen für diese neue Fähigkeit ist die zeitlich verzögerte Nachahmung (Imitation): damit ist die Wiederholung von Verhalten anderer Menschen Minuten, Stunden oder Tage nach dem ursprünglichen Auftreten gemeint
2. erste Hinweise auf Symbolgebrauch (Sprachproduktion; Fiktionsspiel)

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10
Q

Präoperationales Stadium (2-6/7 Jahre)

A
  • Sprach und Symbolgebrauch
  • Zunehmendes Ersetzen sensorischer Aktivität durch geistige Aktivitäten
  • Einbeziehen von Vergangenheit und Zukunft
  • Fähigkeit zur symbolischen
    Repräsentation
  • Egozentrismus
  • Zentrierung

Beschränkungen:
1. Interne Repräsentationen sind nicht manipulierbar (Irreversibilität
2. Unfähigkeit zur Perspektivenübernahme (Egozentrismus)
3. Unfähigkeit zur Unterscheidung zwischen Schein und Sein
4. Unfähigkeit zur Ableitung von Schlussfolgerungen

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11
Q

Präoperationales Stadium (2-7)
Beschränkungen:

A
  • Egozentrismus: Die Tendenz, die Welt ausschließlich aus der eigenen Perspektive wahrzunehmen
  • Zentrierung: Die Tendenz, sich auf ein einzelnes, perzeptuell auffälliges Merkmal eines Objekts oder Ereignisses zu konzentrieren
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12
Q

Piagets Drei-Berge-Versuch und Invarianzkonzept

A

a) Piagets Drei-Berge-Versuch: Die Kinder sollen das Bild auswählen, das der Perspektive der
Puppe auf dem gegenüberliegenden Stuhl entspricht. Die meisten Kinder unter sechs Jahren
wählen das Bild, das die Szene so zeigt, wie sie ihnen selbst erscheint. Dies illustriert die
Schwierigkeit, die eigene Perspektive von der anderer zu trennen.
b) Verfahren zur Prüfung der Invarianzkonzepte von Flüssigkeitsmenge, fester Masse und Zahl: Die
meisten Vier- und Fünfjährigen sagen, dass die höhere Flüssigkeitssäule mehr Flüssigkeit, die längere Tonwurst mehr Ton und die längere Reihe mehr Objekte enthält.

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13
Q

Präoperationales Denken

A

Fundamentale Einschränkungen des Denkens im Vorschulalter:
* Wissensrepräsentation
* Kinder bilden interne Repräsentationen, aber sind noch nicht fähig,
diese mental zu manipulieren (Irreversibilität).
* logisches Folgern
* Grundlegende Begriffe (Raum, Zeit, Kausalität) noch nicht entwickelt
* Unfähigkeit zur Repräsentation linearer Ordnungen und
zur Ableitung von Schlussfolgerungen aus solchen Ordnungsrelationen
→ Mangelnde Repräsentation der Inklusionsbeziehungen zwischen Klassen
* Unfähigkeit zur Perspektivenübernahme (Wahrnehmungs-, epistemischer
Egozentrismus)
* Unfähigkeit zur Unterscheidung zwischen Schein und Sein

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14
Q

Konkret-operatorisches Stadium (7-12 Jahre)

A
  • Fähigkeit zu Transformationen durch mentale Operationen => logisch statt intuitiv zu denken
  • Konzepte: Invarianz, Inklusion, Kausalität, Perspektiven
  • Aber!: logische Denkprozesse auf konkrete Situationen beschränkt
  • Probleme beim Nachdenken über hypothetische Situationen
  • Pendelproblem:
    Vergleiche die Bewegungen längerer
    und kürzerer Schnüre mit leichteren
    und schwereren Gewichten, um den
    Einfluss von Gewicht, Schnurlänge
    und Punkt des Loslassens auf die Zeit
    zu bestimmen, in der das Pendel
    schwingt.
    → Kinder unter 12 Jahren führen
    meistens unsystematische
    Experimente durch und gelangen
    zu fehlerhaften
    Schlussfolgerungen.
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15
Q

Formal-operatorisches Stadium ab 12 Jahre

A
  • Denken in Möglichkeiten (abstrakt, hypothetisch, schlussfolgernd)
  • Analyse kompexer Probleme: Prüfung von Hypothesen und systematisches Experimentieren
  • Eigene Perspektive ist eine von vielen möglichen
  • ! Nicht universelles Stadium: ohne entsprechende Umweltbedingungen (Bildung) erreichen nicht alle Menschen dieses Stadium
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16
Q

Piaget Fazit

A

+
* Breiter Überblick über die Entwicklung
* Antrieb für weitere Forschung
* Faszinierende Beobachtungen

-
* keine repräsentativen Stichproben (-> hauptsächlich eigene Kinder)
* neue Untersuchungsmethoden zeigen manche Konzepte schon bei deutlich jüngeren Kindern
* mehr Variabilität innerhalb von Stufen In vertrauten Inhaltsbereichen argumentieren/handeln Kinder auf einem höheren Niveau als in unvertrauten
* zu vage in Hinblick auf zugrunde liegende Mechanismen
* Bedeutung der sozialen Interaktion für Denkentwicklung wird kaum thematisiert

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17
Q

Piaget

Pädagogisch-praktische Implikationen

A
  • Beachtung der kognitiven Voraussetungen in der entsprechenden altersgemäße Erwartungen
    1. Bsp: Mangelnde Fähigkeiten zur Perspektivenübernahme erschweren soziales/kooperatives Lernen bei Vorschulkindern
    2. ABER: Piaget unterschätzte die Fähigkeiten von Kindern → Wenn
    Aufgaben in Inhaltsbereich und Anforderungen passend konstruiert werden,
    sind auch junge Kinder schon zu deutlich höheren Leistungen fähig (z.B.
    logisches Denken & wissenschaftliches Experimentieren)

Weiterentwicklung durch “kognitive Konflikte
* zwingen das System zur „Akkommodation“ seiner Strukturen
* Lernen nur durch aktive Auseinandersetzung
→ „System verstören“
* Gerade jüngere Kinder: Beginn mit Aktivitäten, „Herumprobieren“

➢ Befunde und Erklärungen aus Sicht der Informationsverarbeitungstheorien
und domänenspezifischer Ansätze zeigen, wie und warum die von Piaget
ursprünglich postulierten Einschränkungen so im pädagogischen Bereich
nicht haltbar sind

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18
Q

Klassische Theorien kognitiver Entwicklung: Vygotsky: soziokulturelle Entwicklungstheorie

A
  • Kinder sind soziale Wesen, Teilnahme an
    Aktivitäten mit anderen, gelenkte Partizipation
  • Personen gestalten Situationen so, dass
    andere Menschen mit geringeren Kenntnissen
    etwas lernen können → Lernen als
    Nebenprodukt gemeinsamer Aktivitäten
  • Soziale Interaktion als Kerngeschehen, in
    dem Formen des Denkens und Verhaltens
    angeeignet werden
  • Kognitive Entwicklung als gesellschaftlich
    vermittelter Prozess (→ Sozialisation)
  • Denken = verinnerlichter Dialog mit Anderen
    → verbale Eigeninstruktion bei Aufgaben
    (→ Internalisierung)
19
Q

Sozio-kulturelle Theorien: Zentrale Konzepte

A
  • Angeborene elementare mentale Funktionen, die zunächst von äußerer welt (Ereignissen, Objekten) kontrolliert werden: Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Sinneseindrücke, Wahrnehmung
  • Durch Interaktion mit der Umwelt entwickeln sich diese zu höheren mentale Funktionen : Denken, Gedächtnisstrategien
  • Psychologische Werkzeuge: Helfen das Denken zu Organisieren, vermitteln zwischen Kind und Umwelt: Sprache, Zahlen- und Schreibsysteme, Kultur, technische Geräte (z.B. Computer)
20
Q

Zone proximaler Entwicklung

A
  • Bereich der Leistungsfähigkeit zwischen dem, was das Kind ohne Hilfestellung kann und dem, was es mit optimaler Unterstützung bewältigt
  • Entwicklung am wahrscheinlichste, wenn das Denken des Kindes von einer lehrenden Person auf geringfügig höherem Niveau unterstützt, als es dem Kind von sich aus möglich wäre
  • Wennn es einfachere Aspekte einer Aufgabe beherrscht, auf höherem Niveau über Aufgabe nachdenken
    => implizit oft verstanden von Eltern oder Lehrpersonen: Ideal sind Aufgaben die noch zu schwer sind, um sie ganz allein zu lösen, aber innerhalb der ZPE
21
Q

Soziale Stützung (Scaffolding)

A
  • Bruner
  • kompetentere Person bietet Rahmengerüst, welches Denken/Handeln des Kindes auf höherer Ebene ermöglich, als Kind von sich aus bewältigen könnte
    1. Erklärung des Ziels einer Aufgabe
    2. Aufzeigung von Lösungswegen
    3. Hilfe bei der Ausführung

=> Stützmaßnahmen werden mit der Zeit zurückgeschraubt, bis Kinder Aufgabe auch allein ausführen können

22
Q

Sozio-kulturelle Theorien: moderne Vertreter
Jerom Bruner

A
  • maßgebliche Beteiligung an der “kognitiven Wende”
  • Drei Ebenen der konzeptuellen Entwicklung:
    1. Enaktive Ebene: Lernen durch Handeln (vgl. Piaget sensumotorische Stufe) (Bps: Umblättern von Bilderbüchern)
    2. Ikonische Ebene: Lernen mit Bildern und Grafiken (Lernen durch Bilder in Büchern)
    3. Symbolische Ebene: Abstrakt-Begriffliches Lernen (z.B. Lernen durch Lesene)
  • führte den Begriff Scaffolding ein
  • Gedanke des Spiralcurriculums: Grundannahme: Bei Anwendung didaktischer Reduktion geeigneter Repräsentationsformen kann Lernen jeden Alters jeder Gegenstand gelehrt werden. → Über die kognitive Entwicklung hinweg werden gleiche
    Themengebiete immer wieder auf zunehmend höherem Verständnisniveau bearbeitet.
23
Q

Sozio-kulturelle Theorien: moderne Vertreter
Barbara Rogoff

A
  • Beschäftigt sich vor allem mit der Rolle der Kultur für kognitive Entwicklung und Lernen (besonders informelle, intuitive Instruktion in traditionellen Kulturen)
  • greift Konzept der gelenkte Partizipation auf: Kinder nehmen an Aufgaben teil, erhalten nach und nach anspruchsvollere Teilaufgaben, die sie schrittweise selbstständiger erfüllen
  • Apprenticeship in Thinking
  • Bsp.: Vergleich von Aufmerksamkeit und Lernen von Maya Kinder aus traditionellen vs. westlichen Familien und US-Kindern im Alter von 5 – 11 Jahren, wenn Geschwisterkind instruiert wird
    → Kinder aus traditionellem Kontext schauten konzentriert zu, während US Kinder nicht oder nur kurzzeitig aufmerksam waren
24
Q

Intuitives Scaffolding im kulturellen Kontext

A

Dyaden von Eltern und Kleinkindern wurden bei einer Aufgabe (Funktionsweise eines
neuen Spielzeuges demonstrieren) beobachtet

Kulturelle Settings:
− US-amerikanische Kleinstadt
− Großstadt in der Türkei
− Traditionelles Dorf in Indien
− Bergstadt in Guatemala

Überall fanden sich Formen des Scaffolding, z.B. Herunterbrechen in Teilschritte,
kollaboratives Vorgehen, aber es ließen sich deutliche Unterschiede finden:
− Urbane Eltern verwendeten am meisten Sprache und Gesten, aber kaum
Berührung und Blickkontakt (zwinkern, ostentatives Anschauen, etc.)
− Indische (dörfliche) Eltern verwendeten sprachliche, gestische und kontaktbasierte
Methoden ausgewogen
− Guatemaltekische (indigene) Eltern verwendeten allgemein am meisten der
beobachteten Verhaltensweisen

25
Q

Sozio-kulturelle Theorien

Pädagogisch-praktische Implikationen

A
  • Lernen durch/in Interaktion, kooperative Lernformen, Interaktion mit kompetenteren Partnern
  • Unterstüzung des Lernens auf geringfügig höherem Niveau: Vorgabe von Zielen, Aufzeigen von Lösungswegen, Hilfestellung beim schwierigsten Teil der Aufgabe, Schrittweiser Abbau der Unterstützung
  • Von sozialem Sprechen zu innerem Sprechen: Aufmerksamkeitssteurung, Exekutive Funktionen, Problemlösen
26
Q

Kernwissenstheorien

A

Manche Arten von Wissen scheinen schon sehr früh vorhanden zu sein und sehr leicht/effizient erlernbar zu sein

->Annahme spezialisierter Wissens- und Lernsysteme mit evolutionärem Vorteil

  • Annahme einer biologischen Prädisposition für grundlegende Konzepte (z.B. menschliches Gesicht) bzw. Lernmechanismen (z.B. zum Spracherwerb)
  • Begriffliches Wissen umfasst Merkmalassoziationen und bereichsspezifischen Kausalannahmen (Bsp: Kausalität in physikalischer psychologischer Domäne)
27
Q

Entwicklungsmechanismen: Wie verändert sich Wissen, wie entsteht neues Wissen?

A

Anreicherung vorhandener Wissensbestände
- Umstrukturierung / Entstehung neuen Wissens:

→ Theorie – Theorie:
* erklärt begriffliche (konzeptuelle) Entwicklung analog zum Theoriewandel in der
Wissenschaftsgeschichte
* Auf der Basis angeborenen Kernwissens entstehen bereits früh in der Kindheit
zusammenhängende begriffliche Systeme („intuitive Theorien“)
* Funktion dieser intuitiven Theorien ist es, viele Einzelphänomene eines
Bereichs anhand weniger Grundprinzipien (Kausalmechanismen) zu erklären
(Bsp. auf menschliches Verhalten wenden wir andere Erklärungsmechanismen
an, als auf physikalische oder biologische Prozesse)

28
Q

Domänenspezifische Ansätze: Intuitive Theorien

A
  • Grundannahmen:
    1. Auf Basis angeborenen Kernwissens entstehen früh in der Kindheit zusammenhängende begriffliche Systeme (“intuitive Theorien”)
    2. Funktion intuitiver Theorien: Einzelphänomene eines Bereichs anhand weniger Grundprinzipien (Kausalmechanismen) erklären
  • Intuitive Theorien sind
    1. domänenspezifisch (z.B. intuitive Physik, Psychologie, Zahlenverständnis)
    2. gekennzeichent durch domänenspezifisches Begriffssystem und Kausalprinzipen
  • Entwicklungsmechanismen:
  • Der Input aus der Umgebung setzt die domänenspezifische Informationsverarbeitung in Gang, aber Kernprinzipien werden niemals durch Erfahrung revidiert
  • Entwicklung und Lernen durch:
    1. Anreicherung von Kernwissen
    2. Bildung und Restrukturierung größerer begrifflicher Systeme (intuitiven Theorien)
29
Q

Bsp: Kernwissen: Intuitive Physik

A

Angeborene Prinzipien intuitiver Physik nach Spelke (1994):
− Kohäsion (Objekte bewegen sich als zusammenhängende Einheit)
− Kontinuität (Objekte als feste, kontinuierlich existente Körper)
− Kontakt (Bewegung nur über physischen Kontakt induzierbar)

30
Q

Beispiel Kernwissen: Numerisches Wissen

A

Forschung mit Säuglingen deutet auf zwei unterscheidbare Systeme für numerische Repräsentationen hin:

Näherungsweise Repräsentation von Anzahlen

− Sechs Monate alte Säuglinge können unter kontrollierten Bedingungen auch größere
Mengen im Verhältnis 1: 2 unterscheiden (z.B. 16 : 32), aber erst mit 10 Monaten im
Verhältnis 2 : 3 (z.B. 16 : 24)
− Die Größe der Menge wird durch eine analoge physische Quantität repräsentiert, die proportional zur Menge der Items ansteigt
− Längsschnittlicher Zusammenhang mit Matheleistungenim frühen Schulalter

Exakte Repräsentation kleiner Mengen

− Sehen 10 – 12 Monate alte Babys, wie in einem
Gefäß 1, in einem anderen 2 Kekse hinterlegt
werden, wählen Sie das Gefäß mit mehr Keksen
(Quelle)
− Wynn (1992): Babys lösen Additionsaufgaben
− Aber: nur bei Anzahlen unter vier

31
Q

Fehlkonzepte: Intuitive Physik

A

Gewicht-Dichte-Differenzierung

  • Noch im späten GS/frühen Sekundarschulalter
    Fokussierung auf fühlbares Gewicht (sehr kleine Gegenstände können „gewichtslos“ werden)
  • Mangelnde Differenzierung zwischen Gewicht und
    Dichte
    ➢ Hinweis auf alternatives Begriffssystem
    (intuitive Theorie)
    Um konzeptuellen Wandel zu ermöglichen, sollte
    Instruktion…
  • intuitive Konzepte und Theorien berücksichtigen.
  • Evidenz, die mit intuitiven Theorien nicht vereinbar
    ist, anbieten.
  • Lernende durch wissenschaftlichen Diskurs und
    geeignete Darstellungsformen bei der Neuordnung
    ihres konzeptuellen Rahmens anleiten und begleiten.
  • reichlich Gelegenheit zur Anwendung (Übung) des
    neuen Begriffssystems geben.
32
Q

Bsp.: Intuitive Psychologie 1

A
  • Ermöglicht alltagspsychologische Handlungserwartungen und –erklärungen
  • Schon Säuglinge schreiben Intentionalität (absichtsvolle Zielgerichtetheit) zu
  • Kleinkinder unterscheiden zwischen beabsichtigten und unbeabsichtigten
    Verhaltensweisen (und imitieren nur absichtsvolles Verhalten)
  • Zuschreibung von mentalen Zuständen (Wünsche, Überzeugungen, etc.), zur
    Handlungsvorhersage und Handlungserklärung
  • Theorieanalogie:
    Mentale Zustände
    − sind nicht direkt beobachtbar
    − ermöglichen Verhaltensvorhersagen und –erklärungen
    − sind ein für den Phänomenbereich menschlichen Handelns spezifischer
    Erklärungsmechanismus
    − Schema: begriffliches System
33
Q

Bsp.: Intuitive Psychologie 2

A
  • Schon 2-3jährige verstehen, dass Handlungsentscheidungen von Zielen und Absichten der handelnden Person abhängen (Wellman & Wolley).
  • Beginnendes Verstehen von Wahrnehmungsperspektiven im Kiga-Alter (Flavell et al., 1977)
  • Aber: Erst mit ca. 4 Jahren können Kinder explizit verstehen, dass Menschen falsche
    Überzeugungen haben können (d.h. dass sich mentale Zustände zwischen Personen in
    Abhängigkeit von ihrem Wahrnehmungszugang unterscheiden können)
    -> ab einem Alter von etwa vier Jahren entwickelt sich bei Kindern die Fähigkeit, sich in andere Menschen und Situationen hineinversetzen zu können (theory of mind)
  • False Belief- Paradigma (Wimmer & Perner): In dieser Ortswechselaufgabe wird Kindern mit Spielfiguren eine kleine Geschichte vorgespielt: Maxi besitzt eine Schokolade, die er beim Verlassen der Szene in Box 1 legt. In Maxis Abwesenheit nimmt seine Mutter die Schokolade aus Box 1 heraus und legt sie in Box 2. Anschließend kommt Maxi wieder und möchte gerne seine Schokolade haben. Es folgt die relevante Testfrage: „Wo wird Maxi nach der Schokolade suchen?“. Wenn die Kinder angeben, dass Maxi in Box 1 suchen werde, obwohl sie selber wissen, dass die Schokolade sich in Box 2 befindet, sind sie dazu fähig, eine falsche Überzeugung zuzuschreiben. Mit diesem Paradigma lässt sich also testen, ob die Individuen eine explizite und deutliche Repräsentation der falschen Überzeugung anderer haben (Stangl, 2023).
34
Q

Schulalter: Weiterentwicklung der Intuitiven Psychologie

A

Die Entwicklung der Theory of Mind ist mit dem Bestehen der Aufgabe zur
falschen Überzeugung nicht „abgeschlossen“. Komplexere Konzepte und
Zusammenhänge werden erst im Schulalter verstanden.
– (falsche) Überzeugungen höherer Ordnung (Maxi glaubt, dass Oma glaubt,
dass er nicht weiß, was er zum Geburtstag bekommt….)
– uneigentliches Sprechen (z.B. Ironie)
– Lüge/Irrtum
– interpretative Prozesse
– Voreingenommenheiten und Kontextbedingungen
* relevant zum Verständnis wissenschaftlicher Argumentation

………
* Studien finden einen Zusammenhang zwischen sozialer Kompetenz und Theory
of Mind im Schulalter (z.B. Devine et al., 2016*)
* ToM höherer Ordnung korreliert mit und sagt Wissenschaftsverständnis im
Grundschulalter vorher (Osterhaus et al., 2017; Sodian et al, 2016

35
Q

Fazit domänenspezifische Ansätze

A
  • Forschung hat gezeigt, dass Kinder schon deutlich früher als angenommen, über
    zentrale Konzepte in Kerndomänen verfügen
  • Diese Ansätze können frühe Kompetenzen und Verschiebungen (vglch. Piaget)
    erklären
  • Sie zeigen aber auch die Bedeutung von Fehlkonzepten in der Entwicklung
    für Instruktion auf:
  • Unter der Annahme, dass schon Kinder nicht mit Nicht-Wissen, sondern mit
    alternativen Wissenssystemen über physikalische und biologische
    Phänomene in die Schule kommen, müssen diese intuitiven Theorien zum
    Ausgangspunkt von Instruktion gemacht werden (-> sie können nicht einfach
    „überschrieben“ werden)
  • Durch widersprechende Evidenz und alternative Erklärungen
    Umstrukturierung ermöglichen (vergleichbar dem wissenschaftlichen
    Arbeiten)
  • Theory of Mind: nicht nur relevant in Bezug auf soziale Kompetenzen,
    sondern auch in Bezug auf Verständnis des wissenschaftlichen Denkens
    (sind alternative Sichtweisen Lügen, Fehler, alternative
    Wahrnehmungszugänge oder interpretativ bedingt?)
36
Q

die kognitive Wende- Informationsverarbeitungsansätze

A
  • Vor allem ab Mitte der 1980er Jahre
  • „Öffnung“ der „Black Box“ des Behaviorismus
  • Das Individuum als aktiver Verarbeiter von Information
    → Das Kind als aktiver Gestalter seiner Entwicklung

Computermetapher
* Fragen:
− Welche Informationsverarbeitungsmechanismen bestimmen kognitive Leistungen?
− Wie bilden Kinder Konzepte?
− Soziale Kognition: Wie verstehen sie die soziale Welt?

37
Q

Informationsverarbeitungsansatz

A

“ eine Klasse von Theorien, die die Informationsverarbeitung in den Mittelpunkt
stellen, um die Struktur des kognitiven Systems und die mentalen Aktivitäten
zu beschreiben, die Aufmerksamkeit und Gedächtnis zum Problemlösen
nutzen”
(Siegler, Eisenberg, DeLoache, & Saffran, 2016, S. 132)

Grundannahmen:
* Denken als Informationsverarbeitung → Mensch – Computer Analogie
* Entwicklung als kontinuierliche Veränderungen
* Das Kind als Problemlöser
− Zielbestimmung → Hindernisse → Strategie → Ziel
− Analyse von Prozessen, Modelle kognitiver Veränderung
− Fokus auf Lernen, Gedächtnis, Problemlösen

38
Q

IV-Theorien - kennzeichnende Merkmale

A

Genaue Spezifikation der zugrunde liegenden Denkprozesse
Computeranalogie
* (serielle) Informationsverarbeitung
* „Hardwarebeschränkungen“:
Speicherkapazität, Leistungsfähigkeit
* „Softwarebeschränkungen“:
verfügbare Strategien, Informationen
* Begrenzungen durch
−> Gedächtniskapazität
−> Effizienz der Denkprozesse
−> Verfügbarkeit relevanter (Kontroll-)
Strategien und Wissensbestände

39
Q

Überblick IV-Theorien: Was entwickelt sich?

A
  1. Zunahme von IV-Kapazität: Grundlegende
    Prozesse
    * Enkodierung
    * Geschwindigkeit der Verarbeitung
  2. Entwicklung kognitiver Strategien
    * Rehearsal
    * Selektive Aufmerksamkeit
    * Semantische Organisation
  3. Zunahme des Inhaltswissens
    * Handlungswissen (Skripts)
    * Inhaltswissen / Expertise
  4. Entwicklung der Verhaltenskontrolle: Interaktion kognitiver Prozesse
40
Q

Vergleich strukturgenetischer Ansatz - IV-Theorien: Was entwickelt sich?

A

Bsp.: transitives Schließen:
* Hans ist größer als Peter, Peter ist größer als Max.
→ Wer ist größer? Hans oder Max?

Erklärung:
* Piaget: Unfähigkeit, zu dezentrieren führt zu fehlerhaftem Schlussfolgern
* IV-Theorien: Gedächtnisproblem bei der Enkodierung der Prämissen (Bryant & Trabasso, 1971)

Test:
* Trainingsstudie: 4-, 5-, und 6-jährigen Kinder übten so lange, bis die
Prämissen sicher eingespeichert hatten
→ Alle Altersgruppen leisteten transitiven Schluss überzufällig
häufig korrekt

41
Q

IV-Theorien - Was entwickelt sich?

A

Was: Bessere Strategien
Wie: Schnellere, genauere, ökonomischere Strategien
Bsp.: Lautgetreues Schreiben vs. Abruf

Was: Effektivere Exekutive Funktionen
Wie: Inhibition, Flexibilität, Updaten
Bsp.: Schnellere Anpassung an neue Instruktion, Aufgaben

Was: Automatisierung
Wie: Ausführung geübter
Prozesse ohne Arbeitsgedächtnisaktivierung
Bsp.: Geübter Handlungsablauf
(Routinen) ohne Aufmerksamkeit auf
Teilprozesse

Was: Verarbeitungsgeschwindigkeit
Wie: Schnellere Ausführung mentaler Prozesse
Bsp.: Schnellere Benennung (Wortflüssigkeit)

Was: Inhaltswissen
Wie: Erwerb von Kenntnissen in Bereichen (-> Expertise)
Bsp.: Einordnung neuer Informationen

42
Q

Bsp. Basisprozess: Zunahme der Verarbeitungsgeschwindigkeit

A

Myelinisierung
Bildung einer isolierenden Myelinschicht um manche Axone herum – beginnt im Gehirn schon vor der Geburt und setzt sich bis ins Jugendalter oder noch später fort.
Die verschiedenen Cortexbereiche werden in
unterschiedlichem Tempo myelinisiert, was vielleicht zu den unterschiedlichen Entwicklungsraten bei einzelnen
Verhaltensaspekten beträgt

43
Q

Zusammenfassung

A

auf Folie 13 von Teil 3 anschauen!