Dobelli, Rolf - KUNST DES KLAREN DENKENS Flashcards

1
Q

THE SWIMMER’S BODY ILLUSION

Ist Harvard eine gute oder schlechte Universität? Wir wissen es nicht

A

Schwimmer haben gut gebaute, elegante Körper.
Die professionellen Schwimmer haben diesen perfekten Körperbau nicht, weil sie ausgiebig trainieren. Es ist andersherum: Sie sind gute Schwimmer, weil sie so gebaut sind. Ihr Körperbau ist ein Selektionskriterium, nicht das Resultat ihrer Aktivitäten.

Weibliche Models machen Werbung für Kosmetika. So kommt manche Konsumentin auf den Gedanken, die Kosmetika würden einen verschönern. Doch es sind nicht die Kosmetika, die diese Frauen zu Models machen. Die Models sind zufälligerweise als schöne Menschen geboren, und nur deshalb kommen sie für die Kosmetikawerbung überhaupt erst infrage. Schönheit ist ein Selektionskriterium, nicht ein Ergebnis.
Wann immer wir Selektionskriterium und Ergebnis vertauschen, sitzen wir der Swimmer’s Body (»Körper des Schwimmers«) Illusion auf. Ohne diese Illusion würde die Hälfte der Werbung nicht funktionieren.

Dass Glückseligkeit zum großen Teil angeboren ist und im Verlauf des Lebens konstant bleibt, wollen die Glücklichen nicht einsehen. Die Swimmer’s Body Illusion gibt es also auch als Selbstillusion. Wenn die Glücklichen dann noch Bücher schreiben, wird die Täuschung perfid.
Darum: Machen Sie von jetzt an einen weiten Bogen um Selbsthilfeliteratur. Sie ist zu 100 % von Menschen geschrieben, die eine natürliche Tendenz zum Glück besitzen. Unglückspilze schreiben keine Selbsthilfebücher.
Fazit: Überall, wo etwas Erstrebenswertes – stählerne Muskeln, Schönheit, höheres Einkommen, langes Leben, Aura, Glück – angepriesen wird, schauen Sie genau hin. Bevor Sie ins Schwimmbecken steigen, werfen Sie einen Blick in den Spiegel. Und seien Sie ehrlich mit sich.

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2
Q

DER OVERCONFIDENCE-EFFEKT

Warum Sie systematisch Ihr Wissen und Ihre Fähigkeiten überschätzen

A

Wir überschätzen systematisch unser Wissen und unsere Fähigkeit zu prognostizieren – und zwar massiv. Beim Overconfidence-Effekt geht es nicht darum, ob eine einzelne Schätzung stimmt oder nicht. Der Overconfidence-Effekt misst den Unterschied zwischen dem, was Menschen wirklich wissen, und dem, was sie denken zu wissen. Wirklich überraschend ist das: Experten leiden noch stärker am Selbstüberschätzungseffekt als Nichtexperten.
Unternehmer sind auch überzeugt, von der Statistik ausgenommen zu sein. Die wirtschaftliche Aktivität läge tiefer, wenn es den Overconfidence-Effekt nicht gäbe.
Es gibt kaum ein Großprojekt, das schneller und billiger fertiggestellt wird als vorgesehen.
Warum ist das so? Hier spielen zwei Effekte zusammen. Zum einen die klassische Overconfidence. Zum anderen eine »incentivierte« Unterschätzung der Kosten durch Leute, die ein direktes Interesse am Projekt haben. Wichtig ist der Unterschied: Overconfidence ist nicht incentiviert, sondern auf eine natürliche Art naiv und angeboren.

Drei Details zum Schluss: A) Das Gegenteil, einen Underconfidence-Effekt, gibt es nicht. B) Bei Männern ist der Overconfidence-Effekt ausgeprägter als bei Frauen – Frauen überschätzen sich weniger. C) Nicht nur Optimisten leiden unter dem Overconfidence-Effekt. Auch selbst erklärte Pessimisten überschätzen sich – nur weniger.
Fazit: Seien Sie allen Vorhersagen gegenüber skeptisch, besonders wenn sie von sogenannten Experten stammen. Und gehen Sie bei allen Plänen immer vom pessimistischen Szenario aus. Damit haben Sie eine wahre Chance, die Situation einigermaßen realistisch zu beurteilen.

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3
Q

SOCIAL PROOF

Wenn Millionen von Menschen eine Dummheit behaupten, wird sie deswegen nicht zur Wahrheit

A

Social Proof (manchmal unscharf als Herdentrieb bezeichnet) sagt: Ich verhalte mich richtig, wenn ich mich so wie die anderen verhalte. Anders ausgedrückt: Je mehr Menschen eine Idee richtig finden, desto korrekter ist diese Idee – was natürlich absurd ist.

Social Proof ist das Übel hinter Blasen und Panik an der Börse. Man findet Social Proof in der Kleidermode, bei Managementtechniken, im Freizeitverhalten, in der Religion und bei Diäten.
Warum ticken wir so? Weil dieses Verhalten sich in unserer evolutionären Vergangenheit als gute Überlebensstrategie erwiesen hat.
Die Werbung nützt unsere Schwäche für Social Proof systematisch aus. Sie funktioniert am besten, wo die Situation unübersichtlich ist (nicht überblickbare Anzahl von Automarken, Reinigungsmitteln, Schönheitsprodukten etc. ohne offensichtliche Vor- und Nachteile) und wo Menschen »wie du und ich« vorkommen.

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4
Q

THE SUNK COST FALLACY

Warum Sie die Vergangenheit ignorieren sollten

A

Jede Entscheidung, ob privat oder geschäftlich, geschieht stets unter Unsicherheit. Was wir uns ausmalen, mag eintreffen oder nicht. Zu jedem Zeitpunkt könnte man den eingeschlagenen Pfad verlassen, zum Beispiel das Projekt abbrechen, und mit den Konsequenzen leben. Diese Abwägung unter Unsicherheit ist rationales Verhalten. Die Sunk Cost Fallacy schnappt dann zu, wenn wir schon besonders viel Zeit, Geld, Energie, Liebe etc. investiert haben. Das investierte Geld wird dann zur Begründung, weiterzumachen, selbst wenn es objektiv betrachtet keinen Sinn macht. Je mehr investiert wurde, also je größer die Sunk Costs sind, desto stärker ist der Drang, das Projekt fortzuführen.
Warum dieses irrationale Verhalten? Menschen streben danach, konsistent zu erscheinen. Mit Konsistenz signalisieren wir Glaubwürdigkeit. Widersprüche sind uns ein Gräuel. Entscheiden wir, ein Projekt in der Mitte abzubrechen, generieren wir einen Widerspruch: Wir geben zu, früher anders gedacht zu haben als heute. Ein sinnloses Projekt weiterführen zögert diese schmerzliche Realisierung hinaus. Wir erscheinen dann länger konsistent.

Die Sunk Cost Fallacy wird oft auch als Concorde-Effekt bezeichnet. Sie führt nicht nur zu kostspieligen, sondern geradezu verheerenden Entscheidungsfehlern.
Es gibt viele gute Gründe, weiter zu investieren, um etwas zum Abschluss zu bringen. Aber es gibt einen schlechten Grund: das bereits Investierte zu berücksichtigen. Rational entscheiden bedeutet, dass Sie die aufgelaufenen Kosten ignorieren. Egal, was Sie bereits investiert haben, es zählt einzig das Jetzt und Ihre Einschätzung der Zukunft.

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5
Q

DIE REZIPROZITÄT

Warum Sie sich keinen Drink spendieren lassen sollten

A

Der Wissenschaftler Robert Cialdini hat das Phänomen der Reziprozität genauer untersucht und festgestellt, dass der Mensch es kaum aushält, in der Schuld zu stehen.
Ich kann mir gut vorstellen, dass Leute sich über Jahre aus reiner Reziprozität periodisch treffen, auch wenn sie schon lange am liebsten aus diesem Teufelskreis ausgestiegen wären.
Viele NGOs sammeln nach dem Krishna-Muster – zuerst schenken, dann fordern.
Diese sanfte Erpressung, man könnte sie auch Korruption nennen, ist in der Wirtschaft weitverbreitet.
Die Reziprozität ist ein uraltes Programm. Im Grunde sagt sie: »Ich helfe dir aus, du hilfst mir aus.« Eine ausgezeichnete Überlebensstrategie. Reziprozität ist Risikomanagement. Ohne Reziprozität wäre die Menschheit – und unzählige Tierarten – schon lange ausgestorben.
Es gibt auch eine hässliche Seite der Reziprozität: die Vergeltung. Auf Rache folgt Gegenrache, und schon findet man sich in einem ausgewachsenen Krieg. Was Jesus gepredigt hat, nämlich den Teufelskreis zu unterbrechen, indem wir dem Angreifer auch die andere Wange hinhalten, fällt uns deshalb so schwer, weil die Reziprozität seit weit über 100 Millionen Jahren zu unserem soliden Überlebensprogramm gehört.

Wenn Sie das nächste Mal im Supermarkt angesprochen werden, um Wein, Käse, Schinken oder Oliven zu kosten, dann wissen Sie, warum Sie besser ablehnen.

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6
Q

THE CONFIRMATION BIAS (TEIL 1)

Passen Sie auf, wenn das Wort »Spezialfall« fällt

A

Der Confirmation Bias ist der Vater aller Denkfehler – die Tendenz, neue Informationen so zu interpretieren, dass sie mit unseren bestehenden Theorien, Weltanschauungen und Überzeugungen kompatibel sind. Anders ausgedrückt: Neue Informationen, die im Widerspruch zu unseren bestehenden Ansichten stehen (in der Folge als Disconfirming Evidence bezeichnet, da ein passender deutscher Ausdruck fehlt), filtern wir aus. Das ist gefährlich.
»Tatsachen hören nicht auf zu existieren, nur weil sie ignoriert werden«, sagte Aldous Huxley.
In der Wirtschaft wütet der Confirmation Bias besonders heftig. Beispiel: Der Aufsichtsrat beschließt eine neue Strategie. In der Folge werden sämtliche Anzeichen, die einen Erfolg dieser Strategie andeuten, euphorisch gefeiert. Wo man auch hinschaut, man sieht reichlich Anzeichen, dass sie funktioniert. Gegenteilige Indizien werden entweder gar nicht gesehen oder kurzerhand als »Spezialfälle« und »unvorhersehbare Schwierigkeiten« abgetan. Der Aufsichtsrat ist gegenüber Disconfirming Evidence blind.
Was tun? Wenn das Wort »Spezialfall« fällt, lohnt es sich, umso genauer hinzuhören. Oft verbirgt sich dahinter ganz normale Disconfirming Evidence. Am besten halten Sie sich an Charles Darwin: Der hatte sich seit seiner Jugend darauf eingestellt, den Confirmation Bias systematisch zu bekämpfen. Wann immer Beobachtungen seiner Theorie widersprachen, nahm er sie besonders ernst. Er trug ständig ein Notizbuch mit sich herum und zwang sich, Beobachtungen, die im Widerspruch zu seiner Theorie standen, innerhalb von 30 Minuten zu notieren. Er wusste, dass das Hirn Disconfirming Evidence nach 30 Minuten aktiv »vergisst«. Je gefestigter er seine Theorie einschätzte, desto aktiver suchte er nach widersprechenden Beobachtungen. Chapeau!
Wie viel Überwindung es kostet, die eigene Theorie infrage zu stellen, zeigt das folgende Experiment. Ein Professor legte seinen Studenten die Zahlenreihe 2–4–6 vor. Sie sollten die zugrunde liegende Regel herausfinden, die sich der Professor auf die Rückseite eines Blatts Papier geschrieben hatte. Die Probanden sollten eine nächste Zahl angeben, worauf der Professor entweder mit »Passt auf die Regel« oder »Passt nicht auf die Regel« antworten würde. Sie durften so viele Zahlen nennen, wie sie wollten, aber die Regel nur einmal erraten. Die meisten Studenten sagten »8«, der Professor antwortete mit »Passt auf die Regel«. Um sicherzugehen, probierten sie noch »10«, »12« und »14«. Der Professor antwortete jedes Mal mit »Passt auf die Regel«, woraufhin die Studenten einen einfachen Schluss zogen: »Dann lautet die Regel: Addiere 2 zur letzten Zahl.« Der Professor schüttelte den Kopf: »Das ist nicht die Regel, die auf der Rückseite dieses Blattes steht.«
Ein einziger gewiefter Student ging anders an die Aufgabe heran. Er probierte es mit »4«. Der Professor sagte: »Passt nicht auf Regel.« »7?« »Passt auf die Regel.« Der Student versuchte es noch eine Weile mit allerlei verschiedenen Zahlen, »minus 24«, »9«, »minus 43«. Offenbar hatte er eine Idee, und er versuchte, sie zu falsifizieren. Erst als er kein Gegenbeispiel mehr finden konnte, sagte er: »Die Regel lautet: Die nächste Zahl muss höher sein als die vorherige.« Der Professor drehte das Blatt Papier um, und das war genau, was draufstand. Was unterschied den findigen Kopf von seinen Mitstudenten? Während sie bloß ihre Theorie bestätigt haben wollten, versuchte er seine zu falsifizieren – und suchte ganz bewusst nach Disconfirming Evidence. Auf den Confirmation Bias reinzufallen, ist kein intellektuelles Kavaliersdelikt. Wie er unser Leben beeinflusst: im nächsten Kapitel.

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7
Q

THE SURVIVORSHIP BIAS

Warum Sie Friedhöfe besuchen sollten

A
Survivorship Bias (deutsch etwa: Überlebensirrtum) bedeutet: Weil Erfolge größere Sichtbarkeit im Alltag erzeugen als Misserfolge, überschätzen Sie systematisch die Aussicht auf Erfolg. 
Als Außenstehender erliegen Sie einer Illusion. Sie verkennen, wie verschwindend gering die Erfolgswahrscheinlichkeit ist. 

Fazit: Sie haben sich von der Medienpräsenz der erfolgreichen Firmen blenden lassen. Also keine Risiken eingehen? Nein. Aber tun Sie es mit dem Bewusstsein, dass der kleine Teufel Survivorship Bias die Wahrscheinlichkeiten wie ein geschliffenes Glas verzerrt.

Ganz heikel wird der Survivorship Bias, wenn Sie selbst Teil der »überlebenden« Menge sind. Selbst wenn Ihr Erfolg auf purem Zufall basiert, werden Sie Gemeinsamkeiten mit anderen Erfolgreichen entdecken und diese zu »Erfolgsfaktoren« erklären.

Survivorship Bias bedeutet: Sie überschätzen systematisch die Erfolgswahrscheinlichkeit. Zur Gegensteuerung: Besuchen Sie möglichst oft die Grabstätten der einst vielversprechenden Projekte, Investments und Karrieren.

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