Das Unterlassungsdelikt Flashcards

1
Q

echte Unterlassungsdelikte

A

spezielle Strafvorschriften, die selbst ein bestimmtes Unterlassen unter Strafe stellen

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
2
Q

unechte Unterlassungsdelikte

A

§ 13 StGB: jedes Erfolgsdelikt kann auch durch ein Unterlassen verwirklicht werden, wenn der Täter eine Garantenstellung hat

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
3
Q

Garantenstellung

A

Rechtspflicht zur Erfolgsabwehr

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
4
Q

Abgrenzung Tun ↔︎ Unterlassen

Energieeinsatzlösung

A

Tun und Unterlassen sind rein naturalistisch voneinander zu unterscheiden
Tun: Einsatz körperlicher Energie
Unterlassen: Täter greift nicht ein, lässt Dingen ihren Lauf

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
5
Q

Abgrenzung Tun ↔︎ Unterlassen

Schwerpunktlösung (h. M.)

A

Entscheidend ist, wo unter Berücksichtigung des sozialen Handlungssinns der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liegt.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
6
Q

Abbrechen fremder Rettungsbemühen = Tun oder Unterlassen?

A

aktives Eingreifen = Tun
bloßes Untätigbleiben = Unterlassen
→ worauf liegt Schwerpunkt?
- Abbruch, bevor alles zur Rettung Erforderliche getan ist: Unterlassen der weiteren Rettungsbemühungen
- Abbruch, nachdem das Opfer eine realisierbare Rettungschance erhalten hat: aktive Entfaltung von Gegenaktivitäten, Tun

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
7
Q

omissio libera in causa

A

der an sich handlungsfähige Garant führt seine Handlungsunfähigkeit zum Tatzeitpunkt schuldhaft herbei
→ MM: Unmöglichkeitslösung
→ h. M.: Vorverlegungslösung

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
8
Q

omissio libera in causa: Welcher Zeitpunkt ist maßgeblich?

Unmöglichkeitslösung

A

Maßgeblich ist der Zeitpunkt, zu dem die konkrete Rettungshandlung erforderlich wird. Zu diesem Zeitpunkt fehlt dem Nicht-Handelnden die Handlungsmöglichkeit.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
9
Q

omissio libera in causa: Welcher Zeitpunkt ist maßgeblich?

Vorverlegungslösung (h. M.)

A

→ für Unterlassungsdelikte keine § 20 StGB vergleichbare Regelung, daher Strafbarkeit unproblematisch, es reicht, dass Handlungsfähigkeit zu einem früheren Zeitpunkt bestand
→ einen Garanten trifft auch die Pflicht, seine Handlungsfähigkeit im Hinblick auf die Abwehr vorhersehbarer Gefahren zu erhalten

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
10
Q

Kausalität: Risikoverringerungslehre

A

Ein Unterlassen ist für den tatbestandlichen Erfolg bereits dann ursächlich, wenn die Vornahme der unterlassenen Handlung das Risiko des Erfolgseintritts vermindert hätte.
(-) in dubio pro reo

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
11
Q

abgewandelte conditio - Formel (h. M.)

→ Quasi - Kausalität

A

Ein Unterlassen ist nur dann kausal, wenn das unterlassene Verhalten nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der tatbestandliche Erfolg in seiner konkreten Gestalt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
12
Q

Beschützergarantenstellung

A

Personen, die eine Obhutspflicht für ein bestimmtes Rechtsgut haben, d. h. sie müssen dieses Rechtsgut vor allen oder zumindest gewissen Gefahren schützen.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
13
Q

Überwachungsgarantenstellung

A

Personen, die für eine bestimmte Gefahrenquelle verantwortlich sind, d. h. sie müssen dafür Sorge tragen, dass keine fremden Rechtsgüter von dieser Quelle geschädigt werden.

How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
14
Q

Entstehung Beschützergarantenstellung

A
  • aus familiärer Verbundenheit
  • aus enger persönlicher Lebensbeziehung
  • aus Gefahrengemeinschaft
  • aus tatsächlicher Übernahme
  • aus Amtsträger- oder Organstellung
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
15
Q

Entstehung Überwachungsgarantenstellung

A
  • aus Verkehrssicherungspflicht
  • aus Aufsichtspflicht
  • aus vorangegangenem Tun (Ingerenz)
    → scheidet aus bzgl. des Tuns frei verantwortlich handelnder Personen
How well did you know this?
1
Not at all
2
3
4
5
Perfectly
16
Q

Kein Fehlschlag Unterlassen

A

Der Versuch ist i. d. R. fehlgeschlagen, wenn der Täter nach seiner Vorstellung die Tat durch sein weiteres Untätigbleiben nicht mehr vollenden kann.

17
Q

Rücktrittshandlung Unterlassen

A

Rücktritt i. d. R. durch bloßes Nichtstun nicht möglich

Da sich der Täter beim versuchten Unterlassungsdelikt vorstellt, dass der Erfolg ohne sein weiteres Zutun gleichsam von allein eintreten wird, liegt hier nach h. M. normalerweise ein beendeter Versuch vor.
Die Rücktrittsanforderungen richten sich deshalb i. d. R. nach §§ 24 I 1 Alt. 2, 24 I 2 StGB. Erforderlich ist eine auf Erfolgsabwendung gerichtete aktive Tätigkeit, durch die der Täter
- entweder die Vollendung der Tat verhindert
- oder zumindest sich ernsthaft um eine Verhinderung der Vollendung bemüht.

18
Q

mehrere Unterlassende → Tatbeteiligung?

A

Unterlassen mehrere Garanten die ihnen gebotene und mögliche Handlung, gilt i. d. R. jeder als unmittelbarer Täter.

19
Q

mittäterschaftliches Unterlassen

A

Unterlassende können die Handlungspflicht nur gemeinsam erfüllen, das Unterlassen muss auf einem gemeinsamen Tatentschluss beruhen

20
Q

Beteiligung am Begehungsdelikt durch Unterlassen

A
Problemstellung: Der handlungspflichtige und -fähige Garant schreitet gegen die aktive Begehung einer Straftat durch einen anderen nicht ein. 
→ Gehilfenlösung
→ Pflichtenlösung
→ Tatherrschaftslösung (h. L.)
→ subjektive Theorie (Rspr.)
21
Q

Beteiligung am Begehungsdelikt durch Unterlassen

Gehilfenlösung

A

Der Unterlassende ist stets nur Gehilfe, da er das Geschehen hier nicht in seiner Hand hält. Die Tatherrschaft liegt in Form der Handlungsherrschaft allein beim aktiv handelnden Täter.

22
Q

Beteiligung am Begehungsdelikt durch Unterlassen

Pflichtenlösung

A

Der Unterlassende ist stets Täter. Unterlassungsdelikte sind Pflichtdelikte, bei denen das Unterlassen des Garanten als Pflichtverletzung seine unmittelbare Täterschaft begründet.

23
Q

Beteiligung am Begehungsdelikt durch Unterlassen

Tatherrschaftslösung (h. L.)

A

Es ist nach Tatherrschaftskriterien zu differenzieren:
Unterlassender = Täter, wenn er erheblichen Einfluss auf den Begehungstäter besitzt oder diesen sonst leicht aufhalten könnte
Unterlassender = Gehilfe, wenn kaum Einfluss besteht

24
Q
Beteiligung am Begehungsdelikt durch Unterlassen 
subjektive Theorie (Rspr.)
A

Maßgeblich sind die Willensrichtung und die innere Einstellung des Unterlassenden:
Täter: eigenes Tatinteresse
Gehilfe: Unterordnung dem Willen des Begehungstäters

25
Q

obj. Zurechnung

Vermeidbarkeitstheorie (h. M.)

A

es muss nachgewiesen werden, dass der Erfolg vermieden worden wäre, hätte sich der Täter pflichtgemäß verhalten
kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Erfolg auch bei pflichtgemäßem Handeln eingetreten wäre oder dass sich im Erfolg allein eine andere Ursache verwirklicht, so kann der Erfolg in dubio pro reo nicht zugerechnet werden

26
Q

obj. Zurechnung

Risikoerhöhungslehre

A

es genügt, dass das pflichtwidrige Verhalten das Risiko eines Erfolgseintritts nachweisbar erhöht hat bzw. dass eine nachweisbare Risikoverringerung unterblieben ist, nur diese Risikoverringerung müsse sich im Erfolg realisieren

27
Q

Ingerenz

A

Schaffung einer Gefahr durch vorangegangenes objektiv pflichtwidriges Verhalten → Verpflichtung zur Abwendung des drohenden Erfolgs
→ wer sich verkehrsgerecht verhält, ist grundsätzlich nicht Garant aus Ingerenz

28
Q

Voraussetzungen rechtfertigende Pflichtenkollision

A

1) Bestehen mehrerer Handlungspflichten, von denen eine nur auf Kosten einer anderen erfüllt werden kann
2) Gleichrangigkeit der Pflichten

29
Q

rechtfertigende Pflichtenkollision: Wann ist eine Pflicht vorrangig?

A

MM: Ausmaß der Gefahr
h. M.: Garantenstellung > Pflicht zur Hilfeleistung (§ 323c StGB)
(+) Systematik

30
Q

Enstprechungsklausel, § 13 StGB

A

nur bei verhaltensgebundenen Delikten relevant

Bsp.: Verdeckungsabsicht, Heimtücke, § 211 StGB

31
Q

mehrere Garanten

A

Rangfolge, zwar Garantenstellung (+), aber Garantenpflicht (-), da höherer Garant vorhanden

32
Q

Garantenstellung Polizeibeamte

A

berufliche Pflicht (→ PAG): Gefahrenabwehr, Schutz von Individualrechtsgütern Dritter → Beschützergarantenstellung i. R. d. Dienstausübung und innerhalb der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit

33
Q

Entsteht eine Garantenpflicht aus Ingerenz, wenn das Vorverhalten vorsätzlich auf die Verwirklichung des Erfolges ausgerichtet war?
→ T verletzt O, um ihn zu töten, lässt ab, erkennt dann aber, dass O ohne ärztliche Hilfe sterben wird, unternimmt trotzdem nichts

A

Rspr.: (-), keine Garantenpflicht
→ derjenige, der direkt oder bedingt vorsätzlich einen Erfolg anstrebt, kann nicht zugleich verpflichtet sein, ihn abzuwenden
Lit.: (+)
→ Täter, der mit Tötungsvorsatz handelt, ist zur Abwendung des Erfolges nicht weniger verpflichtet als derjenige, der die Gefahrenquelle fahrlässig herbeigeführt hat
→ aber Unterlassungsdelikt wird i. d. R. durch vorangegangene Begehungstat verdrängt

34
Q

P: Täterschaft und Teilnahme bei Unterlassungsdelikten

A

(1) e. A.: immer Täter
(+) § 13 StGB: Gleichstehen; (-) nicht zu rechtfertigende strengere Behandlung, nur Gehilfenbeitrag
(2) a. A.: immer Gehilfe
(+) Begehungstäter “verstellt” Zugang zum Erfolg; (-) zwar Randfigur des Begehungsdeliktes, aber Zentralgestalt des Unterlassensdelikts
(3) a. A.: differenzierend: Täterschaft bei Beschützergarant, Beihilfe bei Überwachergarant
(+) Qualität und Inhalt der Erfolgsabwendungspflicht; (-) § 13 StGB, pauschale Privilegierung des Überwachungsgaranten
(4) a. A.: es gelten die Regeln des Begehungdelikts
→ THL: Zentralfigur des Geschehens ist Täter
(-) potentielle Täterschaft; (+) TH = normativ geprägter Begriff
→ Rspr.: Interesse an Tat, Tatwille zur TH
(+) wertende Gesambetrachtung; (-) Rechtsunsicherheit

35
Q

Aufbau

A
I. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
evtl. Vorprüfung: Tun oder Unterlassen?
a) Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs
b) Unterlassen der zur Erfolgsabwendung gebotenen und dem Täter physisch-real möglichen Handlung
c) Quasi-Kausalität
d) Garantenstellung, § 13 StGB
e) Entsprechungsklausel, § 13 StGB
f) Objektive Zurechnung
→ Schutzzweck der Garantenpflicht
→ Erfolgseintritt auch bei pflichtgemäßem Verhalten
2. Subjektiver Tatbestand
II. Rechtswidrigkeit
→ rechtfertigende Pflichtenkollision
III. Schuld
→ insb. Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens
→ insb. Verbotsirrtum bzgl. Garantenstellung
36
Q

Garantenstellung aus “Vereinbarung”

Fall: A sagt Ertrinkendem B zu, ihn zu retten, wenn B ihm dafür seine Uhr überlässt

A
  • allein faktische Übernahme der Schutzpflicht entscheidend, nicht zivilrechtliche Wirksamkeit (§§ 134, 138 BGB irrelevant)
  • geschaffene Vertrauenslage maßgeblich → dass A gar keinen Retterwillen hat, ist egal
  • aber eher erpresserische Ausnutzung der Notsituation → spricht gegen Vereinbarung
  • nach h. M. nur, wenn B durch Zusage des A eigene Schutzmaßnahmen unterlassen hätte, da er nur in diesem Fall schlechter stünde → Gefahrensituation des B bestand hier aber schon vor “Vereinbarung”