Block 7 Flashcards
Massnahmen
Worin besteht der Unterschied zwischen Strafen und Massnahmen?
Strafen dienen der Vergeltung einer Straftat. Grundgedanke dabei ist, dass der Täter durch die
Strafe die Schuld ausgleichen soll, die er mit dem Verstoss gegen die Rechtsordnung auf sich
geladen hat.
Massnahmen knüpfen nicht an der Vergeltung einer Tat an, sondern reagieren auf eine zukünftig
drohende Gefahr. Der Gefahr soll durch die Resozialisierung des Betroffenen und / oder der
Sicherung der Gesellschaft begegnet werden.
Welche unterschiedlichen Massnahmen gibt es? Nennen Sie die jeweiligen Massnahmen mit
Angabe der entsprechenden Gesetzesartikel.
Es wird zwischen sichernden Massnahmen und anderen Massnahmen unterschieden.
Die sichernden Massnahmen werden in therapeutische und isolierende Massnahmen unterteilt.
Zu den therapeutischen Massnahmen gehören die stationäre Behandlung psychischer Störungen
(Art. 59 StGB), die stationäre Suchtbehandlung (Art. 60 StGB), Stationäre Massnahme für junge
Erwachsene (Art. 61 StGB), die Ambulante Behandlung (Art. 63 StGB) sowie die nachträgliche
stationäre Behandlung (Art. 65 Abs. 1 StGB). Die isolierenden Massnahmen werden in die
ordentliche Verwahrung (Art. 64 Abs. 1 StGB), die lebenslängliche Verwahrung (Art. 64 Abs. 1bis
StGB) und die nachträgliche Verwahrung (Art. 65 Abs. 2 StGB) unterteilt.
Die anderen Massnahmen werden in persönliche und sachliche Massnahmen unterteilt. Zu den
persönlichen Massnahmen gehören die Friedensbürgschaft (Art. 66 StGB), die Landesverweisung
(Art. 66a-d StGB), das Tätigkeitsverbot (Art. 67 StGB), das Kontakt- und Rayonverbot (Art. 67b
StGB), das Fahrverbot (Art. 67e StGB) und die Veröffentlichung des Urteils (Art. 68 StGB). Zu den
sachlichen Massnahmen gehören die Sicherungseinziehung (Art. 69 StGB), Einziehung von
Vermögenswerten (Art. 70ff. StGB) und die Verwendung zugunsten des Geschädigten (Art. 73
StGB)
Was sind die Voraussetzungen zur Anordnung einer Massnahme?
Rechtsgrundlage: Art. 56 Abs. 1 StGB
Voraussetzung für die Anordnung einer Massnahme ist, dass eine Strafe allein nicht geeignet ist,
den Täter von der Verübung weiterer Delikte abzuhalten (lit. a, Grundsatz der Subsidiarität), ein
Behandlungsbedürfnis des Täters besteht oder die öffentliche Sicherheit eine Massnahme erfordert
(lit. b). Zudem müssen die Voraussetzungen für die einzelnen Massnahmen nach Art. 59-61, 63 und
64 StGB gegeben sein.
Wie ist das Verhältnis der Massnahmen zu den Strafen? Können beide gleichzeitig angeordnet
werden?
Rechtsgrundlage: Art. 57 StGB
Sind nur die Voraussetzungen für eine Massnahme gegeben, wird nur die Massnahme angeordnet.
Sind nur die Voraussetzungen für eine Strafe gegeben, wird nur die Strafe angeordnet.
Wenn die Voraussetzungen sowohl für eine Strafe als auch für eine Massnahme gegeben sind,
ordnet das Gericht beide Sanktionen an (Art. 57 Abs. 1 StGB).
Fallen Strafen und Massnahmen nach Art. 59-61 StGB zusammen, wird zuerst die Massnahme
vollzogen. Zeigt die Massnahme Wirkung und ist erfolgreich, so wird die Strafe in der Regel nicht
mehr vollzogen (Art. 62b Abs. 3 StGB).
Von diesem Grundsatz wird bei der Landesverweisung und der Verwahrung abgewichen. Kommt es
zur Anordnung einer Verwahrung oder eines Landesverweises, wird zuerst die Strafe vollzogen und
erst im Anschluss kommt es zu einer Verwahrung (Art. 64 Abs. 2 StGB) oder zu einem
Landesverweis (Art. 66c Abs. 3 StGB).
Welche Massnahme erhält den Vorrang, wenn mehrere Massnahmen geeignet sind, aber nur
eine notwendig ist
Rechtsgrundlage: Art. 56a StGB
Wenn mehrere geeignete Massnahmen zur Wahl stehen, ist diejenige zu wählen, die am wenigsten
in die Rechte der betroffenen Person eingreift.
Welche Bedeutung hat der Verhältnismässigkeitsgrundsatz im Massnahmerecht und was
versteht man unter dem Übermass- bzw. Untermassverbot?
Rechtsgrundlage: Art. 56 Abs. 2 StGB
Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit hat einen grossen Stellenwert im Massnahmerecht. Mit der
Anordnung von Massnahmen wird jeweils in die Grundrechte des Täters eingegriffen. Aus diesem
Grund muss stets der Grundsatz der Verhältnismässigkeit beachtet werden (vgl. Art. 36 Abs. 3 BV).
Abzuwägen ist zwischen der Schwere des Eingriffs in die Grundrechte des Täters und dem
Behandlungsbedürfnis und / oder dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit. Die
Verhältnismässigkeitsprüfung umfasst drei Teilaspekte:
* Eignung: Die Massnahme muss geeignet sein, den Betroffenen von der Begehung weiterer
Straftaten abzuhalten. Ebenso muss eine geeignete Einrichtung und ein effektives
Behandlungskonzept vorhanden sein.
- Erforderlichkeit: Es ist zu prüfen, ob nicht effektivere oder weniger eingriffsintensive
Alternativen bestehen. - Verhältnismässigkeit i.e.S. (Übermassverbot): Es ist zu prüfen, ob eine angemessene
Relation zwischen dem Eingriff in die Grundrechte des Täters und dem angestrebten Ziel
(Behandlungsbedürftigkeit / Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit) besteht. - Untermassverbot: Dauer und Eingriffsintensität der Massnahme dürfen im Verhältnis zur
aufgeschobenen Strafe nicht unverhältnismässig geringfügig sein.
Für wie lange kann die stationäre Behandlung von psychischen Störungen angeordnet werden?
Rechtsgrundlage: Art. 59 Abs. 4 StGB
Die stationäre Behandlung von psychischen Störungen wird i.d.R. für höchstens 5 Jahre angeordnet.
Ist der Täter nach Ablauf von 5 Jahren immer noch behandlungsbedürftig oder erfordern öffentliche
Sicherheitsinteressen die Weiterführung der Massnahme und ist zu erwarten, dass durch die
Massnahme der Rückfallgefahr begegnet werden kann, so kann die Massnahme um jeweils
höchstens 5 Jahre verlängert werden. Dabei ist zu beachten, dass es bei der Dauer von stationären
Behandlungen von psychischen Störungen keine zeitliche Obergrenze gibt.
Welche Problematik stellt sich aus rechtsstaatlicher Sicht bei der Verlängerung einer stationären
Behandlung von psychischen Störungen (Art. 59 StGB)?
Problematisch ist, dass eine Massnahme nach Art. 59 StGB theoretisch beliebig oft verlängert
werden kann, sofern die Voraussetzungen für eine Verlängerung erfüllt sind. Durch die Verlängerung
wird erheblich in die Grundrechte der betroffenen Person eingegriffen, weshalb gemäss dem
Verhältnismässigkeitsprinzip Verlängerungen nur zulässig sein dürften, sofern die Straftaten relativ
schwerwiegend sind und durch die Massnahme der Gefahr von weiteren Taten begegnet werden
kann.
Welches Ziel verfolgt die stationäre Massnahme für junge Erwachsene (Art. 61 StGB)?
Die Kriminalität geht häufig von jungen Erwachsenen im Alter von 18-25 Jahren aus. Dies hängt u.a.
mit Problemen bei der Identitätsfindung, der Integration im Arbeitsmarkt und sinnvollen
Freizeitgestaltung zusammen. Die Massnahme für junge Erwachsene hat zum Zweck, die Defizite
in der Persönlichkeitsentwicklung durch sozialpädagogische Betreuung zu beseitigen und soll
sicherstellen, dass die betroffenen Täter nicht mehr rückfällig werden.
Unter welchen Voraussetzungen kann es zu einer Beendigung einer stationären Massnahme
kommen?
- Die Massnahme erweist sich als erfolgreich (Art. 62 Abs. 1 StGB)
- Die Massnahme erscheint aussichtslos, sodass sie aufgehoben werden muss (Art. 62c Abs. 1
lit. a StGB) - Die Massnahme hat die gesetzliche Höchstdauer erreicht, ohne dass die Voraussetzungen einer
bedingten Entlassung eingetreten wären (Art. 62c Abs. 1 lit. b StGB) - Die Massnahme ist mangels einer geeigneten Einrichtung undurchführbar (Art. 62c Abs. 1 lit. c
StGB)
Wie entscheidet das Gericht, wenn sowohl eine stationäre als auch eine ambulante Behandlung
zulässig ist?
Rechtsgrundlage: Art. 56a StGB
Das Gericht wählt diejenige Massnahme, die im Hinblick auf die Rückfallverhütung am geeignetsten
erscheint. Trifft dies sowohl für die stationäre als auch ambulante Behandlung zu, so ordnet das
Gericht die ambulante Massnahme an, da sie weniger tief in die Rechte des Betroffenen eingreift.
Wann kann das Gericht eine ambulante Behandlung mit Aufschub der Strafe anordnen und
wann ist von einem Strafaufschub abzusehen?
Rechtsgrundlage: Art. 63 Abs. 2 StGB, Art. 63b Abs. 3 StGB
Das Gericht kann den Vollzug einer Freiheitsstrafe aufschieben und eine ambulante Massnahme
anordnen. Bestehen bei der Therapie gute Erfolgsaussichten, so ist dieser den Vorrang zu geben,
sofern ein sofortiger Strafvollzug den begründeten Erfolg einer Therapie und eine Resozialisierung
erheblich gefährden würde.
Sind während der ambulanten Behandlung Rückfälle zu erwarten, muss von einem Strafaufschub
abgesehen werden. (Art. 63b Abs. 3 StGB).
Nennen sie die Voraussetzungen zur Anordnung der ordentlichen und lebenslänglichen
Verwahrung
Rechtsgrundlage: Art. 64 StGB
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Ordentliche Verwahrung (Art. 64 Abs. 1 StGB)
* Anlasstat: Verübung einer Straftat mit Strafandrohung von 5 oder mehr Jahren (Art. 64 Abs. 1
StGB)
* Täter hat die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer anderen Person schwer
beeinträchtigt oder wollte diese beeinträchtigen (Art. 64 Abs. 1 StGB)
* Variante 1: Rückfallgefahr wegen der Persönlichkeitsmerkmale des Täters, der Tatumstände
und der gesamten Lebensumstände des Täters (Art. 64 Abs. 1 lit. a StGB)
* Variante 2: Rückfallgefahr aufgrund einer anhaltenden oder langdauernden psychischen
Störung von erheblicher Schwere, Zusammenhang zwischen der psychischen Störung und der
Anlasstat, Anordnung einer Massnahme nach Art. 59 StGB verspricht keinen Erfolg (Art. 64 Abs.
1 lit. b StGB)
* Voraussetzungen von Art. 56 Abs. 1 und Abs. 2 StGB sind erfüllt.
Lebenslängliche Verwahrung (Art. 64 Abs. 1bis StGB)
* Als Anlasstaten kommen nur die in Art. 64 Abs. 1bis StGB erwähnten Delikte in Frage
(abschliessender Deliktskatalog)
* Täter hat mit der Tat die physische, psychische oder sexuelle Integrität einer anderen Person
besonders schwer beeinträchtigt oder wollte diese beeinträchtigen (Art. 61 Abs. 1bis lit. a StGB)
* Besonders hohe Rückfallgefahr des Täters (Art. 64 Abs. 1bis lit. b StGB)
* Täter wird als dauerhaft nicht therapierbar eingestuft (Art. 64 Abs. 1bis lit. c StGB)
* Voraussetzungen von Art. 56 Abs. 1 und Abs. 2 StGB sind erfüllt.
Unter welchen Umständen ist eine Entlassung aus der ordentlichen Verwahrung (Art. 64 Abs. 1
StGB) möglich?
Rechtsgrundlagen: Art. 64a StGB, Art. 64b StGB
* Die Verwahrung ist grundsätzlich zeitlich unbefristet.
* Nach Art. 64a Abs. 1 StGB wird der Täter aus der Verwahrung bedingt entlassen, sobald zu
erwarten ist, dass dieser sich in Freiheit bewährt. Es wird dabei eine Probezeit von 2 bis 5
Jahren angeordnet.
* Nach Art. 64b StGB prüft die zuständige Behörde nach Ablauf von 2 Jahren einmal jährlich, ob
die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung vorliegen. Darüber hinaus kann die betroffene
Person auf Gesuch hin die Prüfung einer bedingten Entlassung verlangen.
Ist eine bedingte Entlassung aus der lebenslänglichen Verwahrung möglich? Wenn ja, wie läuft
diese ab?
Rechtsgrundlage: Art. 64c StGB
* Entscheidungsgrundlage für die Prüfung der Entlassung aus der lebenslänglichen Verwahrung
ist der Bericht der Eidgenössischen Fachkommission zur Beurteilung der Behandelbarkeit
lebenslänglich verwahrter Straftäter.
* Die zuständige Behörde prüft gestützt auf den Bericht der Eidgenössischen Fachkommission,
ob neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass der Täter
für die Öffentlichkeit keine Gefahr mehr darstellt (Art. 64c Abs. 1 StGB).
* Sofern die zuständige Behörde zum Schluss kommt, dass der Täter behandelt werden kann,
bietet sie ihm eine Behandlung an (Art. 64c Abs. 2 StGB). Verläuft die Behandlung erfolgreich
und stellt der Täter keine Gefahr mehr für die Öffentlichkeit dar, so wird die lebenslängliche
Verwahrung aufgehoben und eine stationäre Massnahme nach Art. 59 – 61 StGB angeordnet
(Art. 64c Abs. 3 StGB).