Block 1 Flashcards

1
Q

Wann ist die fahrlässige Begehung eines Deliktes strafbar?

A

Nur wenn das Gesetz auch ausdrücklich die fahrlässige Begehung unter Strafe stellt (Art.
12 Abs. 1 StGB). Die fahrlässige Begehung kann dann entweder in einem Erfolgs-, Tätig-
keits- oder Unterlassungsdelikt bestehen. Zu beachten ist jedoch, dass der fahrlässige
Versuch, die fahrlässige Mittäterschaft, die fahrlässige Anstiftung und die fahrlässige Ge-
hilfenschaft nicht möglich sind, weil dafür zwingend ein Vorsatz benötigt wird. Diese blei-
ben also straflos.

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2
Q

Auf welcher Ebene hat die Prüfung der Fahrlässigkeit zu erfolgen?

A

Nach einer negativen Prüfung des entsprechenden Vorsatzdelikts erfolgt die Prüfung des
Fahrlässigkeitsdelikts, sofern es ein solches gibt (siehe Frage b). Die Fahrlässigkeit wird
innerhalb der Tatbestandsmässigkeit geprüft (siehe Prüfschemen Fragen m und n).

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3
Q

Ist die fahrlässige Begehung eines Betrugs strafbar? Suchen Sie zur Beantwortung der
Frage nach dem entsprechenden Tatbestand.

A

Nein, Art. 146 StGB enthält keine ausdrückliche Strafbarkeit der Fahrlässigkeit. Daher ist
die fahrlässige Begehung eines Betrugs nicht möglich, bzw. straflos.

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4
Q

Ist die fahrlässige Körperverletzung strafbar? Suchen Sie zur Beantwortung der Frage
nach dem entsprechenden Tatbestand.

A

Ja, diese wird in Art. 125 StGB explizit unter Strafe gestellt.

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5
Q

Ist das fahrlässige Herstellen von gesundheitsschädlichem Futter strafbar? Suchen Sie
zur Beantwortung der Frage nach dem entsprechenden Tatbestand.

A

Ja, dies wird in Art. 235 Ziff. 2 StGB explizit unter Strafe gestellt. Die Strafbarkeit der
Fahrlässigkeit kann also entweder in einem eigenen Tatbestand ausgelagert werden (wie
bei der fahrlässigen Körperverletzung oben) oder bspw. in einem zusätzlichen Absatz wie
hier unter Strafe gestellt werden. Es ist daher wichtig, die Tatbestände genau und voll-
ständig zu lesen sowie manchmal ein paar Seiten weiterzublättern.

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6
Q

Wie wird die Fahrlässigkeit definiert und in welchem Artikel befindet sich die Definition?

A

Art. 12 Abs. 3 StGB: Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Folge
seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedenkt oder darauf nicht
Rücksicht nimmt. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, wenn der Täter die Vorsicht nicht
beachtet, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen
verpflichtet ist.

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7
Q

Worin liegt der Unterschied zwischen bewusster und unbewusster Fahrlässigkeit und wel-
che Relevanz hat die Unterscheidung in der Praxis?

A

Bei der bewussten Fahrlässigkeit hält der Täter das Eintreten des objektiven Tatbestands
für möglich (Wissen), vertraut aber auf dessen Ausbleiben (Wollen). Gemäss Art. 12 Abs.
3 StGB (Satz 1 Alternative 2) bedenkt der Täter also die Folgen seines Verhaltens, nimmt
aber aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit darauf nicht Rücksicht.
Bei der unbewussten Fahrlässigkeit sieht der Täter das Eintreten des objektiven Tatbe-
stands nicht voraus (Wissen) und möchte es auch nicht (Wollen). Gemäss Art. 12 Abs. 3
StGB (Satz 1 Alternative 1) bedenkt der Täter also die Folgen seines Verhaltens aus
pflichtwidriger Unvorsichtigkeit gar nicht.
In der Praxis ist die Unterscheidung deswegen relevant, weil die bewusste Fahrlässigkeit
grundsätzlich im Rahmen von Art. 47 StGB härter bestraft wird. Dies, weil der Täter die
Folgen seines Handelns für möglich hielt, aber dennoch handelte.

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8
Q

Woraus können sich Sorgfaltspflichtsverletzungen ergeben?

A

Das Gesetz definiert keine individuell-konkreten Sorgfaltspflichten. Es enthält aber viele
generell-abstrakte Normen, aus denen Sorgfaltspflichten fliessen. So müssen bspw. Bau-
vorschriften, das SVG (Strassenverkehrsgesetz) etc. eingehalten werden. Wo sich keine
Sorgfaltspflichten aus dem Gesetz ergeben, können sich dennoch solche aus Regeln und
Übungen von Fachkreisen ergeben, sofern sie allgemein anerkannt sind, wie bspw. die
FIS-Regeln beim Skifahren oder ärztliche Kunstregeln. Subsidiär kann der allgemeine Ge-
fahrensatz herbeigezogen werden: Wer eine Gefahr schafft, hat alles Zumutbare zu tun,
um Schaden zu verhindern. Das höchstzulässige Risiko (Sozialadäquanz) darf nicht über-
schritten werden. Bspw. bei einem Fussballspiel gehört die Gefahr von leichten Schürfun-
gen zum sozial akzeptierten Risiko. Die Gefahr einer schweren Körperverletzung hinge-
gen nicht.

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9
Q

Der Sorgfaltsmassstab muss für jeden Fall und Täter konkretisiert und individualisiert wer-
den. Welche Kriterien helfen Ihnen dabei?

A

Nach Art. 12 Abs. 3 StGB (Satz 2) hängt der Sorgfaltsmassstab, der vom Täter erwartet
werden kann, von den konkreten Umständen und den persönlichen Verhältnissen ab. Da-
bei hilft es, sich Fragen zur Vermeidbarkeit, zur Voraussehbarkeit, zum Vertrauensgrund-
satz, zur Zumutbarkeit, zur Rechtfertigungsgründe und zur Selbstgefährdung des Verletz-
ten zu stellen. Entscheidend ist, wie sich eine vernünftige und besonnene, mit den Fähig-
keiten und Erfahrungen des potenziellen Täters ausgestattete Person in der zu beurtei-
lenden Situation verhalten hätte. Der Sorgfaltsmassstab ist daher individuell-objektiver
Natur. Zusätzlich ist zu beachten, dass Tätigkeiten, zu denen der Täter überhaupt nicht
befähigt ist (Übernahmefahrlässigkeit) oder die keine positiven Ziele verfolgen, generell
sorgfaltswidrig sind. Zum ganzen Prüfschema siehe Fragen m und n.

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10
Q

Berta ist Lokführerin und überrollte mit ihrem Zug Charlie, der betrunken die Gleise über-
querte. Bei der anschliessenden Untersuchung stellte sich heraus, dass Berta dabei je-
derzeit alle Sorgfaltspflichten einhielt, die von ihr nach den konkreten Umständen und ih-
ren persönlichen Verhältnissen erwartet werden konnten. Wie beurteilen Sie aufgrund die-
ser Ergebnisse Bertas Strafbarkeit?

A

Berta handelte nicht sorgfaltswidrig. Da sie also nicht fahrlässig handelte, ist der Tatbe-
stand auch nicht erfüllt. Berta hat sich nicht strafbar gemacht.

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11
Q

Unterscheiden sich der Taterfolg bei einer vorsätzlichen Begehung von demjenigen einer
fahrlässigen Begehung?

A

Nein, der Taterfolg ist bei beiden derselbe, bspw. der Tod eines Menschen. Reminder:
Die fahrlässige Begehung ist nur strafbar, wenn es ausdrücklich im Gesetz vorgesehen
ist (Art. 12 Abs. 1 StGB).

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12
Q

Worin liegt der Unterschied zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit?

A

Das Wissen ist bei beiden gleichermassen vorhanden: Der Täter hält den Eintritt des
Erfolgs für möglich.
Die Unterscheidung findet auf der Seite des Wollens statt: Beim Eventualvorsatz ist
dem Täter der Eintritt des Erfolgs gleichgültig, da er ihn in Kauf nimmt. Bei der bewuss-
ten Fahrlässigkeit vertraut der Täter hingegen sorgfaltswidrig auf das Ausbleiben
des Erfolgs. Diese Abgrenzung kann je nach Fall schwierig sein, hat aber grosse Auswir-
kungen.
Reminder: Bei vielen Delikten ist die fahrlässige Begehung straflos. Zudem ist das Straf-
mass bei Vorsatz erheblich höher.

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13
Q

Wie sieht das Prüfschema für ein fahrlässiges Erfolgsdelikt aus?

A

I. Vorprüfung
Kein Vorsatz & Strafbarkeit der Fahrlässigkeit

II. Tatbestandsmässigkeit
1. Ungewolltes Bewirken eines tatbestandsmässigen Erfolgs
a. Tatbestandsmässiger Erfolg
b. Tathandlung
c. Natürliche Kausalität / conditio sine qua non
2. Missachtung / Verletzung einer Sorgfaltspflicht
a. durch Missachtung einer Norm / des Gefahrensatzes unter Berücksichti-
gung der konkreten Umstände und persönlichen Verhältnissen)
- Voraussehbarkeit (adäquate Kausalität)
- Vermeidbarkeit / Pflichtwidrigkeitszusammenhang zwischen Sorgfalts-
pflichtverletzung und Erfolg (Fähigkeit zur Erfüllung der Pflicht)
3. Relevanz der Sorgfaltspflichtverletzung für den Eintritt des Erfolgs / fehlende objek-
tive Zurechnung
a. Ausschluss des erlaubten Lebensrisikos
b. Selbstverantwortung
c. Schutzzweck der Norm ( Taterfolg muss im Schutzbereich der verletzten Sorgfaltsnorm liegen)

III. Rechtswidrigkeit

IV. Schuld

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14
Q

Wie sieht das Prüfschema für ein fahrlässiges Tätigkeitsdelikt aus?

A

I. Vorprüfung
Kein Vorsatz & Strafbarkeit der Fahrlässigkeit
II. Tatbestandsmässigkeit
1. Täter führt Grundhandlung aus
2. Ungewollt verwirklicht er ein zusätzliches Tatbestandsmerkmal, wodurch die Hand-
lung zu einem verbotenen Verhalten wird
3. Dies infolge pflichtwidriger Unvorsichtigkeit
III. Rechtswidrigkeit
IV. Schuld

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