5/7 (Schadensrecht I: Grundgedanken, Begriff und Arten des Schadens, Verursachung und Zurechnung, Ersatzberechtigung, Umfang und Art des SE) Flashcards
Schadensersatz: Funktionen und Prinzipien
- Hauptfunktion: Ausgleich
- > daneben tw. Präventivfunktion und Genugtuungsfunktion (Schmerzensgeld)
- Hauptprinzip: Totalreparation durch Naturalrestitution
- > jedoch: Schadensrechtliches Bereicherungsverbot (Geschädigte soll durch Schadensersatz nicht besser stehen als er ohne das schädigende Ereignis stünde)
Kollektiver Schadensausgleich
- Schadensausgleich durch Versicherung
- > soweit der Schaden durch eine Versicherung ausgeglichen wird, geht der Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger auf die Versicherung über, §§ 86 VVG, 116 SGB X
Begriff des Schadens
= jede unfreiwillige Einbuße an materiellen oder immateriellen Gütern und Interessen
-> auch Aufwendungen, die der Geschädigte zur Verhinderung oder Geringhaltung eines Schadens tätigt
Affektionsinteresse
- Interesse am besonders hohen immateriellen Wert des Betroffenen
- > nach § 253 I ohne gesonderte Bestimmung grds. nicht ersatzfähig
Abgrenzung: Materielle vs. immaterielle Schäden
- Erlittene Einbuße in Geld messbar?
- Marktpreis, sofern Markt vorhanden?
- bei Fehlen eines Marktes: misst die Verkehrsauffassung der Sache einen Geldwert bei?
Schadensersatz bei SE statt der Leistung
- § 249 I (-)
- > nach § 275 oder § 281 IV ist Anspruch auf primäre Leistung untergegangen, was nicht durch § 249 I unterlaufen werden sollte
Verursachung und Zurechnung des Schadens
- Verursachung
a. Äquivalenztheorie
b. Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung (ergänzend zu 1.a.) - Zurechnung
a. Adäquanz
b. Schutzzweck der Norm
Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung
= wenn die konkrete Handlung im konkreten Erfolg aufgrund einer gesetzmäßigen Verbindung tatsächlich wirksam geworden ist bzw. ob die unterlassene Handlung den Eintritt des konkreten Erfolges tatsächlich abgewendet hätte
Adäquanztheorie
= nicht zurechenbar, wenn die Handlungen nur unter höchst ungewöhnlichen, für einen optimalen Betrachter unvorhersehbaren Umständen geeignet sind, den Schaden herbeizuführen
(-> aufgrund des Verschuldensmaßstabes bei der haftungsbegründenden Kausalität hat die Theorie nur bei der haftungsausfüllenden Kausalität einen eigenständigen Anwendungsbereich)
Schutzzweck der Norm
= soll die verletzte Pflicht vor Rechtsgutsverletzungen bzw Schäden der vorliegenden Art schützen
- > anhand der vertraglichen Vereinbarungen gem. §§ 133, 157, 242 bzw. anhand der Verkehrspflicht (§ 823 I) oder des Schutzgesetzes (§ 823 II) konkret zu bestimmen
- > bei konstitutionell bedingter Anfälligkeit des Geschädigten: Abwägung (Grundsatz des Schutzes auch der Kranken und Schwachen vs. Austauschbarer Auslöser zur Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos des Geschädigten)
Hypothetische Kausalität (Reserveursache zu einem späteren Zeitpunkt): Fallgruppen
- keine pauschale Lösung, sondern Fallgruppen:
- Schadensanlage: beachtlich, wenn die Reserveursache der Sache bzw. dem Menschen bei Schädigung schon innegewohnt haben und innerhalb kurzer Zeit denselben Schaden herbeigeführt hätten
pro: strenge Betrachtung durch das Differnezmodell - Ersatzpflicht eines Dritten: unbeachtlich, wenn Reserveursache zur Ersatzpflicht eines Dritten geführt hätte
- Differenzierung zwischen Objektschäden und Folgeschäden
- > bzgl. Objektschaden ist Schadensverlauf bereits abgeschlossen (bspw. Auto durch Unfall zerstört, sodass ein Garagenbrand eine Woche später unbeachtlich ist)
- > bzgl. Folgeschaden (bspw. Nutzungsausfall) ist der Schadensverlauf noch nicht abgeschlossen (hypothetische Ereignisse müssen berücksichtigt werden, sodass bspw. nur der Nutzungsausfallschaden aus einer Woche anfällt)
Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens
- hM: grds. beachtlich
pro: Schäden bei rechtmäßigem Verhalten fallen allgemein nicht unter den Schutzzweck der Norm - bei Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht:
–> eA: grds. unbeachtlich
pro dient dem Zweck, eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen - bei unsachgemäßer Aufklärung entfällt die wirksame Einwilligung und somit die Rechtfertigung
–> aA (BGH): beachtlich; jedoch sind an den Arzt hohe Anforderungen zu stellen, sodass er beweisen muss, dass der Patient auch sonst eingewillt hätte
Zurechnung bei mittelbarer Kausalität: Schockschäden
- Rechtsgutsverletzung: Gesundheitsbeeinträchtigung muss über das Maß hinausgehen, das erfahrungsgemäß mit einem Trauerfall verbunden ist
- Kausalität (+)
- Zurechenbarkeit
a. Adäquanz
b. Schutzzweck der Norm: restriktiv (Rspr.)
aa. Personenkreis:
- > Naher Angehöriger
- > Unmittelbare Unfallsbeteiligung
- > bloßes Miterleben der Unfallfolgen (-), da allgemeines Lebensrisiko
bb. Nachvollziehbare Reaktion der Person - Ggf. Mitverschulden, wenn Angehöriger des Schockgeschädigten den Unfall mitverursacht hat (§§ 254, 242 analog oder § 846 analog)
Zurechnung bei mittelbarer Kausalität: Selbstschädigendes Verhalten (Herausforderungsfälle)
= Entstehung des Schadens wird durch einen eigenen Willensentschluss des Geschädigten vermittelt, der durch das Verhalten des Schädigers hervorgerufen wurde (v.a. Verfolgerfälle, aber auch Retterfälle/Dreipersonenkonstellation)
- Voraussetzung: grds. (-), da Freiverantwortlichkeit, aber (+), wenn sich der Geschädigte zu selbstgefährdendem Verhalten herausgefordert fühlen durfte, i.e. wenn durch das rechtswidrige Verhalten des Schädigers eine Situation entstanden ist, in welcher die Selbstgefährdung geboten oder erwünscht war
- > normative Frage des Herausgefordertfühlen-Dürfens: vernünftige Entscheidung, i.e. Abwägung von Risiko und Zweck
- > Berufsrisiko: str., wohl aber keine Erfassung von übermäßigen Gefahren
Zurechnung bei mittelbarer Kausalität: Drittvermittelte Kausalität (Herausforderungen Dritter)
- vor allem Grünstreifenfälle: wegen Unfall ist Straße gesperrt, andere Verkehrsteilnehmer weichen aus und machen Rasen, Wege etc. kaputt
- > BGH: keine Zurechenbarkeit, andere Verkehrsteilnehmer handeln freiverantwortlich
Schadensberechnung: Vorteilsausgleichung
- hM: normative Korrektur des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots, da es wertungsmäßig nicht angemessen ist, immer alle Vorteile aus der Schädigung vom Schaden abzuziehen
- > Zurechnung/Anrechnung nur solcher Vorteile, die:
1. kausal auf das schädigende Ereignis zurückzuführen sind (BGH: Adäquanztheorie)
2. dem Zweck der Schadensersatzpflicht entsprechen (Vorteil muss außer Betracht bleiben, wenn er nach den Wertungen der Rechtsordnung den Schädiger nicht begünstigen soll) - > Indiz gegen Vorteilsanrechnung: gesetzlicher Übergang des Schadensersatzanspruches (Vorteil verbleibt wertungsmäßig nicht beim Geschädigten, bspw. § 116 SGB X, § 86 VVG, § 6 EntgeltfortzahlungsG)
DSL: Prinzip und allgemeine Voraussetzungen
- Grds. kann der Verletzte nur seinen eigenen Schaden geltend machen, jedoch soll der Schädiger auch nicht durch eine aus seiner Sicht zufällige Schadensverlagerung privilegiert werden
- Voraussetzungen:
1. Anspruch ohne Schaden
2. Schaden ohne (vertraglichen) Anspruch
3. Zufällige Schadensverlagerung (aus Sicht des Schädigers) - > immer auch konkret prüfen (vor allem, worin der Schaden des Geschädigten besteht)
- DSL vs. VSZD: DSL will ungerechtfertigte Entlastung des Schädigers verhindern, VSZD erhöht durch eigene Vertragsposition des Dritten das Haftungsrisiko des Schädigers
DSL: Fallgruppen
- Obligatorische Gefahrentlastung
- > durch vertragliche oder gesetzliche Bestimmung wird Gefahr auf einen Dritten verlagert (bspw. § 447 BGB; Vermächtnis; Schenkung) - Mittelbare Stellvertretung
- > jemand schließt im eigenen Namen (-> Verletzer), aber auf fremde Rechnung (-> Geschädigter) einen Vertrag (bspw. Kommission, §§ 383 ff. HGB)
- > BGH: gewohnheitsrechtlich anerkannt - Treuhandverhältnisse
- > Treugeber überträgt an Treuhänder ein Recht, das dieser im Interesse des Treugebers auszuüben hat (Schaden tritt bei Treugeber ein)
- > Voraussetzung: kein eigener SEA gegen Schädiger (bspw. § 823 I, wenn Treugeber noch eigenes sonstiges Recht am Treugut hat, das verletzt wird) - Obhut für fremde Sachen (P)
- Vertragliche Vereinbarung
- > Vereinbarung, dass Vertragspartner berechtigt sein soll, den von dem anderen Vertragspartner verursachten Schaden eines Dritten geltend zu machen
- > ohne explizite Regelung idR aber eher von einer Einbeziehung in den Schutzbereich auszugehen (VSZD)
P: DSL: Obhut für fremde Sachen
- eA: (-)
pro: Eigentümer in den Schutzbereich des Vertrages zwischen Besitzer der Sache und Schädiger miteinbezogen
pro: eigener gesetzlicher Anspruch des Eigentümers - aA (hM): (+)
pro: gesetzlicher Anspruch oft Einschränkungen ausgesetzt
pro: VSZD nicht ohne Weiteres zu bejahen; tw. bloße Willensfiktion
pro: § 701 BGB (Gastwirthaftung) als gesetzlich geregelter und damit anerkannter Fall der DSL-Kategorie
P: DSL: auch bei entgangenem Gewinn (§ 252 BGB)?
- eA: (-)
pro: für Schädiger sind individuelle Schadensposten des Hintermannes nicht erkennbar - aA (hM, MüKo): (+)
pro: auf die Erkennbarkeit kommt es beim VSZG an; dieses Kriterium ist bei der DSL jedoch nicht relevant (andere Interessenlage der mStv)
§§ 249 ff. BGB: drei Arten des SE
- Naturalrestitution, § 249 I
- > Herstellung durch Schädiger - Kosten der Herstellung, § 249 II / § 250
- Entschädigung in Geld, § 251 / § 253
Abzug “neu für alt”
= wenn der Wert der beschädigten Sache durch die Naturalrestitution erhöht wird
pro: schadensrechtliches Bereicherungsverbot
P: Einordnung der vollständigen Zerstörung einer vertretbaren Sache (bspw. Kfz)
- hM: Naturalrestitution in Form der Ersatzbeschaffung gem. § 249 I (+)
pro: sofern kein Unikat, wird der Geschädigte bei einer Zerstörung seines gebrauchten Kfz auch durch eine Ersatzbeschaffung so gestellt, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde
P: Muss der Geschädigte den erhaltenen Geldbetrag zur Herstellung verwenden (“fiktive Reparaturkosten”)
- hM: Differenzierung zwischen Körper- und Sachschäden:
- > Sachschäden: Dispositionsfreiheit (+)
pro: Dispositionsfreiheit ist bereits durch den aufgezwungenen Schaden vermindert; diese soll dann wenigstens für die Verwendung des SE wieder gelten
pro: anerkannt in § 249 II S. 2 (“soweit … tatsächlich angefallen”)
con: schadensrechtliches Bereicherungsverbot, da Schadenspositionen gar nicht angefallen sind - -> dagegen con: Kompromissregelung des § 249 II S. 2 BGB, wonach Umsatzsteuer nur bei tatsächlich angefallenen Kostenpunkten berücksichtigt werden
- > Körperschäden: Nichtvermögensschäden nur unter den Voraussetzungen des § 253 in Geld ersetzbar
pro: ansonsten würde Wertung des § 253 BGB unterlaufen
Dimensionen des § 251 BGB (Entschädigung in Geld)
- Ersatz des Wertinteresses, nicht der Kosten der Naturalrestitution wie bei § 249 II
- Ersatzanspruch bemisst sich nach Wiederbeschaffungswert (bei vergleichbaren Sachen) bzw. auf den Neupreis abzüglich einer Abschreibung (bei gebrauchten Sachen ohne bestehende Nachfrage)
- § 251 I Alt 1: Unmöglichkeit der Herstellung
- > nur Vermögensschäden in Form des Wertinteresses
- > keine Nichtvermögensschäden; kein Affektionsinteresse - § 251 I Alt 2: Ungenügende Herstellung
- > Geldersatzanspruch kann Herstellungsanspruch ersetzen oder ergänzen (insb. wenn nach Reparatur merkantiler Minderwert (“Unfallwagen”) verbleibt) - § 251 II: Herstellung nur mit unverhältnismäßigem Aufwand
- > § 251 II schränkt Herstellungsinteresse zugunsten des Wertinteresses in Ansehung der Interessen des Schädigers ein
- > insb. wirtschaftlicher Totalschaden: wenn Reparaturkosten den Wert des Kfz vor dem Unfall um mehr als 30 % (Integritätszuschlag) übersteigen (v.a. bei alten Gebrauchtwagen) -> Rspr: Wiederbeschaffung als Form der Naturalrestitution: § 251 II wird nicht direkt angewendet, sondern über das Kriterium der Erforderlichkeit bei § 249 II
- > bei Personenschäden nicht anwendbar, da keine wirtschaftliche Unverhältnismäßigkeit zur Wiederherstellung körperlicher Integrität bestehen kann
Abstrakte vs. konkrete Schadensberechnung
- Grds. konkret, = danach, welche Einbuße der Geschädigte im einzelnen Fall tatsächlich erlitten hat
- > Nachteil: zwingt Kaufleute dazu, im Rechtsstreit ihre Bücher und Kalkulation offen zu legen - Ausnahmsweise abstrakt, = ohne Berücksichtigung der besonderen Umstände des Schadensverlaufs im Einzelfall; es ist von vorgegebenen Werten auszugehen (bspw. § 376 II HGB; bei Verlust von Gebrauchsvorteilen; bei Nutzungsausfall von Kfz wird die Schadensberechnung pauschaliert)
P: § 255 (Abtretung von Ersatzansprüche) analog?
- Planwidrige Regelungslücke
- > wenn ein Schaden vorliegt, für den mehrere verantwortlich sind, haften diese als Gesamtschuldner (grds.) - nach § 840 ist auch keine Gleichstufigkeit erforderlich
- > Ausgleichspflichten bestehen somit bereits nach § 426, sodass keine Regelungslücke vorliegt
DSL: Ansprüche des Geschädigten/Dritten gegen den Anspruchsinhaber
I. Primäranspruch/SEA (-)
II. § 285 I (analog)
1. Bestehen eines auf die Leistung eines Gegenstandes gerichteten SV (zwischen Geschädigtem und Anspruchsinhaber)
2. Unmöglichkeit gem. § 275
3. Unmöglichkeitsbedingte Erlangung eines Ersatzes/Ersatzanspruches
4. Identität zwischen eigentlichem Leistungsgegenstand und Ersatz
5. Rechtsfolge: Anspruch auf Abtretung des Anspruches bzw. des durch Geltendmachung des Anspruches Erlangten