1/7 (Grundlagen, Vertrag zugunsten Dritter) Flashcards
Schuldverhältnis im weiteren vs im engeren Sinn
- im weiteren Sinn: Gesamtheit der rechtlichen Beziehungen zwischen Gläubiger und Schuldner
- im engeren Sinn: Beziehung zwischen Gläubiger und Schuldner in Ansehung einer einzelnen Forderung (Forderung als schuldrechtlicher Anspruch)
Hauptleistungspflicht vs Nebenleistungspflicht
- Hauptleistungspflichten: charakterisieren die Eigenart und den Typus des jeweiligen Schuldverhältnisses (essentialia negotii) und stehen in einem Austauschverhältnis
- Nebenleistungspflichten: sind auf die Hauptleistungspflicht bezogen und sollen deren Erfüllung unterstützen und fördern
- > idR aus Vereinbarung der Parteien (§ 157) oder aus Treu und Glauben (§ 242) zu ermitteln
Primäre vs sekundäre Leistungspflichten
- nach Zeitpunkt der Entstehung
- > primär: durch Parteivereinbarung
- > sekundär: durch Verantwortlichkeit der Verletzung einer primären Leistungspflicht
P: Möglicher Inhalt der Leistungspflicht (§ 241)
- eA: Leistung nur als bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens
- aA: auch Zuwendung nicht vermögenswerter Vorteile umfasst
pro: historisch
pro: Wortlaut nimmt keine Einschränkung vor
Leistungspflicht vs Schutzpflicht
- Leistungspflicht: Veränderung der Güterlage
- Schutzpflicht: Bewahrung der gegenwärtigen Güterlage der Beteiligten vor Beeinträchtigungen
Doppelnatur der Pflichten
- vielfach schützen Pflichten aus einem Schuldverhältnis sowohl das Leistungs- als auch das Integritätsinteresse des Gläubigers
Obliegenheit
- kein Anspruch auf Erfüllung, sondern Rechtsordnung stellt frei, ob Obliegenheit nachgekommen wird oder nicht
- Adressat wird gewissen Rechtsnachteilen ausgesetzt, handelt aber weder rechtswidrig noch macht er sich schadensersatzpflichtig
- > § 377 HGB
- > § 573 III BGB
- > § 254 BGB (Mitverantwortlichkeit des Geschädigten)
- > auch vertraglich möglich (va VersicherungsvertragsR)
Schuldrechtlicher Charakter des Herausgabeanspruchs
- hM: (-), sondern rein dinglicher Anspruch
pro: unmittelbare Durchsetzung des Eigentums als Ziel
con: gegen bestimmte Person gerichtet - > sofern Interessenlage vergleichbar und keine Sonderregeln: Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts analog
- -> (+) bspw. Schuldnerverzug (§§ 286ff.), vgl. § 990 II
- -> (-) bspw. § 285, da § 816 I 1
P: Reichweite von § 242
- eA: bezieht sich nur auf die Modalitäten der Erfüllung
pro: Wortlaut
pro: historischer Wille des Gesetzgebers - aA: allgemeiner Rechtsgedanke, wonach jeder bei der Ausübung seiner Rechte und Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln hat, insbesondere dass er auf die berechtigten Interessen des anderen Teils Rücksicht nimmt
con: Billigkeitsrechtsprechung, was die Gesetzesbindung des Richters (Art. 20 III, 97 I GG) bedroht - > dagegen con: restriktive Handhabung, Fallgruppenbildung
pro: Bedürfnis der Einbeziehung von Billigkeitsgesichtspunkten insbesondere auch bei neuartigen Interessenskonflikten (Flexibilität)
P: Anwendungsbereich des § 242
- eA: Schuldverhältnis
- hM: rechtliche Sonderverbindung
con: Treu und Glauben stellt einen allgemeinen Rechtsgrundsatz dar - hM: irgendwie qualifizierter sozialer Kontakt
con: rein tatsächlicher Kontakt würde rechtliche Rahmung ergeben
pro: es werden in bestimmten Fällen Rechte und Pflichten zwischen Personen anerkannt, die vorher noch nicht in einer Sonderrechtsbeziehung standen, so dass erst durch die Anerkennung von Rechten und Pflichten eine solche entsteht -> Einschränkung absoluter rechte, Nachbarschaft, nichtiges RG: alles soziale Kontakte qual. Art, die eine Sonderverbindung entstehen lassen
con: gegen Jedermann existieren mit den guten Sitten (§ 826) bereits Verhaltensstandards - neA (Looschelders): Kombination: § 242 direkt bei Schuldverhältnisses, Treu und Glaube als Rechtsgedanke in übrigen Fällen nach Einzelfall zu prüfen
§ 242: Treu und Glauben
- Zielrichtung: Gewährleistung eines gerechten Interessensausgleichs
- > sozialethische Prinzipien
- -> normativ zu bestimmen: relevant sind die in der gesamten Rechtsordnung verankerten sozialethischen Wertungen, insbesondere die GR
§ 242: Verkehrssitte
- tatsächlich in der Gesellschaft oder in bestimmten Verkehrskreisen beachteten Verhaltensregeln
- > Sonderfall: § 346 HGB
§ 242 vs. § 157
- § 157: Auslegung von WE, § 242 ist nur mittelbarer Maßstab (Wille im Zweifel kongruent mit dem Maßstab des § 242)
- § 242: unmittelbarer Maßstab für Schuldverhältnis
Funktionen des § 242
- Konkretisierungs- und Ergänzungsfunktion
- Schrankenfunktion
- Kontroll- und Korrekturfunktion
Fallgruppen des § 242: Konkretisierungs- und Ergänzungsfunktion
- Hauptpflichten
- > Leistungszeit und Leistungsort (keine Leistung zur Unzeit)
- Nebenpflichten
- > bspw. allgemeine Nebenleistungspflicht, alle Handlungen zu unterlassen, welche die ordnungsgemäße Durchführung des Schuldverhältnisses beeinträchtigen
- > Schutzpflichten vor Normierung des § 241 II
Fallgruppen des § 242: Schrankenfunktion
- Fehlendes schutzwürdiges Interesse (dolo agit)
- Unverhältnismäßigkeit (keine sinnvolle Relation von Nutzen und Schaden bzw. milderes Mittel zur Rechtsdurchsetzung)
- Unzumutbarkeit aus persönlichen Gründen
- Unredlicher Rechtserwerb (v.a. Evidenz) und Zugangsvereitelung
- Widersprüchliches Verhalten (venire contra factum proprium)
- Verwirkung (Zeitmoment und Umstandsmoment)
Fallgruppen des § 242: Kontroll- und Korrekturfunktion
- Inhaltliche Kontrolle und Korrektur von Verträgen durch Richter
- > heute vielfach normiert, bspw. AGB-Recht, Störung der Geschäftsgrundlage
P: Existenz eines “Gefälligkeitsverhältnisses mit rechtsgeschäftlichem Charakter”-> beinhaltet Schutzpflichten
- eA: (+)
pro: Privatautonomie
pro: bei besonderer Schutzwürdigkeit durch Vertrauenstatbestand
pro: würde über die bekannten Schwächen des Deliktsrechts hinweghelfen, indem es Schutz gegen primäre Vermögensschäden schüfe und die Zurechnung des Verhaltens Dritter gemäß § 278 ermöglichte - aA: (-) bzw. nur, sofern ein Fall der § 311 II, III vorliegt
pro: SEA nach §§ 280, 241 II setzt Schuldverhältnis voraus
pro: Figur des “rein sozialen Kontakts” ist abzulehnen, da dieser keine rechtliche Sonderverbindung begründen kann
pro: Deliktsrecht
con: Gegen ein weitergehendes Verständnis spricht der Wortlaut der Vorschrift („geschäftlich“), der in klarem Kontrast zum bloß „sozialen“ Kontakt steht
con: syst: iRv § 311 muss jedenfalls irgendein Bezug zu einem Vertrag oder Rechtsgeschäft bestehen
con: wertungsmäßige Unterschied liegt darin, dass das gesteigerte Vertrauen und damit die Verpflichtung zur Rücksichtnahme über das normale (deliktische) Maß hinaus beim geschäftlichen Kontakt durch die wirtschaftlichen Eigeninteressen eine Rechtfertigung und die Haftung eine tatbestandliche Einhegung erfahren-> Gefälligkeitshandlungen im gesellschaftlichen Bereich sind nicht erfasst
P: Haftungsmilderung im Deliktsrecht bei reinen Gefälligkeitsverhältnissen
- eA: Verschuldensbeschränkung auf Gefälligkeitsverhältnisse und Gefälligkeiten analog
pro: (+) bei unentgeltlichen Verträgen mit Ausnahme des Auftrags ist die Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit (bzw. Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten) beschränkt, -> Rechtsgedanke der §§ 521 (Schenkung), 599 (Leihe), 690 (Verwahrung)
pro: Haftung für jede leichte Fahrlässigkeit passt nicht für Gefälligkeiten des täglichen Lebens
pro: erst-recht-Schluss: wenn Leihe mit Rechtsbindungswillen den Verleiher entlastet, dann sollte er nicht schlechter stehen, wenn er noch nicht einmal mit Rechtsbindungswillen gehandelt hat→ Bestünde bei rechtlich verbindlicher Vereinbarung eine Haftungsprivilegierung, so ist diese auch auf die reine Gefälligkeit zu übertragen
(-) die §§521, 599, 690 BGB enthalten gerade keinen allgemeinen Rechtsgedanken, sondern nicht verallgemeinerungsfähige Ausnahmen; der Beauftragte haftet zB nicht milder
(-) ungleiche Behandlung von Schädigungen iRe Gefälligkeit - aA (Rspr): keine analoge Anwendung und aber evtl. Annahme eines zwischen den Betroffenen stillschweigend vereinbarten Haftungsausschlusses, sonst Anwendung des normalen Haftungsmaßstabes
pro: Flexible Lösungen (bspw. wohl kein Haftungsausschluss, wenn Schädiger haftpflichtversichert, s. Gefälligkeitsfahrten)
pro: Wäre die Rechtslage zu Sprache gekommen, hätte man sich hypothetisch auf einen Haftungsverzicht oder eine Beschränkung geeinigt (ergänzende Vertragsauslegung).
Besonders dann, wenn der Geschädigte an der Gefälligkeit ein besonders großes Interesse hat, während der Gefällige aus ihr keinen Nutzen zieht, die Gefälligkeit für den Gefälligen jedoch ein hohes Haftungsrisiko mit sich bringt und ein Ausschluss nur vernünftig wäre
! daran fehlt es aber regelmäßig, wenn der Schädiger haftpflichtversichert ist. Da die Betroffenen ja gerade keinerlei rechtliche Vereinbarung getroffen haben, wäre es tatsächlich eine „künstliche Rechtskonstruktion‟, wenn man ihnen einen Haftungsausschluss unterstellen wollte. Insbesondere will der spätere Schädiger regelmäßig allenfalls ein eigenes Haftungsrisiko ausschließen, aber idR nicht seine Haftpflichtversicherung entlasten.
pro: eine am mutmaßlichen Willen und an den Interessen der Beteiligten orientierte Auslegung ermöglicht flexiblere Lösungen als die Übertragung der §§ 521, 599, 690:
-> Kriterien: Haftungsmilderung, wenn
1 . Schädiger keinen Haftpflichtversicherungsschutz hat
2. ein für ihn nicht hinzunehmendes Haftungsrisiko bestünde
3. besondere Umstände vorliegen, die im konkreten Fall einen Haftungsverzicht besonders naheliegend machen - wA: Keine Privilegierung
pro: Gesamtanalogie spiegelt keinen allgemeinen Rechtsgedanken des BGB wider
pro: konkludenter Haftungsausschluss als Willensfiktion
zudem:
- Ausschluss der Haftung nach § 242 BGB, wenn der Geschädigte sich rechtsmissbräuchlich verhalten würde, wenn er sich auf der einen Seite einen Gefallen gewähren ließe, um auf der anderen Seite diesen bereits bei leichter Fahrlässigkeit auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen.
- eventuell analoge Anwendung von § 521, § 599 oder § 690 auf den deliktischen Anspruch, wenn das Gefälligkeitsverhältnis, der Schenkung, der Leihe oder der unentgeltlichen Verwahrung wertungsmäßig sehr nahe stehen, sodass eine Differenzierung nicht überzeugen kann→ Leihe oder unentgeltliche Überlassung? § 599 soll denjenigen privilegieren, der einem anderen unentgeltlich eine Sache überlässt. Die am Rechtsbindungswillen orientierte Unterscheidung von Leihe und Gefälligkeitsverhältnis ist daher nach der Ratio der Vorschrift unerheblich
Anwendungsbereich: § 241a: Falschlieferung
- bewusst: Lieferung einer anderen als der bestellten Sache (+)
- unbewusst: (-)
pro: aliud-Lieferung nach § 434 III lex specialis
pro: Telos der Verbraucherrechte-RL, die an RL über unlautere Geschäftspraktiken anknüpft (irrtümliche Falschlieferung keine unlautere Geschäftspraxis)
Rechtsfolgen des § 241a: Ausschluss gesetzlicher Ansprüche
- eA: auch gesetzliche Ansprüche
pro: e contrario § 241a II
pro: systematische Stellung - aA (mM): nicht § 985
pro: interessensgerecht, wenn der Verbraucher die Sache ohne Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen herausgeben kann und der Unternehmer sie auf eigene Kosten abholt
pro: Verbraucher wird nicht Eigentümer der Sache
con: Verbraucher darf Sache behalten und mit ihr nach Belieben verfahren
con: Wille des Gesetzgebers
con: Telos der Norm: Abschreckung von aufdringlichen Verkaufspraktiken
pro: Umsetzung der Verbraucherrechte-RL als Vollharmonisierung -> weitergehender Verbraucherschutz richtlinienwidrig - > dagegen con: RL betrifft nur vertragliche Ansprüche; Rückabwicklung über gesetzliche Ansprüche kann der Gesetzgeber selbst regeln
Kontrahierungszwang aus § 826
a) Grundlagen:
- setzt voraus, dass die Ablehnung des Vertragsschlusses eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung darstellt.
- normative Wertungsfrage: Interessenabwägung auf der Grundlage der in der Rechtsordnung verankerten sittlichen Wertungen
b) b) Versorgung mit notwendigen Gütern und Dienstleistungen
• eA: über die gesetzlichen Fälle hinaus bestünde ein Kontrahierungszwang, wenn der Kunde aufgrund der Monopolstellung oder Marktstärke des Unternehmens keine zumutbaren Ausweichmöglichkeiten hat und die Ablehnung des Vertragsschlusses durch keine sachlichen Gründe gerechtfertigt wird
(+) Verbraucherschutz, weil § 20 GWB nur Unternehmer schützt
(+) Sozialstaatsprinzip (Art. 20 I, 28 I GG) sowie eine Gesamtanalogie zu den im Bereich der Daseinsvorsorge geltenden Einzelvorschriften
(-) zu vage Rechtsgrundlagen, um den Grundsatz der Vertragsfreiheit einzuschränken
(-) keine Regelungslücke: die ungerechtfertigte Verweigerung lebenswichtiger Güter und Dienstleistungen bei Fehlen einer zumutbaren Ausweichmöglichkeit stellt eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung dar, § 826
c) Verstoß gegen Diskriminierungsverbote
• str.: ob § 826 einen Kontrahierungszwang begründet, wenn der Vertragsschluss unter Verstoß gegen ein Diskriminierungsverbot verweigert wird
(+) Werteordnung des GG und AGG
(-) Interessen der Betroffenen würden durch Schadensersatz eher geschützt
(+) RO kann den Betroffenen nicht anmaßen, sich einer sittenwidrigen Diskriminierung zu beugen→ d.h. es besteht ein Kontrahierungszwang
(P) Herleitung
- hM: Pflicht zum Vertragsschluss aus dem in § 249 I geregelten Grundsatz der Naturalrestitution
- > neuere Lit: verschuldensunabhängiger Unterlassungs- bzw. Beseitigungsanspruch (pro: Schutz vor zukünftigen Beeinträchtigungen)
- Keine spezielle Regelung
- Verweigerung sittenwidrig
- > insbesondere bei Versorgung mit notwendigen Gütern und Dienstleistungen
- > Verstoß gegen Diskriminierungsverbote (Art. 3 I, III GG; AGG)
- > auch tw. iVm AGG-Normen befürwortet
P: Anwendungsbereich des § 311b III: einzelne Gegenstände
- eA: (+), wenn sie nahezu gesamtes Vermögen ausmachen
pro: Vermögensschutz umfassend zu verstehen - aA: (-) bei einzelnen Gegenständen
pro: Telos des Formzwangs: Schutz vor Verträgen, bei denen keine sichere Vorstellung über den Umfang der Verpflichtung besteht
Vorvertragliches SV: Vertragsanbahnung
- Geschädigter hat dem anderen Teil in Hinblick auf die in Aussicht gestellte geschäftliche Beziehung die Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen ermöglicht
- > Keine feste Kaufabsicht erforderlich
- > Bloßer Informationswille ausreichend
- > (-) bei geschäftsfremden Zwecken (Diebstahl, Wetterschutz)