3/7 (Störungen im SV: Grundlagen und SE I) Flashcards
Systematik: Störungen im Schuldverhältnis
- Verletzung von Leistungspflichten
a. Nichtleistung
aa. Unmöglichkeit
bb. Verzögerung
b. Schlechtleistung - Verletzung von Schutzpflichten
(-> “Leistungsstörung” daher im weiteren Sinne, oder “Störungen im Schuldverhältnis”)
Geltendes Leistungsstörungsrecht als Mischsystem
- Rechtsfolgenorientierung
- > Regelungskomplexe des Schadensersatzes (§§ 280-286) und des Rücktritts (§§ 323-326)
- Tatbestandsorientierung
- > Unterscheidung bestimmter Leistungsstörungen nach den Fallgruppen vor der Schuldrechtsreform (bspw. SE statt der Leistung; § 275 als eigenständiger TB)
Echte Unmöglichkeit: Physische Unmöglichkeit
1) Allgemein
- meist Zerstörung
- abergläubische Verträge
- > nach § 311 a I: grds. nicht unwirksam
- -> § 275 I: Leistungspflicht des Schuldners entfällt
- -> § 326 I 1: Leistungspflicht des Gläubigers entfällt (kann jedoch - auch konkludent - abbedungen werden)
- –> BGH: wenn beide Parteien den Vertrag in dem Bewusstsein geschlossen haben, den Boden wissenschaftlich gesicherter Erfahrung zu verlassen
2) Zweckerreichung/Zweckfortfall (s. Extra-KK)
3) Zweckstörung (s. Extra-KK)
Echte Unmöglichkeit: Physische Unmöglichkeit: Zweckerreichung/Zweckfortfall
1) Zweckerreichung = wenn der mit dem Vertrag bezweckte Erfolg ohne eine Leistung des Schuldners gegenüber dem Gläubiger eintritt und daher durch eine solche Leistung nicht mehr herbeigeführt werden kann
2) Zweckfortfall = wenn der geschuldete Erfolg wegen Wegfalls des vom Gläubiger zu stellenden Leistungssubstrats oder aus einem in der Person des Gläubigers liegenden Grund nicht mehr durch eine Leistung des Schuldners zu verwirklichen ist
Echte Unmöglichkeit: Physische Unmöglichkeit: Zweckstörung
= Gläubiger hat Interesse an der Leistung verloren, weil er diese nicht mehr in der beabsichtigten Weise einsetzen kann
-> grds. unbeachtlich, da Verwendbarkeit der Leistung im alleinigen Risikobereich des Gläubigers liegt
Echte Unmöglichkeit: Rechtliche Unmöglichkeit (Bsp)
- bspw. Werkvertrag über ein Bauwerk, das nicht genehmigungsfähig ist
- bspw. Verletzung eines Einfuhrverbots, wenn sich Verkäufer die Ware beschaffen will
- §§ 134, 138: vorrangig, da Nichtigkeit ex lege
Echte Unmöglichkeit: subjektive Unmöglichkeit
- insbesondere, wenn verkaufte Sache im Eigentum eines Dritten oder durch Unbekannten entwendet
- > § 275 I: wenn “um keinen Preis” beschaffbar
- > § 275 II im Übrigen
Echte Unmöglichkeit: teilweise Unmöglichkeit
- Leistungsgegenstand muss teilbar sein
- > bei unteilbaren Leistungsgegenständen: teilweise Unmöglichkeit steht vollständiger Unmöglichkeit gleich (bspw. wenn Eigentum, aber nicht mehr Besitz an Kfz verschafft werden kann)
- grds.: § 275 I: Leistungspflicht entfällt nur “insoweit” unmöglich - wenn kein Interesse an Teilleistung
- > SEA: §§ 280 I, III, 283 S. 2; § 311 a II 3 iVm § 281 I 2
- > Rücktritt: § 326 V iVm § 323 V 1
Echte Unmöglichkeit: vorübergehende Unmöglichkeit
- Abgrenzung: absolutes Fixgeschäft
- ganz hM: steht dauernder Unmöglichkeit gleich, wenn durch das Hindernis die Erreichung des Vertragszwecks in Frage gestellt ist und der einen oder anderen Partei bei Abwägung der Interessen nicht zugemutet werden kann, die Leistung zu erbringen bzw. zu empfangen
- wenn dies nicht gegeben ist:
- > hM: Leistungspflicht ist nach § 275 I analog nur solange ausgeschlossen, wie das Hindernis besteht (Einrede)
- -> §§ 286; § 281; § 323 analog für Gläubiger möglich (vorübergehende Unmöglichkeit steht der Fälligkeit nicht entgegen, Telos von § 275 I analog ist der Gläubigerschutz)
pro: Analogie: Fristsetzung soll sicherstellen, dass Schuldner nicht schlechter als bei einfacher Leistungsverzögerung steht - -> auch möglich: § 284 analog bzw. § 285 analog
- > mM: kein Fall des § 275 I (analog) -> Ansprüche wie hM, aber direkt
pro: zeitweise Unmöglichkeit ist in der Sache eine Leistungsverzögerung, sodass die Vorschriften direkt anwendbar sind
Echte Unmöglichkeit: absolutes Fixgeschäft
= wenn die geschuldete Leistung ihrer Natur oder dem Inhalt des Schuldverhältnisses nach nur zu einer bestimmten Zeit erbracht werden kann
-> § 275 I direkt
Echte Unmöglichkeit: relatives Fixgeschäft
= wenn die Leistung prinzipiell nachgeholt werden kann, dem Schuldner aber schon beim Vertragsschluss bewusst ist, dass dem Gläubiger die Einhaltung einer bestimmten Leistungszeit oder -frist besonders wichtig ist
- > § 323 II Nr. 2 (Fristsetzung entbehrlich)
- > § 376 HGB (Fixhandelskauf)
P: Dogmatische Einordung des § 275 II (praktische Unmöglichkeit)
- Einrede
- > eA: Einrede führt zum Erlöschen des Anspruchs (parallel zu § 275 I)
- > aA: Einrede führt zur (dauerhaften) Hemmung des Anspruchs (hM)
pro: e contrario zum Wortlaut des § 275 I, der explizit von Ausschluss spricht
§ 275 II (praktische Unmöglichkeit): Maßstab
- Aufwand des Schuldners ist allein am Leistungsinteresse des Gläubigers zu messen
- > keine sonstigen Interessen des Schuldners sind miteizubeziehen
- bei entwendeten Sachen
- > nur bei realistischer Möglichkeit der Wiederbeschaffen möglich (wenn Detektive etc. “ins Blaue hinein” beauftragt werden müssten, liegt § 275 I vor)
- bei Gattungsschulden
- > § 275 II sehr restriktiv anzuwenden, da Schuldner Beschaffungsrisiko übernommen hat
§ 275 II (praktische Unmöglichkeit) vs. § 313 (Äquivalenzstörung)
- § 313: Verhältnis von Aufwand und Leistungsinteresse bleibt relativ konstant, obwohl Aufwand und Leistungsinteresse (bspw. durch Inflation nominal) sich ändern
- § 275 II: Aufwand für Schuldner deutlich erhöht, während das Leistungsinteresse konstant bleibt (keine relative Konstanz der Interessen)
§ 275 III: Leistungsverweigerung aus Gewissensgründen
- Art. 4 I genießt mitunter Vorrang
- > insb., wenn Konflikt bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar war
- > bei höchstpersönlichen Leistungspflichten, ansonsten § 242 oder § 313
Arten der Pflichtverletzung
- Verzögerung der Leistung (/= Verzug!)
- Schlechtleistung
- Schutzpflichtverletzung
- > vor, während und nachvertraglich - Unmöglichkeit
Arten der Pflichtverletzung: Verzögerung der Leistung: Auswirkung des Bestehens einer Einrede auf die Pflichtwidrigkeit der Nichtleistung
- Grundsatz: Durchsetzbarkeit des Anspruchs ist schon mit Entstehung der Einrede aufgehoben -> keine Pflichtwidrigkeit, da die Einrede auf den Zeitpunkt ihres Entstehens zurückwirkt
- Ausnahmen:
- > § 273: Verknüpfung von Anspruch und Gegenanspruch erst durch Einrede -> Pflichtwidrigkeit wird nur für die Zukunft ausgeschlossen, wenn Einrede auch tatsächlich erhoben wird
- > § 320: Pflichtwidrigkeit der Nichtleistung erst dann möglich, wenn die Gegenleistung tatsächlich angeboten wird (bis zum tatsächlichen Angebot besteht ein Zurückbehaltungsrecht aus § 320, somit keine Pflichtwidrigkeit)
P: Inhalt der Pflichtverletzung bei (nachträglicher Unmöglichkeit)
- eA: Geschuldete Leistung wird aufgrund der Unmöglichkeit nicht erbracht (Unmöglichkeit als Pflichtverletzung); Herbeiführung als Frage des Vertretenmüssens
pro: Wille des Gesetzgebers
con: Leistungspflicht ist nach § 275 I ausgeschlossen, sodass keine Pflicht mehr besteht, die verletzt werden könnte - aA (mM): Herbeiführung bzw. unterlassene Abwendung des Leistungshindernisses
con: hier hat § 283 S. 1 nur klarstellende Funktion, sondern fingiert die Pflichtverletzung
con: Beweislastumkehr bei nachträglicher Unmöglichkeit wäre beträchtlich entwertet, da Gläubiger zusätzlich zur Unmöglichkeit noch eine sie herbeiführende Pflichtverletzung darlegen müsste
Verantwortlichkeit des Schuldners: Maßstab der Fahrlässigkeit
- Erkennbarkeit und Vermeidbarkeit
- objektivierter Maßstab
- > maßgeblich sind die Fähigkeiten eines durchschnittlichen Angehörigen des betreffenden Verkehrskreises und der betreffenden Altersgruppe