4 Das Strafrecht im Gesundheitswesen Flashcards
Was bedeutet der Satz „nullum crimen sine lege“ bzw. „nulla poena sine lege“?
Keine Strafe ohne Gesetz
Gibt es keine strafrechtliche Bestimmung, die ein bestimmtes Verhalten verbietet, kann man dafür auch nicht strafrechtlich zur Verantwortung
gezogen werden.
Das Fehlen eines solchen Tatbestandes steht einer strafrechtlichen Verantwortung entgegen, schließt aber nicht
• zivilrechtliche (Schadenersatz)
• verwaltungsstrafrechtliche oder
• disziplinarrechtliche Folgen aus.
Was ist der Unterschied zwischen Zivilrecht (Schadenersatz) und Strafrecht?
• Im Zivilrecht stehen sich Private gegenüber, im Strafrecht muss man sich dem Staat gegenüber verantworten.
• Im Zivilrecht (Schadenersatzrecht) geht es darum, einen
• Im Strafrecht geht es nicht darum einen Schaden auszugleichen, entstandenen Schaden auszugleichen.
sondern darum, eine Person für ihr Handeln zu bestrafen
Für eine strafrechtliche Haftung sind folgende Voraussetzungen nötig:
- Erfüllung eines gesetzlichen Tatbestandes
- Kausalität der Handlung
Der Schädiger hat nur für jene Nachteile einzustehen, die durch sein Verhalten verursacht wurden. Geprüft wird dies durch die „conditio sine qua non“-Formel.
Was besagt die „conditio sine qua non“ - Formel?
Denkt man sich das Verhalten des Schädigers weg und ändert sich am Erfolg nichts, ist der Schädiger für den Erfolg nicht ursächlich (kausal).
Für eine strafrechtliche Haftung sind folgende Voraussetzungen nötig:
- Fehlen eines Rechtfertigungsgrundes
Welche Rechtfertigungsgründe kennen Sie?
• Notwehr/Nothilfe
• Einwilligung (Besonders relevant für Gesundheitsberufe)
Beachte: In den Tod kann nicht eingewilligt werden. Tötung auf Verlangen ist ein Strafdelikt in Österreich
Exkurs: Mitwirkung am Selbstmord
Exkurs: Einwilligung – Aufklärung
• Begibt sich ein Patient / eine Patientin in (ärztliche) Behandlung, liegt darin in der Regel die Einwilligung in die indizierten (diagnostischen und therapeutischen) Routinemaßnahmen.
• Alle weiteren Eingriffe/Behandlungen (insbesondere Operationen) bedürfen stets einer gesonderten Einwilligung, wofür es einer hinreichenden Aufklärung bedarf.
Exkurs: Umfang der Aufklärung
Aufzuklären ist über
• Art und Tragweite der Behandlung
• typische Gefahren, Folgen und Nebenwirkungen
• aussichtsreichere und schonendere Behandlungsalternativen.
Die Aufklärung hat so zu erfolgen, dass sie der Patient / die Patientin versteht. Der Patient / Die Patientin kann aber darauf verzichten.
Für eine strafrechtliche Haftung sind folgende Voraussetzungen nötig:
- Fehlen eines Entschuldigungsgrundes
Man wird nur bestraft, wenn einem die Tat persönlich zum Vorwurf gemacht werden kann; Ohne eigenes Verschulden gibt es keine Haftung!
Beispiele: Zurechnungsunfähigkeit, entschuldigender Notstand
- Fehlen sonstiger Strafausschließungs- oder Strafaufhebungsgründe (Beispiel: Verjährung)
Wichtig für alle Gesundheitsberufe:
• Angehörige eines Gesundheitsberufes dürfen keine Tätigkeiten übernehmen, für die ihr Wissens- oder Ausbildungsstand nicht ausreicht. Tut er/sie es dennoch, trifft ihn/sie die so genannte Übernahmsfahrlässigkeit.
Infolge einer Übermüdung kommt es zu einem Behandlungsfehler. Wie sieht es mit einer allfälligen Haftung aus?
• Entsteht ein Behandlungsfehler auf Grund von Übermüdung (des Arztes, der/des DGKP …), schließt auch das den Schuldvorwurf in der Regel nicht aus.
• Auch hier begründet die Übernahme der Behandlung den Schuldvorwurf. Es handelt sich ebenfalls um einen Fall der Übernahmsfahrlässigkeit
Welche „Arten von Tätern“ gibt es im Strafrecht?
• Unmittelbarer Täter (Derjenige, der die Tat selbst ausführt)
• Bestimmungstäter (Derjenige, der vorsätzlich einen anderen zur Ausführung der Tat veranlasst)
• Beitragstäter (Derjenige, der die Tat zwar nicht selbst ausführt, aber physisch oder psychisch einen Beitrag leistet; Klassisches Beispiel: Der Fahrer bei einem Banküberfall)
Neben dem unmittelbaren Täter werden auch der Bestimmungstäter und der Beitragstäter mit derselben Strafe bedroht.
Welche möglichen Strafen gibt es im österreichischen Strafrecht?
• Freiheitsstrafen oder Geldstrafen
Ist die Schuld nicht schwer und hat die Tat nicht den Tod eines Menschen zur Folge, kommt eine diversionelle Erledigung in Betracht:
In diesem Fall kann der Staatsanwalt/das Gericht von der Verfolgung zurücktreten, wenn eine Bestrafung insbesondere im Hinblick auf
• die Zahlung eines Gelbetrages
• die Erbringung gemeinnütziger Leistungen oder
• einen außergerichtlichen Tatausgleich
nicht als geboten erscheint. -> Besonderheit: Keine Vorstrafe
Grundprinzipien im Strafrecht
• Bestimmtheitsgebot/Analogieverbot: Wenn ein Verhalten nicht eindeutig verboten ist, darf man dafür nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Analogien sind nicht erlaubt!
• Rückwirkungsverbot: Die Handlung muss zur Zeit der Begehung
• Analogie- und Rückwirkungsverbot sind verfassungsrechtlich durch strafbar sein.
Art. 7 EMRK abgesichert (Recht auf ein faires Verfahren)
Was besagt der Vertrauensgrundsatz?
• Wer sich selbst objektiv sorgfaltsgemäß verhält, darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass auch die anderen Personen sich sorgfaltsgemäß verhalten, es sei denn, deren sorgfaltswidriges Verhalten ist eindeutig erkennbar oder auf Grund konkreter Umstände nahe liegend.
• Besonders relevant bei Arbeiten in interdisziplinären Teams (Horizontale Pflichtenverteilung).