10 Flashcards

1
Q

Zwangsstörungen
Diagnosekriterien (ICD-10)

A

A. Entweder Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen (oder
beides) an den meisten Tagen über einen Zeitraum von
mindestens zwei Wochen.

B. Die Zwangsgedanken und Zwangshandlungen zeigen
sämtliche folgende Merkmale:
1. sie werden als eigene Gedanken/Handlungen von den
Betroffenen angesehen und nicht als von anderen Personen
oder Einflüssen eingegeben;
2. sie wiederholen sich dauernd und werden als
unangenehm empfunden, und min. ein Zwangsgedanke
oder eine Zwangshandlung werden als übertrieben und
unsinnig anerkannt;
3. die Betroffenen versuchen, Widerstand zu leisten.
Gegen mindestens einen Zwangsgedanken oder eine
Zwangshandlung wird gegenwärtig erfolglos Widerstand
geleistet;
4. die Ausführung eines Zwangsgedanken oder einer
Zwangshandlung ist für sich genommen nicht angenehm.

C. Die Betroffenen leiden unter den Zwangsgedanken und –
handlungen oder werden in ihrer sozialen oder individuellen
Leistungsfähigkeit behindert, meist durch den besonderen
Zeitaufwand.

D. Ausschlussvorbehalt: Störung nicht bedingt durch andere
psychische Störung (z.B. F2, F3)

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2
Q

Merkmale pathologischer Zwänge

A
  • Die Person erlebt einen inneren, subjektiven Drang, bestimmte Dinge zu
    denken oder zu tun
  • Die Person leistet Widerstand gegen den Drang
  • Die Person erkennt Gedanken und Handlungen im Prinzip als sinnlos
  • Die Person erlebt durch Gedanken oder Handlungen eine massive
    Beeinträchtigung des Lebensvollzugs
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3
Q

Zentrale Themen von Zwangsstörungen

A
  • Inhalte und Themen von Zwangshandlungen und –gedanken haben keine ätiologische
    Bedeutung
  • Kulturell und evolutionstheoretisch ist aber interessant, dass spezielle Themen
    eine besondere Rolle spielen:
    – Schuld
    – Religiosität
    – Versündigung
    – Schmutz, Verunreinigung
    – Sexualität
    – Aggressivität und Tod
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4
Q

Epidemiologie

A
  • Lebenszeitprävalenz: ca. 2-3%
  • Beginn: um 22 Lj.
    – oft schleichend ab Pubertät
    – Beginn nach 40 Lj. selten
  • Geschlechterverhältnis etwa gleich
    – Frauen häufiger Waschzwang
    – Männer häufiger Kontrollzwang und Zwangsgedanken
  • Gesellschaft: v.a. Patient*innen aus mittleren und oberen sozialen Schichten
    sind betroffen
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5
Q

Epidemiologie
Verlauf

A

später Behandlungsbeginn (ca. 7 Jahre nach Erstmanifestation
der Symptome)

  • hohes Ausmaß der Verheimlichung, selbst gegenüber
    Partner*innen oder im medizinischen Versorgungssystem (Beginn
    und Verlauf)

Im Verlauf
– schwankende Intensität der Symptome
– Chronischer Verlauf: Es kommt nur sehr selten zu sog. Spontanremissionen
(weniger als 10% im Vergleich zu etwa 30% bei Ängsten im Zeitraum von 1–
2 Jahren)

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6
Q

Epidemiologie
Risikofaktoren

A
  • genetische Disposition
  • allgemeine Ängstlichkeit
  • unsichere Bindungsmuster, Unsicherheit in der Kindheit
  • Trennungsangst
  • wenig Respekt der Eltern für die wachsende Autonomie
  • frühe Verantwortungsübernahme
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7
Q

Epidemiologie
Schutzfaktoren

A

Potentiell präventive Faktoren
* Vermittlung von Selbstsicherheit, sozialer Kompetenz
– → für die Zwangsstörung relevante Verunsicherung gar nicht aufkommen zu lassen

  • Vermittlung von kognitiver Flexibilität
    – → gedankliche Einschränkung hinsichtlich negativer Erwartungen zu verhindern
  • Vermittlung von Strategien der Bewältigung von Stress und
    Belastung
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8
Q

Komorbidität

A

Ca. 50–70% komorbid Depression zu finden
– Übergang von Zwängen zur Depression ca. doppelt so häufig zu wie der
umgekehrte Verlauf
– → Eine länger dauernde Zwangserkrankung führt zur Isolation und
Hilflosigkeit, als klassisches Muster einer depressiven Entwicklung

Weiterhin hohe Komorbidität mit Phobien
– im DSM 5 erstmalig eigene Kategorie für Zwangsstörung

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9
Q

Typische Abwehrmechanismen

A

Affektisolierung: Kognitive Komponenten einer Szene werden
erlebt, (zu erwartende) affektive Komponenten fehlen

Rationalisierung: Das Verhalten gegenüber einem Objekt wird
nicht auf eigene Triebregungen, sondern auf moralisch akzeptable
und logisch nachvollziehbare Vernunftsgründe zurückgeführt. Flucht
aus der Welt der Emotionen in die Welt der Zwangsrationalität

Reaktionsbildung: Statt des ursprünglich nicht akzeptablen
Impulses, Affekts oder Gedankens einem Objekt gegenüber wird
gerade das entgegengesetzte Verhalten, Fühlen oder Denken
gezeigt

Ungeschehenmachen: Faktisch unwirksame Handlungen oder
Rituale, denen eine symbolische Kraft zugeschrieben wird, werden
mit dem Ziel durchgeführt, Strafe bei Verbots- und
Gebotsübertretungen abzuwenden

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10
Q

Zwei Möglichkeiten der Symptomentstehung:

A
  • Ein unbewusster antisozialer Zwangsimpuls wird über sekundäre
    Bearbeitung zu einer bewussten Zwangsbefürchtung (phobisches
    Ausmaß)
  • Ein bewusster antisozialer Zwangsimpuls wird über versuchte
    Abwehr (Einspruch des Gewissens) zu Zwangsgedanken, die zu
    einer Zwangshandlung führen
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11
Q

Psychotherapie
Systemische Ideen

A
  • Intra- und interpsychische Aspekte der Störung müssen zusammengedacht
    werden (Einbezug des Systems)
  • Intrapsychisch schützt der Zwang vor negativen Gefühlen (Wut, Trauer,
    Hilflosigkeit)
  • Pseudokompompensation für Entwicklungsdefizite
  • Interpersonell: Regulierung von Beziehungen
  • Familiäre Rahmenbedingungen: Eltern setzen in extremer Weise Reife und
    Verantwortlichkeit bei dem Kind voraus, sehen im Kind einen Erwachsenen
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12
Q

Ätiologie
(K)VT: Kognitives Modell

A

Ätiologie
(K)VT: Kognitives Modell
Aspekte der Informationsverarbeitung
(zentral für Symptomentstehung)
* Erwartungen von Patientinnen sind deutlich verzerrt in Richtung der
Überbewertung negativer Erwartungen
* Verantwortung: Patient
innen zeigen eine Art „inflated responsibility“, d.h.
sie übernehmen Verantwortung für Ereignisse, die sie nicht selbst
beeinflussen können (im Sinne eines magischen Denkens)

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13
Q

Psychotherapie
(K)VT

A
  1. Beziehungsgestaltung
  2. Motivations- und Zielklärung, Aufbau von Änderungsmotivation
  3. Problembezogene Informationserfassung und Verhaltensanalyse
  4. Verschiebung der Problemdefinition
  5. Erarbeitung Erklärungsmodell für Aufrechterhaltung
  6. Exposition mit Reaktionsverhinderung
  7. Kognitive Interventionen
  8. Stabilisierung der Erfolge & Rückfallprophylaxe
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14
Q
  1. Beziehungsgestaltung
A
  • Sachkenntnis und Verständnis vermitteln
  • Beziehungsgestaltung in der Anfangsphase:
    – Gemeinsamens Erforschen des Zwangs
  • Beziehungsgestaltung in der Intensivphase:
    – Der Zwang dient dazu, eine emotionale Stabilität zu gewährleisten; um
    diese aufgeben zu können, muss die therapeutische Beziehung stabil sein
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15
Q
  1. Motivations- und Zielklärung, Aufbau von Änderungsmotivation
A
  • Oft ambivalente Ausgangslage
  • Patient*innen kommen eher wegen Schwierigkeiten, die sich sekundär aus
    den Zwängen ergeben
  • Aufgrund von Unsicherheit und Zweifel haben Patient*innen den Wunsch,
    genau zu erfahren, was in der Therapie auf sie zukommt
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16
Q
  1. Problembezogene Informationserfassung und …
A
  • Zu erfassende Detailmerkmale der Zwänge:
    – Spezifikation der Zwangsgedanken und –handlungen
    – bisheriger Verlauf
    – Identifikation der möglichen Auslöser
    – (passives) Vermeidungsverhalten, Vermeidungsbereiche
    – Erfassung inwieweit Familie und Bezugspersonen in den Zwang involviert
    sind
17
Q
  1. …Verhaltensanalyse
A
  • Prädisponierende Bedingungen:
    – emotionales Klima und Umgang mit Gefühlen in der Familie
    – Umgang mit den Themen: Leistung, Verantwortung, Autonomie
    – Normen und Regeln in der Familie
    – elterlicher Umgang mit Ängsten, Zwängen, magischem Gedanken
    – fehlende soziale Lernmöglichkeiten und Ressourcen
    – Schwellensituationen
    – Dysfunktionale Schemata
18
Q
  1. …Verhaltensanalyse
A
  • Makroauslöser:
    – Stress beruflich und familiär
    – (interpersonelle) Konflikte
    – Situationen
  • in denen starke Gefühle auftreten
  • in denen Autonomie verlangt wird oder aber untergraben wird
  • in denen der Selbstwert bedroht ist
  • die Leistung erfordern
  • mit hoher Verantwortung
19
Q
  1. …Verhaltensanalyse
A

Aufrechterhaltende Bedingungen (Funktionalität erarbeiten)
* Intrapsychisch:
– Versuch, mit aversiven Emotionen umzugehen
– Widererlangung von Sicherheit und Kontrolle
– Kompensationsversuch zur Selbstwertstabilisierung
* Interpsychisch:
– indirekte Regulierung körperlicher und emotionaler Distanz
– indirekter Ausdruck von Wut/Ärger
– Sicherung bzw. Wiederherstellung von Autonomie

20
Q
  1. …Verhaltensanalyse
A

Umgang mit Funktionalität:
* Funktionalität erkennen:
– Hypothesenbildung mit Hilfe der Verhaltensanalyse
* Funktionalität anerkennen:
– Validieren
– Sich mit Teil, der Zwänge behalten will, verbünden
* Funktionalität bearbeiten:
– Stuhl-Technik
– Arbeit mit Anteilen
– Dialog mit dem Zwang

21
Q
  1. Verschiebung der Problemdefinition
A
  • Verstärkung der Äußerungen in Richtung einer subjektiven
    Problemdefinition
    – Von „objektiven Problem“ (Inhalt der befürchteten Konsequenz) hin zu „subjektiven“
    Problem (Emotionen, die durch aufdringliche Gedanken und Handlungen entstehen)
    – Vergleich mit anderen Menschen
    – Hinterfragen der Zwänge als wirksame Strategie der Problembewältigung
22
Q
  1. Erarbeitung Erklärungsmodell für Aufrechterhaltung
A
  • Bei Zwangsgedanken erklären, warum aufdringliche Gedanken
    zum Zwang geworden sind
    – Jeder hat aufdringliche/unsinnige Gedanken
    – Von negativen Gedanken geht keine Gefahr aus
    – Zwanghafte Impulse werde so gut wie nie ausagiert
    – Inhalte der Zwangsgedanken sind abhängig vom Wertesystem
    – Zwangsgedanken erzeugen Angst, aber „Ich bin mehr als meine Gedanken“
    – Man kann unerwünschte Gedanken nicht kontrollieren, aber sich von ihnen distanzieren
23
Q
  1. Exposition mit Reaktionsverhinderung
A

Allgemeine Hinweise
* Grundsätzlich in vivo besser als in sensu; graduiert und massiert bzgl.
Effektivität vergleichbar
* Entscheidungshierarchie, nach der die Expositionssituationen ausgesucht
werden:
– Situation sollte mittelschwer zu bewältigen sein
– Wenn möglich, gut herstellbar, aufsuchbar und kontrollierbar durch
Therapeutinnen
– Praktische Relevanz für Patient
innen

24
Q
  1. Exposition mit Reaktionsverhinderung
A

Vorbereitung und Planung der Exposition:
* aktive Entscheidung, Autonomie, Freiwilligkeit, Reversibilität
* Sofern Angehörige in die Zwänge einbezogen sind, müssen diese informiert
und instruiert werden
* Ablauf der Exposition genau besprechen

25
Q

Ziele der Exposition:

A
  • Konfrontation mit gefürchteten Auslösern, während die
    Ausführung der Zwangsrituale verhindert wird
  • Patient*innen erleben, dass der Zustand von
    Unruhe/Angst/Unbehagen unangenehm, aber auszuhalten ist und
    dass diese Gefühle im Zeitverlauf auch ohne Zwangshandlungen
    zurück gehen
    – → Zwangshandlungen sind nicht notwendig!
26
Q

Vorgehen bei der Exposition:

A
  • Vorweg nach Befinden erkundigen und bestärken
    – Versicherung, dass es keine Überraschungen geben wird
    – Keine Psychoedukation, Informationen kurz halten
  • Möglichst viel Verantwortung bei Patient*innen lassen
  • Während der Durchführung das Angstniveau erfragen
    – Vor dem Beenden sollte die Anspannung auf moderatem Niveau sein
  • Expositionsübung endet mit Expositions-Hausaufgabe
    – Übungssituationen genau durchsprechen
27
Q

Nach der Exposition:

A
  • Mögliche Fragen zur optimalen Nutzung der Erfahrung aus der
    Exposition und zur Erreichung kognitiver Veränderungen
    – Welche Schlüsse ziehen Sie aus den eben gemachten Erfahrungen?
    – Wie schätzen Sie die Gefährlichkeit der Stimuli jetzt generell ein?
    – Wie möchten Sie sich zukünftig in ähnlichen Situationen verhalten können?
    – Wie schätzen Sie, wird sich Ihr Gefühl bei neuerlichen Expositionen mit diesem Stimulus
    verändert haben?
28
Q
  1. Kognitive Interventionen
A

Häufige dysfunktionalen Annahmen
* Überschätzung von Gefahr und der persönlichen Verantwortung
* Perfektionismus; keine Fehler machen wollen
* Forderung nach 100%iger Sicherheit
* Schuld und die Unterschätzung der Fähigkeit mit Schuld
umzugehen

29
Q
  1. Stabilisierung der Erfolge und Rückfallprophylaxe
A
  • Rekapitulation der in der Therapie erlernten Strategien
  • Erlernen gezielter Strategien zum Umgang mit Stress
  • Nutzung sozialer Ressourcen
  • Aufklärung über die Gefahr eines Rückfalls in Belastungssituationen
    – Identifikation potentieller Rückfallsituationen
    – antizipieren eines effektiven Umgangs
  • Auffrischungssitzungen (z.B. über Rezidivprophylaxe, max. 16 Sitzungen