06 Gleichbehandlungsgebot und Diskriminierung Flashcards
Gesetzliche Grundlagen
Art. 3 Grundgesetz
Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.
-> Personalbezogene Merkmale
Art. 9 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
Jeder Mitgliedsstaat wird […] den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher Arbeit anwenden und in der Folge beibehalten.
Gesetzliche Grundlagen - Sachlicher Anwendungsbereich: Es darf nicht diskriminiert werden beim… (3)
- Zugang zu Erwerbstätigkeit
- Arbeitsentgelt, Arbeitsbedingungen
- Ausbildung, Weiterbildung
Formen der Benachteiligung
Unmittelbar
z.B. geringere Löhne für Frauen
Mittelbar
z.B. Benachteiligung von Teilzeit-AN
Gender Pay Gap
Unbereinigt: Frauen verdienen ca. 17% weniger
Bereinigt: Frauen verdienen ca. 6% weniger
- Unterschiede bei Berufen
- Bildungsstand
- Führungspositionen
Diskriminierung - Definitionen (4)
- Benachteiligung (durch unterschiedliche Behandlung)
- Ungleiche Entlohnung für gleiche Arbeit
- Gruppenspezifische Diskriminierung auf Arbeitsmärkten liegt vor, wenn die durchschnittliche Entlohnung einer Gruppe nicht ihrer durchschnittlichen Produktivität entspricht
- Ausweitung des Begriffs der Diskriminierung auf Einstellungsentscheidungen (hiring decisions) möglich
Diskriminierung - Klassifikation
Akteur
Wer diskriminiert?
Motiv
Warum wird diskriminiert?
Mechanismus
Wie wird diskriminiert?
Art
Wo wird diskriminiert?
Lohndiskriminierung von Frauen
Geringere Löhne für Frauen mit gleicher Betriebszugehörigkeitsdauer im gleichen Beruf unter gleichen Arbeitsbedingungen
Diskriminierung von Frauen bei Stellenbesetzungen
Geringere Möglichkeiten für Frauen, auf hochbezahlte Stellen zu gelangen (bei gleicher Ausbildung)
- Antizipation der Diskriminierung bei Ausbildungsentscheidung?
- Diskriminierung in Schule, Universität?
- Unterschiedliche Präferenzen von Bedeutung (Männerberufe vs. Frauenberufe)
Beckers Präferenzmodell - Annahmen
- Repräsentativer Unternehmer hat Vorurteile gegenüber Frauen -> Sein Disnutzen ist umso größer, je mehr Frauen er beschäftigt
- Frauen und Männer sind gleich produktiv. -> Produktionsergebnis ist unabhängig von der geschlechtsspezifischen Zusammensetzung der Belegschaft
- Konkave Produktionsfunktionen (positive, aber abnehmende Grenzerträge)
Statistische Diskriminierung - Beispiel
- AG steht vor der Entscheidung, neu einzustellenden AN Lohnangebote zu machen
- Entscheidung beruht auf Testergebnissen und Erfahrungen aus der Vergangenheit
Statische Diskriminierung - Annahmen (6)
-
Unvollkommene Information/Sicherheit über die Arbeitnehmer (ungleich zu Becker)
-> Produktivität (individuelle Produktivität)
-> Betriebszugehörigkeitsdauer (wie lange plant der AN zu bleiben)
-> Krankheitstage - Produktivität lässt sich eindimensional messen
- Es herrscht auf allen Märkten vollständige Konkurrenz
- Der Lohn einer Arbeitskraft wird zum Zeitpunkt der Einstellung für die gesamte Beschäftigungsdauer festgelegt
- Die individuelle Produktivität lässt sich zum Zeitpunkt der Einstellung nicht beobachten
- Aus der Vergangenheit sind die Testergebnisse und die später gemessenen Produktivitäten von heute im Unternehmen beschäftigten Männern und Frauen bekannt
-> Bewerber wird aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe die durchschnittliche Leistungsfähigkeit dieser Gruppe beigemessen
Folgen der Statistischen Diskriminierung
- Bewerber, die sich gruppenatypisch verhalten, werden diskriminiert
- Im Durchschnitt aller Bewerber gleicht sich diese individuelle Diskriminierung wieder aus -> keine Diskriminierung auf Gruppenebene
- Statistische Diskriminierung auch bei identischer durchschnittlicher Leistungsfähigkeit der Gruppen möglich, wenn
-> Die Leistungsfähigkeit innerhalb einer Gruppe stärker schwankt (größere Varianz): Risikoaverse AG wählen Bewerber aus der Gruppe mit der geringeren Varianz
-> Oder die Zuverlässigkeit des individuellen Merkmals als Indikator innerhalb einer Gruppe geringer ausfällt als in der Vergleichsgruppe - Rückkopplungseffekte möglich: Individuen aus diskriminierten Gruppen bleiben seltener im Unternehmen oder bewerben sich seltener
Statistische Diskriminierung - Welche Löhne sollten gezahlt werden?
- Löhne zu niedrig: AN gehen zur Konkurrenz
- Löhne zu hoch: AG macht Verlust
- Normalfall: Produktivität ungleich Testergebnis
- Mittelwert Testergebnis = Mittelwert Produktivität
- AG sollte individuelles Testergebnis (T) und das durchschnittliche Testergebnis der Bewerber (T ̅) heranziehen
Modell von Lazear/Rosen, Becker/Lindsay (Gender Pay Gap) - Modellannahme
Frauen haben gleiche Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt, aber bessere außer marktliche Fähigkeiten (Haushalt, Kinder)
- Frauen haben größere Wahrscheinlichkeit, den Arbeitsmarkt zu verlassen
- Frauen werden schlechter gestellt
-> Beförderungen sinken
-> Lebenseinkommen sinkt
-> Lohnpfänder steigen - Anfangsgehälter von Frauen geringer
Weitere Diskriminierungstheorien
Monopolistische Theorie der Diskriminierung
- Lohn abhängig von Angebotselastizitäten weiblicher und männlicher Arbeit
- Kaum empirisch gesichert
Radikale Diskriminierungstheorie
- „Teile und herrsche“
- Warum nicht Frauenlöhne
Verzerrung von Überzeugungen - Erkenntnisse aus der Behavioral Economics (Ökonomik und Psychologie)
Biased Beliefs: Überzeugungen systematisch verzerrt
- Verzerrung dann wahrscheinlich, wenn eine Eigenschaft t in Gruppe G häufiger vorkommt als in der Referenzgruppe – G, aber in beiden Gruppen selten ist -> Häufigkeit von t in Gruppe G wird überschätzt.
Availability Bias: Eine bestimmte Eigenschaft kommt einem als erstes in den Sinn, weil sie besonders auffällt, obwohl sie tatsächlich selten ist.
- Folge für Diskriminierung: Wenn Gruppen verzerrt eingeschätzt werden, besteht Diskriminierung nicht nur auf individueller, sondern auch auf Gruppenebene
Schritte der Oaxaca-Blinder-Zerlegung
1. Schritt:
Getrennte Lohnregression für Männer und Frauen
2. Schritt:
Berechnung des Lohndifferentials
3. Schritt:
Zerlegung des Lohndifferentials
Probleme der Art der Berechnung in der Oaxaca-Blinder-Zerlegung
Mögliche Unterschätzung von Diskriminierung
- „Ausstattungseffekt“ ist möglicherweise bereits durch Diskriminierung beeinflusst
Mögliche Überschätzung von Diskriminierung
- Mögliche Unterschiede hinsichtlich unbeobachteter Jobattribute oder Personenmerkmale (rechtfertigen Lohnungleichheit)
Wodurch werden Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen erklärt? (7)
- Schulbildung
- Schulfächer/Studienfächer
- Berufserfahrung/“on-the-job training”
- Berufsgruppenzugehörigkeit
- Kompensierende Lohndifferentiale
- Kontrollvariablen (Religion, Familienstand, …)
- Erwerbsunterbrechungen
Rechtsschutz für Mütter - Mutterschutzgesetz: Lohnfortzahlung
AG muss während Beschäftigungsverbot Lohn weiterzahlen
- > 20 AN
- Durchschnittsverdienst 3 Monate vor Schwangerschaft
- Aufstockung des von der Krankenkasse gezahlten Mutterschaftsgeldes in Höhe von 13€ pro Kalendertag auf vorheriges Nettoarbeitsentgelt (Krankenkasse zahlt höchstens 13€/Kalendertag, AG stockt diesen Betrag auf Nettogehalt auf)
Rechtsschutz für Mütter - Mutterschutzfristen
6 Wochen vor bis 8 Wochen nach der Geburt
- Nach der Geburt Pflicht
- Beschäftigungsverbote bei schlechtem Gesundheitszustand
- Beschäftigungsverbote für körperlich schwere Arbeiten
Anschließend: Bis zu 3 Jahren Elternzeit möglich (Teilzeitmöglichkeiten)
- Besonderer Kündigungsschutz während Schwangerschaft, Mutterschutz, Elternzeit
Rechtsschutz für Mütter - Auswirkungen auf die Unternehmen (4 + Beispiele)
Direkte Kosten (Mutterschaftsgeld)
- AG als Versicherer
- Versicherungsprämien
Humankapitalverlust
- Keine Amortisation von Humankapital-Investitionen in der Zeit der Abwesenheit
- Keine zusätzliche Humankapital-Akkumulation in dieser Zeit
Reorganisationskosten
- Arbeitsumverteilung
- Vertretung
Unsicherheit (über Rückkehr)
Rechtsschutz für Mütter - Auswirkungen auf die Unternehmen: Konsequenzen
- Lohnsenkungen als implizite Versicherungsprämien
-> AG antizipieren die Belastung und zahlen von vornherein einen geringeren Lohn - Weniger Beschäftigung von Frauen
Empirische Befunde
- Erwerbsunterbrechungen erklären großen Teil von Lohnunterschieden zwischen Männern und Frauen
- Längere Elternzeit –> Wahrscheinlichkeit für Rückkehr sinkt
Elterngeld
- Nach Geburt des Kindes können Eltern insgesamt bis zu 14 Monate Elterngeld erhalten
-> ElterngeldPlus: Doppelt so lange, aber nur Hälfte der Auszahlung - Geregelt im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG)
-
Staat zahlt (abhängig von der Höhe des Einkommens) 65-100% des durchschnittlichen Nettoeinkommens der letzten 12 Monate
-> Jedoch mindestens 300€ und maximal 1800€ pro Monat
-> Kein Elterngeld für Eltern mit Jahreseinkommen > 500.000€ und Alleinerziehende > 250.000€ - Arbeitgeber zahlt nicht (aber indirekte Verluste, z.B. Humankapitalverlust, Reorganisationskosten, Unsicherheit über Rückkehr)