Vorlesung 12: Grundlagen der Medienrezeption und Medienwirkung Flashcards
Medienrezeptionsforschung
Die Medienrezeptionsofrschung untersucht Verarbeitung und Erleben von Medien und medienvermittelten Inhalten
(was passiert mit uns während der Mediennutzung?)
Erforscht werden:
-
Kognitive Prozesse
- Niedere kognitive Prozesse:
- Aufmerksamkeit und Wahrnehmen,
- einfaches Verstehen und Verarbeiten der Informationen.
- Höhere kognitive Prozesse:
- komplexere Verstehensprozesse und Wissensproduktion,
- Denken & Elaborieren,
- Schlussfolgern,
- Problemlösen
- Niedere kognitive Prozesse:
-
Emotionale Prozesse (auch Affekt)
- Gefühle, Stimmungen
- spontane (affektive) Reaktionen und Bewertungen
-
Konative Prozess
- Verhalten, Handeln, Motivation
-> Zentral sind Prädispositionen und Voreinstellungen der Rezipienten!

Medienwirkungsforschung
Die Medienwirkungsforschung erklärt individuelle und soziale Folgen von (Massen)kommunikation
(nicht wie sich etwas verändert, sondern was sich hinterher verändert z.B. Wissen, Emotionen)
Erforscht werden:
-
Kognitive Wirkungen:
- Erwerb von Wissen,
- Prägen von Realitätsvorstellungen,
- Einfluss auf Werte und Stereotype, …
-
Affektive Wirkungen:
- Erregung oder Gefühle nach der Rezeption
-
Wirkungen auf die Einstellung:
- Persuasion (Änderung von Einstellungen aufgrund von Medieninhalten),
- Bewertungen,
- Meinungen,
- Reputation, …
-
Wirkungen auf das Verhalten:
- Verhalten nach der Rezeption,
- z.B. Wahlverhalten, Verhalten ggü. Minderheiten, …

Kognitive Prozesse
Kognitive Prozesse
- Niedere kognitive Prozesse: Aufmerksamkeit und Wahrnehmen, einfaches Verstehen und Verarbeiten der Informationen.
- Höhere kognitive Prozesse: komplexere Verstehensprozesse und Wissensproduktion, Denken & Elaborieren, Schlussfolgern, Problemlösen
Emotionale Prozesse (auch Affekt)
Emotionale Prozesse (auch Affekt)
- Gefühle, Stimmungen
- spontane (affektive) Reaktionen und Bewertungen
Konative Prozess
Konative Prozess
- Verhalten,
- Handeln,
- Motivation
Kognitive Wirkungen:
Kognitive Wirkungen:
- Erwerb von Wissen,
- Prägen von Realitätsvorstellungen,
- Einfluss auf Werte und Stereotype, …
Affektive Wirkungen:
Affektive Wirkungen:
- Erregung oder Gefühle nach der Rezeption
Wirkungen auf die Einstellung:
Wirkungen auf die Einstellung:
- Persuasion (Änderung von Einstellungen aufgrund von Medieninhalten),
- Bewertungen,
- Meinungen,
- Reputation, …
Wirkungen auf das Verhalten:
Wirkungen auf das Verhalten:
- Verhalten nach der Rezeption,
- z.B. Wahlverhalten, Verhalten ggü. Minderheiten, …
Zusammenspiel von Medienrezeptions- und Medienwirkungsforschung (und Mediennutzungsforschung)
Medienrezeption und -wirkung - Beispielfragen für die Forschung
(nach Prozessen fragen)
- Werden emotionale Bilder während der Rezeption stärker wahrgenommen als Statistiken?
- Wird über Bilder mit einzelnen Personen stärker nachgedacht als über unpersonalisierteBilder
- Wie wird die Stimmung durch die Rezeption von Comedyserien beeinflusst?
- Erzeugt die Berichterstattung über Flüchtlinge unterschiedliche Emotionen wie Mitleid oder Ärger?
- Erzeugt das Spielen von gewalthaltigen Videospielen Aggressivität beim Spielenden? Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein?
- Führt das Spielen von gewalthaltigen Computerspielen zu Amokläufen?
- Werden durch Comedyserien Stereotype beim Rezipienten geprägt und gefestigt (Bsp. Wissenschaftler)?
- Führt eine wiederholte und konsonante Berichterstattung über Flüchtlinge zu einer Veränderung der eigenen Einstellung oder der eigenen Werte?
- Prägt die Berichterstattung über Flüchtlinge das Bild von der Realität? Inwiefern weicht die Realitätsvorstellung von extramedialen Kennzahlen ab?
- Führt die regelmässige Nutzung von Tageszeitungen zu einem höheren Wissen im Vergleich zu Personen, die nicht regelmässig Tageszeitungen lesen?
Medienwirkung, -rezeption (und -nutzung): Wie trennscharf ist das eigentlich?
- alle 3 Ebenen in Studie Herta Herzog “On borrowed Experience…” mitgedacht

beispielstudie: Herta Herzog “On Borrowed Experience: An Analysis of Listening to Daytime Sketches (1941)
- Studie zu Vorlieben und Gewohnheiten des Radiopublikums, insbesondere Fokus auf Motivationen (Mediennutzungsperspektive)
- Interview von 100 (Haus-)Frauen
(wieso & wie nutzen Hausfrauen das Radio?) - Fragen zur Zustimmung zu Motiven der Nutzung, z.B. «Because you can count on something to happen everyday»
- aber auch zum Erleben während der Rezeption, z.B. «Do you remember ever having gotten quite excited about a story?»
- und zu Wirkungen bezüglich des Inhalts, z.B. «Can you mention a story or episode which meant a great deal to you in indicating what to do in a particular situation or how to get along with people?»
Rezeptionsoforschung: Parasoziale Interaktion (PSI) als Bsp.
Ursprung des Konzepts der Medienperson (Persona)
Konzept der Persona (Horton & Wohl, 1956)
- Echte Personen/Menschen adressieren direkt das Publikum (1. Mal)
- Rolle des «Erzählers», nicht Teil einer Geschichte, sondern in direktem Austausch mit dem Publikum
- Zentral: Blickkontakt
- Keine Fantasiefiguren, auch keine fiktiven Rollen in Filmen
-> Folgende Forschung erweitert das Konzept der Persona auf «authentische Medienfiguren»
(nicht wichtig, ob authentische Person real ist oder nicht)
-> Direkte Ansprache/Adressierung des Publikums durch die Persona ist in der Folgeforschung (häufig) nicht gegeben
Grundgedanke der Parasozialen Interaktion
- Während(!) der Medienrezeption fühlen die Rezipienten eine Verbindung zur Persona und reagieren auf sie
- > Rezipienten machen sich Gedanken zur Person, fühlen mit, handeln sogar (z.B. durch Ansprache, Anfeuern,
PSI als dynamischer Rezeptionsprozess
Eigenschaften der Medienfigur (Persona) & Eigenschaften des Rezipienten
Parasoziale Interaktion als dynamischer Rezeptionsprozess:
- «[E]in vom Bewusstsein der medialen Vermitteltheit geprägtes interpersonales Involvement von Rezipientinnen und Rezipienten mit einer Medienperson,
- das sich in perzeptiv-kognitiven, affektiven und konativen Teilprozessen und Erlebensweisen manifestieren kann
(hängt stark von Person ab: Eigenschaften, Charakter, Laune) - und dessen Intensität im Rezeptionsverlauf dynamischen Schwankungen unterliegen kann.
(mal stärker/schwächer mit Person mitgehen -> zeitliche Veränderung) - Struktur und Intensität der PSI werden dabei sowohl von den Eigenschaften der Rezipienten
- als auch von den Medienpersonen bzw. ihrer Darstellung beeinflusst.»
- Hartmann, Schramm & Klimmt, 2004 -> = zentrale Elemente dieses Ansatzes
Dimensionen parasozialer Interaktion

Einfluss auf die Stärke der PSI
Bestimmt durch die Darstellung der Medienperson:
- Räumliche Nähe zur Medienperson, Stärke der Darstellung (Haupt-vs. Nebencharakter)
- Nonverbale/verbale Adressierung des Rezipienten
- Äussere Merkmale (z.B. Attraktivität)
- Ähnlichkeit zum Rezipienten
Bestimmt durch den Rezipienten:
- Häufigkeit der Nutzung von Medienangeboten
- Persönlichkeitseigenschaften wie Offenheit, aber auch Geselligkeit, Einsamkeit oder Neurotizismus (zurückgezogen, ängstlicher leben)
- Müdigkeit (gegenläufig: parasoziale Kontakte = schwieriger)
Parasoziale Beziehungen (PSB)
- Eine über die einzelne Begegnung hinaus gehende Bindung des Rezipienten an eine Person wird als parasoziale Beziehung bezeichnet
- > situationsübergreifende Bindung
- Entwicklung über mehrere Begegnungen hinweg -> Kennenlernen und Gewöhnung
- PSB sind einseitig und es kommt nicht (oder nur selten) zu tatsächlichen Begegnungen

PSB: Abgrenzungen und Konsequenzen
- PSB: Medienperson als Freund, nahbar und nicht fehlerlos
- Fandom: Makellose Menschen, «Modelle der Perfektion», Distanz zu dem Rezipienten (Distanz zur eigentlichen Person)
- > Rezipienten können zu Prominenten sowohl PSB entwickeln oder sie als Fans verehren
- PSB ähneln in vielen Zügen interpersonalen Beziehungen (z.B. Beziehungsaufbau, das Gefühl, den anderen zu kennen, Insiderwissen), sind allerdings einseitig!
Mögliche Konsequenzen:
- Einstellungsänderung
- Reduktion von Vorurteilen und Stereotypen (Bsp. Will Smith)
- Unterhaltungserleben
- Steigerung der Selbstsicherheit und des Selbstwertgefühls (verstanden fühlen, trotz Einseitigkeit -> reale Konsequenzen für Rezipient)
Medienwirkungsforschung - Dimensionen von Medienwirkungen
Problem: Man kann nach
- unterschiedlichen Medieninhalten,
- Medieneffekten (was wird beeinflusst),
- unterschiedlichen Mediengenres oder
- chronologischer Abfolge
- und vielen weiteren Dimensionen ordnen…
Beispiel Systematisierung nach Schweiger (2013 : 20)
(nicht auswendig lernen!!)

- Dimensionen von Medieneffekten im Überblick
- sämtliche Dimensionen, die er in der Forschung gefunden hat: öffentlich vs akademisch/methodisch
- in Abbildung:
funktionale Wirkung (Wissen) & dysfunktionale Wirkung (soziale Klüfte) - starke Wertung - Sinneskanal: welche Sinne werden gereizt
- Reichweite: wer ist beeinflusst?
- Wirkungsebene & -richtung
negativ: hemmend
Spaltung: spaltend
(funktional - dysfunktional) - Wirkungslatenz
verzögert: Propaganda-Videos - Kausalitätsrichtung:
wirkung nur einseitig - Ursache
eigentlich immer multikausal,
Interaktion: Ursachen hängen zusammen - Wirkungspfad
indirekt: z.B. über Emotion zu Verhalten

Versuch der Vereinfachung: Das Media Effects Template nach Potter (2017)
Vier zentrale Funktionskategorien:
Vier zentrale Funktionskategorien:
- Aneignung (acquiring): Lernprozesse, neue Wissenseinheiten werden erlernt
- Auslösung/Aktivierung (triggering): Schon vorhandenes Wissen, vorhandene Einstellung, Emotion wird aktiviert
(zentraler Prozess bei der Meinungsforschung) - Veränderung (altering): Einstellungen, Wissen oder Emotionen werden angepasst
- Verstärkung (reinforcing): Einstellungen, Emotionen oder Reaktionsmuster werden verstärkt und sind weniger wandelbar
(die durch Medieninhalte entstehen)
Versuch der Vereinfachung: Das Media Effects Template nach Potter (2017)
Wirkungsvverläufe
-
Wirkungsverläufe:
- Baseline
- Fluktuation
-
Baseline: Zeigt den grundsätzlichen Zustand/ das Level eines Individuums bezüglich einer Eigenschaft (z.B. Aggressionspotential, Wissen über ein Thema)
(langfristiger Medieneffekt: wenn man z.B. durch “normalen” Medienkonsum beeinflusst wird -> wenn man vor Baseline schon aggressiver ist) -
Fluktuation: Abweichung von der Baseline mit drei zentralen Eigenschaften:
- Dauer: Dauer der Fluktuation, bevor die Baseline wieder erreicht wird
- Höhe: Differenz von der Baseline
- Richtung: Verstärkung oder Abschwächung des Zustands/Levels
Sichtbarkeit/Nachweisbarkeit des Medieneffekts
- links oben:
- Baseline schon beeinflusst
- durch Experiment steigt es zwar an, überschrietet Schwellenwert nicht
- links unten & oben:
- wenig Forschung zu unterschwelligen Einflüssen
- wenig Forschung zu unterschwelligen Einflüssen
- rechts oben:
- deutliche, sichtbare, langfristige Änderung
- deutliche, sichtbare, langfristige Änderung
- rechts unten:
- kurzfristige Änderung
- kurzfristige Änderung
- rechts oben & unten:
- viel Forschung dazu

Take-Home Messages
- Medienrezeptionsforschung beschäftigt sich mit den Prozessen, die während der Medienrezeption stattfinden.
- Medienwirkungsforschung analysiert die Folgen der Nutzung von Medieninhalten.
- Dabei hängen Rezeption und Wirkung sehr stark zusammen und beeinflussen sich gegenseitig, sie werden daher auch (häufig) zusammen untersucht.
- Parasoziale Interaktion findet während der Medienrezeption statt und kann bei Wiederholung zu parasozialen Beziehungen führen; diese parasozialen Beziehungen können Auswirkungen auf Einstellungen, Vorurteile und Verhalten haben.
- Medienwirkungen lassen sich an unterschiedlichen Dimensionen messen. Dabei lassen sich nach Potter vier Funktionen/Wirkprozesse unterscheiden. Wichtig ist auch, dass die Zeitdimension bezüglich der Medienwirkungen (langfristige versus punktuelle, kurzfristige Medienwirkungen) mitgedacht wird.