Vorlesung Flashcards

1
Q

Der Handlungsbegriff

A
  • Grundlage der Strafbarkeit -> Strafe kann nur an Handlung geknüpft werden
  • unterscheidet strafrechtlich relevantes menschliches Verhalten von sog. Nicht-Handlungen
  • Tatstrafrecht -> Fokus auf Tat
  • erster Punkt im Aufbauschema des objektiven Tatbestandes

Menschliches Verhalten nur dann strafrechtlich relevant, wenn die handelnde Person Steuerungsfähigkeit besaß.

Handlungsbegriff nach heutiger herrschender Auffassung:
“Vom Willen beherrschte, finale sozialerhebliche Verhaltensform.”

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2
Q

Handlungslehre - Theorien

A

I. Die naturalistisch-kausale Handlungslehre
-> umreißt die Handlung als gewillkürtes Verhalten
- willentliche Handlung zur Abgrenzung von Naturereignissen

II. Die finale Handlungslehre
-> menschliches Verhalten als zweckgerichtete Tätigkeit definiert
- Menschen zeichne gerade Fähigkeit aus, planend und zweckgerichtet in das Sozialleben einzugreifen (Abgrenzung Tiere und Instinkte)

III. Die personale Handlungslehre
-> Handlungen als Persönlichkeitsäußerungen
- Nichthandlungen sollen ausgeblendet werden, die alleine von der körperlichen Sphäre des Menschen ausgehen (ohne Steuerung des “Ich”)

IV. Die sozialen Handlungslehren
-> strafrechtliche Handlungen als ein vom menschlichen Willen beherrschtes oder beherrschbares, sozialerhebliches Verhalten
- Sozialerheblichkeit als Abgrenzungskriterium

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3
Q

Handlungsbegriff in der Fallbearbeitung

A

Handlungsqualität im Regelfall gegeben, dass sie als Merkmal nicht genannt werden muss
-> Nur in zweifelhaften Fällen müssen näherer Ausführungen gemacht werden

  1. Liegt menschliches Verhalten vor?
  2. Wenn ja, war das Verhalten vom Willen des Menschen beherrscht oder beherrschbar?
  3. Wenn ja, war dieses Verhalten sozial relevant?
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4
Q

Nichthandlungen

A
  • Mit unwiderstehlicher Gewalt (vis absoluta) erzwungene Handlungen
    -> Schubs gegen ein Fenster
  • Körperbewegungen, die mangels jeglicher willentlicher Steuerung der Beherrschbarkeit durch den Willen entzogen sind
    -> Bewegungen, Krampfanfälle, Reflexe
  • Naturereignisse
  • Vorgänge, die sich ausschließlich im Inneren des Menschen abspielen
    -> Gedanken, Gefühle, Gesinnungen
    -> “Die Gedanken sind frei”
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5
Q

Übersicht Tätigkeitsdelikt, Erfolgsdelikt, Kausalität

A

Steigende Intensität der Beeinträchtigung des jeweiligen geschützten Rechtsguts

  • Tätigkeitsdelikte = Kein konkreter Erfolg wird vorausgesetzt
  • Abstrakte Gefährdungsdelikte = Kein Eintritt einer konkreten Gefahr im Einzelfall vorausgesetzt

=> Keine Kausalität notwendig

  • Erfolgsdelikte = Setzen Eintritt eines von der Tathandlung abgrenzbaren Erfolgs voraus
  • Konkrete Gefährdungsdelikte = Konkrete Gefahr im Einzelfall vorausgesetzt
  • Verletzungsdelikte = Beeinträchtigung des Rechtsguts im Einzelfall

=> P: Kausalität zwischen der Handlung und dem Erfolg im Einzelfall

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6
Q

Theorien zur strafrechtlichen Kausalitätslehre

A
  1. Äquivalenztheorie (h.M.)
    -> Gleichwertigkeit aller Ursachen
    -> Conditio-sine-qua-non-Formel

“Ein Umstand ist kausal für den Erfolg, wenn er nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.”

  1. Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung
    -> Gleichwertigkeit aller Ursachen
    -> Frage, ob zwischen Handlung und Erfolg eine nach den bekannten Naturgesetzen erklärbarer Zusammenhang besteht
    => prüft danach, ob konkrete Handlung im konkreten Erfolg tatsächlich wirksam geworden ist
    => konkrete Handlungsanweisung für Rechtsanwender
  2. Adäquanz-/Relevanztheorie
    -> Formel:

“Die Möglichkeit des Erfolgseintritts aufgrund der gesetzten Bedingungen darf nicht außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegen.”
=> Wertungsfrage

-> Kausalzusammenhang von Handlung und Erfolg + strafrechtliche Relevanz dieses Kausalzusammenhangs

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7
Q

Sonderkonstellationen der Kausalität

A
  1. Hypothetische Ersatzursachen und Kausalverläufe
    -> hypothetische Kausalverläufe dürfen nicht berücksichtigt werden
    => nur tatsächlich verwirklichte Ursachen maßgeblich

=> Dass der sozialschädliche Erfolg später aufgrund folgender Ereignisse und in anderer Weise ebenfalls eingetreten wäre, beseitigt die Ursächlichkeit der realen Bewirkungshandlung nicht

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8
Q

Alternative Kausalität

A

Mehrere voneinander unabhängige Ursachen treffen zeitlich zusammen und jede einzelne Ursache hätte für sich genommen den Erfolg herbeigeführt.

“Nach der modifizierten csqn-Formel sind auch solche Bedingungen erfolgsursächlich, die zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.”

-> Der Fall liegt vor, wenn mehrere voneinander unabhängige Ursachen, von denen jede allein den Erfolg hätte bewirken können, zur gleichen Zeit wirken

=> A und B geben unabhängig voneinander eine jeweils für sich genommene tödlich wirkende Dosis Gift in den Tee des O

Handlung 1 -> Erfolg
Handlung 2 -> Erfolg

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9
Q

Kumulative Kausalität

A

“Mehrere voneinander unabhängige Ursachen bewirken erst zusammen den Erfolg.”

=> Nach der csqn-Formel ist jede Bedingung kausale Ursache für den Erfolg

=> A und B geben unabhängig voneinander eine jeweils für sich genommen nicht tödlich wirkenden Dosis Gift in den Tee des O. Zusammengenommen erreichen die Dosierungen eine tödliche Wirkung.

Handlung + Handlung = Erfolg

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10
Q

Abgebrochene/überholende Kausalität

A

“Eine andere Ursache bewirkt völlig unabhängig von der Handlung allein den Erfolg bzw. die Handlung bewirkt unabhängig von einer anderen Ursache den Erfolg.”

Überholende Bedingung: ursächlich für den Erfolg
Abgebrochene Bedingung: nicht kausal

=> A gibt eine tödlich wirkende Dosis Gift in den Tee des O, die erst ein paar Stunden nach dem Trinken ihre Wirkung entfaltet (abgebrochen). Unmittelbar nach dem Trinken des Tees wird O von B erschossen (überholend).

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11
Q

Atypischer Kausalverlauf

A

-> Erfolg tritt durch eine andere Ursache ein, diese knüpft aber an die vorhergehende Handlung an

=> A ist durch das Gift so geschwächt und unkonzentriert, dass er mit seinem Fahrrad einen Fahrfehler begeht, auf die Gegenseite der Fahrbahn gerät und hier von einem Autofahrer tödlich erfasst wird.

Handlung -> andere Ursache -> Erfolg

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12
Q

Schwächen der Conditio-sine-qua-non-Formel

A
  • bereits im Ausgangspunkt die Einschränkung über das Merkmal “Erfolg in seiner konkreten Gestalt”
  • Anpassungsbedarf in Fällen der alternativen Kausalität
  • unklar, ob ein bestimmtes Verhalten ursächlich für einen Erfolg ist, kann die Formel nicht erfolgsversprechend angewendet werden
    -> setzt voraus, was durch sie erst ermittelt werden soll
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13
Q

Grundaussagen zur objektiven Zurechnung

A
  • Weite des Kausalitätskriteriums einschränken (durch normative Betrachtung des Zusammenhangs zwischen Handlung und Erfolg)
    -> Verkauf der Tatwaffe als kausaler Beitrag zum Taterfolg

Frage zur Eingrenzung:
“Kann dem Täter der von ihm verursachte Erfolg auch normativ (=bewertend) als dessen Werk zugerechnet werden?”

=> Ist der Fall, wenn die Handlung des Täters eine rechtlich missbilligte Gefahr für das geschützte Rechtsgut geschaffen und sich diese Gefahr im konkreten Erfolg tatbestandstypischer Weise verwirklicht hat

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14
Q

Objektive Zurechnung
1. Schaffung einer rechtlich missbilligten Gefahr für das tatbestandlich geschützte Objekt

A
  • Handlung ist für das Tatobjekt objektiv riskant
    (Gefahr = obj. Vorhersehbarkeit des Erfolgseintritts)
  • Risiko ist neu, weil es die bisherige Situation noch nicht oder nur in geringerem Umfang enthielt
  • Risiko wird von Rechtsordnung nicht gebilligt
  • Risiko kann nicht ausschließlich für den Täter fremden Verantwortungsbereichen zugeordnet werden
    (eigenverantwortliche Selbstgefährdung, einverständliche Fremdgefährdung)
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15
Q

Objektive Zurechnung
2. Verwirklichung dieser Gefahr im Erfolg

A
  • Erfolg als Verwirklichung des vom Täter geschaffenen unerlaubten Risikos
    -> nicht als Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos/ von einem anderen geschaffenen Risiko

Voraussetzungen:

  • verwirklichtes Risiko greift in Schutzbereich der verletzten Norm ein
  • kein rechtmäßiges hypothetisches Alternativverhalten des Täter erkennbar, das den Erfolg in gleicher Weise herbeigeführt hätte
  • Verhalten des Täters muss eine nicht durch ein erlaubtes Risiko gedeckte Gefahr für das Handlungsobjekt geschaffen und sich diese Gefahr auch im konkreten Erfolg verwirklicht hat
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16
Q

Sonderkonstellationen und Fallgruppen der objektiven Zurechnung

A

Täter muss durch sein Verhalten
(Abgrenzung nach Verantwortungsbereichen:
-> Eigenverantwortliche Selbstschädigung bzw. Selbstgefährdung des Opfers
-> Dazwischentreten eines Dritten)

eine rechtlich missbilligte Gefahr
(-> Erlaubtes Risiko
-> Sozialadäquanz)

geschaffen oder erhöht haben,
(Risikoverringerung)

die sich im konkret eingetretenen Erfolg realisiert hat.
(-> atypischer Kausalverlauf
-> Schutzzweck der Norm
-> Pflichtwidrigkeitszusammenhang)

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17
Q

Objektive Zurechnung
Fallgruppen mit fraglicher eigener Gefahrenschaffung
Allgemeines Lebensrisiko
-> erlaubtes bzw. rechtlich nicht missbilligtes Risiko

A

Bsp. T überredet E zu Flugreise und hofft, dass Flugzeug abstürzt. So geschieht es.

-> Keine Zurechnung, da mit jeder Flugreise Absturzrisiko verbunden ist => kein Risiko, das Rechtsordnung verbietet

-> Keine Zurechnung, auch bei tödlichen Unfallfolgen im Straßenverkehr => bei verkehrsgerechter Teilnahme = allgemeines Lebensrisiko

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18
Q

Objektive Zurechnung
Fallgruppen mit fraglicher eigener Gefahrenschaffung
Risikoverringerung

A

Liegt vor, wenn bereits im Gang befindliche Ursachenreihe gebremst und die von ihr ausgehende Gefahr für Opfer herabgesetzt wird

Bsp.:
- Abmilderung von Verletzungen/Sachschäden
- zeitliches Hinausschieben des Erfolges

-> Kausalität bejaht
-> Objektive Zurechnung verneint
=> Allgemeines Interesse an Erhaltung strafrechtlich geschützter Rechtsgüter -> kein Schaffen einer rechtlich missbilligten Gefahr

Bsp.: A will B Stein an Kopf werfen, trifft ihn aber nur an Schulter, weil C dem A in den Wurfarm fällt.

Achtung: Nicht mit Risikoersetzung verwechseln.
-> hier muss es GEBREMST werden
-> nicht ERSETZT durch eine neue eigenständige Ursachenreihe

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19
Q

Objektive Zurechnung
Fallgruppen mit abzugrenzenden Verantwortungsbereichen
Freiverantwortliche Selbstschädigung und -gefährdung des Opfers
Theorie

A
  • Zwischen Selbstschädigung und -gefährdung des Opfers unterscheiden (Opferperspektive maßgeblich)

Selbstschädigung: Opfer erkennt Möglichkeit der Verletzung des eigenen Rechtsguts und findet sich damit zumindest ab

Selbstgefährdung: Opfer handelt zwar bewusst fahrlässig, vertraut jedoch auf Ausbleiben des Verletzungserfolgs

Prinzip der Eigenverantwortlichkeit: Jeder ist für sein eigenes Handeln verantwortlich.
-> Täter kann kein Erfolg zugerechnet werden, bei dem das Opfer alleine die Verantwortung dafür trägt, auch wenn er sich daran beteiligt haben mag
-> Bsp. Konsum von Drogen, die zuvor bei Dealer D gekauft wurden führt zum Tod

  • Selbsttötungen und Selbstverletzungen sind straffrei
    -> Mangels Haupttat bleiben auch Anstiftung und Beihilfe §§ 26, 27 StGB ohne Konsequenzen
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20
Q

Objektive Zurechnung
Fallgruppen mit abzugrenzenden Verantwortungsbereichen
Freiverantwortliche Selbstschädigung und -gefährdung des Opfers
Voraussetzungen für freiverantwortliches Verhalten

A

2 Voraussetzungen für Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs:

  1. Freiverantwortliches Verhalten des späteren “Opfers” muss vorliegen
    -> davon kann nur gesprochen werden, wenn der Gefährdete überhaupt in der Lage ist, bezüglich der Preisgabe seiner Rechtsgüter selbstverantwortlich zu entscheiden

Problematisch bei:
- mangelnder Reife oder Erfahrung des Gefährdeten
- überlegenem Sachwissen des Täters

Maßstab der an freiverantwortliche Entscheidung zu stellen ist, ist umstritten:

M1: Sinngemäße Anwendung der für eine Fremdschädigung geltende Exkulpationsregeln -> §§ 20, 35 StGB; § 3 JGG
=> Freiverantwortlichkeit entfällt, wenn dessen Strafbarkeit entfiele, d.h. er schuldlos handelte
=> bei Geisteskrankheit, Betrunkenheit, Zwang

M2: Nach Regeln der Einwilligungsfähigkeit
=> Opfer schädigt sich nicht selbst, sondern wird von anderem geschädigt und willigt dazu ein (wird angenommen)
=> Einwilligung unwirksam, wenn wesentliche Willensmängel vorliegen: Täuschung, Drohung, Irrtum, etc.)

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21
Q

Objektive Zurechnung
Fallgruppen mit abzugrenzenden Verantwortungsbereichen
Freiverantwortliche Selbstschädigung und -gefährdung des Opfers
Voraussetzungen für Selbstschädigung/-gefährdung

A
  1. Voraussetzung: Selbstschädigung/-gefährdung muss vorliegen
    => Opfer muss Tatherrschaft über den unmittelbar lebensbeendenden bzw. Verletzungs- oder Gefährdungsakt innehaben
    => tatbestandlicher Geschehensablauf muss in den Händen gehalten werden
  • h.M. erörtert Frage der Einwilligung erst im Rahmen der Rechtswidrigkeit
  • Mindermeinung will auf Stufe des Tatbestandes die Einwilligung thematisieren, weil dann schon der Straftatbestand nicht erfüllt wäre
    -> vorzugswürdig laut Hefendehl
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22
Q

Objektive Zurechnung
Fallgruppen mit abzugrenzenden Verantwortungsbereichen
Eigenverantwortliches Dazwischentreten eines Dritten

A

“Die Verantwortung des Erstverursachers endet grundsätzlich, wenn ein Dritter vollverantwortlich eine neue, selbstständige Gefahr begründet, die sich dann alleine im Erfolg realisiert.”

Obj. Zurechnung zu bejahen, wenn:

  • Täter rechtlich relevant Gefahr durch Verletzung von Sicherheitsvorschriften schafft, die gerade zum Schutz vor Vorsatz- oder Fahrlässigkeitstaten Dritter dienen
  • Wenn Verhalten Dritter so spezifisch mit Ausgangsgefahr verbunden ist, dass es bereits als typischerweise in der Ausgangsgefahr begründet erscheint
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23
Q

Objektive Zurechnung
Sog. Retterfälle

A
  • Schnittfeld der freiverantwortlichen Selbstgefährdung und Dazwischentreten eines Dritten
  • Umstand, dass Dritter in einen vom Ersttäter in Gang gesetzten Kausalverlauf eingreift und sich dabei selbst gefährdet/schädigt
    -> 2 Fallkonstellationen zu unterscheiden:
    1. Retter kann freiwillig eingreifen
    2. Oder ist in konkreter Situation zum Eingreifen verpflichtet

Problematisch: Ist demjenigen, der die Gefahr schafft, das freiwillige Eingreifen des des Retters zuzurechnen?

Einschränkung des Grundsatzes der Straffreiheit wegen bewusster Selbstgefährdung des Opfers:

“Wenn Täter durch seine Handlung die naheliegende Möglichkeit einer bewussten Selbstgefährdung dadurch schafft, dass er OHNE Mitwirkung/Einverständnis des Opfers eine erhebliche Gefahr für ein RECHTSGUT des Opfers oder IHM NAHESTEHENDE PERSON begründet und damit ein EINSICHTIGES MOTIV für gefährliche Rettungsmaßnahmen schafft.”

  • Etwas anderes könnte nur bei von vornherein sinnlosen/offensichtlich unverhältnismäßigen Rettungsversuch gelten
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24
Q

Objektive Zurechnung
Vorsätzliches Dazwischentreten Dritter

A
  • Täter kann den von ihm in Gang gesetzten Kausalverlauf unterbrechen
  • Wenn Täter die Realisierung einer von ihm gesetzten Gefahr im Erfolg verhindert, indem er durch eine Zweithandlung vorsätzlich eine neue Gefahr schafft, die sich alleine im Erfolg verwirklicht

-> unwesentliche Abweichung des tatsächlich vorgestellten Kaualverlaufs
-> 2. Tat knüpft an Ausgangsgefahr an, unterbricht nicht die objektive Zurechnung

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25
Q

Objektive Zurechnung
Fallgruppen mit fraglicher Gefahrrealisierung

A

a) Atypischer Kausalverlauf
-> liegt vor, wenn der eingetretene Erfolg völlig außerhalb dessen liegt, was nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge nach der allgemeinen Lebenserfahrung noch in Rechnung zu stellen ist
=> Zurechnung scheidet aus, da sich nicht die geschaffene Gefahr realisiert hat

b) Pflichtwidrigkeitszusammenhang
-> Zurechnung entfällt, wenn der durch pflichtwidriges Verhalten verursachte Erfolg auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre
-> Risikoerhöhungslehre: soll für Zurechenbarkeit genügen, dass das pflichtwidrige Verhalten des Täters das Risiko des Erfolgseintritts erhöht hat

c) Schutzzweck der verletzten Norm
-> im konkreten Erfolg muss sich diejenige rechtlich missbilligte Gefahr verwirklicht haben, deren Eintritt nach dem Schutzzweck der einschlägigen Norm vermieden werden sollte.
=> Keine Zurechnung, wenn ein Erfolg eintritt, der außerhalb des Schutzzwecks der Norm liegt

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26
Q

Grundlagen und Erscheinungsformen des Vorsatzes

A

Vorsatz = als subjektive Komponente der Wille zur Verwirklichung eines Straftatbestandes in Kenntnis aller seiner objektiven Tatumstände

Kurzformel: Vorsatz = Wissen + Wollen der Tatbestandsverwirklichung

Nach Willensbeziehung des Täters 3 Vorsatzformen:
- Absicht (dolus directus 1. Grades)
- direkter Vorsatz (dolus directus 2. Grades)
- bedingter Vorsatz (dolus eventualis)

  • soweit sich aus gesetzlicher Beschreibung eines Delikts nichts anderes ergibt, muss Täter zur Tatbestandsverwirklichung vorsätzlich handeln -> § 15
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27
Q

Vorsatzformen
Absicht - dolus directus 1. Grades

A

Absicht = zielgerichteter Erfolgswille
-> gegeben, wenn es dem Täter gerade darauf ankommt, den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs herbeizuführen, für den das Gesetz absichtliches Handeln voraussetzt

  • Zielgerichteter Erfolgswille kann, muss aber nicht zugleich Beweggrund des Täters sein
  • Angestrebter Erfolg muss nicht notwendig das Endziel des Täter sein, sondern kann auch Zwischenzeit auf dem Weg dahin sein
  • Sichere, aber nicht bezweckte Nebenfolgen der Handlung sind nicht Gegenstand der Absicht

Faustregel:

  • Zielgerichtetes Handeln ist erforderlich, wenn es für Täter um günstige Position geht, z.B. §§ 242, 263 StGB
  • Direkter Vorsatz genügt, wenn es um eine für einen Dritten ungünstige Position geht, z.B. § 274 StGB
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28
Q

Vorsatzformen
Direkter Vorsatz - dolus directus 2. Grades

A

Direkter Vorsatz = Wenn Täter weiß/als sicher erkennt, dass seinHandeln zur Verwirklichung eines gesetzlichen Tatbestands führt

  • steht nicht entgegen, dass Täter der Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs an sich unerwünscht ist
    -> reicht aus, dass er ihn als notwendige Folge seines Handelns erkennt
  • Im Gesetz durch Formulierungen wie “wissentlich” oder “wider besseren Wissens” vorausgesetzt
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29
Q

Bedingter Vorsatz - dolus eventualis

A
  • schwächste Vorsatzform

-> wenn Täter die Tatbestandsverwirklichung weder anstrebt, noch für sicher hält

  • genügt prinzipiell immer dann, wenn Gesetz keine ausdrücklich qualifizierte Vorsatzform verlangt

Fälle, in denen unklar, ob Täter Verletzung/Tötung bedingt vorsätzlich hingenommen hat:

  • Schießbudenfall
  • Lederriemenfall
  • HIV-Fall
  • Tritt gegen Kopf
  • Illegales Straßenrennen
  • Organspendefall

=> Fraglich, weil der dolus eventualis im Grenzbereich zur bewussten Fahrlässigkeit liegt
-> Gemeinsamkeit: Täter erkennt Gefahr, deshalb könnte sein Verhalten den jeweiligen Tatbestand erfüllen
-> nur vorsätzliches Handeln strafbar => Abgrenzung entscheidet über Strafbarkeit

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30
Q

Abgrenzung dolus eventualis und bewusste Fahrlässigkeit
Lösungsansätze mit Schwerpunkt auf intellektuellen Vorsatz-Element

A

Wissen: Bedingter Vorsatz (+), wenn Möglichkeit, bzw. Wahrscheinlichkeit der TB-Verwirklichung erkannt
Wollen: Irrelevant

a) Möglichkeitstheorie
-> liegt vor, wenn Täter konkrete Möglichkeit der TB-Verwirklichung erkannt und dennoch gehandelt hat

b) Wahrscheinlichkeitstheorie
-> liegt vor, wenn Täter die TB-Verwirklichung für wahrscheinlich, d.h. mehr als möglich, aber weniger als überwiegend wahrscheinlich, hält

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31
Q

Abgrenzung dolus eventualis und bewusste Fahrlässigkeit
Lösungsansätze mit Schwerpunkt auf voluntativen Vorsatz-Element

A

Wissen: Erkennen der Möglichkeit der TB-Verwirklichung
Wollen: Darüber hinaus voluntativ erforderlich -> Billigung, Gleichgültigkeit, Abfinden

a) Billigungstheorie (h.M.)
-> liegt vor, wenn Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs als möglich und nicht ganz fernliegend erkannt und ihn billigend in Kauf genommen hat
-> billigen = um erstrebten Zieles willen damit abfinden/ bereit sein Folgen hinzunehmen
-> Gleichgültigkeit deutet darauf hin
-> auch oft Formel, dass Täter “Einverstanden mit TB-Verwirklichung sein muss”

b) Gleichgültigkeitstheorie
-> liegt vor, wenn Täter die für möglich gehaltene TB-Verwirklichung aus Gleichgültigkeit gegenüber dem geschützten Rechtsgut in Kauf genommen hat

c) Ernstnahmetheorie
-> liegt vor, wenn Täter mit der Möglichkeit der TB-Verwirklcihung ernstlich rechnet, um des erstrebten Zieles willen aber trotzdem weiterhandelt
=> findet sich dadurch mit einer eventuellen TB-Verwirklichung ab
-Theorie steckt in Billigungstheorie, weil billigen als abfinden versanden wird

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32
Q

Bewusste Fahrlässigkeit

A

Bewusste Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten.

Das Vertrauen darf aber nicht auf bloßen Hoffnungen beruhen, sondern muss tatsachenbasiert sein.

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33
Q

Abgrenzung dolus eventualis und bewusste Fahrlässigkeit
Normative Risikotheorien

A

-> Problem soll mit wertender Betrachtungsweise gelöst werden

a) Manifestation des Vermeidewillens
-> dolus eventualis liegt vor, wenn der Wille des Täters auf die TB-Verwirklichung gerichtet war
-> bewusste Fahrlässigkeit liegt vor, wenn Täter Gegenfaktoren einsetzt, dass es nicht zur TB-Verwirklichung kommt

b) Unabgeschirmtes Risiko
-> dolus eventualis liegt vor, wenn sich der Täter bewusst für Verhalten entschieden hat, as mit einer in der Rechtsordnung geltenden Risikomaxime unverträglich ist

c) Kombinationstheorie Schünemanns
-> Synthese aus Risikotheorie und Möglichkeitstheorie
- löst Täter bewusst nicht mehr tolerables Risiko aus, steuert er das Geschehen gegen das Rechtsgut -> emotionale Distanzierung ändert nichts daran
-> Wissen um die Möglichkeit der TB-Verwirklichung ausreichend
-> zu weite Ausdehnung der Strafbarkeit auf Ebene der Vorsatzschuld korrigiert

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34
Q

Unterscheidung bedingter Vorsatz und bedingter Handlungswille

A

a) Zustand der Unentschlossenheit (schießen oder nur drohen?)
-> kein Vorsatz, da definitive Willensentscheidung fehlt

b) Tatentschluss auf hypothetischer Tatsachengrundlage (Häftlinge planen Raubüberfall unter Bedingung des erfolgreichen Ausbruchs)
-> auf tatbestandlichen Erfolg wird im Bewusstsein der Gefährdung des Handlungsobjekts hingearbeitet => Vorsatz liegt auch vor, wenn Tat noch von Bedingung abhängig ist
-> Entscheidung zur Tat schon gefallen, nur Ausführbarkeit bedingt

c) Tatentschluss mit Rücktrittsvorbehalt
-> Rücktrittsvorbehalt, dass sich Tat erübrigen sollte, ändert nichts am Vorsatz

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35
Q

Zeitliche Dimension des Vorsatzes: dolus antecedens und dolus subsequens

A

Gem. § 16 I 1 StGB muss der Vorsatz bei Begehung der Tat vorliegen
-> Simultanitäts- oder Koinzidenzprinzip

Gem. § 8 S. 1 StGB ist eine Tat zu der Zeit begangen, zu welcher der Täter gehandelt hat/ oder hätte handeln müssen
-> Erfolgseintritt ist nicht maßgeblich

=> dolus antecedens (Vorsatz vor Beginn der Tat) und dolus subsequens (Vorsatz erst nach Ende der Tatausführung) genügen nicht für den Tatbestandsvorsatz
=> sind rechtlich irrelevant

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36
Q

Tatbestandsbezogenheit
Dolus cumulativus und dolus alternativus

A

Vorsatz muss immer auf einen konkreten Tatbestand bezogen sein und für jeden TB gesondert geprüft werden.
-> Erfüllt der Täter also durch eine Handlung objektiv mehrere TBs, muss jedes Delikt einzeln auf Vorsatz geprüft werden

a) Dolus cumulativus
-> Täter will sowohl den einen als auch den anderen TB verwirklichen und kann das zeitlich
-> unproblematisch

b) Dolus alternativus
-> problematisch
-> Vorsatz des Täters der Art nach auf mehrere einander ausschließende TBs gerichtet, der Zahl nach aber nur auf einen
-> A wird von B und seinem Hund verfolgt, hat nur noch eine Kugel in der Pistole und schießt in der Hoffnung einen von beiden zu treffen, B wird getroffen

=> h.M. und Rspr. nehmen an, dass Vorsatz gegenüber beider TBs angenommen wird und nach beiden Delikten bestraft wird

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37
Q

Der Tatumstandsirrtum

A

Kennt der Täter einen Umstand, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört nicht, so handelt er gem. § 16 I 1 StGB nicht vorsätzlich.
-> Tatumstands/-bestandsirrtum = Täter verkennt das tatsächliche Vorliegen der Voraussetzungen, von denen das Gesetz die objektive Tatbestandsmäßigkeit abhängig macht

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38
Q

Tatumstandsirrtum - deskriptive Tatbestandsmerkmale

A
  • bringen durch einfache Beschreibung zum Ausdruck, was Gegenstand des TB sein soll -> Mensch, beweglich, Sache, wegnehmen
  • ohne zugrundeliegender Rechtsordnung versteh-/erklärbar
  • reicht aus, wenn Täter sie tatsächlich sinnlich wahrgenommen hat

Bsp.: A schießt auf Vorhang, der B gehört. A weiß nicht, dass B hinter dem Vorhang steht und die Schüsse ihn tödlich treffen werden.
-> § 303 (+), A wusste, dass der Vorhang B gehört und wollte diesen beschädigen
-> § 212 (-), A wusste nicht, dass sie auf einen Menschen schießt und kannte somit einen Umstand nicht, der zum Tatbestand des § 212 gehört
=> gem. § 16 I 2 kommt hinsichtlich B aber fahrlässige Tötung gem. § 222 in Betracht

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39
Q

Tatumstandsirrtum - normative (wertausfüllungsbedürftige) Tatbestandsmerkmale

A
  • können nicht sinnlich wahrgenommen werden
  • müssen erst durch Wertung aufgrund rechtlicher/sozialer Kriterien ausgefüllt werden
    -> “fremd” -> Fremdheit einer Sache sieht man ihre nicht an, bürgerlich-rechtliche Vorschriften über Eigentum bestimmen es
    => nicht ohne Berücksichtigung der zugrundeliegenden Rechtsordnung sind diese TB-Merkmale nicht verständlich

Bsp.: A verwechselt an der Garderobe ihren Mantel mit dem des B und nimmt ihn mit. Weil A nicht weiß, dass es sich um einen fremden Mantel gehört, kennt sie den Umstand nicht, der zum TB des § 242 gehört.

  • bei normativen TB-Merkmalen muss der Täter auch das Merkmal ausfüllender Wertung richtig erkennen, um Vorsatz annehmen zu können

Faustformel: Der Täter muss all das erkannt haben, was zur juristischen Definition des Merkmals gehört

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40
Q

Unterscheidung des Tatumstandsirrtums gegenüber dem Verbotsirrtum

A
  • strikt zu unterscheiden

Verbotsirrtum nach § 17 StGB:
- Täter fehlt die Einsicht Unrecht zu tun
-> kennt Tatbestand gar nicht
-> hält TB für ungültig
-> gelangt durch falsche Auslegung zu einer Fehlvorstellung über seinen Geltungsbereich => sieht sein Verhalten nicht als verboten an

  • gem. § 17 S.1 handelt, wer einen solchen Irrtum nicht vermeiden konnte, schuldlos
  • war es vermeidbar, kann die Strafe gem. §§ 17 S. 2, 49 gemildert werden

Faustformel zur Unterscheidung:

  • Irrt Täter auf tatsächlicher Ebene (Tatsache/sozialer Sinngehalt eines Tatumstands) => Tatumstandsirrtum
  • Irrt Täter auf rechtlicher Ebene (Verbot der Handlung) => Verbotsirrtum
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41
Q

Gegenstand des Tatbestandsvorsatzes

A

Umstände des gesetzlichen Tatbestandes i.S.v. § 16 I 1 StGB sind solche des objektiven TBs.

a) Irrtum über Qualifikationsmerkmale
-> Strafbarkeit bleibt wegen Grunddelikts bestehen

Bsp.: A schlägt B mehrfach heftig auf den Kopf, wobei sie nicht davon ausgeht, die Handlung sei lebensgefährlich.
-> A hat keinen Vorsatz bezüglich § 224 I Nr. 5
-> wird allein aus § 223 I, weil sie immerhin Vorsatz zur Körperverletzung hatte

b) Irrtum über Tatbestandsalternativen
-> verwirklicht Täter tatsächlich eine andere TB-Alternative als die, die er zu erfüllen glaubt

  • Irrtum unbeachtlich, wenn die Tatbestandsalternativen nur Auffächerungen eines einheitlichen Schutzgegenstandes ist
  • Irrtum beachtlich bei qualitativ verschiedenen Schutzgegenständen
    -> § 16 II enthält Sonderregelung
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42
Q

“Gewöhnliche” Kausalabweichungen

A
  • Kausalverlauf =Prognose
    -> Einzelheiten des Geschehensablaufs können nie voraus gesehen werden
    => unwesentliche Abweichungen des tatsächlich eingetretenen vom vorgestellten Kausalverlauf schließen Vorsatz des Täters NICHT aus

Unwesentliche Abweichung
-> noch in den Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren

Wesentliche Abweichung
-> Bsp. O wird nicht wie geplant unmittelbar durch den Schuss des A getötet, sondern infolge durchgehender Pferde, die durch den Schuss erschreckt wurden

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43
Q

Error in persona vel objecto

A

= Irrtum über das Handlungsobjekt
-> Fehlvorstellung des Täters über die Identität oder sonstige Eigenschaften des Tatobjekts

  • Erfolg tritt an dem Objekt ein, das der Täter anvisiert hat -> es ist jedoch ein anderes als vorgestellt

Zwischen rechtlicher Ungleichwertigkeit und rechtlicher Gleichwertigkeit zu unterscheiden

  1. Rechtliche Ungleichzeitigkeit
    - Tatumstandsirrtum nach § 16 I 1
    -> A will Hund von B erschießen, trifft aber Kind in Hundehütte, das sie für Hund hielt

=> § 212 I (-), weil wusste nicht dass Mensch, nach § 16 I 1 unvorsätzlich
=> § 222 (+), wenn sie erkennen konnte, dass es Mensch ist
=> Versuchte Sachbeschädigung, §§ 303 I, III, 22, 23 I (+)

  1. Rechtliche Gleichwertigkeit der Tatobjekte
    -> für den Vorsatz umbeachtlicher Irrtum
    -> A will B töten, hält C für B und erschießt sie

=> kein Aberration ictus, weil Objekt getroffen, das sie anvisiert hat
-> B und C sind beides Menschen -> A ist sich bewusst, dass sie Mensch tötet und handelt somit vorsätzlich
=> bloßer Motivirrtum liegt vor (umbeachtlich)

=> § 212 I (+)
=> §§ 212 I, 22, 23 I (-) -> kein Doppelvorsatz -> Tötung des Falschen begründet keinen Versuch am Richtigen

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44
Q

Aberratio ictus

A

= Fehlgehen der Tat
-> Vorsatz richtet sich auch bestimmtes Tatobjekt, Angriff geht jedoch aufgrund eines vom Täter nicht vorhergesehenen Kausalverlaufs fehl => anderes Objekt wird getroffen

Für vorsatzsausschließenden Tatumstandsirrtum nach § 16 I 1 muss zwischen rechtlicher Ungleichwertigkeit und rechtlicher Gleichwertigkeit unterschieden werden

Bsp.: A verfolgt B und C mit seinem Auto. Will C überfahren, der aber im letzten Moment zur Seite springt und trifft B.

  1. Rechtliche Ungleichwertigkeit
    -> nach § 16 I 1 liegt beachtlicher Tatumstandsirrtum vor
    -> wenn A nur den Hund trifft, statt einen Menschen, kennt er einen Umstand nicht, der zum TB gehört und handelt unvorsätzlich
  2. Rechtliche Gleichwertigkeit
    -> umstritten

a) Gleichwertigkeitstheorie:
-> trotzdem Vorsatz im Hinblick auf Tötung des getroffenen Objekts

b) Konkretisierungstheorie (h.M.)
-> sieht den Vorsatz auf ein bestimmtes Objekt als etwas Anderes gegenüber dem Vorsatz irgendein Objekt der gleichen Gattung zu verletzen
=> Kein Vorsatz auf das tatsächlich getroffene Objekt
-> Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tatbegehung am getroffenen Objekt und wegen versuchter Tatbegehung am eigentlich anvisierten Objekt

-> nach h.M. handelt A unvorsätzlich im Hinblick auf den Tod der B
-> hat sich wegen versuchten Totschlags und fahrlässiger Tötung strafbar gemacht

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45
Q

Dolus generalis

A

= Täter schafft willentlich und wissentlich eine Gefahr für eine beliebige Vielzahl von Rechtsgütern/ nimmt infolge einer Unsicherheit über das Ausreichen einer Ersthandlung noch eine Zweithandlung vor, um tatbestandliches Ziel zu erreichen

-> Terrorist positioniert Bombe, um möglichst viele Menschen zu töten -> generelle Tötung- und Verletzungsabsicht aller späteren Opfer
-> A will O mit Eisen töten, ist sich nicht sicher, ob es schon geklappt hat, hängt ihn dann noch auf, um sicher zu gehen -> genereller Tötungsvorsatz, der sich noch auf die 2. Handlung erstreckt

Mehrere Ansätze zur Lösung

a) Lehre vom dolus generalis -> beide Akte als einheitliches Geschehen -> auch im 2. Teil vom Tötungsvorsatz getragen

b) Versuchslösung -> Teilakte als 2 selbstständige Handlungen -> Tötungsvorsatz bei Zweithandlung erloschen

c) Vollendungslösung (h.M.) -> zweiaktige Geschehensabläufe sind nach Grundsätzen der unwesentlichen Abweichung vom Kausalverlauf zu lösen
=> Unwesentliche Abweichung vom gesamten vorgestellten Geschehensablauf

-> heute nicht mehr richtig vertreten, lieber weglassen??

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46
Q

Die Notwehr, § 32
Dualismus

A

Nach h.M. ist Notwehrrecht dualistisch begründet:
- Selbstverteidigungsprinzip: In Notsituation jedem erlaubt, Rechtsgüter selbst zu verteidigen
- Rechtsbewährungsprinzip: In Notlage ist jeder Angegriffene immer auch Repräsentant des Rechts und dessen aktueller Verteidigung gegen Unrecht

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47
Q

Voraussetzungen der Notwehr
Notwehrlage

A

§ 32 II = Notwehr ist Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwehren

  1. Notwehrlage
    § 32 II -> Vorliegen von gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriff

a) Angriff
=> durch menschliches Verhalten drohende Verletzung eines notwehrfähigen Rechtsguts (kein Straftatbestand muss verwirklicht werden)
- Unterlassen?-> nach h.M. Angriff, wenn Verstoß gegen Garantenpflicht vorliegt, sonst generell verneint

  • Notwehrfähiges Rechtsgut = alle Indiviudalrechtsgüter, sonstige rechtlich geschützte Interessen
  • Rechtsgüter der Allgemeinheit -> nicht notwehrfähig

b) Rechtswidrigkeit des Angriffs
=> wenn nicht von Erlaubnisnorm gedeckt
- gegen Notwehr/anderen Rechtfertigungsgrund keine Notwehr möglich
- rechtswidriger Angriff auch bei objektiv pflichtgemäßen Verhalten?-> h.M.: Nein
- schuldhaftes Handeln?-> h.M.: Nein

c) Gegenwärtigkeit des Angriffs
=> i.S.v. akut bedrohlicher Lage unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder fortdauert

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48
Q

Voraussetzungen der Notwehr
Notwehrhandlung

A
  1. Notwehrlage
  2. Notwehrhandlung

a) Geeignetheit und Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung
=> Geeignetheit= Maßnahme grds. in der Lage, Angriff entweder ganz zu beenden oder ihm wenigstens Hindernis in den Weg zu legen
-> Auch Verteidigungshandlungen, die den Angriff leicht abmildern sind als Erfolg anzusehen

=> Erforderlich= diejenige Verteidigungshandlung, die (zur Angriffshandlung geeignet ist und dabei, vgl. oben) das relativ mildeste der in Betracht kommenden Verteidigungsmittel ist
-> keine überhöhten Anforderungen daran, ex-ante-Betrachtung -> was verständiger Beobachter zur sicheren Abwehr des Angriffs als notwendig erachten würde

=> Das mildeste Mittel = jenes, das bei gleicher Wirksamkeit den geringsten Schaden anrichtet

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49
Q

Drittwirkung des Notwehrrechts

A
  • KEINE Drittwirkung
  • nur Verteidigungshandlung gegenüber dem Angreifer zu rechtfertigen
50
Q

Voraussetzungen der Notwehr
Gebotenheit

A

b) Gebotenheit der Notwehr

aa) Bagatellenangriffe -> Bsp.: Schubsen, Drängeln
-> Rechtsbewährungsprinzip bei minimaler Beeinträchtigung im Hintergrund
-> Grenze des sozialadäquaten -> Notwehrrecht nur eingeschränkt

bb) Krasses und unerträgliches Missverhältnis
-> zwischen verteidigtem und angegriffenen Rechtsgut ist Notwehrrecht rechtsmissbräuchlich
-> Bsp.: Opa im Rollstuhl schießt auf Kind, das Kirschen von seinem Baum isst, um Hausrechts zu verteidigen
=> Recht will nicht um jeden Preis verteidigt werden

cc) Einschränkung durch Art. 2 I EMRK
-> verbietet absichtliche Tötung von Menschen
-> Art. 2 II a lässt nur zu, wenn durch Gewaltanwendung verursacht wird, die unbedingt erforderlich ist, um jmd. gegen rechtswidrige Gewalt zu verteidigen

dd) Garantenbeziehung
-> innerhalb von Garantenbeziehungen Einschränkung von Notwehrrecht erwogen (nur bei leichteren Angriffen in Betracht)

ee) Angriffe erkennbar schuldlos Handelnder
-> nur eingeschränktes Notwehrrecht nach h.M.
-> Kinder, Irrende, Schuldunfähige
-> Ausweichen, Schutzwehr, Trutzwehr

51
Q

Voraussetzungen der Notwehr
Gebotenheit
Notwehr gegen selbst provozierte Angriffe

A

Handelt es sich bei Provokation selbst um einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff?

-> Provozierte auch in Notwehrlage -> Provozierendem steht kein Notwehrrecht zu

Provozierter nicht in Notwehrlage?

-> Notwehrrechte aufgrund vorangegangener Provokation eingeschränkt?
-> durch Motivation des Provozierenden lassen sich Fallgruppen zu unterscheiden

a) Absichtsprovokation
=> Täter geht es gerade darum, einen Angriff auf sich selbst zu provozieren, um so den Angreifer unter Deckmantel der Notwehr verletzen zu können
-> Angriff wird zielstrebig herausgefordert
-> Lösung umstritten

Nach h.M. -> Täter handelt in diesem Fall rechtsmissbräuchlich und kann sich nicht auf Notwehr berufen

Nach a.A. -> eingeschränktes Notwehrrecht besteht: Provokateur muss ausweichen, wenn das unmöglich ist: Schutzwehr, als ultima ratio: Trutzwehr

b) Sonst verschuldete Notwehrlage
=> Täter kam es nicht darauf an, den Angreifer zu provozieren, hat den Angriff aber in vorverwerfbarer Weise herbeigeschworen
-> Anforderungen an Vorverhalten, das Notwehreinschränkungen herbeiführt ist umstritten

aa) Rechtswidriges Vorverhalten
=> Schränkt Notwehrrecht ein
-> Wie? -> Nach h.M.: 3 Stufen: Ausweichen-Schutzwehr-Trutzwehr

bb) Rechtmäßiges Vorverhalten
=> Notwehrrecht steht uneingeschränkt zur Seite bei rechtmäßigem und sozialadäquaten Verhalten
-> Sozialwidriges Verhalten streitig:
- e.A. -> uneingeschränkt
- h.A. -> eher dreistufige Reaktion

52
Q

Fälle mit diskutiertem Notwehrrecht

A

Abwehrprovokation: Notwehrlage ohne Zutun des Angegriffenen
-> Angegriffener ist aber erheblich bewaffnet
-> h.M. verneint Einschränkung des Notwehrrechts

Notwehr gegen erpresserische Angriffe

a) bloße Schweigegelderpressung
-> Tötung als Angriffsabwendung?
- Einschränkung des Notwehrrechts
- Beweismittelbeseitigung erlaubt
- Delikte gegen Körper/Leben des Erpressers sind keine Notwehr

b) Schutzgelderpressung
-> Drohung nicht nur mit Enthüllungen, sondern auch mit Gewalt gegen Opfer oder dessen Sachen -> uneingeschränktes Notwehrrecht gegeben

Rettungsfolter als Nothilfe

-> unverrückbares Folterverbot -> keine Ausnahmefälle/Einschränkunegn

53
Q

Der rechtfertigende Notstand, § 34
1. Notstandslage

A
  1. Notstandslage
    = Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr für ein notstandsfähiges Rechtsgut
    -> gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr

a) Notstandsfähige Rechtsgüter
= nach h.M. alle Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit, soweit sie in der konkreten Situation schutzbedürftig und schutzwürdig sind
-> Leben, Leib. Freiheit, Ehre und Eigentum
-> keine Rechtsgüter der Allgemeinheit

b) Nostandsbegünstigte
= Gefahr von sich oder einem anderen abwenden
- gefährdetes Rechtsgut kann auch ein dem Täter fremdes sein

c) Gegenwärtige Gefahr
= Zustand, dessen Weiterentwicklung den Eintritt oder die Intensivierung eines Schadens ernstlich befürchten lässt, sobald nicht alsbald Abwehrmaßnahmen ergriffen werden
- ex-ante zu bestimmendes Wahrscheinlichkeitsurteil
- Gefahrursprung gleichgültig
- zeitlich weitere Ausdehnung => Dauergefahr fällt darunter
-> Gefahr so dringend, dass sie jederzeit, auch wiederholt in Schaden umschlagen kann
-> Haustyrannenfall

54
Q

Der rechtfertigende Notstand, § 34
2. Notstandshandlung

A

= Gefahr darf nicht anders anwendbar gewesen sein -> wie Erforderlichkeit bei Notwehr
-> Voraussetzung der Geeignetheit implizit enthalten

Erforderlich = diejenige Abwehr, die objektiv zur Abwendung der Gefahr und zugleich das relativ mildeste der in Betracht kommenden Verteidigungsmittel darstellt

a) Geeignetheit
- strenge Anforderungen, kein nutzloses Eingreifen in fremde Rechtsgüter

b) mildestes Mittel
= jede erreichbare Hilfe zur Gefahrabwehr herbeizuholen -> von bestehenden Ausweichmöglichkeiten ist zwingend Gebrauch zu machen
-> Haustyrannenfall -> muss versucht haben staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen

55
Q

Der rechtfertigende Notstand, § 34
Abwägung widerstreitender Interessen

A

= bei Abwägung widerstreitender Interessen muss das geschützte Interesse dem Beeinträchtigten (betroffene Rechtsgüter, Grad der drohenden Gefahr) wesentlich überwiegen

a) Abwägungsgesichtspunkte
= alle schutzwürdigen Interessen einzubeziehen, die als Erhaltungs- oder Eingriffsgut durch den konkreten Konflikt unmittelbar oder mittelbar betroffen sind

aa) Strafrahmenvergleich
-> durch Strafrahmenvergleich Rangverhältnis der geschützten Rechtsgüter

bb) Wertgefälle der Rechtsgüter
-> Wertverhältnis der widerstreitenden Rechtsgüter betrachten
3 Leitlinien
- Ordnungsvorschriften traten hinter Schutz vor konkreten Beeinträchtigungen zurück
- Persönlichkeitswerte sind Sachgütern vorzuziehen
- Schutz von Leib und Leben begründet höheres Interesse auch gegenüber der Bewahrung anderer Persönlichkeitswerte oder überindividueller Rechtsgüter
-> Regeln nicht ausnahmslos

cc) Intensität der drohenden Rechtsgutsverletzung
-> Bsp.: kurzfristige folgenloseFreiheitsberaubung von wenigen Minuten zur Verhinderung von sehr hohem Sachschaden kann gerechtfertigt sein

dd) Grad der drohenden Gefahren
-> Abwehr von mit Sicherheit eintretenden Schadens durch Rettungshandlung, die ein anderes Rechtsgut nur in geringem Maß gefährdet -> überwiegendes Interesse auf seiner Seite

ee) Keine Abwägung Leben gegen Leben
-> Grundsatz absoluten Lebensschutzes
-> Leben ist nicht quantifizierbar

dd) Das Autonomieprinzip
-> Die Notsituation muss zur Verteidigung eines Rechtsgutes zu Lasten des Rechtsgutes eines Unbeteiligten gelöst werden
- Zwangsweise Blutabnahme zur Lebensrettung eines anderen
-> Persönlichkeitsautonomie hoher wert

gg) Wertung gesetzlicher Regelung
-> Abhören von Anwalt und Mandant in U-Haft kann nicht über § 34 gerechtfertigt werden (verstößt gegen § 201 StPO) -> in § 148 StPO hat Gesetzgeber Überwachungsmaßnahmen geklärt

hh) Verschuldung der Notstandslage
-> schließt Berufung auf § 34 nicht aus

ii) Tätigwerden auf der Seite des Unrechts
-> Nötigungsnotstand

56
Q

Das Verhältnis der Notstandsregeln

A

Der zivilrechtliche Notstand (§§ 228, 904 BGB)

  1. Der aggressive Notstand (§ 904 BGB)
    -> Täter befreit sich aus Notsituation dadurch, dass er zur Gefahrenabwehr auf eine fremde Sache einwirkt, von der die Gefahr nicht ausgeht

-> A wird von Kampfhund angegriffen und entreißt B den Regenschirm, um sich zu verteidigen. Der Regenschirm geht kaputt.
-> § 303 StGB wird durch § 904 BGB gerechtfertigt

  1. Der defensive Notstand (§ 228 BGB)
    -> Gefahr geht von einer Sache aus. Täter bewältigt Nostandslage durch Einwirkung auf diese
    -> Um Kampfhund von sich abzuhalten, erschießt A den Hund

=> Defensiv- und Aggressivnotstand als leges speicales
-> in allen sonstigen Fällen: § 34 StGB

57
Q

Der rechtfertigende Notstand
Die rechtfertigende Pflichtenkollision

A

=> Liegt vor, wenn mehrere rechtlich begründete Handlungspflichten derart an einen Adressaten der Norm gerichtet sind, dass er die eine nur auf die Kosten der anderen erfüllen kann. Er muss also notwendig eine von ihnen verletzen, egal wie er sich auch verhält.

Bsp.: Kinder von V sind beide vom Ertrinken bedroht. V kann nur ein Kind retten.

2 Fallgruppen zu unterscheiden:

  1. Ungleichwertige Pflichten

-> Nicht rechtswidrig, wenn bei rangverschiedenen Pflichten die ranghöhere gewählt wird.
-> Menschenleben vor Sachgütern
-> Str. Garantenpflicht vs Solidarpflicht?
Bsp. T sieht wie seine Ehefrau und ihre Freundin zu ertrinken drohen. Er rettet F, E ertrinkt.
-> Menschenleben darf nicht gegeneinander abgewogen werden/ Hilfeleistung muss zumutbar sein (ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten)
-> Garantenpflicht = andere wichtige Pflicht -> Unterlassene Hilfeleistung entsteht nicht, wegen Unzumutbarkeit -> keine Pflichten kollidieren (h.M.)

  1. Gleichwertige Pflichten konkurrieren miteinander

-> Rechtfertigung bei Erfüllung einer der beiden Pflichten
-> Wahl, sich für eine oder andere zu entscheiden
-> Gewissensentscheidung oder moralisch billigswerte Motive müssen vorliegen

58
Q

Der rechtfertigende Notstand
Corona Pandemie
Ex-ante-Triage
Ex-post-Triage

A

a) Ex-ante-Triage
-> rechtfertigende Pflichtenkollision gleichwertiger Pflichten
-> Wahl

b) Ex-post-Triage
-> Arzt bricht bereits laufende Behandlung ab, um neu eingetroffene Patienten behandeln zu können
-> Unterlassungspflicht kollidiert
-> keine rechtfertigende Pflichtenkollision

59
Q

Die Verwirklichungsstufen der vorsätzlichen Tat und Strafbarkeit des Versuchs

A

Jede Vorsatztat durchläuft mehrere Stadien der Verwirklichung des Täterwillens. In der chronologischen Reihenfolge sind das:

  • Entschluss und Vorbereitungsstadium
    -> grds. straflos
    -> § 30 II Vebrechensverabredungen, Ausnahmen
  • Versuchsstadium
    -> beginnt gem. § 22 I wenn der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar ansetzt
    -> Eintritt in Versuchsstadium begründet den Beginn der Strafbarkeit des Verhaltens
  • …immer wenn es sich um ein Verbrechen handelt (§§ 23 I, 12 I StGB)
  • …bei Vergehen (§ 12 II StGB), nur wenn das Gesetz die Versuchsstrafbarkeit ausdrücklich bestimmt
  • (formelle) Vollendung
    -> tritt in dem Moment ein, indem der Täter alle im Gesetz genannten Tatbestandsmerkmale verwirklicht hat
  • Entscheidung, ob noch Versuch oder schon Vollendung entscheidet über
  • …Möglichkeit des strafbefreienden Rücktritts nach § 24
    -…Möglichkeit einer fakultativen Strafmilderung
  • Beendigungsstadium
    -> tatbestandlich-formelle Vollendung eines Delikts von materiell abschließender Beendigung zu unterscheiden
    -> liegt in dem Moment vor, in dem das strafbare Unrecht seinen Abschluss gefunden hat
    (Einsperren des Opfers = formelle Vollendung der Freiheitsberaubung, Freilassen = materielle Beendigung)
    -> Umstritten wie lange Mittäterschaft/Beihilfe noch möglich sind

Verfassungsrechtliche Vorgaben:
->Will Gesetzgeber, dass Geschehen strafrechtlich relevant wird, das noch nicht richtig verwirklicht ist, muss er es gesetzlich anordnen, § 22 ff. StGB

60
Q

Der Tatbestand des Versuchs
Hinreichender Tatentschluss

A

Muss umfassen:
- Vorsatz, alle obj. Tatbestandsmerkmale eines TBs zu verwirklichen
- besondere subj. Unrechtsmerkmale, soweit das entsprechende Delikt solche voraussetzt

-> Versuch eines Fahrlässigkeitsdelikts schon begrifflich unmöglich

  • Tatentschluss muss endgültig gefasst sein (von bloßer Tatgeneigtheit abzugrenzen)

-> Entscheidung über das “Ob” der Tat muss definitiv gefallen sein
-> Ausreichend: Täter hat Tatentschluss auf bewusst unsicherer Tatsachengrundlage gefasst und lässt sich Rücktritt offen
-> Rücktrittsvorbehalt -> offen gelassen, beim Eintritt bestimmter Bedingungen

61
Q

Der Tatbestand des Versuchs
Unmittelbares Ansetzen zur TB-Verwirklichung

A
  • Formel des unmittelbaren Ansetzen bestimmt Versuchsbeginn
  • Für die Bewertung ist von der Vorstellung des Täters auszugehen
    -> auf dieser Basis dann obj. prüfen, ob die Planrealisierung schon so weit ist, dass unmittelbares Ansetzen vorliegt
  • obj. und subj. Element enthalten
    -> liegt auf jeden Fall vor, wenn einzelne Teilakte der Tat schon verwirklicht wurden
    -> bei mehraktigen Geschehen, z.B. Betrug, muss die TB-Verwirklichung unmittelbar zur Schädigung des Opfers führen
62
Q

Der Tatbestand des Versuchs
Unmittelbares Ansetzen zur TB-Verwirklichung
Konkretisierung des Unmittelbarkeitserfordernisses
Theorien

A

Abgrenzung zwischen strafloser Vorbereitung und Beginn des strafbaren Versuchs

Falllösung: Keine Theorie als absolut gültig verstehen, eher verschiedene Aspekte kombinieren und das Ergebnis so abzusichern

Sphärentheorie:
-> Versuchsbeginn bei Eindringen des Täters in Schutzsphäre des Opfers
-> zwischen Tathandlung und erstrebtem Ziel besteht enger zeitlicher Zusammenhang

Theorie der Feuerprobe:
-> Versuchsbeginn, wenn Täter die Schwelle zum “Jetzt gehts los” überschritten
-> Tatplan hat kritische Situation überstanden

Gefährdungstheorie:
-> Stadium, in dem das geschützte RG aus der Sicht des Täters unmittelbar gefährdet erscheint

Zwischenaktstheorie:
-> Keine wesentlichen Zwischenschritte zw. Verhalten des Täters und TB-Verwirklichung mehr erforderlich
-> Geschehen als Einheit
-> h.M.

63
Q

Der Tatbestand des Versuchs
Unmittelbares Ansetzen zur TB-Verwirklichung
Qualifikationstatbestände

A

Verwirklichung eines Qualifikationsmerkmals
-> nach h.L. liegt in Verwirklichung eines Qualifikationsmerkmals nur dann unmittelbares Ansetzen vor, wenn dieses in unmittelbarem Fortgang des Geschehens verwirklicht werden sollte

Bsp.: Durch Unbrauchbarmachen des Feuerlöschers liegt kein Versuch der besonders schweren Brandstiftung, wenn Täter Gebäude erst Wochen später anstecken wollte

  • Im unmittelbaren Ansetzen zum Grunddelikt liegt nicht schon deshalb ein Versuch der Qualifikation, weil Tatentschluss des Täters darauf gerichtet war
64
Q

Untauglicher Versuch und Wahndelikt

A
  1. Untauglicher, grob unverständiger und irrealer Versuch

Untauglicher Versuch= Kann der Plan eines Täters objektiv von vornherein nicht zur TB-Verwirklichung führen, spricht man von untauglichem Versuch
-> strafbar § 23 III

Gründe für Untauglichkeit des Versuchs:
- mangelnde Eignung des Tatobjekts (Leiche, die für schlafende Person gehalten wird)
- Mangelnde Eignung des Tatmittels (Schuss mit ungeladener Waffe)
- str. mangelnde Eignung des Tatsubjekts

Grob unverständiger Versuch = Täter hat völlig abwegige Vorstellung von gemeinhin bekannten naturgesetzlichen Kausalzusammenhängen
-> strafbar § 23 III (Milderung möglich)

Bsp. Schuss mit Luftgewehr auf Flugzeug, um abzuschießen

Irreal abergläubischer Versuch = Täter versucht tb-Ziel mit irrealen, der menschlichen Beherrschung entzogenen Mitteln zu erreichen
-> straflos

Bsp.: Verhexen, Totbeten, Voodoo

Wahndelikt = Täter geht irrig davon aus, die von ihm richtig erkannten tatsächlichen
Umstände erfüllen den TB einer Verbotsnorm, die es aber nicht oder nicht so gibt
-> straflos

65
Q

Rücktritt vom Versuch und tätige Reue

A
  • § 24 StGB eröffnet dem Täter die Möglichkeit, durch Rücktritt vom Versuch Straffreiheit zu erlangen
  • Möglichkeit einer tätigen Reue davon abzugrenzen

Rücktritt und tätige Reue unterscheiden sich in zwei Punkten voneinander:

  • Rücktritt = Straffreiheit
  • tätige Reue = kann auch nur zur Strafmilderung führen
  • Rücktritt mit Deliktsvollendung ausgeschlossen
  • tätige Reue erfasst das Verhalten des Täters nach Deliktsvollendung
  • Rücktritt vom Versuch = persönlicher Strafaufhebungsgrund
    -> wirkt nur für den Zurücktretenden selbst und nicht für etwaige Mittäter oder Teilnehmer (diese können natürlich ihrerseits zurücktreten)
66
Q

Fehlgeschlagener Versuch

A
  • nach h.M. KEIN Rücktritt bei fehlgeschlagenem Versuch
    -> Täter lässt nur von TB-Verwirklichung ab, weil er sie ohnehin nicht mehr erreichen kann (ohne wesentlich zeitliche Zäsur)
    -> honorierbarer Verzicht fehlt

Wann liegt ein fehlgeschlagener Versuch vor?

  1. Einzelaktstheorie
    -> teilw. vertreten
    -> sieht in jedem einzelnen auf die Erfolgsverursachung gerichteten Ausführungsakt einen selbstständigen Versuchsakt
    => Gelangt schon zur Annahme eines fehlgeschlagenen Versuchs, wenn der erste Ausführungsakt den Erfolg nicht herbeigeführt hat

Bsp.: A schießt mit vollem Magazin auf O und verfehlt ihn beim ersten Schuss. -> fehlgeschlagener Versuch, weil erster Schuss Ziel verfehlt

  1. Tatplantheorie
    -> früherer Rspr.
    -> Vorstellungsbild des Täters von der Tatausführung maßgeblich
    => Hat Täter seinen Tatplan auf bestimmtes Mittel oder fest umrissene Anzahl von Ausführungsakten beschränkt, liegt fehlgeschlagener Versuch vor, wenn er diese Mittel ausgeschöpft hat, ohne den tb-Erfolg herbeigeführt zu haben
  2. Gesamtbetrachtungslehre
    -> h.M.
    -> stellt auf Vorstellungsbild des Täters nach der letzten Ausführungshandlung ab (sog. Rücktrittshorizont)
    -> fehlgeschlagener Versuch = wenn der Täter davon ausgeht, dass seine bisherigen Ausführungshandlungen den Erfolg noch nicht herbeigeführt haben und er auch davon ausgeht den angestrebten Erfolg mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr im unmittelbaren Fortgang des Geschehens ohne zeitliche Zäsur herbeiführen zu können.
67
Q

Korrektur des Rücktrittshorizonts

A

-> nach h.M. kann aus einem zunächst beendeten Versuch wieder ein unbeendeter Versuch werden, wenn der Täter sogleich nach der Tathandlung zu der Erkenntnis gelangt, dass er entgegen seiner ersten Einschätzung doch noch nicht alles zur TB-Verwirklichung Erforderliche getan hat.

Voraussetzung: Täter muss unmittelbar nach der letzten Ausführungshandlung seinen Irrtum erkennen und somit den Rücktrittshorizont Karrieren

68
Q

Erforderliche Rücktrittsleistung

A
  • Ist der Versuch nicht fehlgeschlagen, muss die Rücktrittsleistung bestimmt werden
  • gem. § 24 I 1 kann dazu die bloße Aufgabe der weiteren Tatausführung genügen ODER die Verhinderung der Vollendung (Alt.2) erforderlich sein
  • Die erforderliche Rücktrittsleistung hängt davon ab, ob ein beendeter oder ein unbeendeter Versuch vorliegt
  1. Der unbeendete Versuch, § 24 I 1 Alt. 1

-> wenn Täter noch nicht alles getan zu glauben hat, was nach seiner Vorstellung von der Tat zur TB-Verwirklichung erforderlich ist
-> h.M. hält die Sicht des Täters nach der letzten Ausführungshandlung maßgeblich

=> beim unbeendeten Versuch genügt die bloße Aufgabe der weiteren Tatausführung

  1. Der beendete Versuch

-> wenn Täter - nach der letzten Ausführungshandlung (Rücktrittshorizont, h.M.) - alles getan zu haben glaubt, was nach seiner Vorstellung von der Tat zur TB-Verwirklichung erforderlich ist

-> nach § 24 I 1 Alt. 2 Straflosigkeit für den Täter, wenn er die Vollendung der Tat verhindert
-> nach § 24 I 2 Straflosigkeit, wenn die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet wird, er sich aber ernsthaft um die Verhinderung der Vollendung bemüht

Verhinderung der Vollendung
-> Täter muss Kausalreihe in Gang setzen, die für die Nichtvollendung es Delikts zumindest mitursächlich wird

69
Q

Strafbarkeit im Hinblick auf das Gesamtgeschehen
Rücktritt vom Versuch

A

Mehraktige Fallgestaltung:

  • Beurteilung, o es sich um einen einheitlichen Vorgang oder um ein durch Zäsuren gekennzeichnetes mehraktiges Geschehen handelt ist unerlässlich
  • bei mehraktigen Geschehen ist das Vorstellungsbild des Täters nach der jeweils letzten Ausführung entscheidend
  • die tb-Handlungseinheit endet jedoch mit dem Fehlschlag des Versuchs
70
Q

Die natürliche Handlungseinheit

A

Eine natürliche Handlungseinheit und damit eine Tat im materiellrechtlichen Sinne liegt bei einer Mehrheit gleichartiger, strafrechtlich erheblicher Verhaltensweisen nur vor, wenn die einzelnen Betätigungsakte durch ein gemeinsames subjektives Element verbunden sind und zwischen ihnen ein derart unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht, dass das gesamte Handeln des Täters objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun erscheint.

71
Q

Rücktritt vom Versuch
Freiwilligkeit

A

Voraussetzung für strafbefreienden Rücktritt = Täter erbringt die jeweils erforderliche Leistung freiwillig

Freiwillig = Rücktritt, wenn er auf autonomen Gründen beruht
-> freie Entscheidung des Täters selbst
-> Autonome Gründe: Gewissensbisse, Reue, Mitleid, generelle Angst vor Strafe

Unfreiwillig = Rücktritt, wenn er auf heteronomen Gründen beruht
-> Täter wird aus Gründen zum Rücktritt gedrängt, die von ihm unabhängig sind
-> Heteronome Gründe: Eintreffen der Polizei/ Vorstellung des Täter die Tat sei bereits entdeckt

72
Q

Echte Unterlassungsdelikte

A

-> konkretes Delikt so gefasst, dass allein ein Unterlassen tatbestandsmäßig ist

-> Tätigkeits-, keine Erfolgsdelikte
- begründen Rechtspflicht zum Tätigwerden in sich selbst
- Normadressat = jeder Bürger, der zur Vornahme der gebotenen Handlung in der Lage ist

Bsp.:
- Unterlassen der Hilfeleistung gem. § 323c

73
Q

Unechte Unterlassungsdelikte

A

-> Verwirklichung grds. auch durch aktives Tun denkbar (Regelfall)
-> unter den zusätzlichen Voraussetzungen von § 13 können sie auch durch Unterlassen verwirklicht werden

  • TB-Bestandteil = nicht nur das Unterlassen einer gebotenen Handlung, sondern auch der Eintritt des tb-Erfolgs
    -> Erfolgsdelikte
    -> Handlungspflicht durch § 13 begründet
    -> Kreis der tauglichen Täter durch § 13 auf Personen begrenzt, die dafür einzustehen haben, dass der Erfolg nicht eintritt => Garanten
74
Q

Tatbestand der unechten Unterlassungsdelikte

A

I. Objektiver Tatbestand

  1. Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs
  2. Unterlassen der Rettungshandlung trotz physisch-realer Handlungsmöglichkeit.
  3. (Quasi-)Kausalität
    Die Vornahme der unterlassenen Handlung müsste mit an Sicherheit grenzender Wahr- scheinlichkeit zum Entfallen des (konkreten) Erfolgs geführt haben.
  4. Objektive Zurechnung
  5. Garantenstellung des Täters

-> Beschützergaranten (Schutzfunktion für ein bestimmtes RG)
- natürliche Verbundenheit: Partner, Verwandte gerader Linie, Geschwister
- enge Lebens- und Gefahrengemeinschaft: besonderes Vertrauensverhältnis als Voraussetzung
- Treu und Glauben (zurückhaltend)
- Tatsächliche freiwillige Übernahme von Schutz- und Beistandspflichten: Ärzte, Bademeister, Babysitter

-> Überwachergaranten (Überwachung einer Gefahrenquelle)
- Vorangegangenes, gefährdendes Tun (Ingerenz) -> gefährliches Vorverhalten einer Person kann rechtliche Einstandspflicht ergeben
-> Vorverhalten muss pflichtwidrig sein, um Garantenstellung auszulösen (Verletzung einer Norm)
-> Pflichtwidriges Vorverhalten, wenn Ingerent schuldlos/entschuldigt handelt?
- Vorverhalten für Garantenstellung kraft Ingerenz muss nicht schuldhaft sein

  1. Entsprechungsklausel gem. § 13 I StGB

II. Subjektiver Tatbestand

III. Rechtswidrigkeit

IV. Schuld
-> hier insbesondere: Zumutbarkeit des normgemäßen Verhaltens

75
Q

Unmittelbares Ansetzen beim Unterlassungsdelikt

A
76
Q

Garantenstellung
Überwachergaranten

A

Überwachergaranten = Überwachung einer Gefahrenquelle

  • Vorangegangenes, gefährdendes Tun (Ingerenz) -> gefährliches Vorverhalten einer Person kann rechtliche Einstandspflicht ergeben

-> Vorverhalten muss pflichtwidrig sein, um Garantenstellung auszulösen (Verletzung einer Norm)

-> Pflichtwidriges Vorverhalten, wenn Ingerent schuldlos/entschuldigt handelt?
- Vorverhalten für Garantenstellung kraft Ingerenz muss nicht schuldhaft sein

Garantenpflicht zur Überwachung von Gefahrenquellen (und Verkehrssicherungspflichten)

  • Verkehrspflicht zur Überwachung gegenständlicher Gefahrenquellen, die innerhalb des eigenen Herrschaftsbereichs einer Person liegen
    -> hat Gefahr so zu kontrollieren/zu sichern, dass sie Dritte nicht schädigt
    -> ohne Rücksicht auf Freiwilligkeit der Übernahme der Obhut/ unabhängig von Pflichtwidrigkeit von vorangegangenem Tun
    -> Bsp. Fahrer von Kfz treffen Verkehrssicherungspflichten des Halters, wenn ihm Kfz anvertraut ist
77
Q

Entsprechungsklausel, § 13

A
  • § 13 I verlangt Garantenstellung + als 2. Gleichstellungskriterium: Unterlassen muss der Verwirklichung des gesetzlichen TBs durch ein Tun entsprechen
  • reine Erfolgsdelikte: keine Bedeutung der Klausel
    -> Entsprechung erfolgt, weil Gesetz allein auf Eintritt des Erfolgs abhebt und nicht auf Art/Weise der Herbeiführung
  • Bedeutung der Klausel: bei sog. verhaltensgebundenen Delikten
    -> Art der Erfolgsverursachung wird näher beschrieben
    -> “heimtückisch”, “grausam”
    -> geforderte Modalitäten müssen auch beim Unterlassungsdelikt vorliegen
78
Q

Vorsatz beim Unterlassen

A

Zum Vorsatz gehört beim Unterlassungsdelikt:
Der Wille zum Untätigen in Kenntnis aller obj. Tatbestandsmerkmale und in dem Bewusstsein, dass die Abwendung des drohenden Erfolgs möglich ist

  • Vorsatz für Garantenstellung erforderlich -> Kenntnis über Umstände + über soziale Bedeutung
  • Irrtum über Garantenstellung = Tatumstandsirrtum -> Vater erkennt nicht, dass es sich um Sohn handelt
  • Irrtum über Garantenpflicht = Verbotsirrtum -> Vater erkennt Sohn, denkt aber er muss nicht helfen, weil volljährig
79
Q

Schuld bei unechten Unterlassungsdelikten

A
  • allgemeine Grundsätze der Schuld gelten

2 Besonderheiten:

  1. Gebotsirrtum
  • Begehungsdelikte -> Bezug auf rechtliches Verbot eines Tuns
  • Unterlassungsdelikte -> Bezug auf rechtliches Gebot eine Handlung vorzunehmen
    -> Täter muss wissen, dass er die Handlung nicht unterlassen darf
    -> wird wie Verbotsirrtum über § 17 I behandelt -> liegt vor, wenn Täter sich über Handlungspflicht irrt
  1. Zumutbarkeit normgemäßen Verhaltens
  • Strafbarkeit des Unterlassens steht immer unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit des normgemäßen Verhaltens
80
Q

Schuld bei echten Unterlassungsdelikten

A
  • Unzumutbarkeit lässt schon Handlungspflicht. und damit TB entfallen
  • Wortlaut § 323c -> keine Selbstgefährdung/Einbuße
81
Q

Versuch und Unterlassen

A
  • Unterlassungsdelikt kann im Versuchsstadium stecken bleiben
  • Versuch des Unterlassens nach § 22
    -> unmittelbares Ansetzen zur TB-Verwirklichung erforderlich

Konkretisierung des unmittelbaren Ansetzens beim Unterlassungsdelikt
-> mehrere Theorien

  1. Versuchsbeginn zu dem Zeitpunkt, in dem der Garant nach seiner Vorstellung erste zur Erfolgsabwendung taugliche Maßnahmen unterlässt
  2. Versuchsbeginn dann, wenn der Garant nach seiner Vorstellung die letzte zur Erfolgsabwendung taugliche Maßnahme ungenutzt verstreichen lässt
  3. h.M. -> Versuchsbeginn beginnt spätestens, wenn Tatobjekt unmittelbar gefährdet erscheint (nach Täteransicht)
    -> gibt der Täter die Möglichkeit des rettenden Eingriffs und das Geschehen aus der Hand, liegt darin bereits das unmittelbare Ansetzen
82
Q

Fahrlässigkeitsdelikte
Begriff

A
  • § 15 -> idR nur vorsätzliches Verhalten strafbar
  • Fahrlässigkeit muss gesetzlich angeordnet sein (bspw. §§ 222, 229)
  • Täter verwirklicht den TB ungewollt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt pflichtwidrig außer Acht lässt

Fahrlässigkeit im Strafrecht:
-> Kann Täter sein Verhalten zum Vorwurf gemacht werden?

  • Kein strafrechtlicher Vorwurf, wenn Täter nach seinen individuellen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht erkennen/vermeiden konnte, dass sein Verhalten zur TB-Verwirklichung führt
  • Nur bei Vorliegen von objektiven und individuellen Komponenten kann der Täter wegen Fahrlässigkeitsdelikts strafbar sein
83
Q

Unterscheidung bewusste und unbewusste Fahrlässigkeit

A
  • auf Strafzumessungsebene Unterscheidung bedeutsam

Unbewusst fahrlässig = wer die gebotene Sorgfalt außer Acht lässt und daher den TB eines Strafgesetzes verwirklicht, ohne dies zu erkennen

Bewusst Fahrlässig = Abgrenzung vom Eventualvorsatz umstritten
Nach h.M. = wer den Eintritt des tb-Erfolgs zwar als möglich erkannt hat, aber pflichtwidrig ernsthaft auf dessen Ausbleiben vertraut

84
Q

Fahrlässigkeit und Leichtfertigkeit

A
  • Einige Vorschriften (bspw. §§ 138 III, 251, 306c) lassen Fahrlässigkeit nicht ausreichen und verlangen Leichtfertigkeit

= Wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt. Die Gefahr des Erfolgseintritts drängt sich also geradezu auf.

  • stellen höhere Anforderungen an die Strafbarkeit als “normale” Fahrlässigkeitsdelikte
    -> Fahrlässigkeit lässt irgendeinen Sorgfaltspflichtverstoß ausreichen
    -> Leichtfertigkeit verlangen einen groben Sorgfaltspflichtvertsoß
85
Q

Erfolgsqualifizierter Versuch

A

= wenn schon der Versuch des Grunddelikts die qualifizierende schwere Folge herbeiführt

Bsp.: A schlägt O mit einer Pistole nieder, um dessen Wertsachen ungehindert entwenden zu können. Bei dem Schlag löst sich ein Schuss, der O tödlich trifft. Erschrocken fliegt A ohne Beute.

-> A hat schwere Folge des § 251 bereits zu dem Zeitpunkt herbeigeführt, in dem das Grunddelikt des Raubes § 249 noch im Versuchsstadium steckte

86
Q

Versuch der Erfolgsqualifiktaion

A

= wenn Täter bei versuchtem oder vollendetem Grunddelikt die qualifizierende Folge in seinen Vorsatz aufgenommen hat, er ihren Eintritt jedoch nicht bewirkt.

Bsp.: A schlägt O mit Pistole nieder, um ungehindert dessen Wertsachen entwenden zu können. A geht hierbei davon aus, dass O infolge zu Tode kommt. O wird in einer Notoperation gerettet.

  • Erfolgsqualifikationen gem. § 11 II Vorsatzdelikte -> Versuch einer Erfolgsqualifikation möglich
87
Q

Die Beteiligungsformen
Täterschaft und Teilnahme

A

Täterschaft = Täter ist, wer die Straftat selbst, durch einen anderen oder neben anderen oder gemeinschaftlich begeht.

Begehung einer eigenen Straftat
- Alleintäterschaft, § 25 I Alt. 2
- Mittelbare Täterschaft, § 25 I Alt. 2
- Mittäterschaft, § 25 II
- (Nebentäterschaft)

Teilnahme = Teilnehmer ist, wer einen andere zu denn vorsätzlich rechtswidriger Tat bestimmt oder zu einer solchen Tat Hilfe leistet.

Beteiligung an einer fremden Straftat:
- Anstiftung, § 26
- Beihilfe, § 27

88
Q

Alleintäterschaft, § 25 I Var. 1

A

Hier begeht der Täter die im TB umschriebene Handlung selbstständig.
-> in eigener Person

89
Q

Mittäterschaft, § 25 II

A
  • gemeinschaftliche Begehung einer Straftat durch mindestens 2 Personen

Wenn zwei Personen an einem Tatgeschehen arbeitsteilig zusammenwirken und nach einem gemeinsamen Tatplan agieren, wäre es nicht angemessen, die Handlungen der beiden Täter isoliert voneinander zu betrachten.

-> Tatbeiträge der einvernehmlich Agierenden werden sich gegenseitig zugerechnet, um dem Unrechtsgehalt der Tat gerecht zu werden

  • Arbeitsteiliges Zusammenwirken ist nicht zwingend ein Fall der Mittäterschaft
    -> es kommen Anstiftung und der Beihilfe in Frage
90
Q

Anstiftung, § 26

A

Der Anstifter verursacht den Tatentschluss auf Seiten des Täters, tritt dann aber im Zuge der konkreten Tatausführung nicht mehr in Erscheinung. Die Stellung des Anstifters zum Tatgeschehen zeichnet sich dadurch aus, dass er über keine Tatherrschaft verfügt.

91
Q

Beihilfe, § 27

A

Der Beihilfe Leistende zeichnet sich dadurch aus, dass er Hilfe zu einem Tatgeschehen leistet, ohne hierbei den Beteiligungsgrad eines Mittäters zu erlangen.

  • Die verschiedenen Beteiligungsformen können kombiniert auftreten
  • Denkbar: 2 Personen stiften gemeinsam eine Person zu einer Tat an
    -> Die gemeinsam Handelnden sind dann einer mittäterschaftlichen Anstiftung strafbar
92
Q

Nebentäterschaft

A
  • gesetzlich nicht geregelt
  • beschreibt aber auch keine eigene Täterschaftsform.

Es handelt sich lediglich um das nicht-mittäterschaftliche Zusammentreffen mehrerer Einzeltäterschaften, so dass der Begriff der Nebentäterschaft überflüssig ist

Der charakteristische Unterschied zur Mittäterschaft:
- Fehlender gemeinsamer Tatentschluss der handelnden Personen

  • Am häufigsten ist Nebentäterschaft im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte
    -> Mehrere, von unterschiedlichen Personen begangene Sorgfaltsverstöße in einen tatbestandlichen Erfolg münden
93
Q

Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme

A
  • ergibt sich immer dann, wenn es nach SV möglich erscheint, dass eine handelnde Person entweder Täter oder Teilnehmer sein könnte

2 Prüfungsstufen:
1. Was für ein Deliktstyp liegt vor? (allg. Delikten/ andere Deliktstypen)
2. Wie ist die Täterschaft zu ermitteln?

Abgrenzung bei besonderen Deliktstypen
-> Abgrenzung findet tatbestandsspezifisch statt

a) Sonderdelikt -> besondere Subjektivität des Täters strafbegründend -> bspw. Täter muss Amtsträger sein
b) Pflichtdelikt -> besondere Pflichtenstellung -> bspw. Täter kann nur sein, wer Vermögensbetreuungspflicht hat+
c) Eigenhändiges Delikt -> persönliche Ausführungshandlung -> Täter kann nur Fahrzeugführer selbst sein
d) Delikte mit überschießenden Innentendenzen -> besondere subj. Voraussetzungen -> Täter ist nur, wer Zueignungsabsicht hat

Abgrenzung bei Allgemeindelikten
-> umstritten
-> 2 konkurrierende Theorien

a) Gemäßigt subjektive Theorie (Rspr.)
-> Täterwille als maßgebliches Abgrenzungskriterium
-> anhand wertender Beurteilung aller Umstände zu ermitteln
-> insbes.: Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, Umfang der Beteiligung, Tatherrschaft, Wille zur Tatherrschaft
-> Kein Vorrang für irgendein Kriterium

b) Materiell-objektive Tatherrschaftslehre (h.M.)
-> Begriff der “Zentralgestalt” des Geschehens zur Bestimmung der Tätereigenschaft
-> Teilnehmer lediglich Randfigur des Geschenks

Zentralgestalt = planvoll lenkende oder mutgestaltende Tatherrschaft
-> kann TB-Verwirklichung nach ihrem Willen hemmen oder ablaufen lassen
-> Tatherrschaft = Vorsatz umfasste In-den-Händen-Halten des tatbestandsmäßigen Geschehensablaufs

Tatherrschaft bei:
- Unmittelbare Täterschaft = Handlungsherrschaft
- Mittelbare Täterschaft = Willens- oder Wissensherrschaft
- Mittäterschaft = funktionale Handlungsherrschaft
=> Wer Begehung der Tat ohne eigene Tatherrschaft veranlasst oder sonst fördert, kann nur Teilnehmer sein

94
Q

Abgrenzung bei Unterlassungsdelikten

A
  • unechte Unterlassungsdelikte -> Tätereigenschaft ergibt sich aus Garantenstellung
    -> Merkmal der Tatherrschaft keine Bedeutung

Schwierig Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bei Zusammentreffen eines handelnden Nicht-Garanten und eines unterlassenden Garanten

Bsp. A stößt Nichtschwimmer B ins Wasser. Vater V des B, ist geübter Schwimmer, sieht dies, reagiert aber nicht. Ist V Täter oder Teilnehmer?

a) Gleichbehandlungstheorie
-> Abgrenzung anhand der allgemeinen Kriterien
-> Subj. Merkmale/ Merkmale der Tatherrschaftslehre

b) Tätertheorie
-> Garant, der eine fremde Begehungstat nicht verhindert, immer als Täter zu verstehen
-> Täter ist, wer außerstrafrechtliche Sonderpflicht verletzt (unabhängig, ob Fremder die Tat durch aktive Handlung begeht)

c) Teilnahmetheorie
-> Garant, der eine fremde Begehungstat nicht verhindert, immer als Teilnehmer zu verstehen (soweit der Begehungstäter voll verantwortlich ist)
-> Begehungstäter habe Tatherrschaft inne

d) Differnezierende Theorie
-> Abgrenzung anhand der Form der Garantenstellung
- Obhut- oder Beschützergarant = Täter
- Sicherungs- oder Überwachungsgarant = Teilnehmer
-> sozial nähere Beziehung, besondere Verpflichtung

95
Q

Täterschaft und Teilnahme bei fahrlässigen Taten

A
  • keine Unterscheidung zwischen Täter und Teilnehmer
    -> Einheitstätersystem
  • TB-Verwirklichung knüpft lediglich an Verursachung an
96
Q

Voraussetzungen der Mittäterschaft
a) Gemeinsamer Tatentschluss

A

Mittäterschaft = das bewusste und gewollte Zusammenwirken aufgrund eines gemeinsamen Tatplans

Vorraussetzungen:
- obj. -> gemeinschaftliche Tatbegehung
- subj. -> gemeinsamer Tatentschluss

a) Gemeinsamer Tatentschluss

-> setzt das Einverständnis jedes Beteiligten mit dem gemeinsamen täterschaftlichen Vorgehen voraus. Alle Mittäter müssen die gemeinsame Begehung einer Straftat jeweils als Täter (nicht nur als Teilnehmer/unterlegenes “Werkzeug”) in ihren Willen aufgenommen haben.

aa) Herstellung des Einvernehmens
-> muss nicht ausdrücklich hergestellt werden, konkludente Einverständnis genügt
-> kann auch erst nach Tatbeginn hergestellt werden
-> bspw. stillschweigend Blick zuwerfen/nicken und Intention der anderen wird erkannt

!! nicht ausreichend: bloßes Billigen, Verdickung oder schlichtes Ausnutzen des Vorgehens eines anderen

bb) Exzess
-> gemeinsamer Tatplan er Beteiligten begründet mit dem Inhalt die Zurechnung der Tatbeiträge (!! begrenzt sie aber auch gleichzeitig)
-> Beteiligten können nur Tatbeiträge des anderen zugerechnet werden. die sich noch im Rahmen des Tatentschlusses halten

!! Verlässt ein Beteiligter den durch den gemeinsamen Tatentschluss abgesteckten Rahmen, indem er weitere, nicht abgesprochene Straftaten oder Qualifikationsmerkmale verwirklicht, so ist nur dieser Beteiligte allein hinsichtlich des überschießenden Teils verantwortlich.
-> Tatplan kann auch einvernehmlich geändert werden

cc) Verhältnis von Tatplan und Individualvorsatz der einzelnen Mittäter
Voraussetzungen für den subjektiven TB des einzelnen Mittäters:

  • Vorsatz nach den allgemeinen Regeln bei Erbringen des eigenen Tatbeitrags (auch im Vorbereitungsstadium)
  • Vorstellung bzgl. der Beiträge der anderen bei Bildung des gemeinsamen Tatentschlusses, die dem Tatplan entsprechen

Nicht erforderlich:
- zeitlich andauernder Vorsatz bzgl. der Beiträge anderer Mittäter bei deren Erbringung
-> für Vorsatz erforderlich: was der fragliche Mittäter zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nach allg. Lebenserfahrung erwarten konnte

dd) Willensübereinstimmung nach Deliktsvollendung (sukzessive Mittäterschaft)
-> umstritten, bis wann Willensübereinstimmung hergestellt werden muss
-> bes. wenn fraglicher Beteiligter erst nachträglich in bereits begonnenen Delikmtsausführung eintritt

97
Q

Willensübereinstimmung nach Deliktsvollendung (sukzessive Mittäterschaft)

A

-> umstritten, bis wann Willensübereinstimmung hergestellt werden muss
-> bes. wenn fraglicher Beteiligter erst nachträglich in bereits begonnenen Delikmtsausführung eintritt

  • unstreitig: sukzessive Mittäterschaft bis zur Vollendung des Delikts möglich
  • unstreitig: sukzessive Mittäterschaft nach Beendigung der Tat bei bloßem nachträglichen Einverständnis ausgeschlossen

Umstritten: Behandlung der sukzessiven Mittäterschaft in der Phase nach Vollendung bis zur Beendigung des Delikts:

  • Tatherrschaftslehre: nur bis zur Vollendung des Delikts möglich (kein Beherrschen mehr möglich)
  • Gemäßigt subjektive Theorie: in Phase zwischen Vollendung und Beendigung noch möglich
    -> fehlender Wille zur Tatherrschaft kann durch die übrigen Kriterien für Täterschaft überlagert werden
    -> kommunikativer Akt erforderlich: Nach Kenntnis und Billigung des von einem anderen begonnenen Handelns in tb-Geschehen als Mittäter eingreift und sich vor Beendigung der Tat zu gemeinschaftlicher weiterer Ausführung verbindet
98
Q

Voraussetzungen der Mittäterschaft
b) Gemeinschaftliche Tatbegehung

A

b) Gemeinschaftliche Tatbegehung
= Mittäter kann nur sein, wer einen als täterschaftliche Begehung zu wertenden Tatbeitrag erbringt

-> ob Tatbeitrag als täterschaftliche Begehung zu werten ist, bestimmt sich nach den allg. Grundsätzen zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme (-> gewisse Erheblichkeit)

Besondere Probleme bei: Erbringung des vereinbarten Tatbeitrags im Vorbereitungsstadium/nach der Vollendung

  • gemäßigt subjektive Theorie (Rspr.) -> Tatortanwesenheit nicht erforderlich, sofern sonstige Kriterien der Täterschaft erfüllt sind
    -> Person muss sich mit der Tat an der gemeinsamen Tat beteiligen wollen
  • h.M. -> verlangt keine unmittelbare Tatortanwesenheit, noch einen kommunikativen Kontakt während der Tatausführung
    => ausreichende Tatherrschaft begründende Mitwirkung liegt vor, wenn das “Beteiligungsminus” im Ausführungsstadium durch ein “Plus” der mitgestaltenden Deliktsplanung im Vorbereitungsstadium ausgeglichen wird (-> Planungs- und Organisationshoheit)

Weiterer Voraussetzungen:
- Mittäter muss besondere deliktsspezifische subjektive Merkmale, wie Zueignungsabsicht bei § 249 I selbst erfüllen (keine Zurechnung)

99
Q

Versuchsbeginn bei Mittäterschaft

A

-> Problematisch in Konstellationen, in denen die Mittäter zu unterschiedlichen Zeitpunkten in das Tatgeschehen eingreifen sollen

Einzellösung: für jeden Mittäter ist gesondert festzustellen, ob er bereits mit seinem Beitrag gem. § 22 unmittelbar zur Tat angesetzt hat

Gesamtlösung: Versuch beginnt für alle Beteiligten zu dem Zeitpunkt, in dem der erste Mittäter im Rahmen des gemeinsamen Tatentschlusses unmittelbar zur Tat ansetzt (h.M.)

Schein-Mittäterschaft
-> Tatbeteiligter nimmt lediglich irrig seine Stellung als Mittäter an
-> Voraussetzungen der Mittäterschaft sind objektiv nicht gegeben

  • Gesamtlösung auch bei vermeintlicher Mittäterschaft? -> h.M. lehnt ab
100
Q

Rücktritt bei mehreren Beteiligten (Täter oder Teilnehmer)
§ 24 II

A

Wegen Versuchs wird der rücktrittswillige Beteiligte nach § 24 II nicht bestraft,

  • wenn er die Vollendung der Tat verhindert oder
  • wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung der Tat zu verhindern, falls diese ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird

-> strenger als für Alleintäter

Rücktritt im Vorbereitungsstadium?
- Tatbeitrag bereits im Vorbereitungsstadium unwirksam => straflos, kein Rücktrittsfall
- Beitrag des Beteiligten wirkt bis in Vollendungsstadium fort
-> Tatbeitrag wirkt bis ins Vollendungsstadium weiter, obwohl Beteiligter versucht hat, ihn unschädlich zu machen
-> h.L. Aufkündigung bewirkt Ausscheiden der Mittäterschaft (nur Beihilfe möglich)
-> Rspr. Aufkündigung von Tatentschlusses wegen Fortwirkens des Tatbeitrags unerheblich

101
Q

Fahrlässige Mittäterschaft?

A
  • Rspr./ Teil der Literatur -> lehnen ab
    -> Vorsatz felt als Voraussetzung für gemeinsamen Tatplan
  • Literaturmeinung
    -> als gemeinschaftliche Pflichtverletzung verstanden
    -> Kausalitätsproblem dadurch gelöst
102
Q

Sonderfall des Verfolgerirrtums

A

Die bewaffneten A und B fliehen nachts nach einem misslungenem Einbruch. Vor dem Einbruchsversuch hatten die beiden vereinbart, bei der Flucht auf mögliche Verfolger schießen zu wollen. Als A hinter sich ein Keuchen hört, schießt er mit Tötungsvorsatz auf den Verfolger in der Dunkelheit. Tatsächlich handelt es sich bei dem vermeintlichen Verfolger um B, der vom Schuss des A verletzt wird.

A hat sich vorliegend wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht.
Auswirkung der Personenverwechslung auf die Strafbarkeit des B?

  • laut h.M. ist B wegen mittäterschaftlich begangenen versuchten Totschlags an einem Verfolger strafbar
    -> Der verletzte Mittäter haftet für das Handeln des unmittelbar handelnden Mittäters in gleichem Umfang, wie wenn er selbst Personenverwechslung begangen hätte und Komplizen verletzt hätte
    -> wegen untauglichen Versuchs strafbar
103
Q

Mittelbare Täterschaft, § 25 I Var. 2

A
  • Täter begeht die Tat durch einen anderen
    -> bedeutet, dass der unmittelbar Handelnde bloß die Marionette/das Werkzeug des Hintermanns (des mittelbaren Täters) ist
  • Notwendigkeit, die mittelbare Täterschaft von Beihilfe und Anstiftung abzugrenzen

Mittelbarer Täter ist gem. § 25 I Alt. 2 StGB:
Wer die Tat „durch einen anderen begeht“.
Der Täter instrumentalisiert dabei also einen anderen Menschen als sein „Werkzeug“ zur Begehung einer – seiner – Straftat.

  • Mittelbarer Täter wird auch als Hintermann bezeichnet
  • Der unmittelbar Handelnde wird auch Tatmittler, Vordermann oder „Werkzeug“ des Hintermanns genannt
104
Q

Charakteristikum der mittelbaren Täterschaft

A

Charakteristikum = die aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unterlegene Stellung des Tatmittlers und die beherrschende Rolle des Hintermanns, der die Sachlage richtig erfasst und das Gesamtgeschehen kraft seines planvoll lenkenden Willens ‚in der Hand’ hat“

Entscheidender Gedanke:
- Hintermann ist in der Lage, den Willen des Vordermanns zu steuern
-> erlangt damit mittelbar auch (Tat-)Herrschaft über die Tatausführung erlangt
-> (auch als Willensherrschaft bezeichnet)

Rahmen innerhalb dessen von Unterlegenheit des Vordermanns ausgegangen werden kann, dass sie dem Hintermann ein hinreichendes Maß an Tatherrschaft vermittelt, wird nicht immer einheitlich beantwortet

105
Q

Anerkannte Fälle der mittelbaren Täterschaft

A
  • relativ gesicherte Fälle der mittelbaren Täterschaft: Unterlegenheit des Vordermanns schlägt sich in rechtlich relevanten Verantwortungsdefizit nieder

Verantwortungsdefizit des Vordermanns kann sich ergeben aus:

  • der objektiven/subjektiven Tatbestandslosigkeit seines Verhaltens
  • der Rechtmäßigkeit seines Verhaltens
  • der Schuldlosigkeit seines Verhaltens

Aufbauregel: Mit Tatnächsten beginnen, damit Defekt des Vordermanns festgestellt werden kann
-> dann, ob es Hintermann zugerechnet werden kann

106
Q

Mittelbare Täterschaft
Defekt beim Vordermann
Defizit auf Ebene des objektiven TBs

A
  • Verhalten schon objektiv tatbestandslos

A bringt O dazu, dass sie versucht sich selbst umzubringen, ohne dass sie weiß, dass sie es gerade tut, wegen Geld.

O handelt objektiv tatbestandslos -> § 212 lediglich Tötung eines anderen Menschen
-> A könnte Verhalten zurechenbar sein

  • Fragwürdig, weil Tatmittler und Tatopfer in einer Person zusammenfallen
  • Kriterien zur Beurteilung der Freiverantwortlichkeit eines Willensentschlusses umstritten
    -> 2 verschiedene Perspektiven des Opfers werden eingenommen
  • Opfer als Täter gegen sich selbst (Exkulpationslösung)
  • Opfer als Opfer seiner selbst (Einwilligungslösung)

Exkulpationslösung
-> Freiverantwortlichkeit mit Hilfe der Schuldausschließungs- und Rechtfertigungsgründe zu bestimmen
-> Suizid ist eigenverantwortlich, wenn dem Suizidenten der Vorwurf schuldhaften Handelns gemacht würde, wenn er eine andere Person statt sich selbst getötet hätte

Einwilligungslösung (h.M.)
- für rechtfertigende Einwilligung geltende Regeln
- Suizid ist eigenverantwortlich, wenn Sterbewillige in die Tötung durch eine andere Person im Hinblick auf subjektive Voraussetzungen wirksam eingewilligt hätte

107
Q

Mittelbare Täterschaft
Defekt beim Vordermann
Defizit auf Ebene des subjektiven Tatbestands

A
  • Vom Hintermann ausgenutzte Tatumstandsirrtum des Vordermanns am klarsten und wenigsten umstrittenener Fall bei mittelbarer Täterschaft

Arzt gibt Krankenschwester Anweisung Spritze zu geben. Sie weiß nicht, dass sie damit tötet.

  • Ähnlich bei Ausnutzen von Erlaubnistatumstandsirrtum und vorspielen von Rechtfertigungslage
108
Q

Mittelbare Täterschaft
Defekt beim Vordermann
Defizit auf Ebene von RW & Schuld

A

Rechtswidrigkeit
- Vordermann handelt nicht rechtswidrig
-> Amtsträger handelt trotz Sachverhaltsirrtum rechtmäßig

Schuld

Benutzen von:
- Kindern, Jugendlichen, Geisteskranken
- Hintermann führt Schuldlosigkeit des Vordermanns selbst herbei (Drogen)
- Hintermann erregt beim Vordermann unvermeidbaren Verbotsirrtum, den er ausnutzt
- Hintermann beherrscht Willen den Vordermanns durch Nötigung

109
Q

Streitige Fälle der mittelbaren Täterschaft

A

= Anhaltspunkte für Unterlegenheit des Vordermanns -> enden jedoch nicht in Verantwortungsdefizit
-> Raum für mittelbare Täterschaft, obwohl der unmittelbar Handelnde volldeiktisch handelt und strafrechtlich verantwortlich ist
-> Täter hinter dem Täter

a) Nicht strafbezogene (Motiv-)Irrtümer

aa) Schlichter Motivirrtum
-> Hervorrufen von schlichtem Motivirrtum, noch keine mittelbare Täterschaft beim Hintermann

bb) Irrtum des Vordermanns über die Unrechtshöhe
-> Hintermann erreicht Irrtum bei Vordermann darüber wie hoch das Unrecht der Tat ist
-> sagt Gift würde nur zu kurzen Magenschmerzen führen, führt aber zu tagelangen Krämpfen
-> str.: Mindermeinung (+), h.M. (-) -> Vollverantwortlichkeit des Vordermanns

cc) Irrtum des Vordermanns über Tatobjekt
A will B erschießen. C hasst aber D, also lässt er A glauben, dass D der B ist, den er erschießen will. D stirbt
-> Mittelbare Täterschaft des C?
-> Eine Meinung (+), andere Meinung (-)

b) Vermeidbarer Verbotsirrtum
- Vordermann unterliegt vermeidbarer Verbotsirrtum, Verantwortlichkeit gem. § 17 S.2 nicht ganz ausgeschlossen
-> Volle Verantwortlichkeit, mittelbare Täterschaft abgelehnt
-> BGH bejahte mittelbare Täterschaft -> Vermeidbarkeit kein taugliches Abgrenzungskriterium

c) Qualifikationslos doloses Werkzeug
-> Hintermann setzt qualifikationsloses aber ansonsten voll verantwortlich handelndes Werkzeug zur Tatbegehung ein
-> Qualifikationslos= Hintermann ist nur Inhaber der Sonderpflicht und damit nur tauglicher Täter für Sonderdelikt

d) Absichtslos doloses Werkzeug

e) Organisatorische Machtapparate
aa) Rechtsgelöste Machtapparate -> Mauerschützenfall
bb) Ausdehnung auf Wirtschaftsunternehmen
-> h.M. dehnt mittelbare Täterschaft kraft Organisationsherrschaft auf Wirtschaftsunternehmen aus

d) Absichtslos doloses Werkzeug

110
Q

Irrtumsproblematiken der mittelbaren Täterschaft

A

a) Objektsverletzung des Vordermanns (error in persona vel objecto)
-> Strafbarkeit des mittelbaren Täters bei Verwechslung

M1: -> unbeachtlicher error in persona

M2: Vorsatz verneint, Verwechslung als vorsatzausschließender error in persona

M3 (überwiegend): differenziert danach, ob der Hintermann dem Vordermann die Individualisierung des Tatobjekts überlassen hat oder nicht

Wenn Individualisierung überlassen: -> Verwechslung für Hintermann unbeachtlich
Individualisierung nicht überlassen: -> für Hintermann vorsatzausschließende abberatio ictus

c) Irrtum über die Tatherrschaft

Hintermann kann sich auch über seine Tatherrschaft irren, in 2 denkbaren Konstellationen:

Unkenntnis über Beherrschung des Vordermanns
-> verkennt, dass er Vordermann beherrscht
-> Hintermann wollte lediglich anstiften, aber hat mittelbare Täterschaft erreicht
-> mittelbare Täterschaft scheidet aus, muss vom Vorsatz umfasst sein

Irrige Annahme über die Beherrschung des Vordermanns
-> Hintermann wollte mittelbare Täterschaft, hat aber nur Anstiftung erreicht
-> mittelbare Täterschaft scheidet aus, weil Tatherrschaft muss tatsächlich bestehen, nicht nur in Vorstellung
-> denkbar: versuchte mittelbare Täterschaft, wenn das Versuchsstadium erreicht wurde
-> oder: Anstifter (nach h.M. auch vollendete Anstiftung gegeben, wenn Hintermann denkt, Vordermann handele unvorsätzlich und rechtmäßig)

111
Q

Mittelbare Täterschaft
Versuchsbeginn

A
  • Versuchsstadium = Moment, in dem der Täter nach seiner Vorstellung von der Tat zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar ansetzt

Für Konkretisierung des Unmittelbarkeitserfordernisses haben sich für die mittelbare Täterschaft spezifische Konkretisierungsansätze herausgebildet:

Regelfall

a) Gesamtlösung
-> Vorder- und Hintermann als Einheit gesehen
-> Versuch beginnt auch für Hintermann, in dem Moment, in dem Vordermann unmittelbar zur TB-Verwirklichung ansetzt

b) Einzellösung
-> Reines Abstellen auf Verhalten des Hintermanns

Strenge Einzellösung
-> Versuch des Hintermanns beginnt bereits in dem Moment, in dem dieser zur Einwirkung auf den Tatmittler unmittelbar ansetzt

Herrschende modifizierte Einzellösung (Rechtsgutsgefährdungstheorie)
-> Versuch des Hintermanns beginnt, sobald er den Tatmittler aus Machtbereich entlassen hat und dieser nach der Vorstellung des Hintermanns von der Tat zur TB-Verwirklichung unmittelbar ansetzt

Vermittelnde Auffassung:
-> gutgläubiger Tatmittler: Versuchsbeginn entsprechend der strengen Einzellösung
-> bösgläubiger Tatmittler: Grundsätze der modifizieren Einzellösung

112
Q

Auswirkung des error in persona des Haupttäters auf den Anstifter

A
  1. Unbeachtlichkeitstheorie
    -> Irrtum für Anstifter umbeachtlich
  2. Wesentlichkeitstheorie
    - wesentliche Abweichung: Verwechslung nicht mehr im Rahmen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren
    -> kommt bei klaren Vorgaben des Anstifters in Betracht
    - unwesentliche Abweichung: Verwechslung im Rahmen dessen, was nach allgemeiner Lebenserfahrung vorhersehbar ist
    -> kommt in Betracht, wenn dem Opfer die Individualisierung des Opfers überlassen wurde
    => stets zu klären, inwieweit der Anstifter Verwechslungskriterien ausgeschlossen hat
  3. Aberratio-ictus-Theorie
    - aberratio ictus für den Anstifter
    - wer Aberratio ictus für umbeachtlich erklärt -> vollendete Anstiftung
    - wer beachtlich erklärt (h.M.) -> versuchte Anstiftung zu vollendetem Delikt
113
Q

Formen der Beihilfe

A
  • Physische und psychische

Physische Beihilfe meint die Erbringung einer irgendwie gearteten äußerlichen Hilfeleistung durch den Gehilfen. Die Mittel der Hilfeleistung sind dabei unbegrenzt.

Psychische Beihilfe
-> Innenwelt des Täters

(1) Kognitive Beihilfe
-> beratende Beihilfe (unstreitig)
-> Ratschläge. technische Hinweise, sonstige Infos -> Unterstützung bei Begehung der Tat

(2) Voluntative Beihilfe
-> str.
-> Tatentschluss des Täters wird bestärkt
-> teilw. abgelehnt
-> denkbar nach h.M. -> bei bereits zur Tat entschlossenem Täter werden Hemmungen beseitigt/Bedenken

ABER:
- bloße Mitwisserschaft führt nicht zur Mittäterschaft
- bloße Billigung an sich noch keine Beihilfe (nur wenn gegenüber dem Täter zum Ausdruck gebracht wird)
- besondere Bestärkung des Täters durch bloße Anwesenheit am Tatort?
-> kann Sicherheitsgefühl erhöhen, weil Anwesender eingreifen kann
-> kann zur Einschüchterung führen, weil jederzeit Eingriff zu Ungunsten

(3) Beihilfe ohne physischen/psychischen Beitrag zur unmittelbaren Tathandlung
-> insbes. im Zusammenhang mit staatlich organisierten Massenverbrechen

-> SS-Mann -> Beihilfe zum Mord wegen allgemeiner Dienstausübung im KZ

114
Q

Anforderungen an die Hilfeleistung

A

M1: abstraktes Gefährdungsdelikt, Vornahme einer nicht völlig ungeeigneten Hilfeleistung durch den Gehilfen ausreichend

M2: Gehilfenhandlung muss nicht für die Haupttat ursächlich sein
-> Beihilfehandlung muss die Haupttat irgendwie gefördert haben
-> kann auch für den Erfolg einflusslos geblieben sein

M3/h.L.: Gehilfenbeitrag muss kausal für den konkreten Erfolg der Haupttat geworden sein
-> Mitwirksamkeit ausreichend

M4/Risikoerhöhungslehre: keine Kausalität, Hilfeleistung muss Erfolgschancen erhöht haben

115
Q

Versuch der Beteiligung

A
  • Vorbereitungshandlungen stehen grds. nicht unter Strafe
  • bei einzelnen Delikten gibt Bestrafung bei Vorbereitungshandlungen
  • Versuchte Anstiftung
  • Sich-Bereiterklären
  • Annahme des Erbietens
  • Verbrechensverabredung
116
Q

Sich-Bereiterklären (Var.1)

A

Sich-Bereiterklären meint die im Sinne einer beabsichtigten Selbstbindung ernst gemeinte Kundgabe der Bereitwilligkeit zur Begehung eines Verbrechens gegenüber ei- nem anderen.

Ein Sich-Bereiterklären ist in zwei Formen denkbar:
1. Initiative eines Dritten: Der Täter nimmt die Anstiftung eines anderen an
2. Initiative des Erklärenden: Der tatgeneigte, jedoch noch nicht fest zur Tat Entschlossene tritt an andere heran und bekundet ihnen gegenüber den Willen, unter bestimmten Voraussetzungen ein Verbrechen begehen zu wollen
-> Erklärung des Erklärenden muss ernst gemeint sein
-> Subjektive Einstellung des Erklärungsempfängers hingegen ist unbeachtlich.

Grund für die Strafbarkeit des Sich-Bereiterklärens:
- Gefahr einer motivationalen Selbstbindung (s.o.), greife ebenso bei einem Sich- Bereiterklären ggü. dem Opfer

117
Q

Annehmen des Erbetenes (Var. 2)

A

Das Annehmen des Erbietens eines anderen ist die ernst gemeinte Erklärung, mit dem Angebot eines anderen, ein Verbrechen zu begehen, einverstanden zu sein.

118
Q

Verabredung (Var. 3)

A
  • Vorstufe zur Mittäterschaft

Eine Verabredung = die – auch konkludente – ernst gemeinte Willensübereinkunft mindestens zweier Personen, ein Verbrechen als Mittäter zu begehen oder einen Dritten gemeinsam zu einem Verbrechen anzustiften.

  • Bloße Verabredung, als Gehilfe zur Tat eines anderen beizutragen, ist straflos
  • h.M.: setzt die Strafbarkeit nach § 30 II Var. 3 StGB eine Willenseinigung von jedenfalls zwei tatsächlich zur Tatbegehung entschlossenen Personen voraus
    -> Tatgeschehen muss nicht bereits in alle Einzelheiten festgelegt worden sein
    -> Konkretisierung der Tat in ihren wesentlichen Grundzügen ausreichend

Ein innerer Vorbehalt eines Beteiligten:
-> Schließt Verabredung i.S.d. § 30 II StGB aus
-> Selbst der fest Entschlossene ist straflos, wenn der andere oder die anderen den inneren Vorbehalt haben, sich tatsächlich nicht als Mittäter an der vereinbarten Tat beteiligen zu wollen

119
Q

Rücktritt vom Versuch der Beteiligung

A

Für den Rücktritt vom Versuch der Beteiligung enthält § 31 StGB eine Sondervorschrift

Danach wird nach § 30 StGB nicht bestraft, wer freiwillig:

  • den Versuch aufgibt, einen anderen zu einem Verbrechen zu bestimmen und eine etwa bestehende Gefahr, dass der andere die Tat begeht, abwendet, (Nr. 1)
  • nachdem er sich zu einem Verbrechen bereit erklärt hatte, sein Vorhaben aufgibt (Nr. 2) oder
  • nachdem er ein Verbrechen verabredet oder das Erbieten eines anderen zu einem Verbrechen angenommen hatte, die Tat verhindert (Nr. 3)

Unterbleibt die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden oder wird sie unabhängig von seinem früheren Verhalten begangen, so genügt zu seiner Straflosigkeit gem. § 31 II StGB sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Tat zu verhindern.

120
Q

P.: Kausalität der Beihilfe

A

Problematisch, ob das Hilfeleisten für den Erfolg der Haupttat ursächlich sein muss.

  1. Förderungsformel (Rspr.)
    -> Hilfeleisten= jede Handlung, die für das zur Haupttat führende Geschehen in irgendeiner Form förderlich ist
    -> es muss keine Ursächlichkeit vorliegen
  2. Teile der Literatur
    -> Gehilfenhandlung muss für den Erfolg der Haupttat ursächlich sein (iSd csqn-Formel)
  3. Risikoerhöhungslehre
    -> Gehilfenbeitrag muss Risiko des Erfolgs erhöhen, jedoch nicht kausal sein.

STREITENTSCHEID

Rspr:
-> am besten mit Wortsinn des Gesetzgebers vereinbar (“Hilfeleisten”)
-> Zweck des § 27 entsprechend (muss zumindest Mitverursachen sein)

Gehilfe nur Randfigur, die erleichtert

121
Q

Erlaubnistatbestandsirrtum

A

P.: Wer Umstände annimmt, deren Vorliegen die Tat rechtfertigen würde, möchte in Einklang mit den Normen des Rechts agieren.
-> Frage: Kann diesem Täter vorgeworfen werden, dass er sich wissentlich+willentlich von der Rechtsordnung distanzierte?
Oder handelte er fahrlässig?

  1. Voraussetzungen des ETBI müssen vorliegen:
    a) Irrtum über Tatsachen
    b) Hypothetische Rechtfertigungslage (Vorstellungsbild des Täters)
    c) Hypothetische Rechtfertigungshandlung (Vorstellungsbild)
  2. Rechtsfolgen des ETBI (str.)

a) Vorsatzausschließende Theorien (Rspr.)
-> Irrtum bzgl. einer Rechtfertigungsvoraussetzung führt hiernach folglich zu einer direkten Anwendung von § 16 I 1 StGB
=> Vorsatz entfällt, Fahrlässigkeit bleibt bestehen

b) Vorsatzausschließende eingeschränkte Schuldtheorie
-> § 16 analog, Vorsatzausschluss

bb) Entschuldigende Theorien
-> entschuldigende Wirkung

cc) Strenge Schuldtheorie
-> für alle Irrtümer, also auch ETI gilt “streng” § 17
-> soll darauf ankommen, ob Irrtum vermeidbar war (wenn ja -> Vorsatz)
-> Kritik: Täter denkt er befindet sich im Einklang mit Rechtsordnung, Tatsachen werden verkannt

dd) Rechtsfolgenverweisende eingeschränkte Schuldtheorie
-> lehnt vorsatzausschließende Wirkung des ETI ab
-> Tat müsste in Rechtsfolgen einer fahrlässigen Begehung gleichgestellt werden
-> Ergebnis wird auch durch Analogie zu § 16 I erreicht
-> Vorsatzschuld wird verneint -> Fahrlässigkeit

122
Q

Irrtum über Vorliegen einer Einwilligung

A

-> bei gegebener Versuchsstrafbarkeit wegen untauglichen Versuchs des jeweiligen Delikts strafbar