Völkerrecht und Europarecht Flashcards

1
Q

Was ist der Anspruch und das Potential von Völkerrecht?

A
  • neutrale Normordnung/Regelordnung in internationalen Beziehungen zur Verfügung stellen
  • losgelöst von ideologischen, moralischen, politischen oder religiösen Fragen
  • man kann sich darauf berufen, ohne sich einer Ideologie o.ä. verschreiben muss
  • Potential für die Verständigung zwischen Staaten, z.B. in Konflikten
  • unabhängig von spektakulären Rechtsbrüchen (die es immer gibt), wirkt das VR in allen Bereichen der Internationalen Beziehungen konstitutiv
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2
Q

Welche Funktionen übt das Völkerrecht aus?

A
  • Jurisdiktionsabgrenzungsrecht: Bestimmungen darüber, welcher Staat was regeln darf, wenn es Auslandsbezüge gibt
  • Organisationsrecht: Gründungsverträge für Organe/IOs
  • Modernes Regulierungsrecht: Steuerung von Prozessen in der internationalen Gemeinschaft, z.B. Co2 Deckelung
  • Individualrechte: z.B. Menschenrechte
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3
Q

Was ist der Unterschied zwischen Völkergewohnheitsrecht und Vertragsrecht?

A
  • Völkergewohnheitsrecht: nicht schriftlich festgelegt, sondern durch fortwährende Praktizierung und längere Tradition entstandene Verbindlichkeit
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4
Q

Welches sind die Teilgebiete des Völkerrechts?

A
  • Allgemeines Völkerrecht
  • Recht der diplomatischen Beziehungen
  • Völkerrechtliche Raumordnung (Seerecht, Weltraumrecht, Antarktisvertrag etc.)
  • Umweltvölkerrecht
  • Wirtschaftsvölkerrecht (WTO-Welthandelsrecht, Investitionsschutz etc.)
  • Völkerrechtlicher Menschenrechtsschutz/ Flüchtlingsrecht
  • Humanitäres Völkerrecht
  • Völkerstrafrecht
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5
Q

Welche Völkerrechtssubjekte gibt es?

A
  • Staaten
  • Internationale Organisationen
  • Traditionelle atypische Völkerrechtssubjekte (Heiliger Stuhl, Internationales Komitee des Roten Kreuzes, Malteserorden)
  • Individuen 🥸
  • Völker/ Minderheiten
  • transnationale Unternehmen
  • internationale NGOs
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6
Q

Zwischen welchen Arten von Völkerrechtssubjekten unterscheidet man?

A
  • geborenes vs. gekorenes Völkerrechtssubjekt
  • originäres vs. derivatives Völkerrechtssubjekt
  • erstere sind Staaten; die anderen leiten ihre Völkerrechtssubjektivität von Staaten ab
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7
Q

Was sind die Rechtsquellen des Völkerrechts?

A
  • bis heute nicht kodifiziert bis auf Art. 38, Abs. 1, IGH-Statut, welches nennt:
  • internationale Übereinkünfte allgemeiner oder besonderer Natur
  • internationales Völkergewohnheitsrecht
  • allgemeine Rechtsgrundsätze
  • gerichtliche Entscheidungen, Lehrmeinungen der fähigsten Völkerrechtler
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8
Q

Welche sind allgemeine (quasi-universelle) Rechtsgrundsätze?

A

Allgemeine Rechtsprinzipien, die aus Vergleich der Rechtssysteme entwickelt und quasi-universell anerkannt werden. Beispiele:
- pacta sunt servanda: Verträge sind einzuhalten
- bona fides: Treu und Glauben
- Verbot von widersprüchlichem Verhalten

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9
Q

Was beinhaltet der Zweistufentest über internationales Gewohnheitsrecht?

A
  • von Friedrich Carl von Savigny (1779 - 1861 / Historische Rechtsschule) entwickelt
    1. fortwährende Praxis der Staaten
    1. Rechtsüberzeugung - Recht muss im “Volksgeist” leben
  • dieser Test ist nie in einen Vertrag überführt worden
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10
Q

Was ist das ius cogens?

A
  • zwingende Normen des Völkergewohnheitsrecht, stehen hierarchisch über Vertragsrecht und Gewohnheitsrecht
  • dazu zählen Folterverbot, Sklavereiverbot, Gewalverbot und Genozidverbot
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11
Q

Was sind die Probleme am Völkerrecht?

A
  • es gibt keine obligatorische Gerichtsbarkeit
  • Staaten können sich der Zuständigkeit des IGHs oder Spezialgerichten entziehen
  • Völkerrecht spielt in Art. 7 der UN-Charta eine untergeordnete Rolle
  • UNSC ist kein Gericht, sondern ein politisches Organ
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12
Q

Welche Rechtsquellen sind in Art. 38 des IGH-Statuts NICHT genannt?

A
  • rechtsverbindliche Beschlüsse von Internationalen Organisationen
  • einseitige Akte
  • Schweigen (acquiescence) 🤫
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13
Q

Was ist der Handlungsspielraum des UN-Sicherheitrats?

A
  • verbindliche Rechtsetzung
  • darf situationsbezogene (konkrete, individuelle) Rechtsnormen erlassen
  • Art. 39 UN-Charta: stellt fest ob Friedensbedrohung, Bruch des Friedens oder Angriffshandlung vorliegen
  • UNSC ist Exekutivorgan
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14
Q

Was ist eine einseitige Akte?

A
  • ein einseitiges Versprechen eines Staates
  • damit daraus Recht entsteht, muss es von einem Organ wie Regierungschef oder Minister gesprochen werden
  • kein Vertrag, kein Gewohnheitsrecht
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15
Q

Was passiert bei Schweigen (acquiescence)? 🤫

A
  • wenn ein Staat eine rechtliche Forderung erhebt und erwartet werden kann, dass der andere Staat darauf antwortet
  • und wenn der andere Staat schweigt
  • kann davon ausgegangen werden, dass die Forderung Rechtskraft entfaltet.
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16
Q

Wie ist das Verhältnis der unterschiedlichen völkerrechtlichen Normen zueinander?

A
  • grundsätzlich keine Hierarchie außer ius cogens
  • lex posterior derogat legi priori: jüngeres Recht schlägt älteres Recht über den gleichen Gegenstand
  • lex specialis derogat legi generali: spezielles Recht verdrängt allgemeines Recht
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17
Q

Was sind die wichtigsten Aspekte der Friendly Relations Declaration? 😍

A
  • UNGA Resolution 2625 von 1970, nachdem viele dekolonisierte Staaten der UN beigetreten waren
  • keine Änderung des Selbstverteidigungsrecht, nur Verweis auf Charta
  • Rebellen zu unterstützen ist eine indirekte Aggression
  • starkes Selbstbestimmungsrecht der Völker + Unterstützung eines schnellen Endes des Kolonialismus
  • Interventionsverbot und Verbot von wirtschaftlichem Zwang
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18
Q

Was sind die Ziele der Vereinten Nationen gemäß Artikel 1 UN-Charta?

A
  • Weltfrieden wahren
  • freundschaftliche Beziehungen zwischen den Nationen
  • internationale Zusammenarbeit
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19
Q

Was sind die Grundsätze (Prinzipien) der Vereinten Nationen gemäß Artikel 2 UN-Charta?

A
  • souveräne Gleichheit aller Mitglieder
  • Treu und Glauben
  • friedliche Streitbeilegung
  • Gewaltverbot, territoriale Integrität
  • Interventionsverbot (aber vertikale Intervention durch Kapitel VII ermöglicht)
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20
Q

Was sind Aspekte der souveränen Gleichheit (Art. 2, Abs. 1 🇺🇳 Charta + FRD)?

A
  • territoriale Integrität (feste Grenzen, Ausschließlichkeit)
  • politische Unabhängigkeit
  • Staatenimmunität (keine Hiearchie, keine Gerichte von Staaten gegenüber Staaten)
  • Stimmgleichheit in den IOs
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21
Q

Was sind Aspekte des Interventionsverbots?

A
  • vertikales Interventionsverbot Art. 2, Abs. 7 🇺🇳 Charta
  • Einmischungsverbot, wenn sie unter Anwendung oder Androhung von Zwang entsteht
  • domaine réservé/ domestic jurisdiction: Souveränitätskern, der nicht völkerrechtlich geregelt werden kann; jedoch wird dieser immer kleiner
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22
Q

Was sind Aspekte des Gewaltverbots?

A
  • Art. 2, Abs. 4 🇺🇳 Charta
  • weites Gewaltverbot
  • schließt Androhung von Gewalt ein
  • Ausnahmen: Selbstverteidigung gegen bewaffnete Angriffe (Art. 51 🇺🇳), durch UNSC Ermächtigung (Kapitel VII), Intervention auf Einladung
  • nicht anerkannte Ausnahmen: humanitäre Interventionen, R2P
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23
Q

Wobei handelt es sich bei der Monroe-Doktrin?

A
  • non-intervention durch USA in Europa und non-colonization in der westlichen Hemisphäre
  • von 1823
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24
Q

Wobei handelt es sich bei der Montevideo-Konvention?

A
  • Konvention über Rechte und Pflichten der Staaten
  • Vertrag von 20 amerikanischen Staaten von 1933
  • Ablehnung bewaffneter Interventionen in inneramerikanischen Angelegenheiten (Roosevelt)
  • Staatlichkeit nicht mehr abhängig von (konstitutiver) Anerkennung durch USA
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25
Q

Wie wird Völkerrecht durchgesetzt?

A
  • klassisch dezentral durch Repressalien (Gegenmaßnahmen) oder Retorsion (unfreundliche Akte)
  • zentralisiert durch IOs: z.B. exekutivische Durchsetzung durch UNSC
  • gerichtlich: durch zentrales Gericht IGH (keine obligatorische Gerichtsbarkeit), Schiedsgerichte, regionale völkerrechtliche Gerichte (EGMR, IAGMR etc.)
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26
Q

Was ist der Unterschied zwischen ständigen Gerichten und Schiedsgerichten?

A
  • Schiedsgerichte: ad hoc, ungerade Zahl, idR je ein Schiedsrichter 🧑‍⚖️ pro Partei ernannt, diese ernennen vorsitzenden Schiedsrichter
  • ständige Gerichte: Richter 👩‍⚖️ werden über Versammlung gewählt für eine bestimmte Zeit
  • auch Schiedsspruch ist völkerrechtlich verbindlich und muss von den Parteien umgesetzt werden
  • es gibt permanenten internationalen Schiedsgerichtshof in Den Haag
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27
Q

Was sind die Grundlagen des Internationalen Gerichtshofs (IGH)?

A
  • ist das Hauptrechtsprechungsorgan der 🇺🇳 (Art. 92 Charta)
  • Sitz in Den Haag
  • 15 Richter, von UNSC und UNGA mit je absoluter Mehrheit gewählt
  • entscheidet über zwischenstaatliche Rechtsstreitigkeiten und erstellt Gutachten
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28
Q

Was ist der Unterschied zwischen Gutachten und streitigen Verfahren inkl. Beispiele?

A
  • Verfahren: zwei Streitparteien; Ausgangspunkt ist Streitfall
  • Gutachten: Institutionen/Organe, die berechtigt sind, Gutachtenfragen zu stellen; Ausgangspunkt ist Rechtsfrage
  • Beispiele: Kosovo-Gutachten über Unabhängigkeitserklärung 2008; Mauer-Gutachten Israel
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29
Q

Welche zwei Schritte werden in einem streitigen Verfahren vom IGH immer angewandt?

A

preliminary objections:
- Prüfung ob IGH zuständig ist (Unterworfenheitserklärung, Parteifähigkeit)
- Zulässigkeit der Klage; handelt es sich um einen Rechtsstreit
materiellrechtliche Frage:
- liegt ein Verstoß gegen das VR vor?

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30
Q

Unter welchen Bedingungen ist der IGH zuständig?

A

Art. 36 IGH-Statut
- Ad hoc Zuständigkeitserklärung, wenn Streitparteien sich einig sind
- Compromissory clause: besonders vorgesehene Angelegenheiten aus Verträgen und Übereinkommen der UN; Vertrag enthält Klausel über IGH-Zuständigkeit
- Fakultativklausel: Art. 36, Abs. 2 IGH-Statut, Zuständigkeit des IGH als obligatorisch anerkennen; Voraussetzung: Unterwerfungserklärung (kann durch Vorbehalte limitiert werden)
- Forum prorogatum/ Rügelose Einlassung
- Gutachtenfunktion: Art. 65 - 68 IGH-Statut

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31
Q

Was ist eine rügelose Einlassung?

A
  • Staat A verklagt Staat B
  • Staat B tritt ein und wird voller Teil des Verfahrens und äußert sich nicht zu der Zuständigkeit oder wehrt sich nicht gegen diese
  • dann geht IGH davon aus, dass er zuständig ist, Schweigen als Zustimmung
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32
Q

Wie hat die Ukraine die Zuständigkeit des IGH im Fall des russischen Angriffskrieges begründet?

A
  • Russischer Angriffskrieg ab 24. Februar 2022 auf die Ukraine 🇺🇦 stellt Verstoß gegen das Gewaltverbot dar
  • Klage der Ukraine zum IGH (27.02.)
  • ad hoc: wird RUS nicht zulassen
  • Fakultativklausel: RUS hat keine allgemeine Unterwerfungserklärung abgegeben (und UKR auch nicht)
  • rügelose Einlassung: würde RUS nicht mitmachen
  • daher: compromissory clause.
  • einzige Möglichkeit: Genozidkonvention, von UNGA 1948 beschlossen, 1951 in Kraft getreten
  • Art. 9 Genozidkonvention: IGH ist zuständig für Streitfälle hinsichtlich Auslegung, Anwendung oder Durchführung der Konvention
  • RUS hat Einmarsch mit vermeintlichem Genozid in der Ostukraine begründet
  • IGH: daher liegt ein Streitfall im Sinne von Art. 9 Genozidkonvention vor
  • RUS: umfangreiche Stellungnahme gegen Zuständigkeit, erschien nicht zum Verfahren
  • IGH beschloss am 16.03. vorläufige Maßnahmen gemäß Art. 41 IGH-Statut: “shall immediately suspend the military operations”
  • DE und andere Staaten sind dem Verfahren beigetreten, man tritt nicht an der Seite einer Partei bei, sondern man sagt, wie man es interpretiert
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33
Q

Hat Deutschland eine allgemeine Unterwerfungserklärung beim IGH abgegeben?

A
  • 1973 UN-Beitritt, erst 2008 IGH-Unterwerfungserklärung abgegeben
  • Art. 36, Abs. 2 für Streitigkeiten, die NACH dem Datum der Erklärung entstehen
  • dadurch hat der IGH keine rückwirkende Zuständigkeit für WW2
  • Vorbehalte: Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte und Nutzung des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik für militärische Zwecke (wegen Rammstein, Irakkrieg)
  • bisher haben 73 andere Staaten die Erklärung abgegeben
  • Kritik: Kabinettsbeschluss (gegen Art. 59 Abs. 2 GG), nicht umfassende Unterwerfung, wie durch Art. 24, Abs. 3 GG geboten
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34
Q

Wie stehen das Selbstbestimmungsrecht der Völker und der Kolonialismus bzw. die Dekolonisierung miteinander in Zusammenhang?

A
  • ursprünglich Zielbestimmung in Art. 1, Abs. 2 UN-Charta
  • Bandung-Konferenz 1955: dekolonisierte Staaten in Asien und Afrika organisieren sich, sprechen sich für das Selbstbestimmungsrecht aus
  • NAM (non-aligned movement) und G77 als Kraft in den UN –> sich ausweitende Mehrheit der dekoloniserenden Staaten
  • Kolonialismus politisch vollständig diskreditiert = größte Errungenschaft der UN
  • Ursprünge: 19. Jhd. Nationalitätenprinzip (jede Nation hat das Recht auf ihren Staat), 1914 Woodrow Wilson SRV für ziviliserte/ europäische Staaten, nach 1945: dekoloniales Recht auf Ende des Kolonialismus
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35
Q

Welche sind die rechtlichen Grundlagen und die Inhalte des Selbstbestimmungsrechts der Völker?

A

Rechtliche Geltung:
- ursprünglich bloße Zielbestimmung, heute geltendes Völkerrecht (VGR)
- Art. 1, Abs. 2 UNCh
- Art. 1 und 27 IPbpR
- Art. 1 IPwskR
- FRD

Inhalt:
- inneres Selbstbestimmungsrecht (Minderheitenschutz) anerkannt
- äußeres Selbstbestimmungsrecht (Sezessionsrecht) umstritten, 4. Grundsatz in FRD, vom IGH 2008 Kosovo-Gutachten offen gelassen

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36
Q

Gibt es ein Recht auf Sezession?

A
  • Spannungslage zwischen dem äußeren Selbstbestimmungsrecht der Völker und der territorialen Integritätdes Ausgangsstaates
  • wenn die Regierung ein Volk nicht repräsentieren kann, z.B. im Fall von Apartheid (Südafrika) bzw. massiver Diskriminierung (es muss Blut fließen), gibt es ein Recht auf Sezession (Ausnahmefall!)
  • Normalfall: inneres Selbstbestimmungsrecht findet seine Grenze in der territorialen Integrität
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37
Q

Welche Voraussetzungen muss ein Staat erfüllen, um sich auf die territoriale Integrität berufen zu können (gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker)?

A
  • Gleichberechtigung und Selbstbestimmungsrecht der Völker respektieren
  • eine Regierung haben, die die gesamte Bevölkerung repräsentiert, ohne Unterscheidung von race, creed or colour.
  • Repräsentation heißt, dass vollberechtigte Bürger die Möglichkeit haben müssen, die demokratische Regierung mitzubestimmen (vs. koloniale Zustände, ohne Möglichkeit, Einfluss auf die Machtverhältnisse zu nehmen)
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38
Q

Selbstbestimmungsrecht der Völker: Wie hat der IGH auf die UNGA-Gutachtenfrage geantwortet, ob die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo (von Serbien) 2008 völkerrechtswidrig war?

A
  • er hat kein Verbot gefunden, daher war es wohl rechtmäßig
  • Lotus-Prinzip: jeder Staat ist souverän und ist nur dann dem VR unterworfen, wenn er sich einer anwendbaren Regel unterworfen hat
  • er ist frei, wenn es kein Verbot gibt, dem er zugestimmt hat
  • IGH bestätigt die souveräne Freiheit der Staaten
  • mit Absicht nicht auf äußeres Selbstbestimmungsrecht/ Sezession eingegangen, da sich sonst viele Völker darauf berufen könnten
  • IGH hat die Staatlichkeit Kosovos nicht bestätigt oder bestritten
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39
Q

Wer kann eine Gutachtenfrage beim IGH einreichen?

A
  • IGH Statut Art. 65: jedes Organ/ Organisation, die durch UNCh dazu berechtigt ist
  • UNCh Art. 96, Abs. 1: UNGA oder UNSC kann Gutachten des IGH einfordern
  • Art. 96, Abs. 2: andere Organe der UN oder Sonderorganisationen durch Ermächtigung der UNGA in ihrem jeweiligen Tätigkeitsbereich
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40
Q

Was sind die Merkmale eines Staates?

A
  • Definition nach Georg Jellinek: Staat als mit ursprünglicher Herrschaftsmacht ausgerüstete Verbandseinheit sesshafter Menschen.
  • drei Elemente: Staatsvolk, Staatsgewalt und Staatsgebiet
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41
Q

Was umfasst das Staatsgebiet?

A
  • Staatsgrenzen (oft strittig)
  • Grenzverläufe können durch UNSC RES festgelegt werden
  • in der Tiefe: kegelförmig bis zum Erdmittelpunkt
  • in der Höhe: den gesamten Luftraum in 80km höher, der Weltraum gehört keinem Staat
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42
Q

Welche Arten des Erwerbs von Staatsterritorium gibt es?

A
  • originärer Erwerb: wo niemand lebt (terra nullius), Analogie zum Privatrecht (herrenlose Sache),
  • Okkupation durch effektive Besitznahme
  • Anschwemmung
  • umstritten: künstliche Landgewinnung
  • derivativer Erwerb: Territorium von einem anderen Völkerrechtssubjekt bekommen
  • Zession: Abtretung durch Vertrag oder einseitige Erklärung
  • Ersitzung
  • Adjukation: durch Richterspruch, Eigentumswechsel durch verbindliche Kraft des Urteil
  • Übergabe an kolonisiertes Volk (nach uti possidetis juris Prinzip, Grenzen sind zu respektieren, nur dann wurde Unabhängigkeit anerkannt)
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43
Q

War die koloniale Landnahme durch das Völkerrecht abgedeckt?

A
  • Afrika war besiedelt, ohne europäisches Grenzverständnis, originärer Erwerb nicht möglich
  • Verträge der europäischen Handelskompanien wurde ausgebaut, deutsches Reich ist in die Verträge eingestiegen
  • Verträge respektierten eigentlich die Hoheit der local chiefs, es waren keine Abtretungsverträge
  • Dreiteilung der un-/halb-/zivilisierten Völker –> keine Völkerrechtssubjektivität den “Wilden” zugesprochen; Verträge waren daher null und nichtig
  • Theorie der herrenlosen Souveränität: “Wilde” sind nicht souveränitätsfähig
  • insgesamt anmaßend: europäisches VR auf afrikanischen Kontinent anwenden
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44
Q

Was besagt die Stimson-Doktrin?

A
  • 1932 nach japanischer Annexion der Manschurei entwickelt
  • Annexionsverbot
  • gewaltsame Einverleibung fremden Territoriums stellt keinen Gebietserwerb im Sinne des Völkerrechts dar
  • VR verlangt kontrafaktische Annahme: Krim dauerhaft als UKR Staatsgebiet anzusehen, auch wenn es zu praktischen Probleme führt
  • Irak annektiert Kuwait 1990: has no legal validity, is considered null and void
  • Praxis: immer miterklären, dass man nicht anerkennt, dass es eine RUS Herrschaftsstruktur gibt, auch wenn man mit RUS sprechen muss
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45
Q

Was sind Vor- und Nachteile von festen Grnezen?

A
  • Nachteile: aggressiver, ausschließender Aspekt
  • Vorteile: Schutz für Imperien und Emanzipationsmöglichkeiten für kleine Staaten
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46
Q

Welche Hoheitsrechte haben Anrainerstaaten seewärts? Was ist kein Staatsgebiet?

A
  • 12 Seemeilen Küstenmeer und den Luftraum über dem Meer
  • Küstenmeer: Art. 2 - 32 SRÜ

Kein Staatsgebiet aber besondere Rechte:
- Anschlusszone (Art. 33 SRÜ)
- Festlandsockel (Art. 76 ff. SRÜ)
- max. 200 Seemeilen Exclusive Economic Zone (Art. 55 ff. SRÜ)
- eigene Schiffe und Missionen

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47
Q

Was sind Gemeinschaftsräume?

A
  • Hohe See
  • Tiefseebooden
  • Vllt. auch Weltraum, Antarktis
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48
Q

Staatsgebiet: Was ist die Problematik der Inseln?

A

Art. 121 SRÜ
- Inseln gehören zur Landfläche
- Abgrenzung Felsen vs. Insel
- Insel generiert Hoheitszone, d.h. hat Küstenmeer, ausschließliche Wirtschaftszone und ggf. Festlandsockel
- kann enorme Ausdehnung des eigenen Ausbeutungsgebiets darstellen
- Problem der low tide elevations und künstliche Inseln –> künstl. I. fürden in EEZ errichtet werden, begründen aber selbst keine EEZ und andere Hoheitszonen

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49
Q

Wie wird das Staatsvolk definiert?

A
  • gemäß innerstaatlichem Staatsangehörigkeitsrecht
  • VR verlangt “genuine connection” zw. Staat und Individuum, bes. bei Einbürgerung (Nottebohm-Urteil, IGH 1955)
  • je nach Staat verschiedene Anknüpfungspunkte: ius soli, ius sanguinis
  • Meehrstaatlichkeit kein Problem, ergibt sich aus o.
  • Staatenlosigkeit großes Problem, insbes. aufgrund von mangelnder Rechte
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50
Q

Wie wird die Staatsgewalt definiert?

A
  • Effektivitätsprinzip: tatsächliches Bestehen der Herrschaft ist entscheidend, Regierungsform egal
  • innere Dimension: tatsächliche Herrschaft über das Staatsgebiet
  • äußere Dimension: Fähigkeit, nach außen rechtlich unabhängig zu handeln
  • Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit: ein Staatsgebiet - eine Staatsgewalt
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51
Q

Welche Sonderfälle der Staatsgewalt gibt es?

A
  • Übertragung der (inneren/äußeren) Staatsgewalt
  • Mehrfache Staatsgewalt auf demselben Territorium
  • Verlust der Staatsgewalt
  • stabilisierte de-facto-Regime
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52
Q

Welche Formen der Übertragung der Staatsgewalt gibt es?

A
  • Protektorat: Staat bleibt souverän, Schutzmacht nimmt Interessen des Entsendestaats nach außen wahr, Bsp.: Monaco, San Marino
  • Internationale Verwaltung: Kosovo ab 1999 (bis?) unter UN-Verwaltung (UNMIK); über Kapitel VII Resolution, UN-Hochkommissar/Beauftrager ist Regierungschef
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53
Q

Welche Formen der mehrfachen Staatsgewalt auf demselben Territorium gibt es?

A
  • Koimperium: gemeinsam ausgeübte Souveränität über fremdes Territorium, welches selbst souveränes VR-Subjekt bleibt; Bsp. BRD und DDR bis 2+4-Vertrag
  • Kondominium: gemeinsame Herrschaftsausübung über eigenes Territorium, Bsp.: Schleswig-Holstein 1964-66 unter Preußen und Österreich
  • Exilregierung: Ausübung der Personalhoheit vom Gebiet eines fremden Staates aus, mit dessen Zustimmung; geht nur in Zeiten des bewaffneten Konflikts, Bsp.: PL Regierung in London
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54
Q

Was ist Personalhoheit?

A
  • Herrschaftsmacht des Staates über seine Staatsangehörigen, unabhängig von deren Aufenthaltsort
  • erlaubt Regelung des Verhaltens der Staatsbürger (aktives P.) und von Dritten gegenüber den Staatsbürgern (passives P.) auch im Ausland
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55
Q

Welche Formen des Verlusts der Staatsgewalt gibt es?

A
  • besetzte Gebiete: Herrschaftsgewalt in Hand der Besatzer, besetzter Staat besteht fort, Eingliederung nur mit Zustimmung der besetzten Partei
  • failed states: Staatsgewalt untergegangen oder an nichtstaatliche Akteure verloren; Kontinuitätsvermutung: Verlust der Staatsqualität erst bei endgültigem Verlust der Staatsgewalt
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56
Q

Was sind stabilisierte de-facto-Regime?

A
  • nichtstaatliche Akteure mit effektiver Kontrolle über ein bestimmtes Gebiet
  • nahezu vollständige VR-fähigkeit: Gewaltverbot gilt, Recht der Staatenverantwortlichkeit, diplomatischer Kontakt möglich, aber ohne offizielle Mission (sonst Anerkennung), Abschluss völkerrechtlicher Verträge möglich, innere Rechtsetzung für andere Staaten verbindlich
  • Bsp.: Taiwan, PNA in Gaza oder Westbank nach Osloabkommen
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57
Q

Wie ist der Konflikt zwischen Israel und Palästina völkerrechtlich entstanden?

A
  • Staatsgründungskrieg 1948, die Palästinenser haben den Teilungsplan abgelehnt
  • palästinensischen Staat gab es vorher nicht, aber die Palästinenser
  • Besatzungsregime wegen 6-Tage- und Yom-Kippur-Krieg, daraus entsteht Sondersituation der über 50-jährigen Besatzung
  • während/durch Besatzung ist Staat Palästina entstanden
  • IGH Mauergutachten und vierte Genfer Konvention sollten beachtet werden
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58
Q

Was sind die Grundlagen des Seevölkerrechts?

A
  • auf hoher See gibt es Freiheit, dort hat kein Staat Regelungskompetenzen
  • früher ging es hauptsächlich um Verkehrswege, heute um Ausbeutung von Ressourcen des Meeres
  • UNCLOS/SRÜ von 1982
  • Probleme: künstliche Inseln, low tide elevations, Felsen voneinander abgrenzen; Kollision und Abgrenzung von Zonen, die überlappen
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59
Q

Welche Normen sind bei Abgrenzungsproblemen im Seerecht anzuwenden?

A
  • Abgrenzung: Art. 74 UNCLOS, fordert equitable solution (eine der Billigkeit entsprechende Lösung)
  • keine materiell-rechtliche, sondern eine verfahrensrechtliche Norm; Verweis auf Streitschlichtungsmechanismen
  • Lösung muss alle Interessen berücksichtigen
  • Praxis: median line/ Äquidistanzlinie, von beiden Küsten gleich weit entfernt
  • wenn Inseln auf der “falschen” Seite liegen: dazu keine Norm in SRÜ
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60
Q

Was ist der “Drei-Stufen-Ansatz”, der von Gerichten in der Praxis zur Abgrenzung von Hoheitsgebieten auf der See verwendet wird?

A
  1. vorläufige Äquidistanzlinie anhand geometrischer Daten bilden
  2. Faktoren berücksichtigen, die für eine Veränderung der Linie sprechen, um zu einem “equitable result” (einer billigen Lösung) zu führen
  3. Die Linie wird einer Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen, im Verhältnis zu den jeweiligen Küstenlängen und zu den Gebieten, die den Staaten dann zustehen würden.

Aber: das ist reine Praxis von Gerichten, steht aber in keiner Norm

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61
Q

Warum möchte man nicht, dass ein Staat untergeht?

A
  • z.B. durch Verlust von Staatsgewalt bei einem failed state
  • Kontinuitätsvermutung, weil dann das internationale Recht nicht mehr greift, Rechten und Pflichten also auch nicht mehr anwendbar sind
  • failed states bleiben daher Staaten, nur temporär defizitär in Bezug auf Staatsgewalt
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62
Q

Was ist eine Dismembration?

A
  • Staatsverfall so wie Sowjetunion/ Tschechoslowakei, die in mehrere Einzelstaaten verfallen sind
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63
Q

Was sollte man bei Staatsqualität und Staatenanerkennung beachten?

A
  • Staatsqualität richtet sich nach der 3-Elemente-Lehre
  • Anerkennung ist deklaratorisch von anderen Staaten
  • Staat kann Staat sein, aber von niemandem anerkannt, das ist unabhängig voneinander
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64
Q

Wie funktioniert die Anerkennung von Staaten?

A
  • Völkerrechtssubjekt gibt zu erkennen, dass es betreffenden Staat ebenfalls als Völkerrechtssubjekt anerkennt.
  • geht normalerweise mit Aufnahme diplomatischer Beziehungen einher
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65
Q

Wie unterscheiden sich konstitutive und deklaratorische Anerkennung voneinander?

A
  • Anerkennung ist nur deklaratorisch, rechtsbestätigend, dass sich ein Staat eo ipso gebildet hat (mit 3 Elementen)
  • deklaratorische Theorie heute absolut anerkannt, aber ob ein Staat UN-Mitglied ist oder nicht, ist immer noch starkes Indiz für Staatlichkeit
  • deklaratorische Anerkennung als Indiz, aber nicht Voraussetzung für Staatsqualität
  • konstitutiv wäre rechtsbegründend; Staatenpraxis spricht dafür, dass Anerkennung eines Neustaats durch die Altstaaten staatsverleihend ist.
  • bei konstitutiv: die schon bestehenden Staaten entscheiden, wer noch Staat werden kann; Praxis der Pentarchie, wurde von LatAm, OsmR, Jap kritisiert
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66
Q

Warum ist eine verfrühte Anerkennung von Staaten ein Verstoß gegen das Interventionsverbot?

A
  • Anerkennung ist enorme politische Stärkung für separatistische Bestrebungen
  • Unabhängigkeitsbestrebungen finden immer auf bestehendem Staatsgebiet statt, da es keine freien Territorien mehr gibt
  • Einmischung in den Konflikt, Aberkennung/Verkleinerung der territorialen Integrität des Ausgangsstaates
  • Bsp.: sehr früher Anerkennung DEs von Slowenien und Kroatien (Dezember 1991), als Grenzen noch umstritten waren
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67
Q

Wie funktioniert die Anerkennung von Regierungen?

A
  • Anerkennung, dass bestimme Gruppe von Menschen für die Staatsgewalt spricht
  • de jure Anerkennung: die volle Anerkennung aussprechen, Legitimität anerkennen; Botschafter akkreditieren lassen, Verträge machen etc.
  • darunter: de facto Anerkennung, mit Reg. sprechen, weil sie bestimmtes Territorium de facto beherrscht
  • Anerkennung von Regierungen ist nur deklaratorisch (nicht konstitutiv)
  • verfrühte Anerkennung von Regierung ist Verstoß gegen das Interventionsverbot + Reg. kann Rechte und Pflichten mangels Kontrolle kaum erfüllen
  • in den letzten Jahren nicht nur Effektivitätsprinzip, sondern auch Legitimität (kleine Staaten dagegen)
  • Tobar-Doktrin (1907) setzt sich nicht durch (aus Revolution hervorgegangene Regierungen nicht anerkennen)
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68
Q

Warum unterscheidet man zwischen Anerkennung von Regierungen und von Staaten?

A
  • Staat als Ganzes anerkennen vs.
  • ein Element eines Staates anerkennen
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69
Q

Was ist ein Schurkenstaat (Rogue State)

A
  • politische Definition der USA: Staaten, die Terrorismus unterstützen
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70
Q

Wie wird die Regulierungszuständigkeit/ Jurisdiktion festgelegt?

A
  • Staaten dürfen Fälle mit Auslandsbezug nur regulieren, wenn sie einen völkerrechtlich anerkannten Bezug dazu aufweisen
  • ohne Anknüpfungspunkt die Jurisdiktionsbefugnis auf einen Auslandssachverhalt zu erstrecken ist ein Verstoß des Interventionsverbots
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71
Q

Was sind anerkannte Anknüpfungspunkte für die Jurisdiktionsbefugnis?

A
  • Territorialität (Gebietshoheit), Wirkunsprinzip (Auswirkung auf eigenen Staat reicht)
  • Personalitätsprinzip: ergibt sich aus Personalhoheit
  • Schutzprinzip: bei starkem Bezug zum Staat (Bsp.: Terror/Spionage)

–> dadurch kann es zu Überlappungen der Jurisdiktionsbefugnisse kommen, daher gibt es Auslieferungsverträge

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72
Q

Was sind Ausnahmen der Jurisdiktionsbefugnisse?

A
  • Universalitäts/Weltrechtsprinzip: so schlimme Verbrechen, dass sie von allen abgeurteilt werden können
  • wenn Immunitätsregeln nicht greifen!
  • bei Piraterie, Genozid, Menschenhandel, Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach Völkerstrafgesetzbuch, Kriegsverbrechen
  • Weltrechtsprinzip ist Völkergewohnheitsrecht
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73
Q

Was ist das Völkerstrafgesetzbuch?

A
  • Umsetzungsgesetz des Rom-Status in deutsches Recht
  • deutsche strafrechtliche Bestimmungen, die das Weltrechtsprinzip anwenden
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74
Q

Staatennachfolge: Welche Fälle der Veränderung staatlicher Identität gibt es?

A
  • Sezession: Süd-Sudan 2011, Ausgangsstaat bleibt erhalten; Ergebnis: zwei Staaten
  • Inkorporation: zwei Ausgangsstaaten, Ergebnis: ein Staat, Identität des inkorporierenden Staates bleibt erhalten, Territorium vergrößert sich
  • Dismembration: Jugoslawien, UdSSR, CSFR –> gehen unter (anders als bei Sezession), auf Territorium entstehen neue Staaten
  • Fusion: aus Tanganjika und Sansibar wird Tansania
    (- Annexion: Identität verändert sich eben nicht! Auch wenn die Staatsgewalt faktisch begrenzt wird)
  • uti possidetis iuris Doktrin in der Dekolonisierung: Grenzverträge haben trotz Veränderung der Identität der Staaten Bestand
    Das ist ein unumstrittenes, anerkanntes Prinzip im Völkergewohnheitsrecht zur Staatennachfolge, ansonsten wenig reguliert.
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75
Q

Worum handelt es sich beim Recht der Staatenverantwortlichkeit?

A
  • völkerrechtliches Haftungsrecht
  • welche Folgen treten ein, wenn gegen Völkerrecht verstoßen wurde
  • Rechtsquelle: International Law Commission, 2001, Articles of State Responsibility (“Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts”) –> haben Völkergewohnheitsrecht, Staatenpraxis und opinio iuris analysiert
  • Annex von einer (unverbindlichen) UNGA Resolution (welcher?), daher keine echte Kodifikation
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76
Q

Was ist die International Law Commission?

A
  • Völkerrechtsexpertenausschuss, der den Vereinten Nationen beratend zur Seite steht
  • denkt über neue Konventionsprojekte und Kodifikationen nach
  • war als Organ gedacht, das Kodifikationen anstößt, um ungeschriebenes Recht in geschriebenes Recht 👩‍⚖️ zu überführen
  • wurde 1947 von UNGA eingesetzt
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77
Q

Was sind Auslöser der Staatenverantwortlichkeit, gemäß den Articles on State Responsibility (2001)?

A

Artikel 2, ASR: Völkerrechtswidriges Handeln liegt vor, wenn ein Verhalten
- dem Staat zurechenbar ist
- eine Verletzung einer völkerrechtlichen Verpflichtung begründet
Kapitel 5, ASR (Kommentar)
- außer wenn Umstände zutreffen, die die Völkerrechtswidrigkeit ausschließen

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78
Q

Welche sind die wichtigen Artikel aus Articles on State Responsibility (2001, ILC)?

A
  • Art. 3 ASR über Verhalten: Handeln oder Unterlassen, Drittstaaten
  • Art. 4 ff. ASR über Zurechnung
  • Art. 12 ff. ASR über Rechtsbruch
  • Art. 20 ff. ASR über Umstände, die die Rechtswidrigkeit ausschließen: tatbestandsausschließende Gründe und Rechtfertigungsgründe
  • Art. 28 ff. ASR über Rechtsfolgen
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79
Q

Welche sind die drei wichtigen Fälle in Bezug auf Staatenverantwortlichkeit?

A
  • Nicaragua-Fall: Unterstützung von Rebellen durch USA
  • Teheraner Geiselfall: 1979/80 unterlassene Handlung der iranischen Autoritäten
  • Ukrainekrieg: 2022, Beteiligung von Belarus?
  • Chagos-Fall: Vertreibung durch UK bei Unabhängigkeit von Mauritius 🇲🇺 (1968); Chagos-Archipel diente als Militärbasis der Briten, wollten es nicht abgeben, daher Zwangsumsiedlungen, Verpachtung an USA 🇺🇸
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80
Q

Was sind die Konsequenzen der Staatenverantwortlichkeit?

A
  • Art. 29 ASR: kontinuierliche Bindung an völkerrechtliche Pflichten
  • Art. 30 ASR: Pflicht zur Beendigung völkerrechtswidrigen Verhaltens
  • Art. 31 und 34 ASR: volle Reparationspflicht
  • Art. 35 ASR: (Natural-)Restitution
  • Art. 36 ASR: Kompensation
  • Art. 37 ASR: Genugtuung (bei immateriellen Schäden, z.B. sich entschuldigen)
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81
Q

Wie wird Staatenverantwortlichkeit durchgesetzt?

A
  • zur Geltendmachung von Verantwortlichkeit (invocaton of responsibility) sind berechtigt:
  • verletzte Staaten (Art. 42 ASR)
  • nicht verletzte, aber betroffene Staaten (Art. 48 ASR) bei Schutz von kollektiven Interessen oder bei Verletzung von erga omnes Verpflichtungen; Vertragsstaaten, wenn Vertrag verletzt wurde (erga omnes partes)
  • verletzte Staaten dürfen Gegenmaßnahmen (Repressalien) ergreifen, Art. 49, Abs. 1 ASR
  • nicht-verletzte Staaten bei erga omnes Verletzungen? Art. 54 ASR trifft keine Aussagen zum Recht auf Gegenmaßnahmen
  • Art. 49 ASR: Gegenmaßnahmen dürfen sich nur gegen der verantwortlichen Staat richten, müssen leicht reversibel sein
  • Zweck ist die Einhaltung der rechtlichen Pflichten herbeizuführen, nicht die Bestrafung!
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82
Q

Was sind erga omnes und erga omnes partes Verpflichtungen?

A
  • erga omnes Verpflichtungen sind für alle Mitglieder der Staatengemeinschaft verpflichtend, aus der Natur der Verpflichtung heraus. Bsp.: Gewaltverbot
  • jeder Staat darf sich darauf beziehen (Verantwortlichkeit geltend machen)
  • erga omnes partes Verpflichtungen sind vertragliche Schuld gegenüber den Vertragsstaaten
  • Vertragsstaaten dürfen die Norm geltend machen
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83
Q

Articles on State Responsibility: Gibt es ein Recht auf Gegenmaßnahmen der im Sinne von Art. 48 Abs. 1 ASR betroffenen, aber nicht verletzten Staaten?

A
  • verletzte Staaten haben Recht auf Gegenmaßnahmen durch Art. 49, Abs. 1
  • Art. 48, Abs. 1: betroffene, nicht verletzte Staaten dürfen Verantwortlichkeit geltend machen
  • Art. 54 kann man so lesen, dass es KEIN Recht darauf gibt
  • Formelkompromiss! International Law Commission war sich uneinig ob es dieses Recht gibt. Diese Kompromissformel schließt nicht aus, dass sich das VR in diese Richtung bewegt.
  • Wortlaut: “does not prejudice the right of [a] State […] entitled to invoke the responsibility […] to take lawful measures against that State.
  • es geht ja darum, eigentliche “unlawful measures” zu ergreifen. ILC schließt das nicht aus, bejaht es aber auch nicht.
  • Aber: über die kollektive Sicherheit (Art. 51 UNCh) wäre man bei einem bewaffneten Angriff (Bsp.: RUS 💣 UKR) sogar dazu berechtigt, den verletzten Staat militärisch 💂‍♂️ zu unterstützen! Sogar auf dem Territorium des Angreifers!
  • erst-recht-Schluss: dann muss es doch möglich sein, “leichtere” Gegenmaßnahmen zu ergreifen und z.B. Sanktionen zu verhängen
  • Gefahr: man rechtfertigt dann schnell alles
  • vielleicht bezieht sich Art. 51 UNCh nur auf rein militärische Gegenmaßnahmen und die anderen müssten über ASR gerechtfertigt werden
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84
Q

Was ist der Unterschied zwischen einer Gegenmaßnahme und einer Strafe?

A
  • Strafe ist nicht völkerrechtlich determiniert
  • Faktor der Verhältnismäßigkeit: Gegenmaßnahme muss immer verhältnismäßig und auf die Dauer des ursprünglichen VR-Bruchs begrenzt sein
  • was darüber hinausgeht, ist als Strafe zu verstehen
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85
Q

Wie wurde die Bombardierung eines syrischen Flughafens als Antwort auf den Einsatz von Chemiewaffen 🧪 von den beteiligten Staaten gerechtfertigt?

A
  • 🇺🇸 : Selbstverteidigung aufgrund einer brutalen Menschenrechtsverletzung (Chemiewaffeneinsatz)
  • 🇫🇷 : Ausbleiben einer UNSC Resolution aufgrund 🇷🇺 Blockade (Problem: 🇷🇺 Veto ist rechtmäßig)
  • 🇬🇧 : humanitäre Intervention (umstrittene Begründung, da es eig. VR-Bruch war) als dritte Ausnahme vom Gewaltverbot, dafür gibt es aber keine Mehrheiten
  • 🇩🇪 : nicht an der Intervention beteiligt, hat sich nicht völkerrechtlich davon distanziert, sondern sich relativ positiv auf der politischen Ebene geäußert
    Eigentlich: wsl. Verstoß gegen das Gewaltverbot, da keine Kapitel VII Resolution vorlag; Selbstverteidigung umstritten
  • es sieht aus wie eine Gegenmaßnahme dafür, dass Assad das VR gebrochen hat
  • eigentlich Bruch des Gewaltverbots (Art. 2 Abs. 4, Friendly Relations Declaration, Art. 50 ASR)
  • Prof.: es ist eine Strafmaßnahme gewesen, es gab keine völkerrechtliche Grundlage für diesen Einsatz. Wenn, dann nur humanitäre Intervention, aber umstritten.
86
Q

Was sind die Ursprünge der humanitären Intervention?

A
  • intervention de l’humanité: als Humanität intervenierten die Europäer, die angeblich “zivilisierten” Staaten
  • Bsp.: Intervention im Libanon gegen den Sultan, der angeblich die Christen ✝️ nicht schützt, um zivilisatorische Standards sicherzustellen
  • 100-jähriger Kampf aus der Peripherie, diese Interventionen zu verbieten; Ergebnis: UNCh und FRD, gegen strukturelle Bevorteilung starker Staaten (Großmächte) gegenüber kleinen Staaten
  • erstes Urteil des IGH 1948: England gegen Albanien, sagt, dass 🏴󠁧󠁢󠁥󠁮󠁧󠁿 sich auf das alte VR bezieht
87
Q

Worum handelt es sich bei R2P? 😝

A
  • Responsibility to Protect, komplexes Konzept, von 🇨🇦 Think Tank 1999 in die Debatte gebracht
  • Grundidee: geteilte Schutzverantwortung der Staaten
  • Wenn Staat in seiner Verantwortung für die Bevölkerung versagt, tritt internationale Gemeinschaft in Schutzverantwortung ein
  • umstritten: ob dadurch Recht darauf besteht, (unilateral) gewaltsam vorzugehen, um ein ursprüngliches Verbrechen zu beenden
  • umstritten: darf int. Gemeinschaft Gewalt üben, ohne UNSC-RES, wenn dieser blockiert ist, um humanitäre Katastrophen zu vermeiden?
  • 2005 UNGA Millenium plus five declaration: erwähnt R2P, aber erteilt klare Absage an Erweiterung des Gewaltverbots: nur im Rahmen von Kapitel VII Resolutionen
88
Q

Was ist das “Uniting for Peace”-Konzept? ☮️

A
  • Uniting for Peace UNGA Resolution 1950
  • eigentlich darf nur UNSC zu Gewalt ermächtigen
  • hier These, dass auch UNGA RES im Bereich Frieden und Sicherheit beschließen darf, in Ausnahmefällen, wenn der UNSC blockiert ist
  • obwohl in UNCh steht: UNSC hat Vorrang bei den Themen Frieden und Sicherheit
  • aber: UNGA darf nur Empfehlungen aussprechen, eine solche UNGA-Resolution könnte keine völkerrechtliche Grundlage für die Gewaltanwendung eines Staates darstellen, sondern nur eine Empfehlung
  • Mechanismus etablierte sich und wurde von IGH nicht als völkerrechtswidrig bezeichnet
  • Vorteil: erlaubt, UNGA zu sprechen, macht Druck auf UNSC Mitglieder, weil die nicht wollen, dass UNGA sich einmischt. 🎉 Erfolgsgeschichte
  • es ging 1950 um Vietnam-Krieg (“der vergessene Krieg”), UNSC war blockiert, weil RUS dagegen war
89
Q

Welche Geltungsgründe und Theorien des Völkerrecht gibt es aus den Naturrechtslehren?

A
  • religiös: göttliche Ordnung, von Gott gewollt, am Ende der Legitimationskette: Heilige Schrift/ Gott
  • rational: Vernunftordnung, Regeln sind verbindlich, weil sie vernünftig sind (Ratio von Gott gegeben)
90
Q

Welche rechtspositivistischen Geltungsgründe und Theorien des Völkerrechts gibt es?

A
  • empirischer Zug, Recht ist, was Staaten (souveräne Herrscher) untereinander machen und was wir beobachten können
  • was sie voraussetzen, wenn sie einen Vertrag machen, ist VGR, muss mit konkreter Praxis zusammen hängen und nachgewiesen werden können
  • willensfähige Staaten analog zu willensfähigen Menschen – aber: warum können Souveräne nicht einfach ihren Willen ändern und das Recht brechen?
  • Selbstverpflichtung (Jellinek): daraus (Autolimitation) ergibt sich Verbindlichkeit
  • Gemeinwille (Triepel): Übereinstimmung der Willenserklärungen, zu Gemeinwillen geschmolzene Einzelwillen bilden Geltungsgrund für VR; Konsensprinzip aus multilateralen Verträgen ablesbar
  • Grundnorm (Kelsen): Staat ist juristische Person, aber nicht willensfähig; letzter Geltungsgrund ist die Grundnorm, die besagt “Das Recht gilt”.

Heute: Völkerrecht gilt, weil die Staaten sich darauf geeinigt haben, in Form von Praxis und ablesbar an Verträgen.

91
Q

Welche anderen Theorien (außer Naturrechtslehren und Rechtspositivismus) und Geltungsgründe gibt es für das Völkerrecht?

A
  • Soziologische Ansätze: Solidarität als soziale Tatsache (Scelle)
  • realistische Ansätze (Morgenthau): Geltungsgrund ist in Machtkonstellation zu suchen
  • Konstitutionalismus und die Lehre der internationalen Gemeinschaft
  • Critical Legal Studies: Unbestimmtheit (interpretationsbedürftige Sprache, kommt auf Auslegung an) und Inkohärenz des VR, daher ist jede Rechtsentscheidung politisch
  • Postkoloniale Theorie: Kol. als Ursprung des VR, Fortwirken kolonialer Machtstrukturen, noch keine vollständige Dekolonisierung des VR
92
Q

Was war der Lotus-Fall? 🪷

A
  • 1927 am Ständigen Internationalen Gerichtshof (Völkerbund)
  • Französisches 🛳 (‘Lotus’) und türkisches Schiff 🚢 stoßen auf hoher See zusammen, 8 🇹🇷 Staatsangehörige kommen ums Leben
  • 🇫🇷 🛳 fährt in 🇹🇷 Hafen ein und wird verhaftet
  • 🇫🇷 beruft sich auf diplomatischen Schutz, 🇹🇷 sagt, es gebe kein Verbot, seine Jurisdiktion hier auszuüben
  • StIGH greift Argument auf: Verhalten eines Staates ist völkerrechtsgemäß, solange es nicht gegen eine völkerrechtliche Verbotsnorm verstößt –> wird zur Lotus 🪷 Regel
93
Q

Was besagt die Lotus 🪷 Regel?

A

Verhalten eines Staates ist völkerrechtsgemäß, solange es nicht gegen eine völkerrechtliche Verbotsnorm verstößt. (Wo kein Verbot, da Freiheit bzw. Souveränität)
- grundsätzliche Unabhängigkeit der Staaten
- Regelungen des VR sind freiwillige Unterwerfungen
- Theorie des Geltungsgrund: Jellinek, Selbstverpflichtungslehre
- Freiheitskonflikte werden durch die Lotus-Regel nicht gelöst, sie klingt zwar elegant, ist im Ergebnis aber häufig nicht zufriedenstellend

94
Q

Was ist ein völkerrechtlicher Vertrag?

A
  • Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WVK, 1969, 1980 in Kraft), quasi-universal ratifiziert
  • Definition: Art. 2, Abs. 1 WVK, i.S.d. WVK ist ein völkerrechtlicher Vertrag eine in Schriftform geschlossene und vom VR bestimmte Übereinkunft zwischen Staaten
  • Art. 3 WVK: mündliche Verträge sind auch Verträge, fallen aber nicht in den Anwendungsbereich der WVK
  • entscheidend ist Rechtsbindungswille der Parteien bei Vertragsschluss (nicht der Titel, z.B. “MoU” kann trotzdem Vertrag sein)
  • Indizien über Rechtsbindungswillen: Formulierungen, Registrierung (Art. 102 UNCh)
  • Formulierungsunterschiede Vertrag vs. MoU: article - Paragraph ; agree - decide/accept ; obligations - commitments ; shall - will ; parties - participants/governments
  • Unterscheidung ist wichtig, denn nur bei Vertrag gibt es Bindung, Staatenverantwortlichkeit, Gegenmaßnahmen bei nicht-Einhaltung, Rechtsverpflichtungen
95
Q

Welche Arten völkerrechtlicher Verträge gibt es?

A
  • Austauschverträge (Leistung - Gegenleistung, synallagmatischer V.)
  • rechtsetzende Verträge (überführen ungeschriebene Regelungen in geschriebene Regelungen, z.B. Atomwaffensperrvertrag, WVK etc.), oder auch Organisationsverträge, Menschenrechtsverträge
    –> häufig “Konventionen”, die allen Vertragsparteien zur Ratifizierung offen stehen
  • bilaterale Verträge
  • multilaterale Verträge
96
Q

Was sind Grundsätze des Völkervertragsrechts?

A
  • Vertragsschluss nach Konsensprinzip: ein- oder zweistufiges Verfahren (nur Unterzeichnung oder auch Ratifikationsverfahren)
  • Art. 2, Abs. 1 d) WVK: Vorbehalte
  • Art. 19 c) WVK: Vorbehalte, die gegen Ziel und Zweck des Vertrages verstoßen, sind unzulässig
  • Art. 48 - 52 WVK: Vertrag unwirksam bei erheblichen Willensmängeln (Irrtum, Zwang, Gewalt)
  • Art. 26 WVK: pacta sunt servanda
  • Art. 27 WVK: Unbeachtlichkeit nationalen Rechts
  • Art. 34 WVK: keine Verträge zu Lasten Dritter, da kein Konsens und keine Selbstverpflichtung (Ausnahme Status-Verträge)
97
Q

Völkervertragsrecht: inwiefern kann ein Staat Vorbehalte einreichen? Was sind Herausforderungen?

A
  • Vorbehalte: einseitige Erklärung, Rechtswirkung einzelner Vertragsbestimmungen werden in der Anwendung auf diesen Staat ausgeschlossen oder geändert
  • geht nur, wenn Vertrag keine Ausschlussformel für Vorbehalte hat
  • Trade-off: macht es Vertragsstaat einfacher, mitzumachen, weil er für ihn problematische Klauseln ausschließen kann, aber dafür hat man Flickenteppich (Zugeständnisse, dafür mehr Vertragsparteien)
  • Vorbehalte, die gegen Ziel und Zweck des Gesamtabkommens verstoßen, sind unzulässig (Art. 19 c) WVK)
  • andere Vertragsstaaten können Einsprüche/Widersprüche gegen Vorbehalte einreichen (501 macht das)
98
Q

Was sind Statusverträge und was ist ihre Besonderheit?

A
  • Grenzverträge können Rechtswirkung auf Dritte entfalten (müssen die Grenzen respektieren, ohne gefragt worden zu sein), Ausnahme vom Verbot von Verträgen zu Lasten Dritter (Art. 34 WVK)
  • gilt auch für Internationalisierungsverträge (Danzig) oder Neutralitätsverträge (Schweiz, Belgien)
  • Voraussetzung: Beteiligung/ Zustimmung aller Staaten mit territorialen Rechten am Vertragsgegenstand
99
Q

Was sind die wichtigsten Elemente des 2+4-Vertrags?

A
  • Statusrechtlicher Vertrag zwischen BRD, DDR und UK, USA, FRA, UdSSR
  • Ziel: abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland vereinbaren
  • Ende aller Rechte und Verantwortlichkeiten der Besatzungsmächte in Deutschland
  • Wiederherstellen der vollen Souveränität des vereinigten Deutschlands
  • Festlegung der deutschen Grenzen, Verzicht auf weitere Gebietsansprüche
  • Reparationsforderungen von 🇬🇷 und 🇵🇱
  • DE sagt: die KSZE-Staaten (darunter 🇬🇷) haben dem Vertrag zugestimmt in der Charta von Paris 1990. Daher ist die Reparationsfrage abschließend geregelt. Daraus wird Willensbekundung von Griechenland abgeleitet. (angreifbar)
  • Wortlaut “Wir nehmen mit großer Genugtuung Kenntnis von dem Vertrag”
  • PL Reparationsforderungen: Die polnische Regierung hat 2004 bestätigt, dass auf Reparationszahlungen verzichtet wird –> kein Anspruch
  • 🇬🇷 kein expliziter Verzicht
100
Q

Was ist unter der “Intertemporalität” des Völkerrechts zu verstehen?

A
  • wichtig in Bezug auf Kolonial- und Reparationsfragen
  • wurde aus der Rechtsprechung entwickelt (IGH)
  • besagt, dass ein Fall, der vor ein völkerrechtliches Gericht kommt, grundsätzlich nach dem Stand des Völkerrechts zum Zeitpunkt des Sachverhalts beurteilt werden muss
  • keine anachronistische Bewertung
101
Q

Welche Auslegungsformen gibt es gemäß Artikel 31 und 32 des Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge? (anerkannte Auslegungsmethoden im VR)

A
  • Wortlausauslegung: Sachverhalt häufig nicht 100% mit Wortlaut vereinbar
  • Auslegung nach Sinn und Zweck einer Norm (teleologisch): kann zu Auslegungsergebnis kommen, dass sehr weit von eigentlicher Norm entfernt ist
  • systematische Auslegung: in Zusammenhang mit anderen Normen gesehen, aus systematischem Normgefüge Argumente für Auslegung gewinnen
  • hilfsweise: historische Auslegung, subsidiär, wenn die anderen Methoden zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis führen
102
Q

Auslegung von Normen: erlaubt Artikel 51 UN-Charta eine Selbstverteidigung gegen private Akteure?

A
  • Wortlaut erlaubt es nicht, schließt es aber auch nicht aus
  • Sinn&Zweck: wenn Sinn = maximaler Schutz vor bewaffnetem Angriff, geht sehr viel; wenn Zweck = im Falle von zwischenstaatlichen bewaffneten Angriffen zu schützen, dann nicht
  • systematisch: in Zusammenhang mit Art. 2 Abs. 4 UNCh, sehr restriktiv in Bezug auf Gewalt, daher Art. 51 auch sehr eng zu lesen
  • historisch: ganz klar nur gegen staatliche Akteure

Wenn Zurechnung im Sinne von ASR möglich ist, kein Problem, dann greift Art. 51.

103
Q

Wie ist es um die Verbindlichkeit des Pariser Abkommens gestellt?

A
  • es handelt sich um einen Vertrag, d.h. alles ist Völkerrecht
  • d.h. aber nicht, dass alle Bestimmungen eine rechtliche Pflicht statuieren, sondern es kommt immer auf die Formulierung an
  • teilweise starke Vertragssprache: “parties shall prepare nationally determined contributions” –> klare Verbindlichkeit des Vorgangs, aber nicht der Höhe der NDCs
  • “that it intends to achieve” –> vage Formulierung
  • wenn nur noch “Bemühungen” eingefordert werden können, hat das wenig rechtliche Relevanz
104
Q

Was versteht man unter einseitigen Rechtsquellen?

A
  • Anerkennung einer Rechtsposition, auch schweigend (acquiescence)
  • Protest 🪧 (persistent objector): verhindern, dass Rechtsposition entsteht
  • Verzicht
  • Versprechen: Ankündigung von Staaten, aus denen Rechtsanspruch anderer Staaten resultieren kann
105
Q

Was versteht man unter Völkergewohnheitsrecht?

A
  • Art. 38, Abs. 1 c): international custom, as evidence of a general practice accepted as law
  • Voraussetzungen: Staatenpraxis und Rechtsüberzeugung
  • allgemeine Staatenpraxis: staatliches Handeln, ins. völkerrechtliche Verträge, staatliche Äußerungen in multilateralen Foren, nationale Gerichtsentscheidungen etc.
  • Rechtsüberzeugung: Staat muss “fühlen”, dass er eine Rechtsverpflichtung befolgt, muss sich gebunden/verpflichtet fühlen (nicht: Gefallen tun);
  • Rechtsüberzeugung ist vage, Indizien: staatliche Äußerungen, Protest gegen oder Rechtfertigung von Rechtsverletzungen, UNGA-RES, (quasi-)universelle Ratifikation von Konventionen, Verweis auf Arbeiten der ILC
  • Problem: diejenigen, die Konvention nicht unterschreiben, wollen nicht durch VGR daran gebunden werden. Können sie nur verhindern, indem sie als persistent objector auftreten.
106
Q

Wie kann Völkergewohnheitsrecht nachgewiesen werden?

A
  • Verbreitung (Ausnahme: regionales VGR bindet den Rest der Staaten nicht)
  • gewisse Gleichförmigkeit
  • Dauer: kann in einzelnen Fällen schneller entstehen, aber dann braucht man mehr Quantität (z.B. quasi-universelle Ratifikation) und mehr Uniformität in der Praxis
  • nicht anerkannt: instant customary law –> VGR durch UNGA-RES entstanden (Hoffnung auf UNGA als rechtssetzender Akteur), vehemente Gegenwehr der westlichen VR-Wissenschaft als Umgehung der herkömmlichen Rechtsetzungverfahren
107
Q

Was sind Beispiele für Normen des Völkergewohnheitsrechts?

A
  • Gewaltverbot: parallele Geltung zum vertragrechtlichen Gewaltverbot, mit gleichem Inhalt.
  • Selbstbestimmungsrecht der Völker
  • gemeinsamer Artikel 3 der Genfer Konventionen
  • Luftraum 80 km über Erdboden
108
Q

Was sind die Konsequenzen von Völkergewohnheitsrecht?

A
  • Bindungswirkung für alle Staaten
  • Ausnahme bei persistent objector (fortlaufender Protest), der sich dem Entstehungsprozess widersetzt
  • Beispiel: Asylum Case, politisches Asyl als regionales VGR in LatAm, Peru als persistent objector, wollte sich nicht daran binden
109
Q

Was versteht man unter ius cogens?

A
  • Art. 53 WVK: zwingendes VR, von dieser Norm darf nicht abgewichen werden
  • Art. 53 + 64 Nichtigkeit eines Vertrages, der dagegen verstößt
  • anerkannte Verbote: Folter, Sklaverei, Piraterie, Gewalt, Völkermord –> ohne Ausnahme, bis auf Gewaltverbot, sonst wären Klarheit und Wichtigkeit der Norm infrage gestellt
110
Q

Was sind erga omnes Verpflichtungen?

A
  • Verpflichtungen gegenüber allen Staaten
  • Abgrenzung zu ius cogens: i.c. ist eine Normenkategorie, bestimmte Normen sind in übergeordneter Position
  • erga omnes bezieht sich auf Struktur von Einzelnormen, wenn eine Norm Wirkung gegenüber der gesamten Staatengemeinschaft erzeugt (Art. 48, Abs. 1b ASR)
  • Nicht alle Normen, die erga omnes Wirkung
    entfalten, sind auch zwingendes Völkerrecht,
    aber ius cogens-Normen begründen in der Regel
    erga omnes-Pflichten.
111
Q

Was versteht man unter Soft Law?

A
  • ausdrücklich keine Rechtsverbindlichkeit, aber haben Auswirkungen auf das Völkerrecht
  • UNGA-RES
  • Nicht-verbindliche Vereinbarungen (Guidelines)
  • progressive development of international law durch ILC
  • nicht rechtsverbindliches Sekundärrecht
  • IOs haben starken Einfluss auf Entwicklung von soft law –> KSZE/OSZE Resolutionen, OECD Guidelines, UNCTAD, Millenium Development Goals
  • können zum Nachweis von VGR herangezogen werden
  • sind Indizien für opinio iuris, haben dadurch normativen Charakter (politische Bindung)
  • bereiten häufig Völkervertragsrecht vor
112
Q

Wie ist das Völkerrecht in der deutschen Rechtsordnung verankert?

A
  • Art. 27 WVK: Haftung im internationalen Recht schwindet nicht, auch wenn BVerG eine VR-Norm als verfassungswidrig einstuft
  • Deutsche Mitwirkung an Schaffung völkerrechtlicher Normen:
  • Art. 24, Abs. 2 GG Mitwirkung des Parlaments bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr
  • Art. 59 GG Völkerrechtliche Verträge
  • Art. 25 GG Völkergewohnheitsrecht und allgemeine Rechtsgrundsätze
  • allgemeine Regeln des VR als Teil des Bundesrechts, “Zwischenstufe” zwischen Bundesgesetzen und Verfassungsrecht
113
Q

Wie hat sich das Gewaltverbot entwickelt?

A
  • bis WW1 war Recht auf Krieg relativ unbegrenzt (man brauchte Berechtigung, aber es gab viele), mit Völkerbund erste Beschränkungen
  • Briand-Kellogg-Pakt 1928: Gewalteinschränkung, urspr. mit Ziel, 🇺🇸 in VB zu holen, führt zu universaler Kriegsächtung; auf ihn wird verzichtet als Mittel nationaler Politik
  • UN-Charta 1945
114
Q

Was beinhaltet das Gewaltverbot nach Art. 2, Abs. 4 UN-Charta?

A
  • UNMS unterlassen Verwendung oder Androhung von Gewalt
  • ist auch Völkergewohnheitsrecht; man spricht von “cornerstone” des Völkerrecht; nach überwiegender Auffassung ius cogens
  • es geht um bewaffnete/militärische Gewalt, nicht wirtschaftlicher/politischer Zwang
  • keine Beschränkung auf Gewalt, die sich gegen territoriale Unversehrtheit oder politische Unabhängigkeit richtet, sondern jede Form von Gewalt ist verboten –> das sind nur die wichtigsten Beispiele; die LatAm Länder wollten diese genannt sehen
  • beinhaltet indirect use of force
115
Q

Was versteht man unter indirect use of force?

A

Beteiligung eines Staates an Handlungen von Drittstaaten oder privaten Individuen gegen einen anderen Staat
- steht in Friendly Relations Declaration, 1. Grundsatz (quasi-universelle Interpretation der UN-Charta)
- IGH: es gibt Verpflichtung, den indirect use of force zu unterlassen, kann zu Verstoß des Gewaltverbots führen
- IGH greift auf die Definition in der FRD zurück
- IGH verurteilt USA aufgrund des Nicaragua-Falls, daraufhin ziehen die USA ihre Unterwerfungserklärung zurück

116
Q

Was ist die Johnson Doktrin?

A
  • von US Präsident 1965 entwickelte Doktrin
  • man wollte “kommunistische” Regierungen in der westlichen Hemisphäre um jeden Preis verhindern, zur Not auch mit Gewalt
  • Anwendungsfall: Dominikanische Republik, Intervention um eine nicht-kommunistische Regierung zu instaurieren
117
Q

Welche Ausnahmen vom Gewaltverbot gibt es im Rahmen der UN-Charta?

A
  • Autorisierung durch den Sicherheitsrat ihm Rahmen des UN-Systems kollektiver Sicherheit
  • Selbstverteidigung
  • Intervention auf Einladung
118
Q

Wie funktioniert eine Autorisierung zur Gewaltergreifung durch den Sicherheitsrat im Rahmen des UN-Systems kollektiver Sicherheit?

A
  • Kapitel VII Resolutionen des UNSC sind verbindlich und können militärische Maßnahmen gem. Art. 42 UNCh autorisieren
  • Voraussetzung: Bedrohung oder Bruch des Friedens oder Angriffshandlung i.S.d. Art. 39 UNCh; der UNSC entscheidet, ob das vorliegt
  • Problem: UNSC ist kein Gericht, sondern ein politischer Akteur und institutionelle Probleme (Veto-Recht, Blockaden)
  • “Frieden” (unbestimmter Rechtsbegriff) wird vom UNSC weit ausgelegt und kann auch Menschenrechtsverletzungen und innerstaatliche Konflikte beinhalten
  • aus der UNSC-RES muss sich eine Ermächtigung zum Einsatz militärischer Gewalt ergeben; Bsp.: “authorizes XY to use all necessary means”
  • Art. 41 nicht-militärische Maßnahmen, müssen aber vorher nicht ausprobiert worden sein, sondern UNSC muss nur der Auffassung sein, dass sie nicht wirksam wären; “may include” –> keine abschließende Aufzählung
119
Q

Welcher Artikel der UN-Charta wird als “the single most important provision of the Charta” bezeichnet?

A
  • Artikel 39, welcher besagt, dass der UNSC darüber entscheidet, ob ein Friedensbruch, eine Friedensbedrohung oder eine Angriffshandlung vorliegen.
120
Q

War die Irakinvasion 2003 vom Völkerrecht gedeckt?

A
  • keine Ermächtigung des Sicherheitsrates
  • Rechtfertigungsversuche von 🇺🇸 und 🇬🇧 über RES 687, diese war aber bereits 13 Jahre alt, und über die “pre-emptive self-defense” wegen vermeintlicher 🇮🇶 Massenvernichtigungswaffen
  • RES 687: ermächtigt zu bewaffneter Gewalt aufgrund von Iraks Invasion in Kuwait; Kapitel VII Regime seit 1990 immer wieder aktualisiert, weil Irak immer wieder im Fokus steht
  • andere aktuelle (2002/03) RES, die “will face severe consequences” sagt –> enthält keine Gewaltermächtigung, UK und USA beziehen sich trotzdem drauf
  • schwere Konsequenzen der Invasion: Sicherheitskräfte in US-Gefangenenlagern gehen in ISIS über, später in Syrien kämpferisch aktiv
  • USA wurde nie zur Rechenschaft gezogen, da Unterwerfungserklärung nach Nicaragua-Urteil zurückgezogen, keine völkerrechtliche Aufarbeitung
121
Q

Was versteht man unter peacekeeping ☮️ ?

A
  • Form der militärischen Aktionen im System der kollektiven Sicherheit der UN 🇺🇳
  • beruht auf Konsensprinzip, dient Erhaltung des Friedens✌️und der Sicherheit
  • durch UNSC (selten: UNGA) RES eingesetzt
  • 3 Phasen: Konfliktprävention, Konfliktbewältigung während eines Konflikts, peacebuilding nach einem Konflikt
  • seit 1950er Jahren im Einsatz, hohe Verletzlichkeit, leichte Bewaffnung; aber heute robustere und größere Missionen
  • große UN-Armee mit Überstellung der Soldaten war nicht zustande gekommen (Roosevelts Idee); Soldaten für ☮️ auf vertraglicher Basis von MS zur Verfügung gestellt
  • keine Kompetenz zum Einsatz von Blauhelmen in der UNCh –> 🇷🇺 wollte nicht mit finanzieren, hat es als Charta-widrig angesehen
  • Uniting for Peace Resolution: 1950
122
Q

Was heißt “ultra vires”?

A

Ein ultra vires Akt ist eine Entscheidung, die ein Organ oder eine Behörde außerhalb ihres Kompetenzbereiches trifft.

123
Q

Was sind anerkannte Systeme kollektiver Sicherheit?

A
  • UN 🇺🇳
  • NATO
  • EU 🇪🇺 seit 2019 vom BVerG als System kollektiver Sicherheit anerkannt
124
Q

Was sind die wichtigsten Aspekte des Verfahrens Italien ./. Deutschland beim IGH?

A
  • ITA Corte di Cassazione ließ Schadensersatzklagen von NS-Opfern zu, erlaubte Vollstreckung in die Villa Vigoni
  • Gerichtsverfahren in Italien gegen deutsches hoheitliches Eigentum, ITA versucht, es zu pfänden (Villa Vigoni)
  • Staatenimmunität: Immunität vor Strafgerichten
  • politische Lösung ist erzielt worden, Eilantrag wurde zurückgenommen, Klage aber anhängig gelassen
  • DE hatte 2012 vom IGH Recht bekommen (keine Ausnahme der Staatenimmunität), aber 2014 hat italienisches Verfassungsgericht gesagt, das sei nicht mit der Verfassung vereinbar
125
Q

Wie verhält sich Deutschland 🇩🇪 zu dem 🇷🇺 Angriffskrieg in der 🇺🇦 ?

A
  • Waffenlieferungen machen uns nicht zur Kriegspartei
  • Wir befinden uns nicht in der Situation einer kollektiven Selbstverteidigung mit der Ukraine
  • denn: ius in bello –> Kriegsparteien sind legitimes Ziel für Gegenmaßnahmen
126
Q

Worum handelt es sich bei preemptive self-defense?

A
  • in US nationaler Sicherheitsstrategie entwickelt
  • zeitlich vorgelagerte Möglichkeit, sich zu verteidigen, obwohl Angriff nicht stattfindet oder unmittelbar bevorsteht
  • Rechtfertigung: ist erlaubt, wenn die bevor stehende Gefahr ⚠️ so groß ist, dass man jetzt schon handeln muss, z.B. Massenvernichtungswaffen
  • umstrittene Doktrin, UK schließt sich dieser Auffassung bei Irak-Invasion 2003 nicht an, daher nicht als zentrales Rechtfertigungselement verwendet
  • im VR braucht man einen “armed attack”, einen bewaffneten Angriff, damit das Recht auf Selbstverteidigung eintritt
127
Q

Welche Ausnahmen vom Gewaltverbot gibt es neben der Kapitel VII Ermächtigung, der Selbstverteidigung und der Intervention auf Einladung?

A
  • humanitäre Intervention (umstritten)
  • responsibility to protect (nicht anerkannt)
  • Intervention zur Rettung eigener Staatsangehöriger
128
Q

Was sind humanitäre Interventionen?

A
  • nicht vom UNSC autorisiertes militärisches Eingreifen in einen anderen Staat zum Schutz der Menschenrechte fremder misshandelter Bevölkerungsgruppen
  • Zulässigkeit wird seit NATO-Einsatz im Kosovo 🇽🇰 1999 diskutiert
  • insbesondere RUS und CHI dagegen
  • auch World Summit 2005 klare Absage gegen unilaterales Handeln im Sinne von humanitärer Intervention oder R2P, Konzept hat zwar Eingang gefunden, muss aber in Übereinstimmung mit UNCh geschehen
129
Q

Stellen Aktionen zur Rettung eigener Staatsangehöriger (ohne Erlaubnis) einen Verstoß gegen das Gewaltverbot dar?

A
  • wenn Ausnahme vom Gewaltverbot, muss es auf die Rettung begrenzt sein
  • eigentlich eher Frage des Interventionsverbots, wegen Hoheitsgebieten
  • auf keinen Fall Berechtigung zu großflächiger Intervention wie in Guatemala 🇬🇹
130
Q

Wann sind die Menschenrechte entstanden?

A

In der Zeit der Unabhängigkeitserklärungen
- Virginia Bill of Rights (1776): erster MR-Katalog
- Déclarations des droits de l’homme et du citoyen (1789)
- Grundrechtskataloge nationaler Verfassungen (19. Jhd., Frühkonstitutionalismus)

131
Q

Wie ist die Universalität der Menschenrechte einzuordnen?

A
  • Anfänge: universalitische Sprache, d.h. aber nicht, dass die MR für alle Menschen auf diesem Territorium galten –> ausgeschlossene Gruppen beziehen sich in Kämpfen schon früh darauf
  • Rechteinhaber: weiß, männlich, christlich
  • 🇩🇪 heute: Grundrechte sind Bürgerrechte (aber durch BVerG angepasst); Menschenrechte sind universell
  • DE: Frauen Rechteinhaber der Grundechte erst ab Weimarer Verfassung (1919), 100 Jahre nach erstem GR-Katalog
  • kein absoluter normativer Geltungsanspruch der Menschenrechte!
  • alle MR (außer Folterverbot) sind einschränkbar, Bsp. Recht auf Leben vs. Todesstrafe
132
Q

Was waren die Vorläufer des internationalen Menschenrechtsschutzes?

A
  • Fremdenrecht: rechtl. Mindestschutz für Ausländer (gg. willkürliche Enteignung/ Hinrichtung); wird als Recht des Souveräns, nicht des Individuums, gesehen
  • diplomatischer Schutz: wenn Rechtsweg im ausl. Staat erschöpft, kann sich Mensch an seinen ursprünglichen Souverän wenden
  • Punktueller Schutz im 19./20. Jhdr.: bi- & multilaterale Reaktionen auf Sklaverei
  • Minderheitenschutzverträge: i.R.d. Völkerbunds, Oberschlesienabkommen 🇵🇱 🇩🇪
  • internationaler Rechtsschutz durch Staatengemeinschaft: UN-Charta Art. 1, 55, 56 (1945)
  • Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948): (eig. unverbindliche) UNGA Erklärung, aber mindestens teilweise gewohnheitsrechtliche Geltung
133
Q

Was waren Gründe für den “turn to rights”?

A
  • turn to rights = Formulierung der Menschenrechte
  • Rechtfertigung des Kriegseintritts der Alliierten: moral cause of the war
  • Unrechtserfahrungen im 20. Jhd.: Minderheiten, Rassismus in den USA, Apartheid in Südafrika 🇿🇦
  • Reaktion für Exzesse des Nationalsozialismus
134
Q

Was war/ist die Konsequenz der Internationalisierung des Menschenrechtsschutzes?

A
  • Mensch als Individuum ist Rechtsträger, damit partielles Völkerrechtssubjekt
  • Relativierung staatlicher Souveränität
  • Element der internationalen Beziehungen
  • Beteiligung der globalen Zivilgesellschaft (NGOs)
135
Q

Welche Begründungsansätze und welche Kritik an Menschenrechten gibt es?

A
  • kein absoluter normativer Geltungsanspruch
  • naturrechlich: weil Mensch ein Ebenbild Gottes (imago dei) ist
  • vernunfttheoretische Begründung: weil Mensch vernünftig ist
  • anthropologisch: weil Mensch bestimmte Bedürfnisse hat
  • rechtspositivistisch: weil es die Rechte gibt

Kritik: Menschenrechte als Ideologie (Asien 👿) oder als Imperialismus (kleine Staaten 👿)

136
Q

Wie grenzen sich Menschenrechte vom humanitären Völkerrecht (ius in bello) und vom Völkerstrafrecht ab?

A
  • MR: völkerrechtlich garantierte Ansprüche natürlicher/juristischer Personen gegen den Staat zum Schutz der menschlichen Person/ Würde in Friedens- und Kriegszeiten
  • HVR: völkerrechtlich formulierte Pflichten der kriegführenden Parteien zum Schutz bestimmter Sondergruppen in Kriegszeiten
  • Völkerstrafrecht: völkerrechtlich formulierte strafrechtliche Verantwortlichkeit natürlicher Personen zum Schutz vor und zur Ahndung massiver MR-Verletzungen in Friedens- und Kriegszeiten
137
Q

Wo sind die Menschenrechte heute rechtlich verankert?

A
  • UN Charta 1945: Artikel 1, 55, 56
  • Kooperationspflicht der Mitgliedsstaaten
  • Internationalisierung der MR-Problematik
  • UN-Menschenrechtspakte (1966), 1. über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (Sozialpakt), 2. über politische und bürgerliche Rechte (Zivilpakt)
  • spezielle menschenrechtliche Verträge (verwirklichen die Bestimmungen in den Pakten, tailorn ✂️ sie) zum Schutz bestimmter Rechte: Konventionen gegen Genozid (1948), Rassendiskriminierung (1965) und das Verschwindenlassen (2006)
  • oder zum Schutz bestimmter Personen: Flüchtlinge (1951), Frauen (1979), Kinder (1989), Wanderarbeiter (1990), Menschen mit Behinderung (2006)
  • MR-Schutz i.R.d. ILO: Arbeitsrechtkodifikation mit MR Akzenten (gegen Zwangs- und Kinderarbeit)
138
Q

Was sind Beispiele für Rechte aus dem Zivil- und Sozialpakt?

A

Zivilpakt:
- Meinungsfreiheit
- Pressefreiheit
- Versammlungsfreiheit
- Religionsfreiheit
- Recht auf Leben
- Folterverbot

Sozialpakt:
- Recht auf faire Arbeitsbedingungen
- Recht auf Gesundheit
- Recht auf Bildung
- Recht auf Wohnen
- Recht auf soziale Mindestabsicherung
- Recht auf Teilhabe am sozialen, kulturellen Leben

139
Q

Welche regionalen Menschenrechtsverträge sind wichtig?

A
  • Europäische Menschenrechtskonvention, von 1950, erste Konvention
  • Amerikanische Menschenrechtskonvention 1969
  • Banjul Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker 1981
  • Arabische Charta der Menschenrechte 2004 (Spannungen mit Scharia) –> ist kein Vertrag!
140
Q

Was sind die Menschenrechte der EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention)?

A
  • völkerrechtlicher Vertrag im Rahmen des Europarats
  • vorwiegend bürgerlich-politische Rechte
  • Vertragsparteien: Mitglieder des Europarats
  • 16 Zusatzprotokolle (z.B. Verbot der Todesstrafe)
  • große Bedeutung, insb. wegen effektiver Durchsetzung
  • Europäischer Gerichtshof der Menschenrechte (EGMR, Straßburg); jährlich mehr als 40.000 Anträge
  • Deutschland verurteilt wegen unfairer Strafverfahren, unzulässige Tatprovokation durch V-Leute
  • Möglichkeit der Staatenbeschwerde
141
Q

Ist die EMRK extraterritorial anwendbar?

A
  • Art. 1 EMRK: der Hoheitsgewalt unterstehenden Personen
  • (power or effective control) aber EMRK finde grundsätzlich nur im espace juridique der Konvention Anwendung
  • Ausnahmefälle: Hoheitsgewalt durch konsularische oder diplomatische Vertretung im Ausland
  • Hoheitsgewalt an 🛳 oder ✈️ unter Kontrolle/Flagge des Vertragsstaats
  • Besetzung von Staatsgebiet oder ähnliche Kontrolle
  • Tatsächliche physische Kontrolle über eine Person
142
Q

Was sind die unterschiedlichen Generationen der Menschenrechte?

A

umstrittene Einteilung, weil sie Wertung und Hierarchisierung impliziert
1. Generation: bürgerliche und politische Rechte
2. Generation: wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
3. Generation: kollektive Rechte der Völker, wie Recht auf Entwicklung, Frieden, saubere Umwelt, gerechten Anteil an Schätzen aus Boden und Natur

143
Q

Wie ist die Rechtsnatur der Menschenrechte? Wem gegenüber werden sie geschuldet?

A
  1. bilateral gegenüber einzelnen Staaten - Durchsetzung durch diplomatischen Schutz
  2. innerstaatlich gegenüber Privaten - Durchsetzung über innerstaatliche, ggf. überstaatliche Individualbeschwerde
  3. untrennbar gegenüber der Staatengemeinschaft (erga omnes Struktur) - Durchsetzung über Staatenbeschwerde

Beispiel für 3: Gambia klagt gegen Myanmar aufgrund Völkermord an den Rohingya, auf Grundlage von Art. 9 Genozidkonvention

144
Q

Welche sind die drei Gewährleistungsdimensionen der Menschenrechte?

A
  • duty to respect: negative Unterlassungspflichten, Pflicht zur Achtung
  • duty to protect: Schutzpflichten
  • duty to ensure/fulfill: Gewährleistungspflichten

–> die Trias respect, protect, fulfill knüpft sich an jedes Menschenrecht an

145
Q

In welchen Normen finden sich Subsistenzrechte und Recht auf Gesundheit wieder?

A
  • Subsistenz = Selbsterhaltung
  • sog. WSK-Rekte, insb. im Sozialpakt
  • Art. 11 Sozialpakt Recht auf Nahrung
  • Art. 17 Zivilpakt, Art. 11 Sozialpakt, Art. 8 EMRK Recht auf angemessene Unterkunft
    Art. 7 und 12 Sozialpakt Recht auf Gesundheit
    Leistungspflichten aus Sozialrechten:
  • Minimalansprüche
  • Situationen umfassender Kontrolle über eine Person
  • Schutz vor Rückschritten des erreichten Realisierungsstands
146
Q

Inwiefern können Menschenrechte eingeschränkt werden?

A
  • durch Einschränkungsklauseln
  • allgemein oder rechtespezifisch
  • Verhältnismäßigkeitsprüfung als ungeschriebene Beschränkung von Einschränkungsklauseln (Schranke-Schranke): Einschränkung muss
    1. geeignet
    2. erforderlich
    3. verhältnismäßig im engeren Sinne sein
  • absolute Rechte nicht einschränkbar (Verbote, z.B. Folterverbot)
147
Q

Woraus besteht eine Verhältnismäßigkeitsprüfung?

A
  1. Geeignetheit
  2. Erforderlichkeit
  3. Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne
148
Q

Wie werden Menschenrechte durchgesetzt?

A
  • durch (politische) Organe der UNO 🇺🇳:
  • UNGA, Unterorgan: Menschenrechtsrat
  • UNSC
  • ECOSOC (Wirtschafts- und Sozialausschuss)
  • UNHCHR (Hoher Kommissar für MR)
  • durch Ausschüsse zur Überwachung der einzelnen Konventionen: WSK-Ausschuss, Ausschuss für die Rechte des Kindes etc.

Verfahrensarten: Berichtsverfahren, Untersuchungsverfahren, Gutachtenverfahren, tlw. Individualbeschwerden

149
Q

Wie sind die Immunitätsregeln?

A

Immunität:
- umfasst Staatsoberhäupter, Regierungschefs, Außenminister, genießen qua Amt Immunität, auch bei schwersten MR-Verbrechen
- während Amszeit: Imm. für Amthandlungen + private Handlugnen
- nach Amtszeit: Immunität nur für frühere Amtshandlugnen
- eigentlich besteht Immunität für Amtshandlungen über Amtszeit hinaus, außer bei schweren Vergehen wie Spionage
- Durchbrechungen: evtl. nationale Strafverfolgung nach der Amstszeit

150
Q

Was bedeutet Staatenimmunität?

A
  • Grundsatz des Völkerrechts
  • Hoheitsakte eines Staates können nicht von den Gerichten eines anderen Staates überprüft werden
  • keine Pflicht zur innerstaatlichen Anerkennung fremder Hoheitsakte
  • Schutz der Unabhängigkeit und Gleichheit souveräner Staaten: par in parem non habet iudicium
  • bezieht sich nicht auf privatrechtliche Tätigkeit
  • Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität, 1972
  • UN Übereinkommen über Immunität, 2004, noch nicht in Kraft
  • Völkergewohnheitsrecht: Imm. im Erkenntnisverfahren und Vollstreckungsimmunität
151
Q

Inwiefern ist die EMRK (Europarat) in die Europäische Union eingebettet?

A
  • EMRK gehört auch zum Recht der Europäischen Union, Gründungsverträge nehmen darauf Bezug
  • damit kommt EMRK in justiziellen Herrschaftsbereich der EU
    ???- aber keine Zuständigkeit des EGMR???
152
Q

Was sind die vertraglichen Grundlagen der EU?

A
  • Verfassung 2004 an NL und FR Referenda gescheitert
  • Vertrag von Lissabon, 2009/2011:
  • Vertrag über die Europäische Union (EUV)
  • Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV):
153
Q

Was enthält der EUV?

A
  • grundlegende Bestimmungen
  • institutionelle Bestimmungen
  • Vorschriften über das auswärtige Handeln der Union (GASP inkl. GSVP - geringer Grad der Vergemeinschaftung)
154
Q

Was enthält der AEUV?

A
  • Konkretisierung des EUV: Art. 1 AEUV
  • Zuständigkeiten: Art 2 ff., Art. 8 ff. AEUV
  • Funktionsweisen der Organe: Art. 223 ff. AEUV
  • Marktfreiheiten: Art. 30, 34 AEUV
  • Einzelne Politikbereiche: Art. 191 - 193 AEUV
  • Rechtsschutzssystem: Art. 251 ff. AEUV
  • Haushaltsbestimmungen: Art. 310 ff. AEUV
155
Q

Welche zentralen Entwicklungslinien gab es im Vertrag von Lissabon?

A
  • mehr Demokratie: größerer Einfluss des EP, Abstimmungen mit “doppelter Mehrheit” beim Ministerrat (55% der EUMS, 65% der Bevölkerung), Eur. Bürgerbeteiligung, Beteiligung nationaler Parlamente
  • mehr Transparenz: eindeutiger Kompetenzkatalog, öffentliche Ratssitzungen bei Gesetzgebung
  • mehr Effektivität: effektivere Repräsentation nach außen, Koordination des Europäischen Rats, Ausweitung des Mehrheitsprinzips
156
Q

Welche sind die Organe der Europäischen Union?

A
  • Europäischer Rat
  • Rat der Europäischen Union
  • Kommission
  • Europäisches Parlament
  • Hoher Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik

Weitere Organe:
- Gerichtshof der Europäischen Union
- Rechnungshof
- Europäische Zentralbank (unabhängig!)

Beratend:
- Ausschuss der Regionen
- Wirtschafts- und Sozialausschuss

157
Q

Was ist der Europäische Rat?

A
  • seit Vertrag von Lissabon als Organ anerkannt
  • Rat der Staats- und Regierungschefs
  • keine gesetzgeberische Funktion, sondern gibt Impulse und Zielvorstellungen
  • Koordination durch Präsident, 30 Monate Amtszeit, Charles Michel
158
Q

Was ist der Rat der Europäischen Union (Rat)?

A
  • Gesetzgeber neben EP
  • hat Haushaltsbefugnisse
  • Vertreter der EUMS, unterschiedliche Formationen
  • besondere: Rat für Auswärtige Angelegenheiten, Rat Wirtschaft und Finanzen (Ecofin)
  • wenn nicht anders beschlossen, qualifizierte Mehrheit
  • “doppelte Mehrheit” seit Lissabon, 55%EUMS, 65%Bevölkerung
159
Q

Was ist die Europäische Kommission?

A
  • Exekutive der EU, “Hüterin der Verträge”
  • Initiativrecht im Gesetzgebungsverfahren
  • Behördenapparat
  • College of Commissioners: ein Mitglied aus jedem EUMS
  • weite Befugnisse im Wettbewerbsrecht
160
Q

Was ist das Europäische Parlament?

A
  • Gesetzgeber neben Rat, Kontrollbefugnisse
  • Wahl des Kommsisionspräsidenten (auf Vorschlag des Europäischen Rats)
  • erste Direktwahl 1979
  • degressive Proportionalität, zwisch. 6 (Malta) und 96 (Deutschland) –> Erfolgswert der Stimmen in kleinen Ländern deutlich größer als in großen Ländern
    –> demokratietheoretisches Problem, daher betont BVerG immer Beschränkungen des EPs, insb. bei Haushaltsbefugnissen
  • seit Brexit 705 Mitglieder
161
Q

Was ist der Hohe Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik?

A
  • gibt es seit Lissabon
  • Ziel: höhere Wirksamkeit und Kohärenz des auswärtigen Handelns
  • Vertretung der Union nach außen
  • wird von EAD unterstützt
  • Konkurrenz zu anderen Repräsentanten (Kommissionspräsidentin, Ratspräsident)
162
Q

Warum sprechen manche von einem Demokratiedefizit der Europäischen Union?

A
  • Europäischer Rat hat großen Einfluss auf die großen Linien
  • EP einziges direkt gewähltes Organ, hat Einschränkungen in seiner Befugnis (Wahl Kommissionspräs.)
  • Kommission hat als einzige das Initiativrecht für Gesetze
  • über Rat der EU haben auch nationalstaatliche Exekutiven Hand auf der Gesetzgebung (wie BR Exekutivföderalismus)
163
Q

Was ist das Besondere an der Europäischen Union?

A
  • höhere Integrationsgrad als klassische IOs –> sui generis
  • starke Kommission, klagt auch gegen EUMS
  • aus Friedensprojekt (EGKS) hervorgegangen, mit exekutiver Behörde
  • dann schrittweise Ausweitung der Politikbereiche
164
Q

Welche Rolle spielt das Europarecht im nationalen Recht?

A
  • Art. 23 GG für Europarecht, verfassungsrechtlicher Integrationsauftrag
  • meist unmittelbare Anwendbarkeit und Vorrang des Gemeinschaftrechts (BVerG erkennet Anwendungsvorrang grundsätzlich an)
  • Individuum im Mittelpunkt der Rechtsprechung des EuGH –> können sich unmittelbar an Gericht wenden
  • Annahme weitreichender Abtretung von Souveräntitäsrechten
  • Vorlagepflicht nationaler Gerichte sichert Einheitlichkeit der Auslegung und Anwendung des Unionsrechts (nationale Gerichte haben hier keinen Überblick drüber) –> Machtanballung beim EuGH
165
Q

Auf welcher Stufe stehen Völkergewohnheitsrecht, Völkervertragsrecht und Europarecht in Deutschland?

A
  • Völkergewohnheitsrecht: gilt direkt, muss nicht in deutsches Recht umgewandelt werden, Art. 25 GG; Zwischenrang
  • Völkervertragsrecht: wird in DE Gesetz umgewandelt, wirkt wie normales Bundesgesetz
  • Europarecht: steht über der Verfassung, Anwendungsvorrang
166
Q

Ist die Wirkung des Völkerrechts in Deutschland stark oder schwach?

A
  • Verfassung steht immer auf dem gleichen Rang oder höher
  • BVerG hat Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit eingeführt, aber die Regeln sind eigentlich nicht so freundlich
167
Q

Was sind die dualistische und die monistische Theorie?

A
  • beziehen sich auf das Verhältnis von Völkerrecht und Landesrecht
  • Dualismus: sind zwei Kreise, die sich vielleicht berühren, aber nie schneiden –> man braucht Transformierungsakt, um VR in nationales Recht zu überführen
  • Monismus: ein Rechtskreis, eine monistische Rechtswelt, man braucht keine Transformation, VR gilt sobald es wirksam wirkt, auch im nationalen Recht
168
Q

Wie unterscheidet sich das Europarecht vom Völkerrecht?

A
  • der Einzelne kann sich darauf berufen (VR: nur Staat)
  • Hoheitsrechte werden an supranationale Organisation übertragen
  • Organisation sui generis
  • Vorrang des Gemeinschaftsrecht vor gesamten nationalem Recht – Europarecht steht über der Verfassung –> Anwendungsvorrang (Völkervertragsrecht Rang eines einfachen Bundesgesetzes, Völkergewohnheitsrecht Zwischenrang)
169
Q

Was sind aus Sicht des BVerGs die Voraussetzungen und die Einschränkungen des Mitwirkens Deutschlands an der Integration?

A
  • Artikel 23 GG
  • Grundsatz der Subsidiarität
  • mit GG vergleichbarer Grundrechtsschutz
  • Bund kann Hoheiten übertragen (Zustimmungsgesetz)
  • weiterhin gelten: Art. 79, Abs. 2 und 3: Ewigkeitsklausel –> Schützen Artikel 1 (Menschenwürde) und Artikel 20 (Demokratie, Rechtsstaat, föderaler Staat, Sozialstaat)
  • diese Grundprinzipien können nicht geändert werden; falls diese Grenze der Integration überschritten wird, wäre das Europarecht nicht mehr mit dem Grundgesetz vereinbar
  • damit sichert sich BVerG Zugriff auf die Überprüfung des Europarechts
  • souveräne Staatlichkeit (Verfassungsidentität) wird geschützt.
170
Q

Worum geht es beim PSPP-Urteil?

A
  • EZB-Rat hat 2015 umfangreiches Anleihenkaufprogramm beschlossen (namens PSPP)
  • BVerG hat 2017 beim EuGH vorgelegt aufgrund von Verfassungsbeschwerden gegen Mitwirkung der Bundesrepublik
  • EuGH hatte keine Bedenken
  • 2020 urteilt BVerG, dass PSPP ultra vires Akt ist und Deutschland keine Bindungswirkung zukommt
  • Kommission leitet 2021 Vertragsverletzungsverfahren ein
  • im Dezember 2021 wurde verfahren eingestellt, weil Deutschland in seinem Antwortschreiben Autorität des EuGH anerkannt hat
171
Q

Welche Handlungsformen stehen den Organen der EU zur Verfügung?

A

Art 288 AEUV
- Verordnungen: unmittelbare und allgemeine Wirkung und Anwendung, umfassende Harmonisierung, keine nationale Umsetzung
- Richtlinien: richten sich an EUMS, fristgebundene Umsetzungspflicht mit Spielraum; bei fehlender Umsetzung unmittelbare Wirkung zugunsten der Bürger
- Beschlüsse: verbindlicher Rechtsakt im Einzelfall, an EUMS oder Private (Wettbewerbsrecht) gerichtet
- rechtsunverbindliche Handlungsformen: Empfehlungen und Stellungnahmen, keine rechtliche Bindungswirkung, aber praktische Konsequezen

172
Q

Wie unterscheiden sich Primärrecht und Sekundärrecht? Wie sind sie hierarchisiert?

A
  • Primärrecht: Recht der Verträge
  • Sekundärrecht: das Recht, das die Organe einer IO aufgrund ihrer Kompetenzen setzen
  • Primärrecht hat Vorrang vor Sekundärrecht

EU-Primärrecht: Gründungs-, Änderungs-, Zusatz- und Beitrittsverträge, Charta der Grundrechte (2002), tlw. allgemeine Rechtsgrundsätze

173
Q

Welche weiteren Handlungsformen kennt die EU (neben den klassischen)?

A
  • Delegierte Rechtskte (Art. 290 AEUV)
  • Durchführungsrechtsakte (Art. 291 AEUV)
  • Völkerrechtliche Verträge (Art. 216 AEUV)
  • Besonderes Handlungsinstrumentarium im Rahmen der GASP
174
Q

Woraus besteht das Rechtsschutzsystem der Europäischen Union?

A
  • effektiver Rechtsschutz durch den Gerichtshof der Europäischen Union: EuG + EuGH
  • Einheitlichkeit der Anwendung und Auslegung des Unionsrechts
  • umfassende Gerichtsbarkeit über Maßnahmen der EU
  • Einschränkungen der Gerichtsbarkeit in Art. 275 (GASP) und 276 (Polizeimaßnahmen) AEUV
  • Vorabentscheidungsverfahren
175
Q

Was sind die wichtigsten Aspekte der europäischen Wirtschaftsintegration?

A
  • Méthode Monnet: über Wirtschaftsunion zu Friedensordnung für Europa
  • Erfolge: freier Warenverkehr, gemeinsame Agrarpolitik, Kommission als Motor, Wächter und ehrlicher Makler des Vertrages
  • Mittel wirtschaftlicher Integration: Aufhebung der Zölle, Marktfreiheiten, Ausweitung der Harmonisierungskompetenzen, Verbot von Diskriminierungen
  • Weitgehende Erfordernis der Einstimmigkeit (Politik des Leeren Stuhls, De Gaulle 60er Jahre)
176
Q

Was waren die Anfänge der politischen Union (EU)?

A
  • Erweiterungsrunden –> schwere Konsensfindung wg. Einstimmigkeitserfordernis
  • Einheitliche Europäische Akte 1986 löst Blockadesituation: Mehrheitsabstimmungen im Rat, Kompetenzerweiterungen nachvollzogen (Binnemarkt), Maßnahmen zur Vollendung des Binennmarkts bis 1992, Institutionalisierung des Europäischen Rats
  • 1993 Vertrag von Maastricht, drei Säulen: 1. EGV, Euratom, EGKS, 2. GASP, 3. ZA im Bereich Inneres und Justiz (Struktur setzt sich teilweise bis heute fort)
  • ab Maastricht: Name Europäische Union + eigene Rechtspersönlichkeit
177
Q

Was sind die heutigen Prinzipien der politischen Union (EU)?

A
  • Wirtschafts- und Währungsunion
  • andere Regeln für GASP und ZBJI: weniger supranational, aber ZBIJ durch Vertrag von Amsterdam vergemeinschaftet
  • Kompetenzlehre: Prinzip der begrenzen Einzelermächtigung, Subsidiaritätsprinzip (Vermutung zugunsten der unteren Ebene), Verhältnismäßigkeit
  • Arten der Kompetenzen: ausschließliche, geteilte, unterstützende Zuständigkeiten
  • Flexibilitätsklausel, Rechtsangleichung im Binnenmarkt
  • demokratische Rückbindung erforderlich
  • Aktuelle Herausforderungen: Umwelt, Covid, Migration
178
Q

Was besagt das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung?

A
  • Europäische Union darf nur in dem Bereich tätig werden, wo ihr auch eine Kompetenz übertragen wurde, und nicht darüber hinaus
  • Art. 5, Abs. 2 EUV
  • Parallele zu anderen IOs
179
Q

Warum nennt der EUV nur die EMRK, ist ihr aber nicht beigetreten?

A
  • EMRK wird ins Primärrecht reingezogen, gilt damit als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts
  • EuGH hat gesagt, EU kann der EMRK nicht beitreten, weil dadurch bestimmte Kompetenzen des EuGH/ der EU beschnitten würden
  • EuGH wäre dann nicht mehr höchstes Gericht der EU, daher mit Stellung des EuGH nicht vereinbar
180
Q

Wodurch zeichnet sich die GASP aus? Warum ist sie weniger vergemeinschaftet als andere Politikbereiche?

A
  • Einstimmigkeitsprinzip im Rat, keine supranationale Rechtsetzung, EUMS als entscheidende Akteure
  • EUMS nicht gewillt, hier Souveränität abzugeben
  • Rechtsetzungsmöglichkeiten hier nur Beschlüsse und weniger verbindliche Handlungsformen
  • EP kaum eingebunden, keine Bedeutung (eingeschränkte Kontrolle) des EuGH, keine unmittelbare Wirkung der Bestimmungen
  • Probleme der Kohärenz
  • Prinzip der begrenzten Einzelermächtigungen in auswärtigen Angelegenheiten
  • Völkerrechtssubjektivität der EU: Art. 47 EUV, aber MS behalten ihre Völkerrechtssubjektivität
181
Q

Was sind die rechtlichen Grundlagen für die GASP?

A
  • Art. 23 - 46 EUV
  • Art. 205 ff. AEUV
  • Art. 21 EUV Zielsetzungen
  • Ziele nach Lissabon: mehr Effektivität, Kohärenz, personelle Kontinuität, Konvergenz des Handelns der EUMS, Solidarität und Loyalität
  • Politikbereiche: Handelspolitik, Entwicklungspolitik, humanitäre Hilfe, Restriktive Maßnahmen, Beziehungen zu internationalen Organisationen, internatioanle Übereinkünfte
182
Q

Welche Akteure beteiligen sich an der GASP der EU?

A
  • Europäischer Rat: allgemeine Linien und Beschlüsse
  • Rat der EU, insb. FAC: nähere Ausgestaltung
  • HRVP: Leitung der GASP, Vorsitz FAC, durch EAD unterstützt
  • Politisches und Sicherheitspolitisches Komitee (Art. 38 EUV): bestehend aus Botschaftern, Vorbereitung von Beschlüssen
  • EC und EP geringere Bedeutung
  • Sonderbeauftragte (Art. 33 EUV), derzeit 10, z.B. Bosnien-Herzegowina
183
Q

Was sind die Handlungsinstrumente der GASP?

A
  • besonderes Instrumentarium, Art. 25 EUV
  • allgemeine Leitlinien
  • Beschlüsse (Aktionen/ Standpunkte), können Missionen sein
  • keine Gesetzgebungsakte
  • Vielzahl weicher Steuerungsmechanismen
  • Völkerrechtliche Abkommen (Art. 37 EUV)
  • Verfahren nach Regeln des AEUV (Art. 216, 218)
  • restriktive Maßnahmen
184
Q

In welchen Ausnahmefällen hat der EuGH Zuständigkeit im Bereich der GASP?

A

Artikel 275 AEUV
- Abgrenzung, ob es sich um eine Frage der GASP handelt oder nicht
- restriktive Maßnahmen

185
Q

Was sind die Rechtsgrundlagen für restriktive Maßnahmen der EU und welche Möglichkeiten stehen zur Verfügung?

A
  • Art. 29 EUV, Umsetzung durch Verordnung nach Art. 215 Abs. 1 AEUV; teilweise liegen UNSC-RES zugrunde
  • Mögliche Maßnahmen gegen Staaten:
  • diplomatische Sanktionen, Emgargos für Waffen und dual use goods, Einfrieren von Vermögenswerten der Zentralbank, Handels- und Finanzsanktionen
  • gegen Einzelpersonen (smart/targeted sanctions): Einfrieren von Geldern und Wirtschaftsressourcen, Visasperren, Einreiseverbote
186
Q

Inwiefern sind restriktive Maßnahmen mit dem Völkerrecht vereinbar?

A
  • Art. 2, Abs. 4 greift nicht, da keine Gewalt angewandt wird
  • Frage, ob sie gegen Interventionsverbot verstoßen, Verweis auf FRD, Verbot von wirtschaftlichem Zwang
  • keine klaren Äußerungen von IGH vorhanden
  • es gibt kein völkerrechtliches Anrecht auf Wirtschaftsbeziehungen/Handel –> Handelsbeziehungen zu beenden ist kein Verstoß gegen das Interventionsverbot
  • bei Handelsverträgen kommt es darauf an, ob es Ausnahmeklauseln gibt.
  • Einfrieren von Vermögenswerten der Zentralbank stellt Verstoß gegen Immunität dar

Rechtfertigung:
- Art. 51 kollektive Selbstverteidigung – erst recht Prinzip
- Gegenmaßnahmen durch nicht-verletzte Staaten: erga omnes (partes) Prinzip (umstritten)

187
Q

Wie sieht der Rechtsschutz gegen smart sanctions aus?

A
  • Fall Kadi
  • Grundrechte gelten auch hier: rechtliches Gehör, Eigentum, effektiven Rechtsschutz
  • Rechtsschutz durch EuGH (Art. 275 Abs. 2 AEUV)
  • auch UN-Charta kann Autonomie der Unionrechtsordnung nicht aufheben (Meinung EuGH)
188
Q

Was sind Prinzipien der Sanktionsleitlinien der EU?

A
  • Sanktion muss in Einklang mit Völkerrecht stehen
  • Sanktion muss menschenrechtlichen Ansprüchen genügen (Bevölkerung darf nicht verhungern)
189
Q

Was sind die Prinzipien der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU?

A
  • Art. 42, 46 EUV
  • Teilnahme freiwillig, derzeit 25 EUMS
  • PESCO: Ständige strukturierte Zusammenarbeit einzelner Staaten
  • Bsp.: EUCAP, Zivilie EU Mission in Mali, auf Einladung
190
Q

Was sind die Prinzipien der EU in Beziehung zu ihren Nachbarn?

A
  • Art. 217 AEUV: Assoziierung
  • Art. 49 EUV: Kopenhagener Kriterien
  • derzeit Verhandlungen mit Balkanstaaten
  • Ukraine und Moldau Kandidatenstatus seit Juni 2022
  • Ersatzassoziierung mit EWR-Staaten, TCA mit UK
  • Art. 8 EUV Europäische Nachbarschaftspolitik, “mehr für mehr”
191
Q

Was sind die Prinzipien der Gemeinsamen Handels- und Entwicklungspolitik der EU?

A
  • Art. 206 f. AEUV
  • einheitliches Außenregime, Zollunion
  • Ziel: harmonische Entwicklung des Welthandels unter Abbau von Beschränkungen
  • EU ist WTO-Mitglied
  • CETA: vorläufig in Kraft für EU Kompetenzbereiche, noch nicht von allen MS ratifiziert (gemischtes Abkommen)
  • Art. 208 - 211 AEUV Entwicklungspolitik
  • Entwicklungsassoziierung der überseeischen Länder und Hoheitsgebiete, insb. Frankreichs
  • Entwicklungspartnerschaft mit den ACP, 2021: neues Abkommen mit den OACPS
  • Konditionalität: Menschenrechte, good governance, Nachhaltigkeit, Demokratie
192
Q

Gibt es ein Recht auf Selbstverteidigung gegen nicht-staatliche Akteure?

A
  • Art. 2, Art. 4 UNCh Gewaltverbot
  • Art. 51 UNCh Selbstverteidigung gegen bewaffneten Angriff, Voraussetzung “most grave use of force” (USA will daher Terrorangriffe kumuliert betrachten)
  • Zurechnung nach ASR: setzt voraus, dass ein Staat dahinter steht, bei Terrorismus meistens nicht möglich
  • In Mauer-Gutachten äußert sich IGH klar gegen das Selbstverteidigungsrecht gegen private Akteure
  • dreipolige Konstellation ist problematisch
  • safe haven
  • unwilling or unable Doktrin
193
Q

Was besagt die Webster-Formel?

A
  • geht aus einem Briefwechsel zwischen UK und USA hervor
  • wenn ein Angriff unmittelbar bevor steht und keine andere Reaktion zulässt, besteht ein Recht auf Selbstverteidigung
  • spielt aber eigentlich keine große Rolle
194
Q

Was sind die historischen Grundlagen des humanitären Völkerrechts?

A
  • IKRK 1863 gegründet
  • Genfer Konvention 1864: Verwundete und Kranke der bewaffneten Kräfte im Felde
  • Erklärung von St. Petersburg 1864: Verbot von explosiven Projektilen, erste Beschränkung eines Kriegsmittels
  • Haager Landkriegsordnung von 1899 und 1907: Beschränkung der Mittel und Methoden des Kampfführung
    –> Während WW1 und WW2 werden Unzulänglichkeiten sichtbar?
195
Q

Was sind die heutigen rechtlichen Grundlagen des humanitären Völkerrechts?

A
  • vier Genfer Konventionen von 1949
    1. Schutz der Verwundeten und Kranken im Felde
    1. Schutz der Verwundeten und Kranken zur See
    1. Kriegsgefangene
    1. Zivilpersonen
  • zwei Zusatzprotokolle von 1977: Regeln des Genfer und Haager Rechts zu internationalen und nicht-internationalen bewaffneten Konflikten
  • UN-Waffenkonvention von 1980: 6 Protokolle
  • heute: Haager Recht über Mittel und Methoden und Genfer Recht über Personenschutz
196
Q

Welche Regeln des humanitären Völkerrechts gelten in a) internationalen und b) nicht-internationalen bewaffneten Konflikten?

A

a) HLKO, GK, 1. ZP
b) 2. ZP
gemeinsamer Artikel 3 der Genfer Konvention –> ist entgegen dem Wortlaut auch im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt anwendbar

197
Q

Wie ist der internationale bewaffnete Konflikt definiert?

A
  • Gemeinsamer Artikel 2 der Genfer Konventionen: erklärter Krieg
  • heute nicht mehr so häufig, aber gilt trotzdem, alle anderen bewaffneten Konflikte zwischen 2 Vertragsparteien, auch wenn die eine den Kriegszustand nicht anerkennt
  • auch teilweise/vollständige Besatzung, auch wenn sie nicht auf Widerstand stößt
  • first shot doctrine: egal, wie lange der Konflikt dauert, ab ersten Schuss
198
Q

Was ist ein internationalisierter bewaffneter Konflikt?

A
  • acting on behalf of another state
  • Bsp.: Nicaragua, private Akteure, hinter denen andere Akteure standen
199
Q

Was ist ein nicht-internationaler bewaffneter Konflikt?

A
  • nicht nur innere Unruhen/Spannungen, sondern organisierte militärische Einheiten, die aufeinander prallen
  • Bsp.: Staat vs. Rebellen
  • Ausnahme: Drittstaaten greifen in nicht-internationalen Konflikt ein
  • Komponententheorie/ Gesamtcharakter
200
Q

Welche Verpflichtungen ergeben sich aus dem humanitären Menschenrecht?

A

Für wen:
- Staaten: Art. 1 GK, Art. 1 ZP1
- Ausländische Gruppierungen: Art. 3 GK
- Individuen (Völkerstrafrecht)
Welche:
- Schonung der Zivilbevölkerung (alle, die nicht Kombattanten sind) - Unterscheidungsgrundsatz
- Verbot unmenschlicher Behandlung von Kombattanten
- Verbot bestimmter Mittel und Methoden

201
Q

Woraus besteht der Schutz der Zivilbevölkerung

A
  • Schutz ist nicht unbegrenzt, steht im Spannungsverhältnis zur militärischen Notwendigkeit
  • dreistufiger Schutz: 1. ZVB darf nicht Ziel sein, 2. Verbot unterscheidungsloser Angriffe, 3. Vorsichtsmaßnahmen bei Planung von Angriffen zum Schutz der ZVB
202
Q

Woraus besteht das Verbot der unmenschlichen Behandlung von Kombattanten?

A
  • Kombattanten: Mitglieder von Streitkräften oder organisierten Kampfverbänden
  • Schonung und Schutz bei Verwundung/Krankheit
  • menschliche Behandlung der Kriegsgefangenen
  • Schutz eines Gegners hors de combat
203
Q

Welche Methoden und Mittel sind durch das humanitäre Völkerrecht verboten?

A
  • Methoden: Perfidieverbot
  • Verbot der vollständigen Vernichtung des Gegners
  • Mittel: Antipersonenminen
204
Q

Wie ist das Verhältnis zwischen Humanitärem Völkerrecht und Menschenrechten?

A
  • Theorie der Trennung: MR für Frieden, HVR für Kriegssituationen (manchmal schwer)
  • Komplementarität: sollen sich ergänzen
  • HVR ist lex specialis, geht den MR im Kollisionsfall vor
205
Q

Was ist das Prinzip der souveränen Gleichheit?

A
  • Art. 2, Abs. 1 UNCh
  • Selbstunterwerfung der Staaten als Begrenzung und Ausdruck der Souveränität
  • rein formeller Gleichheitsbegriff
  • als Konsequenz ergeben sich Staatenimmunität und Interventionsverbot
206
Q

Was sind Internationale Organisationen?

A
  • von Staaten gegründeter
  • mitgliedschaftlicher Zusammenschluss
  • auf Grundlage eines völkerrechtlichen Vertrages
  • mit eigenen Organen ausgestattet
207
Q

Inwiefern sind Internationale Organisationen Völkerrechtssubjekte?

A
  • zweifach begrenzte Völkerrechtspersönlichkeit
  • sachlich: partielle VR-Persönlichkeit, nur im Bereich der vertraglichen Kompetenzen (Prinzip der begrenzen Einzelermächtigung)
  • persönlich: relative VR-Persönlichkeit, nur gegenüber Staaten, die die IO anerkennen
  • Ausnahme: UN hat objektive Völkerrechtspersönlichkeit (IGH)
208
Q

Welche Organtypen gibt es in IOs?

A
  • Plenarorgane
  • Exekutivorgane
  • Sekretariate
  • parlamentarische Versammlungen (NATO, Europarat)
  • Hauptorgane der UN: Art. 7 Abs. 1
209
Q

Warum haben die P5 ein “doppeltes Veto”?

A
  • Art. 27, Abs. 3 P5 haben Vetorecht bei Fragen, die Kapitel 6 betreffen
  • Art. 27, Abs. 2 P5 haben kein Vetorecht bei Verfahrensfragen
  • Praxis: bei Frage, ob es sich um Verfahrensfrage handelt oder nicht, wird davon ausgegangen, dass P5 Vetorecht haben
  • das verhindert Tarnung als Verfahrensfrage, um P5 zu entmachten
210
Q

Inwiefern können IOs Recht setzen?

A
  • unverbindlich: UNGA Resolutionen, Mitwirken an internationalen Verträgen, Empfehlungen, Stellungnahmen etc.
  • verbindlich: UNSC Resolutionen, Vorrang der Charta-Verpflichtungen (Art. 103 UNCh); Sekundärrecht der EU
211
Q

Welche Arten der Rechtssetzung gibt es bei IOs?

A
  • unverbindliche: UNGA-Resolutionen, Mitwirken an internationalen Verträgen, Empfehlungen, Stellungnahmen
  • verbindliche: UNSC-Resolutionen, Vorrang der UN-Charta-Verpflichtungen (Art. 103), EU Sekundärrecht
212
Q

Welche Kompetenzlehren gibt es für IOs?

A
  • Prinzip der begrenzen Einzelermächtigung
  • implied powers Doktrin: Herleitung implizierter Kompetenzen aus expliziten Kompetenzen
  • Herleitung impliziter Kompetenzen aus Zweck und Funktion der IO