Völkerrecht und Europarecht Flashcards
Was ist der Anspruch und das Potential von Völkerrecht?
- neutrale Normordnung/Regelordnung in internationalen Beziehungen zur Verfügung stellen
- losgelöst von ideologischen, moralischen, politischen oder religiösen Fragen
- man kann sich darauf berufen, ohne sich einer Ideologie o.ä. verschreiben muss
- Potential für die Verständigung zwischen Staaten, z.B. in Konflikten
- unabhängig von spektakulären Rechtsbrüchen (die es immer gibt), wirkt das VR in allen Bereichen der Internationalen Beziehungen konstitutiv
Welche Funktionen übt das Völkerrecht aus?
- Jurisdiktionsabgrenzungsrecht: Bestimmungen darüber, welcher Staat was regeln darf, wenn es Auslandsbezüge gibt
- Organisationsrecht: Gründungsverträge für Organe/IOs
- Modernes Regulierungsrecht: Steuerung von Prozessen in der internationalen Gemeinschaft, z.B. Co2 Deckelung
- Individualrechte: z.B. Menschenrechte
Was ist der Unterschied zwischen Völkergewohnheitsrecht und Vertragsrecht?
- Völkergewohnheitsrecht: nicht schriftlich festgelegt, sondern durch fortwährende Praktizierung und längere Tradition entstandene Verbindlichkeit
Welches sind die Teilgebiete des Völkerrechts?
- Allgemeines Völkerrecht
- Recht der diplomatischen Beziehungen
- Völkerrechtliche Raumordnung (Seerecht, Weltraumrecht, Antarktisvertrag etc.)
- Umweltvölkerrecht
- Wirtschaftsvölkerrecht (WTO-Welthandelsrecht, Investitionsschutz etc.)
- Völkerrechtlicher Menschenrechtsschutz/ Flüchtlingsrecht
- Humanitäres Völkerrecht
- Völkerstrafrecht
Welche Völkerrechtssubjekte gibt es?
- Staaten
- Internationale Organisationen
- Traditionelle atypische Völkerrechtssubjekte (Heiliger Stuhl, Internationales Komitee des Roten Kreuzes, Malteserorden)
- Individuen 🥸
- Völker/ Minderheiten
- transnationale Unternehmen
- internationale NGOs
Zwischen welchen Arten von Völkerrechtssubjekten unterscheidet man?
- geborenes vs. gekorenes Völkerrechtssubjekt
- originäres vs. derivatives Völkerrechtssubjekt
- erstere sind Staaten; die anderen leiten ihre Völkerrechtssubjektivität von Staaten ab
Was sind die Rechtsquellen des Völkerrechts?
- bis heute nicht kodifiziert bis auf Art. 38, Abs. 1, IGH-Statut, welches nennt:
- internationale Übereinkünfte allgemeiner oder besonderer Natur
- internationales Völkergewohnheitsrecht
- allgemeine Rechtsgrundsätze
- gerichtliche Entscheidungen, Lehrmeinungen der fähigsten Völkerrechtler
Welche sind allgemeine (quasi-universelle) Rechtsgrundsätze?
Allgemeine Rechtsprinzipien, die aus Vergleich der Rechtssysteme entwickelt und quasi-universell anerkannt werden. Beispiele:
- pacta sunt servanda: Verträge sind einzuhalten
- bona fides: Treu und Glauben
- Verbot von widersprüchlichem Verhalten
Was beinhaltet der Zweistufentest über internationales Gewohnheitsrecht?
- von Friedrich Carl von Savigny (1779 - 1861 / Historische Rechtsschule) entwickelt
- fortwährende Praxis der Staaten
- Rechtsüberzeugung - Recht muss im “Volksgeist” leben
- dieser Test ist nie in einen Vertrag überführt worden
Was ist das ius cogens?
- zwingende Normen des Völkergewohnheitsrecht, stehen hierarchisch über Vertragsrecht und Gewohnheitsrecht
- dazu zählen Folterverbot, Sklavereiverbot, Gewalverbot und Genozidverbot
Was sind die Probleme am Völkerrecht?
- es gibt keine obligatorische Gerichtsbarkeit
- Staaten können sich der Zuständigkeit des IGHs oder Spezialgerichten entziehen
- Völkerrecht spielt in Art. 7 der UN-Charta eine untergeordnete Rolle
- UNSC ist kein Gericht, sondern ein politisches Organ
Welche Rechtsquellen sind in Art. 38 des IGH-Statuts NICHT genannt?
- rechtsverbindliche Beschlüsse von Internationalen Organisationen
- einseitige Akte
- Schweigen (acquiescence) 🤫
Was ist der Handlungsspielraum des UN-Sicherheitrats?
- verbindliche Rechtsetzung
- darf situationsbezogene (konkrete, individuelle) Rechtsnormen erlassen
- Art. 39 UN-Charta: stellt fest ob Friedensbedrohung, Bruch des Friedens oder Angriffshandlung vorliegen
- UNSC ist Exekutivorgan
Was ist eine einseitige Akte?
- ein einseitiges Versprechen eines Staates
- damit daraus Recht entsteht, muss es von einem Organ wie Regierungschef oder Minister gesprochen werden
- kein Vertrag, kein Gewohnheitsrecht
Was passiert bei Schweigen (acquiescence)? 🤫
- wenn ein Staat eine rechtliche Forderung erhebt und erwartet werden kann, dass der andere Staat darauf antwortet
- und wenn der andere Staat schweigt
- kann davon ausgegangen werden, dass die Forderung Rechtskraft entfaltet.
Wie ist das Verhältnis der unterschiedlichen völkerrechtlichen Normen zueinander?
- grundsätzlich keine Hierarchie außer ius cogens
- lex posterior derogat legi priori: jüngeres Recht schlägt älteres Recht über den gleichen Gegenstand
- lex specialis derogat legi generali: spezielles Recht verdrängt allgemeines Recht
Was sind die wichtigsten Aspekte der Friendly Relations Declaration? 😍
- UNGA Resolution 2625 von 1970, nachdem viele dekolonisierte Staaten der UN beigetreten waren
- keine Änderung des Selbstverteidigungsrecht, nur Verweis auf Charta
- Rebellen zu unterstützen ist eine indirekte Aggression
- starkes Selbstbestimmungsrecht der Völker + Unterstützung eines schnellen Endes des Kolonialismus
- Interventionsverbot und Verbot von wirtschaftlichem Zwang
Was sind die Ziele der Vereinten Nationen gemäß Artikel 1 UN-Charta?
- Weltfrieden wahren
- freundschaftliche Beziehungen zwischen den Nationen
- internationale Zusammenarbeit
Was sind die Grundsätze (Prinzipien) der Vereinten Nationen gemäß Artikel 2 UN-Charta?
- souveräne Gleichheit aller Mitglieder
- Treu und Glauben
- friedliche Streitbeilegung
- Gewaltverbot, territoriale Integrität
- Interventionsverbot (aber vertikale Intervention durch Kapitel VII ermöglicht)
Was sind Aspekte der souveränen Gleichheit (Art. 2, Abs. 1 🇺🇳 Charta + FRD)?
- territoriale Integrität (feste Grenzen, Ausschließlichkeit)
- politische Unabhängigkeit
- Staatenimmunität (keine Hiearchie, keine Gerichte von Staaten gegenüber Staaten)
- Stimmgleichheit in den IOs
Was sind Aspekte des Interventionsverbots?
- vertikales Interventionsverbot Art. 2, Abs. 7 🇺🇳 Charta
- Einmischungsverbot, wenn sie unter Anwendung oder Androhung von Zwang entsteht
- domaine réservé/ domestic jurisdiction: Souveränitätskern, der nicht völkerrechtlich geregelt werden kann; jedoch wird dieser immer kleiner
Was sind Aspekte des Gewaltverbots?
- Art. 2, Abs. 4 🇺🇳 Charta
- weites Gewaltverbot
- schließt Androhung von Gewalt ein
- Ausnahmen: Selbstverteidigung gegen bewaffnete Angriffe (Art. 51 🇺🇳), durch UNSC Ermächtigung (Kapitel VII), Intervention auf Einladung
- nicht anerkannte Ausnahmen: humanitäre Interventionen, R2P
Wobei handelt es sich bei der Monroe-Doktrin?
- non-intervention durch USA in Europa und non-colonization in der westlichen Hemisphäre
- von 1823
Wobei handelt es sich bei der Montevideo-Konvention?
- Konvention über Rechte und Pflichten der Staaten
- Vertrag von 20 amerikanischen Staaten von 1933
- Ablehnung bewaffneter Interventionen in inneramerikanischen Angelegenheiten (Roosevelt)
- Staatlichkeit nicht mehr abhängig von (konstitutiver) Anerkennung durch USA
Wie wird Völkerrecht durchgesetzt?
- klassisch dezentral durch Repressalien (Gegenmaßnahmen) oder Retorsion (unfreundliche Akte)
- zentralisiert durch IOs: z.B. exekutivische Durchsetzung durch UNSC
- gerichtlich: durch zentrales Gericht IGH (keine obligatorische Gerichtsbarkeit), Schiedsgerichte, regionale völkerrechtliche Gerichte (EGMR, IAGMR etc.)
Was ist der Unterschied zwischen ständigen Gerichten und Schiedsgerichten?
- Schiedsgerichte: ad hoc, ungerade Zahl, idR je ein Schiedsrichter 🧑⚖️ pro Partei ernannt, diese ernennen vorsitzenden Schiedsrichter
- ständige Gerichte: Richter 👩⚖️ werden über Versammlung gewählt für eine bestimmte Zeit
- auch Schiedsspruch ist völkerrechtlich verbindlich und muss von den Parteien umgesetzt werden
- es gibt permanenten internationalen Schiedsgerichtshof in Den Haag
Was sind die Grundlagen des Internationalen Gerichtshofs (IGH)?
- ist das Hauptrechtsprechungsorgan der 🇺🇳 (Art. 92 Charta)
- Sitz in Den Haag
- 15 Richter, von UNSC und UNGA mit je absoluter Mehrheit gewählt
- entscheidet über zwischenstaatliche Rechtsstreitigkeiten und erstellt Gutachten
Was ist der Unterschied zwischen Gutachten und streitigen Verfahren inkl. Beispiele?
- Verfahren: zwei Streitparteien; Ausgangspunkt ist Streitfall
- Gutachten: Institutionen/Organe, die berechtigt sind, Gutachtenfragen zu stellen; Ausgangspunkt ist Rechtsfrage
- Beispiele: Kosovo-Gutachten über Unabhängigkeitserklärung 2008; Mauer-Gutachten Israel
Welche zwei Schritte werden in einem streitigen Verfahren vom IGH immer angewandt?
preliminary objections:
- Prüfung ob IGH zuständig ist (Unterworfenheitserklärung, Parteifähigkeit)
- Zulässigkeit der Klage; handelt es sich um einen Rechtsstreit
materiellrechtliche Frage:
- liegt ein Verstoß gegen das VR vor?
Unter welchen Bedingungen ist der IGH zuständig?
Art. 36 IGH-Statut
- Ad hoc Zuständigkeitserklärung, wenn Streitparteien sich einig sind
- Compromissory clause: besonders vorgesehene Angelegenheiten aus Verträgen und Übereinkommen der UN; Vertrag enthält Klausel über IGH-Zuständigkeit
- Fakultativklausel: Art. 36, Abs. 2 IGH-Statut, Zuständigkeit des IGH als obligatorisch anerkennen; Voraussetzung: Unterwerfungserklärung (kann durch Vorbehalte limitiert werden)
- Forum prorogatum/ Rügelose Einlassung
- Gutachtenfunktion: Art. 65 - 68 IGH-Statut
Was ist eine rügelose Einlassung?
- Staat A verklagt Staat B
- Staat B tritt ein und wird voller Teil des Verfahrens und äußert sich nicht zu der Zuständigkeit oder wehrt sich nicht gegen diese
- dann geht IGH davon aus, dass er zuständig ist, Schweigen als Zustimmung
Wie hat die Ukraine die Zuständigkeit des IGH im Fall des russischen Angriffskrieges begründet?
- Russischer Angriffskrieg ab 24. Februar 2022 auf die Ukraine 🇺🇦 stellt Verstoß gegen das Gewaltverbot dar
- Klage der Ukraine zum IGH (27.02.)
- ad hoc: wird RUS nicht zulassen
- Fakultativklausel: RUS hat keine allgemeine Unterwerfungserklärung abgegeben (und UKR auch nicht)
- rügelose Einlassung: würde RUS nicht mitmachen
- daher: compromissory clause.
- einzige Möglichkeit: Genozidkonvention, von UNGA 1948 beschlossen, 1951 in Kraft getreten
- Art. 9 Genozidkonvention: IGH ist zuständig für Streitfälle hinsichtlich Auslegung, Anwendung oder Durchführung der Konvention
- RUS hat Einmarsch mit vermeintlichem Genozid in der Ostukraine begründet
- IGH: daher liegt ein Streitfall im Sinne von Art. 9 Genozidkonvention vor
- RUS: umfangreiche Stellungnahme gegen Zuständigkeit, erschien nicht zum Verfahren
- IGH beschloss am 16.03. vorläufige Maßnahmen gemäß Art. 41 IGH-Statut: “shall immediately suspend the military operations”
- DE und andere Staaten sind dem Verfahren beigetreten, man tritt nicht an der Seite einer Partei bei, sondern man sagt, wie man es interpretiert
Hat Deutschland eine allgemeine Unterwerfungserklärung beim IGH abgegeben?
- 1973 UN-Beitritt, erst 2008 IGH-Unterwerfungserklärung abgegeben
- Art. 36, Abs. 2 für Streitigkeiten, die NACH dem Datum der Erklärung entstehen
- dadurch hat der IGH keine rückwirkende Zuständigkeit für WW2
- Vorbehalte: Auslandseinsätze deutscher Streitkräfte und Nutzung des Hoheitsgebietes der Bundesrepublik für militärische Zwecke (wegen Rammstein, Irakkrieg)
- bisher haben 73 andere Staaten die Erklärung abgegeben
- Kritik: Kabinettsbeschluss (gegen Art. 59 Abs. 2 GG), nicht umfassende Unterwerfung, wie durch Art. 24, Abs. 3 GG geboten
Wie stehen das Selbstbestimmungsrecht der Völker und der Kolonialismus bzw. die Dekolonisierung miteinander in Zusammenhang?
- ursprünglich Zielbestimmung in Art. 1, Abs. 2 UN-Charta
- Bandung-Konferenz 1955: dekolonisierte Staaten in Asien und Afrika organisieren sich, sprechen sich für das Selbstbestimmungsrecht aus
- NAM (non-aligned movement) und G77 als Kraft in den UN –> sich ausweitende Mehrheit der dekoloniserenden Staaten
- Kolonialismus politisch vollständig diskreditiert = größte Errungenschaft der UN
- Ursprünge: 19. Jhd. Nationalitätenprinzip (jede Nation hat das Recht auf ihren Staat), 1914 Woodrow Wilson SRV für ziviliserte/ europäische Staaten, nach 1945: dekoloniales Recht auf Ende des Kolonialismus
Welche sind die rechtlichen Grundlagen und die Inhalte des Selbstbestimmungsrechts der Völker?
Rechtliche Geltung:
- ursprünglich bloße Zielbestimmung, heute geltendes Völkerrecht (VGR)
- Art. 1, Abs. 2 UNCh
- Art. 1 und 27 IPbpR
- Art. 1 IPwskR
- FRD
Inhalt:
- inneres Selbstbestimmungsrecht (Minderheitenschutz) anerkannt
- äußeres Selbstbestimmungsrecht (Sezessionsrecht) umstritten, 4. Grundsatz in FRD, vom IGH 2008 Kosovo-Gutachten offen gelassen
Gibt es ein Recht auf Sezession?
- Spannungslage zwischen dem äußeren Selbstbestimmungsrecht der Völker und der territorialen Integritätdes Ausgangsstaates
- wenn die Regierung ein Volk nicht repräsentieren kann, z.B. im Fall von Apartheid (Südafrika) bzw. massiver Diskriminierung (es muss Blut fließen), gibt es ein Recht auf Sezession (Ausnahmefall!)
- Normalfall: inneres Selbstbestimmungsrecht findet seine Grenze in der territorialen Integrität
Welche Voraussetzungen muss ein Staat erfüllen, um sich auf die territoriale Integrität berufen zu können (gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker)?
- Gleichberechtigung und Selbstbestimmungsrecht der Völker respektieren
- eine Regierung haben, die die gesamte Bevölkerung repräsentiert, ohne Unterscheidung von race, creed or colour.
- Repräsentation heißt, dass vollberechtigte Bürger die Möglichkeit haben müssen, die demokratische Regierung mitzubestimmen (vs. koloniale Zustände, ohne Möglichkeit, Einfluss auf die Machtverhältnisse zu nehmen)
Selbstbestimmungsrecht der Völker: Wie hat der IGH auf die UNGA-Gutachtenfrage geantwortet, ob die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo (von Serbien) 2008 völkerrechtswidrig war?
- er hat kein Verbot gefunden, daher war es wohl rechtmäßig
- Lotus-Prinzip: jeder Staat ist souverän und ist nur dann dem VR unterworfen, wenn er sich einer anwendbaren Regel unterworfen hat
- er ist frei, wenn es kein Verbot gibt, dem er zugestimmt hat
- IGH bestätigt die souveräne Freiheit der Staaten
- mit Absicht nicht auf äußeres Selbstbestimmungsrecht/ Sezession eingegangen, da sich sonst viele Völker darauf berufen könnten
- IGH hat die Staatlichkeit Kosovos nicht bestätigt oder bestritten
Wer kann eine Gutachtenfrage beim IGH einreichen?
- IGH Statut Art. 65: jedes Organ/ Organisation, die durch UNCh dazu berechtigt ist
- UNCh Art. 96, Abs. 1: UNGA oder UNSC kann Gutachten des IGH einfordern
- Art. 96, Abs. 2: andere Organe der UN oder Sonderorganisationen durch Ermächtigung der UNGA in ihrem jeweiligen Tätigkeitsbereich
Was sind die Merkmale eines Staates?
- Definition nach Georg Jellinek: Staat als mit ursprünglicher Herrschaftsmacht ausgerüstete Verbandseinheit sesshafter Menschen.
- drei Elemente: Staatsvolk, Staatsgewalt und Staatsgebiet
Was umfasst das Staatsgebiet?
- Staatsgrenzen (oft strittig)
- Grenzverläufe können durch UNSC RES festgelegt werden
- in der Tiefe: kegelförmig bis zum Erdmittelpunkt
- in der Höhe: den gesamten Luftraum in 80km höher, der Weltraum gehört keinem Staat
Welche Arten des Erwerbs von Staatsterritorium gibt es?
- originärer Erwerb: wo niemand lebt (terra nullius), Analogie zum Privatrecht (herrenlose Sache),
- Okkupation durch effektive Besitznahme
- Anschwemmung
- umstritten: künstliche Landgewinnung
- derivativer Erwerb: Territorium von einem anderen Völkerrechtssubjekt bekommen
- Zession: Abtretung durch Vertrag oder einseitige Erklärung
- Ersitzung
- Adjukation: durch Richterspruch, Eigentumswechsel durch verbindliche Kraft des Urteil
- Übergabe an kolonisiertes Volk (nach uti possidetis juris Prinzip, Grenzen sind zu respektieren, nur dann wurde Unabhängigkeit anerkannt)
War die koloniale Landnahme durch das Völkerrecht abgedeckt?
- Afrika war besiedelt, ohne europäisches Grenzverständnis, originärer Erwerb nicht möglich
- Verträge der europäischen Handelskompanien wurde ausgebaut, deutsches Reich ist in die Verträge eingestiegen
- Verträge respektierten eigentlich die Hoheit der local chiefs, es waren keine Abtretungsverträge
- Dreiteilung der un-/halb-/zivilisierten Völker –> keine Völkerrechtssubjektivität den “Wilden” zugesprochen; Verträge waren daher null und nichtig
- Theorie der herrenlosen Souveränität: “Wilde” sind nicht souveränitätsfähig
- insgesamt anmaßend: europäisches VR auf afrikanischen Kontinent anwenden
Was besagt die Stimson-Doktrin?
- 1932 nach japanischer Annexion der Manschurei entwickelt
- Annexionsverbot
- gewaltsame Einverleibung fremden Territoriums stellt keinen Gebietserwerb im Sinne des Völkerrechts dar
- VR verlangt kontrafaktische Annahme: Krim dauerhaft als UKR Staatsgebiet anzusehen, auch wenn es zu praktischen Probleme führt
- Irak annektiert Kuwait 1990: has no legal validity, is considered null and void
- Praxis: immer miterklären, dass man nicht anerkennt, dass es eine RUS Herrschaftsstruktur gibt, auch wenn man mit RUS sprechen muss
Was sind Vor- und Nachteile von festen Grnezen?
- Nachteile: aggressiver, ausschließender Aspekt
- Vorteile: Schutz für Imperien und Emanzipationsmöglichkeiten für kleine Staaten
Welche Hoheitsrechte haben Anrainerstaaten seewärts? Was ist kein Staatsgebiet?
- 12 Seemeilen Küstenmeer und den Luftraum über dem Meer
- Küstenmeer: Art. 2 - 32 SRÜ
Kein Staatsgebiet aber besondere Rechte:
- Anschlusszone (Art. 33 SRÜ)
- Festlandsockel (Art. 76 ff. SRÜ)
- max. 200 Seemeilen Exclusive Economic Zone (Art. 55 ff. SRÜ)
- eigene Schiffe und Missionen
Was sind Gemeinschaftsräume?
- Hohe See
- Tiefseebooden
- Vllt. auch Weltraum, Antarktis
Staatsgebiet: Was ist die Problematik der Inseln?
Art. 121 SRÜ
- Inseln gehören zur Landfläche
- Abgrenzung Felsen vs. Insel
- Insel generiert Hoheitszone, d.h. hat Küstenmeer, ausschließliche Wirtschaftszone und ggf. Festlandsockel
- kann enorme Ausdehnung des eigenen Ausbeutungsgebiets darstellen
- Problem der low tide elevations und künstliche Inseln –> künstl. I. fürden in EEZ errichtet werden, begründen aber selbst keine EEZ und andere Hoheitszonen
Wie wird das Staatsvolk definiert?
- gemäß innerstaatlichem Staatsangehörigkeitsrecht
- VR verlangt “genuine connection” zw. Staat und Individuum, bes. bei Einbürgerung (Nottebohm-Urteil, IGH 1955)
- je nach Staat verschiedene Anknüpfungspunkte: ius soli, ius sanguinis
- Meehrstaatlichkeit kein Problem, ergibt sich aus o.
- Staatenlosigkeit großes Problem, insbes. aufgrund von mangelnder Rechte
Wie wird die Staatsgewalt definiert?
- Effektivitätsprinzip: tatsächliches Bestehen der Herrschaft ist entscheidend, Regierungsform egal
- innere Dimension: tatsächliche Herrschaft über das Staatsgebiet
- äußere Dimension: Fähigkeit, nach außen rechtlich unabhängig zu handeln
- Grundsatz der Gebietsausschließlichkeit: ein Staatsgebiet - eine Staatsgewalt
Welche Sonderfälle der Staatsgewalt gibt es?
- Übertragung der (inneren/äußeren) Staatsgewalt
- Mehrfache Staatsgewalt auf demselben Territorium
- Verlust der Staatsgewalt
- stabilisierte de-facto-Regime
Welche Formen der Übertragung der Staatsgewalt gibt es?
- Protektorat: Staat bleibt souverän, Schutzmacht nimmt Interessen des Entsendestaats nach außen wahr, Bsp.: Monaco, San Marino
- Internationale Verwaltung: Kosovo ab 1999 (bis?) unter UN-Verwaltung (UNMIK); über Kapitel VII Resolution, UN-Hochkommissar/Beauftrager ist Regierungschef
Welche Formen der mehrfachen Staatsgewalt auf demselben Territorium gibt es?
- Koimperium: gemeinsam ausgeübte Souveränität über fremdes Territorium, welches selbst souveränes VR-Subjekt bleibt; Bsp. BRD und DDR bis 2+4-Vertrag
- Kondominium: gemeinsame Herrschaftsausübung über eigenes Territorium, Bsp.: Schleswig-Holstein 1964-66 unter Preußen und Österreich
- Exilregierung: Ausübung der Personalhoheit vom Gebiet eines fremden Staates aus, mit dessen Zustimmung; geht nur in Zeiten des bewaffneten Konflikts, Bsp.: PL Regierung in London
Was ist Personalhoheit?
- Herrschaftsmacht des Staates über seine Staatsangehörigen, unabhängig von deren Aufenthaltsort
- erlaubt Regelung des Verhaltens der Staatsbürger (aktives P.) und von Dritten gegenüber den Staatsbürgern (passives P.) auch im Ausland
Welche Formen des Verlusts der Staatsgewalt gibt es?
- besetzte Gebiete: Herrschaftsgewalt in Hand der Besatzer, besetzter Staat besteht fort, Eingliederung nur mit Zustimmung der besetzten Partei
- failed states: Staatsgewalt untergegangen oder an nichtstaatliche Akteure verloren; Kontinuitätsvermutung: Verlust der Staatsqualität erst bei endgültigem Verlust der Staatsgewalt
Was sind stabilisierte de-facto-Regime?
- nichtstaatliche Akteure mit effektiver Kontrolle über ein bestimmtes Gebiet
- nahezu vollständige VR-fähigkeit: Gewaltverbot gilt, Recht der Staatenverantwortlichkeit, diplomatischer Kontakt möglich, aber ohne offizielle Mission (sonst Anerkennung), Abschluss völkerrechtlicher Verträge möglich, innere Rechtsetzung für andere Staaten verbindlich
- Bsp.: Taiwan, PNA in Gaza oder Westbank nach Osloabkommen
Wie ist der Konflikt zwischen Israel und Palästina völkerrechtlich entstanden?
- Staatsgründungskrieg 1948, die Palästinenser haben den Teilungsplan abgelehnt
- palästinensischen Staat gab es vorher nicht, aber die Palästinenser
- Besatzungsregime wegen 6-Tage- und Yom-Kippur-Krieg, daraus entsteht Sondersituation der über 50-jährigen Besatzung
- während/durch Besatzung ist Staat Palästina entstanden
- IGH Mauergutachten und vierte Genfer Konvention sollten beachtet werden
Was sind die Grundlagen des Seevölkerrechts?
- auf hoher See gibt es Freiheit, dort hat kein Staat Regelungskompetenzen
- früher ging es hauptsächlich um Verkehrswege, heute um Ausbeutung von Ressourcen des Meeres
- UNCLOS/SRÜ von 1982
- Probleme: künstliche Inseln, low tide elevations, Felsen voneinander abgrenzen; Kollision und Abgrenzung von Zonen, die überlappen
Welche Normen sind bei Abgrenzungsproblemen im Seerecht anzuwenden?
- Abgrenzung: Art. 74 UNCLOS, fordert equitable solution (eine der Billigkeit entsprechende Lösung)
- keine materiell-rechtliche, sondern eine verfahrensrechtliche Norm; Verweis auf Streitschlichtungsmechanismen
- Lösung muss alle Interessen berücksichtigen
- Praxis: median line/ Äquidistanzlinie, von beiden Küsten gleich weit entfernt
- wenn Inseln auf der “falschen” Seite liegen: dazu keine Norm in SRÜ
Was ist der “Drei-Stufen-Ansatz”, der von Gerichten in der Praxis zur Abgrenzung von Hoheitsgebieten auf der See verwendet wird?
- vorläufige Äquidistanzlinie anhand geometrischer Daten bilden
- Faktoren berücksichtigen, die für eine Veränderung der Linie sprechen, um zu einem “equitable result” (einer billigen Lösung) zu führen
- Die Linie wird einer Verhältnismäßigkeitsprüfung unterzogen, im Verhältnis zu den jeweiligen Küstenlängen und zu den Gebieten, die den Staaten dann zustehen würden.
Aber: das ist reine Praxis von Gerichten, steht aber in keiner Norm
Warum möchte man nicht, dass ein Staat untergeht?
- z.B. durch Verlust von Staatsgewalt bei einem failed state
- Kontinuitätsvermutung, weil dann das internationale Recht nicht mehr greift, Rechten und Pflichten also auch nicht mehr anwendbar sind
- failed states bleiben daher Staaten, nur temporär defizitär in Bezug auf Staatsgewalt
Was ist eine Dismembration?
- Staatsverfall so wie Sowjetunion/ Tschechoslowakei, die in mehrere Einzelstaaten verfallen sind
Was sollte man bei Staatsqualität und Staatenanerkennung beachten?
- Staatsqualität richtet sich nach der 3-Elemente-Lehre
- Anerkennung ist deklaratorisch von anderen Staaten
- Staat kann Staat sein, aber von niemandem anerkannt, das ist unabhängig voneinander
Wie funktioniert die Anerkennung von Staaten?
- Völkerrechtssubjekt gibt zu erkennen, dass es betreffenden Staat ebenfalls als Völkerrechtssubjekt anerkennt.
- geht normalerweise mit Aufnahme diplomatischer Beziehungen einher
Wie unterscheiden sich konstitutive und deklaratorische Anerkennung voneinander?
- Anerkennung ist nur deklaratorisch, rechtsbestätigend, dass sich ein Staat eo ipso gebildet hat (mit 3 Elementen)
- deklaratorische Theorie heute absolut anerkannt, aber ob ein Staat UN-Mitglied ist oder nicht, ist immer noch starkes Indiz für Staatlichkeit
- deklaratorische Anerkennung als Indiz, aber nicht Voraussetzung für Staatsqualität
- konstitutiv wäre rechtsbegründend; Staatenpraxis spricht dafür, dass Anerkennung eines Neustaats durch die Altstaaten staatsverleihend ist.
- bei konstitutiv: die schon bestehenden Staaten entscheiden, wer noch Staat werden kann; Praxis der Pentarchie, wurde von LatAm, OsmR, Jap kritisiert
Warum ist eine verfrühte Anerkennung von Staaten ein Verstoß gegen das Interventionsverbot?
- Anerkennung ist enorme politische Stärkung für separatistische Bestrebungen
- Unabhängigkeitsbestrebungen finden immer auf bestehendem Staatsgebiet statt, da es keine freien Territorien mehr gibt
- Einmischung in den Konflikt, Aberkennung/Verkleinerung der territorialen Integrität des Ausgangsstaates
- Bsp.: sehr früher Anerkennung DEs von Slowenien und Kroatien (Dezember 1991), als Grenzen noch umstritten waren
Wie funktioniert die Anerkennung von Regierungen?
- Anerkennung, dass bestimme Gruppe von Menschen für die Staatsgewalt spricht
- de jure Anerkennung: die volle Anerkennung aussprechen, Legitimität anerkennen; Botschafter akkreditieren lassen, Verträge machen etc.
- darunter: de facto Anerkennung, mit Reg. sprechen, weil sie bestimmtes Territorium de facto beherrscht
- Anerkennung von Regierungen ist nur deklaratorisch (nicht konstitutiv)
- verfrühte Anerkennung von Regierung ist Verstoß gegen das Interventionsverbot + Reg. kann Rechte und Pflichten mangels Kontrolle kaum erfüllen
- in den letzten Jahren nicht nur Effektivitätsprinzip, sondern auch Legitimität (kleine Staaten dagegen)
- Tobar-Doktrin (1907) setzt sich nicht durch (aus Revolution hervorgegangene Regierungen nicht anerkennen)
Warum unterscheidet man zwischen Anerkennung von Regierungen und von Staaten?
- Staat als Ganzes anerkennen vs.
- ein Element eines Staates anerkennen
Was ist ein Schurkenstaat (Rogue State)
- politische Definition der USA: Staaten, die Terrorismus unterstützen
Wie wird die Regulierungszuständigkeit/ Jurisdiktion festgelegt?
- Staaten dürfen Fälle mit Auslandsbezug nur regulieren, wenn sie einen völkerrechtlich anerkannten Bezug dazu aufweisen
- ohne Anknüpfungspunkt die Jurisdiktionsbefugnis auf einen Auslandssachverhalt zu erstrecken ist ein Verstoß des Interventionsverbots
Was sind anerkannte Anknüpfungspunkte für die Jurisdiktionsbefugnis?
- Territorialität (Gebietshoheit), Wirkunsprinzip (Auswirkung auf eigenen Staat reicht)
- Personalitätsprinzip: ergibt sich aus Personalhoheit
- Schutzprinzip: bei starkem Bezug zum Staat (Bsp.: Terror/Spionage)
–> dadurch kann es zu Überlappungen der Jurisdiktionsbefugnisse kommen, daher gibt es Auslieferungsverträge
Was sind Ausnahmen der Jurisdiktionsbefugnisse?
- Universalitäts/Weltrechtsprinzip: so schlimme Verbrechen, dass sie von allen abgeurteilt werden können
- wenn Immunitätsregeln nicht greifen!
- bei Piraterie, Genozid, Menschenhandel, Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach Völkerstrafgesetzbuch, Kriegsverbrechen
- Weltrechtsprinzip ist Völkergewohnheitsrecht
Was ist das Völkerstrafgesetzbuch?
- Umsetzungsgesetz des Rom-Status in deutsches Recht
- deutsche strafrechtliche Bestimmungen, die das Weltrechtsprinzip anwenden
Staatennachfolge: Welche Fälle der Veränderung staatlicher Identität gibt es?
- Sezession: Süd-Sudan 2011, Ausgangsstaat bleibt erhalten; Ergebnis: zwei Staaten
- Inkorporation: zwei Ausgangsstaaten, Ergebnis: ein Staat, Identität des inkorporierenden Staates bleibt erhalten, Territorium vergrößert sich
- Dismembration: Jugoslawien, UdSSR, CSFR –> gehen unter (anders als bei Sezession), auf Territorium entstehen neue Staaten
- Fusion: aus Tanganjika und Sansibar wird Tansania
(- Annexion: Identität verändert sich eben nicht! Auch wenn die Staatsgewalt faktisch begrenzt wird) - uti possidetis iuris Doktrin in der Dekolonisierung: Grenzverträge haben trotz Veränderung der Identität der Staaten Bestand
Das ist ein unumstrittenes, anerkanntes Prinzip im Völkergewohnheitsrecht zur Staatennachfolge, ansonsten wenig reguliert.
Worum handelt es sich beim Recht der Staatenverantwortlichkeit?
- völkerrechtliches Haftungsrecht
- welche Folgen treten ein, wenn gegen Völkerrecht verstoßen wurde
- Rechtsquelle: International Law Commission, 2001, Articles of State Responsibility (“Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts”) –> haben Völkergewohnheitsrecht, Staatenpraxis und opinio iuris analysiert
- Annex von einer (unverbindlichen) UNGA Resolution (welcher?), daher keine echte Kodifikation
Was ist die International Law Commission?
- Völkerrechtsexpertenausschuss, der den Vereinten Nationen beratend zur Seite steht
- denkt über neue Konventionsprojekte und Kodifikationen nach
- war als Organ gedacht, das Kodifikationen anstößt, um ungeschriebenes Recht in geschriebenes Recht 👩⚖️ zu überführen
- wurde 1947 von UNGA eingesetzt
Was sind Auslöser der Staatenverantwortlichkeit, gemäß den Articles on State Responsibility (2001)?
Artikel 2, ASR: Völkerrechtswidriges Handeln liegt vor, wenn ein Verhalten
- dem Staat zurechenbar ist
- eine Verletzung einer völkerrechtlichen Verpflichtung begründet
Kapitel 5, ASR (Kommentar)
- außer wenn Umstände zutreffen, die die Völkerrechtswidrigkeit ausschließen
Welche sind die wichtigen Artikel aus Articles on State Responsibility (2001, ILC)?
- Art. 3 ASR über Verhalten: Handeln oder Unterlassen, Drittstaaten
- Art. 4 ff. ASR über Zurechnung
- Art. 12 ff. ASR über Rechtsbruch
- Art. 20 ff. ASR über Umstände, die die Rechtswidrigkeit ausschließen: tatbestandsausschließende Gründe und Rechtfertigungsgründe
- Art. 28 ff. ASR über Rechtsfolgen
Welche sind die drei wichtigen Fälle in Bezug auf Staatenverantwortlichkeit?
- Nicaragua-Fall: Unterstützung von Rebellen durch USA
- Teheraner Geiselfall: 1979/80 unterlassene Handlung der iranischen Autoritäten
- Ukrainekrieg: 2022, Beteiligung von Belarus?
- Chagos-Fall: Vertreibung durch UK bei Unabhängigkeit von Mauritius 🇲🇺 (1968); Chagos-Archipel diente als Militärbasis der Briten, wollten es nicht abgeben, daher Zwangsumsiedlungen, Verpachtung an USA 🇺🇸
Was sind die Konsequenzen der Staatenverantwortlichkeit?
- Art. 29 ASR: kontinuierliche Bindung an völkerrechtliche Pflichten
- Art. 30 ASR: Pflicht zur Beendigung völkerrechtswidrigen Verhaltens
- Art. 31 und 34 ASR: volle Reparationspflicht
- Art. 35 ASR: (Natural-)Restitution
- Art. 36 ASR: Kompensation
- Art. 37 ASR: Genugtuung (bei immateriellen Schäden, z.B. sich entschuldigen)
Wie wird Staatenverantwortlichkeit durchgesetzt?
- zur Geltendmachung von Verantwortlichkeit (invocaton of responsibility) sind berechtigt:
- verletzte Staaten (Art. 42 ASR)
- nicht verletzte, aber betroffene Staaten (Art. 48 ASR) bei Schutz von kollektiven Interessen oder bei Verletzung von erga omnes Verpflichtungen; Vertragsstaaten, wenn Vertrag verletzt wurde (erga omnes partes)
- verletzte Staaten dürfen Gegenmaßnahmen (Repressalien) ergreifen, Art. 49, Abs. 1 ASR
- nicht-verletzte Staaten bei erga omnes Verletzungen? Art. 54 ASR trifft keine Aussagen zum Recht auf Gegenmaßnahmen
- Art. 49 ASR: Gegenmaßnahmen dürfen sich nur gegen der verantwortlichen Staat richten, müssen leicht reversibel sein
- Zweck ist die Einhaltung der rechtlichen Pflichten herbeizuführen, nicht die Bestrafung!
Was sind erga omnes und erga omnes partes Verpflichtungen?
- erga omnes Verpflichtungen sind für alle Mitglieder der Staatengemeinschaft verpflichtend, aus der Natur der Verpflichtung heraus. Bsp.: Gewaltverbot
- jeder Staat darf sich darauf beziehen (Verantwortlichkeit geltend machen)
- erga omnes partes Verpflichtungen sind vertragliche Schuld gegenüber den Vertragsstaaten
- Vertragsstaaten dürfen die Norm geltend machen
Articles on State Responsibility: Gibt es ein Recht auf Gegenmaßnahmen der im Sinne von Art. 48 Abs. 1 ASR betroffenen, aber nicht verletzten Staaten?
- verletzte Staaten haben Recht auf Gegenmaßnahmen durch Art. 49, Abs. 1
- Art. 48, Abs. 1: betroffene, nicht verletzte Staaten dürfen Verantwortlichkeit geltend machen
- Art. 54 kann man so lesen, dass es KEIN Recht darauf gibt
- Formelkompromiss! International Law Commission war sich uneinig ob es dieses Recht gibt. Diese Kompromissformel schließt nicht aus, dass sich das VR in diese Richtung bewegt.
- Wortlaut: “does not prejudice the right of [a] State […] entitled to invoke the responsibility […] to take lawful measures against that State.
- es geht ja darum, eigentliche “unlawful measures” zu ergreifen. ILC schließt das nicht aus, bejaht es aber auch nicht.
- Aber: über die kollektive Sicherheit (Art. 51 UNCh) wäre man bei einem bewaffneten Angriff (Bsp.: RUS 💣 UKR) sogar dazu berechtigt, den verletzten Staat militärisch 💂♂️ zu unterstützen! Sogar auf dem Territorium des Angreifers!
- erst-recht-Schluss: dann muss es doch möglich sein, “leichtere” Gegenmaßnahmen zu ergreifen und z.B. Sanktionen zu verhängen
- Gefahr: man rechtfertigt dann schnell alles
- vielleicht bezieht sich Art. 51 UNCh nur auf rein militärische Gegenmaßnahmen und die anderen müssten über ASR gerechtfertigt werden
Was ist der Unterschied zwischen einer Gegenmaßnahme und einer Strafe?
- Strafe ist nicht völkerrechtlich determiniert
- Faktor der Verhältnismäßigkeit: Gegenmaßnahme muss immer verhältnismäßig und auf die Dauer des ursprünglichen VR-Bruchs begrenzt sein
- was darüber hinausgeht, ist als Strafe zu verstehen