Völkerrecht - Fragenkatalog Flashcards

1
Q

Die Staaten A und B sind beide Parteien eines multilateralen Rüstungskontrollvertrages, der es den Mitgliedstaaten verbietet, eine bestimmte Anzahl an Fahrzeugen, Waffen und anderen militärischen Ausrüstungsgegenständen zu überschreiten. Überdies begrenzt der Vertrag die Truppenstärke enorm, so dass der große Staat B seine Armee verkleinern muss. Nach einigen Jahren stellt sich heraus, dass Staat A heimlich die Truppenstärke überschritten hat. Ebenso hat er damit angefangen, neue Waffentechnologien zu entwickeln. Kurze Zeit später kommt es zum Angriff As auf das Staatsgebiet von B und die Staaten erklären einander wechselseitig den Krieg.
Der Präsident von B bittet Sie als völkerrechtliche/n Experten/in um Rat: Er möchte vom Rüstungskontrollvertrag zurücktreten, um das Heer aufzustocken und sich besser gegen A verteidigen zu können. Andererseits hat er Bedenken, weil er auch Vorteile darin sieht, dass sich die internationale Staatengemeinschaft zur Abrüstung bekennt. Welche Optionen hat er? Was sind die Vor- und Nachteile dieser Optionen? (6 Punkte)

A

S.9

Wenn man von einem völkerrechtlichen Vertrag zurücktritt, kann man auch keine Vorteile aus diesem ziehen. Daher wäre in Betrachtung des Austrittes:

Negativ:
* keine kollektive Selbstverteidigung mehr vorhanden
* Sicherheitsrat der Vereinten Nationen kann die Gewaltanwendung gegen einen Staat oder ein Individuum ermächtigen und/oder verbindliche nichtmilitärische Sanktionen beschließen
* rechtswidrig erzwungene Gebietsgewinne und Verträge werden nicht anerkannt
* Strafverfahren vor einem internationalen Gericht
* Verlust an internationalen „Goodwill“
* negative Präzedenzwirkung
* „Kettenreaktion“

Positiv:
* keine Verpflichtungen mehr aus dem Vertrag

Hierbei können ebenso im innerstaatlichen Recht Nachteile anfallen, welche wie folgt lauten:

  • der Verstoß gegen Völkerrecht kann von der politischen Opposition aufgegriffen werden
  • Widerstand von Pressure-groups
  • Kritik in den Massenmedien
  • NGO’s beeinflussen öffentliche Meinung
  • negative Präzedenzwirkung
  • Belastung der außenpolitischen Bürokratie
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2
Q

c) Besteht eine allgemeine Vorrangregel (Hierarchie) zwischen Völkergewohnheitsrecht und Völkervertragsrecht? (2 Punkte)

A

S.11, Abs 2

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3
Q

d) Ist eine Gerichtsentscheidung auch eine Völkerrechtsquelle? (2 Punkte)

A

Gerichtsentscheidungen dienen als Erkenntnisquellen des Völkerrechts, aber aufgrund der hohen Autorität der Entscheidungen spricht man von einer de-facto case-law-Wirkung.

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4
Q

a) Welche Bedeutung haben sogenannte radizierte Verträge im Gegensatz zu politischen oder höchstpersönlichen? Wobei spielt diese Unterscheidung eine Rolle? Gibt es zu diesem Bereich anerkannte kodifizierte Regeln? Erläutern Sie! (7 Punkte)

A

S.37 Abs 2, Pkt 6.3.

Radizierte Verträge oder gebietsbezogene Verträge werden idR automatisch vom Gebietsnachfolger übernommen (z.B. Grenzverträge), während höchstpersönliche Verträge nicht vom Nachfolger übernommen werden (z.B. Militärbündnisverträge, Gründungsverträge von internationalen Organisationen)

Ähnliche Prinzipien haben sich für Vermögen, Archive und Schulden herausgebildet. Weitgehend anerkannt ist ebenso, dass die sog. „dettes odieuses“ (Regimeschulden), nicht übernommen werden (z.B. Schulden, die etwa zur Verhinderung der Unabhängigkeit eingegangen worden sind.

Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Verträge 1978 – in Kraft seit 1996
Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Staatsvermögen,-archive und -schulden 1983 – noch nicht in Kraft

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5
Q

b) Für welche Art der Interpretation wird auf die „travaux préparatoires“ zurückgegriffen und wann wird diese angewandt? (2 Punkte)

A

S.19, Pkt 6

Primär sind völkerrechtliche Verträge nach der objektiven Methode zu interpretieren, also nach Wort-, kontextuellen und teleologische Interpretation. Erst wenn diese Auslegung dunkel lässt oder zu einem offensichtlich sinnwidrigen Ergebnis führt, kann die subjektive Methode, also die historische Auslegung mit den „travaux préparatoires“ (z.B. Vertragsentwürfe, Verhandlungsprotokolle) zurückgegriffen werden.

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6
Q

c) Werden mehrsprachige Verträge nach anderen Regeln ausgelegt? (1 Punkte)

A

S.20, Pkt 6

Nein, mehrsprachige Verträge bilden einen einzigen Vertragstext, die verschiedenen Sprachen sind authentisch, also rechtlich gleichwertig auszulegen.

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7
Q

d) Nennen Sie die sechs Amtssprachen der Vereinten Nationen! (1 Punkte)

A

S.19, Pkt 6

Französisch, Chinesisch, Arabisch, Russisch, Englisch, Spanisch

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8
Q

Welche Vertragsauslegungsregeln sind auf einen bilateralen Investitionsschutzvertrag
zwischen Iran und Österreich anwendbar?
Österreich ist der WVK I 1979 beigetreten; Iran hat die WVK I am 23. Mai 1969 unterzeichnet. Der bilaterale Investitionsschutzvertrag ist am 11. Juli 2004 in Kraft getreten. (2 Punkte)

A

S.13 Pkt 2; S.15 (3) – wenn kein Hinweis im SV, dann ist davon auszugehen, dass der Vertrag schriftlich ist

Gemäß Art 2 Abs 1 lit a WVK ist ein Vertrag welcher:
* schriftlich
* zwischen Staaten
* dem Völkerrecht unterliegende
* nach dem Inkrafttreten der WVK abgeschlossene Verträge

Je nachdem, ob im Iran das einfache Abschlussverfahren gilt, ist die Unterzeichnung gleichsam Bindungsakt und es ist keine Ratifikation mehr notwendig. Gilt aber das zusammengesetzte Abschlussverfahren im Iran, dann ist die Unterzeichnung nicht ausreichend und es bedarf noch einer Ratifikation. (Beitritt, wenn beitretende Staat nicht an den Vertragsverhandlungen teilgenommen hat)
* Var. 1. – einfaches Abschlussverfahren – WVK gilt
* Var. 2. – zusammengesetztes Abschlussverfahren – Unterzeichnung nicht ausreichend und es bedarf noch einer Ratifikation

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9
Q

b) Welche rechtlichen Regelungen sind auf mündliche Verträge anzuwenden? (1 Punkte)

A

S.13 Pkt 2

Ist die WVK nicht anwendbar, dann gilt Völkergewohnheitsrecht, genauso wie für mündliche Verträge.

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10
Q

Wer ist gemäß Art 7 WVK ohne Vorweisung einer Vollmacht berechtigt
a) völkerrechtliche Verträge ohne gesonderte Vollmacht abzuschließen? (3 Punkte)

A

S.14 Pkt 4.2.

Staatsoberhaupt, Regierungschef, Außenminister

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11
Q

Wer ist gemäß Art 7 WVK ohne Vorweisung einer Vollmacht berechtigt
b) den Text von völkerrechtlichen Verträgen anzunehmen?
Bitte erklären Sie etwaige Zusatzbedingungen! (2 Punkte)

A

S.14 Pkt 4.2.

Delegationsleiter:innen auf Konferenzen und Leiter:innen der ständigen Vertretungen bei den internationalen Organisationen dürfen Verträge annehmen. Alle anderen Staatenvertreter haben eine Vollmacht vorzuweisen, sofern nicht aus der Übung die Berechtigung hervorgeht.

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12
Q

Der Staat Atlantis gibt bezüglich seines Beitritts zur Internationalen Folterkonvention eine „Erklärung“ ab, dass die Konvention nur insoweit für das Land verbindlich sei, als sie nicht gegen innerstaatliches Verfassungsrecht verstoße.
a) Um was für eine „Erklärung“ handelt es sich? (1 Punkte)
b) Ist eine solche „Erklärung“ zulässig? (2 Punkte)
c) Welche Rechtsfolgen hat sie? (4 Punkte)

A

Antwort a)
S.16 Pkt 4.5.

Vorbehalt = Eine einseitige Erklärung eines Staates, welche er spätestens bei der Ratifikation oder beim Beitritt zu einem Vertrag abgibt, durch die der Staat bezweckt die Rechtswirkung einzelner Vertragsbestimmungen in der Anwendung auf sich auszuschließen oder abzuändern.

Antwort b)
S. 18 Pkt 4.5.4.

Hier liegt ein Fall unbestimmten Inhalts vor bei dem schwer festgestellt werden kann, ob er mit Ziel und Zweck des Vertrages vereinbar ist. Dieser Vorbehalt ist unzulässig und der Staat ist sodann an den gesamten Vertrag (ohne Vorbehalt) gebunden. Nach anderer Auffassung führt das Anbringen unzulässiger Vorbehalte dazu, dass ein Staat gar nicht Vertragspartei wird.

Antwort c)
S.17 Pkt 4.5.3.
[Vorbehalte werden meistens mittels eines Falles abgeprüft]

Es gibt 4 Möglichkeiten auf einen Vorbehalt zu reagieren:
* annehmen (Schweigen gilt als annehmen)
* einfacher Protest – protestieren – Vorbehalt kommt zwischen Staaten nicht zur Anwendung
* qualifizierter Protest - protestieren und die Vertragswirkung ausschließen – keine Vertragsbeziehung

Ein gültiger Vorbehalt bewirkt, dass die Bestimmung, auf die sich ein Vorbehalt bezieht, in der Beziehung zwischen dem annehmenden und vorbehaltenden Staat nicht zur Anwendung gelangt.
Ein wirksamer Vorbehalt muss durch mindestens einen Staat (auch stillschweigend) angenommen werden. Ein wirksamer Protest muss innerhalb von 12 Monaten ab Notifikation des Vorbehalts oder bis zur Parteiwerdung erhoben werden.

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13
Q

Sind Drittstaaten grundsätzlich an Verträge, bei denen sie nicht Vertragsparteien sind,
gebunden? (2 P)

A

S.19 Pkt 5.3.

  • „pacta tertiis nec nocent nec procunt” – “Weder schaden Verträge Dritten noch nützen sie ihnen“
  • Drittstaaten sind an Verträge nicht gebunden und können nur durch deren Zustimmung entstehen.
  • Bei Rechten zugunsten Dritter wird eine Zustimmung vermutet, Verpflichtungen zu Lasten Dritter bedürfen deren schriftlicher Zustimmung.
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14
Q

Unter welchen Voraussetzungen kann ein völkerrechtlicher Vertrag angefochten werden?
Welche Wirkung hat die erfolgreiche Anfechtung? (7 Punkte)

A

S.20 Pkt 8.1.

Eine Anfechtung ist entweder:
* formeller Willensmangel - Vertrag unter offenkundiger Verletzung einer wesentlichen innerstaatlichen Vorschrift betreffend den Vertragsabschluss zustande kam. – z.B. Staatsorgan einen Vertrag abschließt, wo er nach innerstaatlichem Recht nicht zuständig ist. (Art 46 Abs 2 WVK)
* materieller Willensmangel – Inhaltliche Beeinträchtigung – z.B. Irrtum, Betrug, Zwang gegen einen Staat und/oder Staatenvertreter:in, Bestechung
* Unvereinbarkeit mit ius cogens – Verstoß gegen grundlegende Werte und Vorstellungen (Art 53 WVK)

Rechtsfolge:
* Aufhebung des Vertrages:
o EX TUNC – Betrug, Bestechung, Zwang, Unvereinbarkeit mit ius cogens
o EX NUNC – bei allen anderen Formen

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15
Q

a) Führen Sie die Schritte der Vertragswerdung eines völkerrechtlichen Vertrages nach Art 50
B-VG chronologisch an! (3 Punkte)

A

S.24 Pkt 10.2.

Vertragswerdung von Verträgen nach Art 50 B-VG:
1. Verhandlung
2. Unterzeichnung
3. Ratifikation
4. Übermittlung der Ratifikationsurkunde an den Depositär oder die andere Vertragspartei
5. Inkrafttreten
6. Verlautbarung im Bundesgesetzblatt (BGBl) III

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16
Q

b) Welchen Rang und welche Wirkung hat ein völkerrechtlicher Vertrag in Österreich? (2 Punkte)

A

S.24 Pkt 10.3.

  • Ein von Österreich abgeschlossener Vertrag hat innerstaatlich jenen Rang, welchen dieser Vertrag innerstaatlich hätte. z.B. Menschenrechtsvertrag, sodann Verfassungsrang.
  • Je nachdem, ob der Vertrag „non self-executing“ oder „self-executing“ ist, bedarf es eines oder keines Rechtsaktes. – „non self-executing“ benötigt einen Rechtsakt
17
Q

c) Wer darf in Österreich völkerrechtliche Verträge abschließen? Begründen Sie warum! (4 Punkte)

A

S.24 Pkt 10.1.1.

  • völkerrechtliche Verträge – Bundespräsident – gemäß Art 65 B-VG

Seit 1921 delegiert von BP:
* Regierungsabkommen – Bundesregierung – Art 66 Abs 2 B-VG – bei ressortübergreifender Bedeutung
* Ressortabkommen – zuständige Ressortminister im Einvernehmen mit dem Außenminister
* Verwaltungsabkommen – zuständiger Ressortminister

Delegierung gilt nicht für Verträge die Art 50 B-VG (z.B. Gesetzänderungen -also weitreichende Implikationen) unterliegen.

18
Q

Was sind die Vor-, was die Nachteile der Kodifikation von Völkergewohnheitsrecht? (5 Punkte)

A

(S.25 C)

Vorteile:
* Rechtssicherheit
* Übersicht über Regeln und Ausnahmen
* Bedeutungsgehalt
* alle Staaten wirken an Kodifikationen mit

Nachteile:
* VR ändert sich regelmäßig, dadurch kommt es zur Hemmung der Rechtswirkung
* mühsamer, langwieriger Kodifikationsprozess

19
Q

a) Nennen Sie die beiden konstituierenden Elemente des Völkergewohnheitsrechts! (4 Punkte)

A

S.25 Pkt 1

Das Völkergewohnheitsrecht gliedert sich in zwei Elemente:
* objektives Element – Verhalten und/oder das Handeln von Völkerrechtssubjekten (traditionellerweise Staatenpraxis)
* subjektives Element – Rechtliche Überzeugung („opinio iuris“), dass dieses Verhalten auch rechtlich erlaubt bzw verpflichtend ist

20
Q

b) Nennen Sie die Voraussetzungen, die der IGH im Nordsee-Festlandsockel-Fall entwickelte! (2 Punkte)

A

S.25 Pkt 2., Pkt 2.1.

Die ständige und einheitliche Übung muss vor allem von jenen Völkerrechtssubjekten praktiziert werden, deren Interessen von der entsprechenden Norm besonders betroffen sind, also nicht alle Staaten der Welt, sondern wie im Nordsee-Festlandsockel-Fall, Dänemark, Deutschland, Norwegen, welche die betroffenen Staaten waren.
Dementsprechend ist auch regionales bzw sogar bilaterales Gewohnheitsrecht möglich.

Dabei kommt es nicht auf eine besonders lang andauernde, sondern auf eine ausgedehnte gleichförmige Praxis an.

21
Q

c) Was ist ein „persistent objector“? Nennen Sie ein Beispiel in der Judikatur des IGH! (2 Punkte)

A

(nicht im Skript angeführt)

Ein Staat, der sich beharrlich gegen die Anwendung von VGR widersetzt. Er kann zwar nicht verhindern, dass VGR entsteht, aber er kann verhindern, dass er dadurch gebunden wird.
Hierbei gab es den Fischerei-Fall aus dem Jahr 1951 zwischen England und Norwegen, wo Norwegen der „persistent objector“ war.

22
Q

Was ist unter „allgemeinen Rechtsgrundsätzen“ zu verstehen? (5 Punkte)

A

S.27 D

Allgemeine Rechtsgrundsätze sind den wichtigsten Rechtssystem aller Staaten gemeinsamen Grundsätze und sind auch eine Völkerrechtsquelle. Gemäß Art 38 Abs 1 lit c IGH-Statuts ebenfalls heranzuziehen.
Die allgemeinen Rechtsgrundsätze findet man durch Rechtsvergleich der innerstaatlichen Rechtsordnungen der wichtigsten Rechtssysteme der Welt, also das angloamerikanische „common law“, die kontinentaleuropäischen Kodifikationen, sowie die afrikanischen und asiatischen Rechtskreise.

Beispiele sind hierbei:
* Verbot des Rechtsmissbrauches
* Verjährung von Forderungen
* Verpflichtung Verzugszinsen zu zahlen
* Verbot der ungerechtfertigten Bereicherung
* Verpflichtung zu Schadenersatz
* Verbot des „venire contra factum proprium“ (estoppel) – “Man darf sich nicht Verhalten gegen eine früher gemachte Tat“
* „res judicata“ – „Rechtskraft der entschiedenen Sache“, also bei einer Entscheidung im Sachverhalt
* „lis pendens“ - Streitanhängigkeit

Grund- und Menschenrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze des Völkerrechts.

23
Q

Welche Arten der Staatennachfolge gibt es? Nennen Sie je ein Bsp! (5 Punkte)

A

S.36 Pkt 6.3.

Fälle echter Staatennachfolge (Staatensukzession)
* Dismembration  ein Staat in zwei oder mehrere Staaten zerfällt – z.B. Tschechoslowakei, Jugoslawien
* Zession  Loslösung von Gebietsteilen gegen den Willen des Staates – z.B. Südsudan
* Separation  Loslösung von Gebietsteilen mit Einverständnis des Staates – z.B. Sowjetunion
* Fusion  zwei oder mehrere Staaten schließen sich zusammen – z.B. Tansania
* Inkooperation/Beitritt  ein Staat wird freiwillig in einen bestehenden Staat eingegliedert – z.B. 5 Länder der DDR in die BRD
* Annexion  ein Staat wird unfreiwillig in einen bestehenden Staat eingegliedert, z.B. Krim

24
Q

Die Sekretärin der Botschaft von Alysium in Wien beauftragt einen österreichischen Spengler mit der Ausbesserung der Dachbleche am Dach des Botschaftsgebäudes. Einige Wochen, nachdem die Spenglerarbeiten durchgeführt sind, aber der Spengler noch immer nicht seine an die alysianische Botschaft geschickte Rechnung bezahlt bekommen hat, wendet er sich an Sie, was er tun könnte, um zu seinem Geld zu kommen. Im Zweifel würde er Exekution führen.
Was erklären Sie ihm, in Hinblick auf die besondere Rechtslage, sowohl hinsichtlich des Erkenntnis-, als auch des Vollstreckungsverfahrens? (6 Punkte)

A

S.37 u 38 Pkt 7

Hierbei geht es um das Problem der Staatenimmunität, was bedeutet, dass ein Staat/Gericht gegen einen anderen Staat nicht zu Gericht sitzen darf.
Grundsatz – „par in parem non habet imperium“ – „Gleiche haben über Gleiche keine Macht“
Dies ist ein Ausdruck der absoluten Immunität der Staaten, was hierbei gegeben ist, dadurch, dass es sich um die Botschaft von Alysium handelt.

Erkenntnisverfahren:
Der absolute Grundsatz gilt heute nicht mehr, sondern ist zu der restriktiven Immunität übergangen. Dabei stellt man auf die Handlung ab. Wenn der Staat wie ein Privater handelt, „acta iure gestionis“, dann besteht keine Immunität . Daher besteht keine Immunität und der Spengler kann die Botschaft auf Zahlung klagen. Dabei wird auf die Natur des staatlichen Handelns abgestellt, wobei man prüft, ob diese Handlung auch von Privaten vorgenommen werden kann.

Vollstreckungsverfahren:
Großzügiger als im Erkenntnisverfahren wird im Vollstreckungsverfahren Immunität gewährt, da der Eingriff in die staatliche Souveränität bei Exekutionsmaßnahmen stärker ist, als bei bloßen Entscheidungen über Rechte und Pflichten. Bei der Vollstreckung wird nicht auf die Natur, sondern auf den Zweck abgestellt. In zahlreichen Staaten wird der Zugriff auf nicht hoheitliches Vermögen zugelassen, wie z.B. ein privates Konto, jedoch stellt man hier ebenso auf die Zweckbestimmung des Vermögens ab.

Randnotiz:
Führt dies zu keinem Ergebnis dann wären außergerichtliche Maßnahmen eine Möglichkeit eine Zahlung zu erwirken.

Zusatz:
* Gegenstück dazu wäre das hoheitliche Handeln „pacta iure imperii“
* Keine Immunität für deliktisches Handeln. Der IGH hat im Staatenimmunitätsfall zwischen Deutschland und Italien 2012 die Geltung außerhalb des Gerichtsstaates für diese Immunitätsverweigerung für „ius-cogens“-Verletzungen verneint.

25
Q

a) Was ist eine internationale Organisation? Welche Arten kennen Sie? (3 Punkte)

A

S.38 B Pkt 1

Ist ein Zusammenschluss von Staaten, welche durch einen völkerrechtlichen Vertrag gegründet wurden.

Arten:
* regionale internationale Organisationen (Europarat)
* internationale Organisationen (Vereinten Nationen)
* wirtschaftliche int. Organisationen (WTO)
* kulturelle int. Organisationen (UNESCO)
* finanzielle int. Organisationen (Weltbank)
* Spezialorganisationen (wenn mit dem UN-Wirtschafts- und Sozialrat abgeschlossen – ILO – International Labour Organisation

26
Q

b) Welche Vorrechte und Befreiungen haben internationale Organisationen und ihre Angestellten? Wo sind diese geregelt? (3 Punkte)

A
  • Bedienstete haben Steuerbefreiungen und funktionelle Immunität
  • Gebäude, Archive und Vermögen sind unverletzlich, das heißt man braucht eine Genehmigung, wenn man als Fremder diese Gebäude betreten möchte.
  • Geregelt sind diese in der Satzung – Amtsitzabkommen.
27
Q

c) Bei welchem Gericht kann ein Angestellter einer internationalen Organisation seine Entlassung bekämpfen? (2 Punkte)

A

Der Angestellte kann die Klage nicht bei einem örtlichen Arbeits- und Sozialgericht einbringen, sondern es gibt eigene Verwaltungsgerichte aufgrund des Dienstrechtes. ILOAT – Administrative Tribunal of the International Organisation

28
Q

d) Welche anderen Formen der Beteiligung an einer internationalen Organisation gibt es, außer der Mitgliedschaft?

A
  • Assoziierung – Vorbereitung einer Mitgliedschaft; Rechte und Pflichten, aber kein Mitbestimmungsrecht
  • Beobachterstatus – s.o., weniger Rechte; wird nicht nur Staaten, sondern auch int. Organisationen oder nationalen Befreiungsbewegungen eingeräumt
  • Konsultativstatus – können NGO’s erhalten
29
Q

e) Welche Organe gibt es in einer internationalen Organisation, etwa der UNO?

A

S.43 Pkt 6

  • Repräsentativorgane – dienen zur Willensbildung
    o Plenarorgan
    o Generalversammlung – Plenarorgan der Vereinten Nationen
  • Administrative Organe – setzen Beschlüsse um
    o Sekretariate
  • Sicherheitsrat
    o 15 Mitglieder
     5 ständige (China, Frankreich, Russland, USA, Großbritannien)
     übrigen Mitglieder werden alle 2 Jahre gewählt
  • UN-Wirtschafts- und Sozialrat
  • parlamentarische Organe
    o Europäische Union
    o Europarat
  • Exper:innenorgane
    o International Law Commission
  • gerichtliche Organe
    o Internationale Gerichtshof
    o UNDT – United Nations Dispute Tribunal
    o UNAT – United Nations Appeals Tribunal
30
Q

f) Wie finanziert sich eine internationale Organisation?

A

S.45 Pkt 8

  • Mitgliedsbeiträge – UNO stellt für die Berechnung dabei auf die Wirtschaftskraft der Mitglieder ab. Wenn man die Mitgliedsbeiträge nicht zahlt, kann es zum Verlust des Stimmrechtes kommen.
  • Steuern
  • Einkünfte aus eigener Tätigkeit – z.B. Weltbank
31
Q

Welche Möglichkeiten zur Beschlussfassung gibt es in internationalen Organisationen im
Allgemeinen?
a) Erklären Sie die Unterschiede und nennen Sie je ein Bsp! (6 Punkte)

A

S.44 Pkt 7

  • Konsensverfahren = Beratungen werden so lange fortgesetzt bis alle Staaten das Ergebnis mittragen
  • Einstimmigkeit = alle Staaten müssen zustimmen
    o gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union
    o Aufnahme neuer Mitglieder in die Europäische Union
  • Mehrstimmigkeit = einfache Mehrheit, 2/3 Mehrheit
    o bestimmte Stimmenanzahl im Sicherheitsrat – neun der 15 Mitglieder, ein ständiges Mitglied kann ein Veto einlegen (Enthaltung gilt hierbei nicht als Veto)
32
Q

Welche Bedeutung haben die Beschlüsse in internationalen Organisationen?

A

S.45 Pkt 9

Haben grds einen unverbindlichen Charakter, also sind Empfehlungen, haben aber gewisse Rechtswirkungen, also können sie zur Bildung von Gewohnheitsrecht führen, da sie eine Rechtsüberzeugung eine „opinio iuris“ zum Ausdruck bringen. Können Ausgangspunkt für völkerrechtliche Verträge sein. Führt zu einer allgemeinen Erklärung der Völkerrechtssubjekte. Außerdem ist es eine Argumentationshilfe vor internationalen Gerichten.
Es gibt aber auch verbindliche Beschlüsse, z.B. die Resolutionen des Sicherheitsrates

33
Q

a) Was bedeutet Souveränität? In welche Dimensionen kann sie unterschieden werden? (2 Punkte)

A

S.4 B Pkt 1 u. 3

Autonomie und höchste Befehlsgewalt, sowie Unabhängigkeit und Gleichheit der Staaten in ihren Beziehungen untereinander.
Es gibt 2 Dimensionen die relative und absolute Souveränität
* relative Souveränität = kein Staat ist dem Willen eines anderen Staates unterworfen, alle Staaten sind dem Völkerrecht untergeordnet
* absolute Souveränität = stellt Völkerrecht nur äußeres Staatsrecht dar und die Staaten können sich von diesem Recht wieder einseitig lösen

34
Q

b) Welche besonderen Merkmale weist das Völkerrecht auf? Was heißt in diesem Zusammenhang „Reziprozität“? (3 Punkte)

A

Völkerrecht ist keine Subordinationsrechtsordnung, sondern eine Koordinationsrechtsordnung. Es ist ein horizontales Rechtssystem und es fehlen ihm übergeordnete Organe der Rechtssetzung, Rechtsprechung und Rechtsdurchsetzung.
Reziprozität man hält sich an die Gesetze der Staaten in der Erwartung, dass sich andere Staaten auch an diese halten.

35
Q

c) Welche „sonstigen Völkerrechtssubjekte“ kennen Sie? (5 Punkte)

A

S.47 C
* Heiliger Stuhl
* Souveräner Malteser-Ritter-Orden
* nicht staatliche Akteure
o NGO, Einzelmenschen, aufständische und nationale Befreiungsbewegungen, TNC, MNC

36
Q

d) Was bedeutet „Mediatisierung des Individuums“? (3 Punkte)

A

S.49 Pkt 3.2.

Die Durchsetzung von Rechten und Pflichten wurde lange Zeit von staatlichem Handeln abhängig gemacht, also gab es keine Menschenrechte. Mittlerweile hat sich diese Sicht gewandelt und der einzelne Mensch kann sehr wohl Träger von Rechten und Pflichten sein, aber ebenso dafür belangt werden.

37
Q

e) Welche Arten von Völkerrechtsverträgen können unterschieden werden? (4 Punkte)

A

S.13 Pkt 3

Die Einteilung kann erfolgen nach:

  • der Zahl der Parteien
    o bilaterale – bloß zwischen zwei Parteien
    o multilaterale – zwischen mehreren Parteien
  • der Anwendbarkeit
    o rechtssetzende – enthalten Regelungen für das künftige Verhalten der Vertragsparteien
    o rechtsgeschäftliche – Regeln den Austausch von Leistungen, nach Erfüllung bestehen hierbei keine weiteren Pflichten
  • der Beteiligungsmöglichkeit
    o offene – alle Staaten dürfen Partei werden
    o relativ geschlossene – nur bestimmte Staaten dürfen als Partei beitreten
    o geschlossene – kein Beitritt vorgesehen
  • dem Inhalt
    o „self-executing“ – eignen sich zur unmittelbaren Anwendung im Staat
    o „non-self-executing“ – bedürfen einer Umsetzung durch innerstaatliche Rechtsakte