VL6: Entwicklung des Gedächtnis Flashcards
Def. Lernen
Prozesse des erfahrungsabhängigen Erwerbs von Wissen oder Fertigkeiten sowie Veränderung von Verhaltensdispositionen
Def. Gedächtnis
Ergebnisse des Lernens (Erinnerungen, Wissen, Fertigkeiten)
Prozesse: Speichern, Kodierung, Abruf
Ebbinghaus’ Experiment (1885)
N=1 (er selbst)
- Lernmaterial: sinnlose Silben
- Manipulation von: Menge des Lernmaterials, Intervall zwischen Lernen und Abruf
AV:
- Erlernungsmethode: Anzahl von Lerndurchgängen bis Kriterium erreicht ist
- Ersparnismethode: Reduktion der Zahl notwendiger Lerndurchgänge beim wiederholten Lernen
-Ersparnis: Anzahl Lerndurchgänge des ersten Lernens / Anzahl Lerndurchgänge des zweiten Lernens
Gedächtnisinhalte
Explizit (deklarativ):
- episodisch: Ereignisse + Kontext; autobiographisches Gedächtnis
- semantisch: Wissen um Fakten, Regeln und Tatsachen; kontextarm
Implizit (non-deklarativ):
- prozedural: Fertigkeiten, Handlungen; Motorik; assoziativ Gelerntes; Routinen, Handlungsschemata; kognitive Fertigkeiten
- perzeptuell: Wiedererkennen, Einordnen von Strukturen
Einteilung des Gedächtnisses, je nach Speicherdauer
- Mehrspeichermodell nach Atkinson und Shiffrin (1968)
- Ansatz der Informationsverarbeitung (nach Mayer, 1999)
Mehr-Speicher-Modell (Atkinson & Shiffrin, 1968) + Kritik
Reizaufnahme (Input)
->Sensorisches Register (Filter: Vergessen von Unnötigem)(große Kapazität, sehr kurze Speicherdauer)
–>über Aufmerksamkeit in den Kurzzeitspeicher (kleine Kapazität, kurze Speicherdauer)
Interaktion mit Langzeitspeicher (praktisch unendliche Kapazität, lange Speicherdauer)
Annahmen:
- alle Infos durch Kurzzeitspeicher
- Kontrollprozesse im Kurzzeitspeicher: Memorieren (Wiederholen), strategisches Enkodieren (Einprägen)
- > erhöhen W’keit in den Langzeitspeicher übertragen zu wrrden
Kritik:
- Vereinfachung Gedächtnis
- vermutlich zu starke Trennung zwischen den Komponenten
4 Phasen der Informationsverarbeitung des Gedächtnisses (Mayer, 1999)
Input
->Sensorisches Gedächtnis
Dann Phase 1: Selegieren von Infos, ans KZG
–>KZG:
2 Möglichkeiten:
1)Phase Organisation
2)Phase Speichern ins LZG
—>im LZG:
Phase Integration
Gedächtnisentwicklung im Säuglings- und Kleinkindalter
Wiedererkennen (erste Monate)
Assoziatives Lernen:
- Mobile Experiment (Rovee-Collier et al., 1992):
- -konjugierte Verstärkung
- -Mobile über Bett, Schnur an Säuglingsfuß und Mobile
- -3 Monate alte Kinder strampelten etwa doppelt so oft in der Minute
- > Assoziation zwischen Bewegung des Fußes und des Mobile
- -Behaltensdauer der Assoziation abhängig vom Alter, der Erfahrung mit der Aufgabe, dem Aufgabentyp und von Kontexteffekten ab
Imitationslernen:
- deferred imitation (Meltzoff et al., 1995):
- -9-14 Monate alte Kinder
- -Handlungen mit neuartigen Objekten beobachten und nachahmen
- > Reproduktion selbst nach 1 Woche, bei älteren sogar später
Entwicklung des impliziten Gedächtnis
- nicht bewusste Fertigkeiten
- Dominanz des impliziten Gedächtnis im jungen Alter
- Messung duech Priming
- Primingeffekte sehr früh entwickelt, im Lebenslauf stabil
- > eher semantische (konzeptuell) als episodische Verknüpfungen
- > aber auch perzeptuelle Primes (fragmentierte Bilder erkennen)
- Skripts (“Drehbücher”) ald Organisation für das Gedächtnis für wiederkehrende Ereignisse bei sehr jungen Kindern
- > wenig Einbußen im Alter
Entwicklung des expliziten Gedächtnis
- bewusste Erinnerungsleistung
- Messung durch Erfragung/Selbstauskunft
- -durch Reproduktion (recall; free, cued)
- -durch Wiedererkennen (recognition)
Entwicklung des episodischen Gedächtnis (explizit)
- Ghetti et al. (2010): Bilder zeigen, dann Frage bzgl. Inhalt (Farbe)
- > linearer Anstieg der episodischen Gedächtnisleistungen bis ins Erwachsenenalter
- Rönnlund et al. (2004): Abstieg von episodischen und semantischen Gedächtnisleistungen ab ca. 60 Jahren
Entwicklung des Arbeitsgedächtnis
- Gathercole et al. (2004): linearer Anstieg der verbalen und räumlich-visuellen Arbeitsgedächtnisleistung über Kindheit hinweg
- Salthouse (1994): langsamer Abstieg verbaler und räumlich-visueller Leistungen, allerdings verbal stets besser als räumlich-visuell
Suggestibilität kindlicher Augenzeugenberichte
Kinder extrem anfällig auf Fehler bei Suggestivfragen (Menge falsch = Menge richtig)
->je älter, desto weniger
(Cassell et al., 1996)
Determinanten der Gedächtnisentwicklung
- basale Gedächtniskapazität und Arbeitsgedächtnis
- Gedächtnisstrategien
- Wissen ums Gedächtnis (Metawissen)
Arbeitsgedächtnis (Modell von Baddeley und Hitch, 2000)
Bestehend aus:
1)räumlich-visuellen Notizblock: visuelle Semantik
2)episodischer Puffer: episodisches Gedächtnis
3)Phonologische Schleife: Sprache
und Kontrollinstanz
4) Zentrale Exekutive: Steuerung; Ressourcenverteilung
-zentral für Beibehaltung der Infos im AG ist deren Artikulationsgeschwindigkeit bei den Wiederholungsprozessen in der phonologischen Schleife
Modell von Lowan (Lowan & Alloway, 2009)
Zentrale Exekutive steuert Aufmerksamkeit dahin, wo es nötig ist
- > je nachdem werden Informationen aus LZG aktiviert
- zentral: Aufmerksamkeitsspanne (wie viel und wie lange)
- > verändert sich über Zeit (im Alter Aufmerksamkeit auf Irrelevantem)
Unterschied zu Baddeley:
-nicht Infos entscheiden, welches Gedächtnis aktiviert wird, sondern die Richtung der Aufmerksamkeit
Jaeggi, Buschkühl, Jonides & Perrig (2008): Duale n-back Aufgabe zum Trainieren des AG
- dual: visuelle und auditive Reize
- n-back: Knopf drücken, wenn n-Schritte zurück dieselbe visuell-auditive Kombi war
- > linearer Anstieg der Leistung bei ansteigender Anzahl an Trainingssitzungen
- -> AG ist plastisch
- > Trainieren durch Wiederholen
Wie kann das (Arbeits)Gedächtnis trainiert werden (zB in der n-back Aufgabe) ?
Wiederholtes Ausführen und bestimmte Gedächtnisstrategien
Theorie von Case (1985)
Verarbeitungskapzität geteilt in zwei Funktionen:
- Arbeitsspeicher (operating space): kognitive Prozesse
- Kurzzeitspeicher (storage space): Speicherung der Ergebnisse ablaufender Prozesse
- Verarbeitungskapazität über Leben konstant
- > Zuwachs in Gedächtnisspanne durch Steigen der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit zu erklären
Gedächtnisstrategien
- junge Kinder noch wenig Gedächtnisstrategien (Produktionsdefizit, Nutzungsdefizit, Mediationsdefizit)
- Wiederholungsstrategien (rehearsal)(passiv/”einzeln” vs. kumulativ)
- Organisationsstrategien (zB Kategorisieren)
- Elaborationsstrategien (“Eselsbrücken”)
->gut trainierbar, Leistung in allen Altersgruppen erhöht (junge Erwachsene > ältere Kinder > jüngere Kinder > ältere Erwachsene)
Produktionsdefizit (bei Kindern)
Fehlen von spontanem Einsatz von Strategien, aber trz. positiver Effekt auf Gedächtnisleistung bei Strategienutzung (ältere Kinder)
Mediationsdefizit (bei Kindern)
Fehlen von spontanem Einsatz von Strategien und selbst bei erfolgreicher Unterweisung keinen positiven Effekt auf Gedächtnisleistung (v.a. bei jüngeren Vorschulkindern)
Nutzungsdefizit (bei Kindern)
Bei erster spontanen Strategienutzung kaum Profit
-> erst nach Wiederholen der Strategie Profit
Inhaltswissen
=semantisches Wissen im Bezug auf semantische Kategorie
- > je älter, desto höher Inhaltswissen
- > erstreckt sich auf das Metagedächtnis (deklarativ, prozedural)
Infantile Amnesie
Keine Erinnerung an eigene Säuglings- und Kleinkindphase
Mögliche Erklärungen:
- biografische Ereignisse sind später anders repräsentiert
- kognitives Selbst (bewusste Wahrnehmung des Selbst in Abgrenzung zu anderen) erst ab 3-4 Jahren
- > erst dann Enkodierung personenbezogener Ereignisse
Fuzzy-Trace-Theorie
- jüngere Kinder encodieren neue Infos präzise
- ältere Kinder weniger präzise (“gist memory traces”)
- Annahme: Je präziser, desto schwieriger beim Abruf zu treffen
- > höhere Vergessensrate bei jüngeren Kindern
Semantische Netzwerk(modell)
Semantisches Wissen angeordnet als Knotenpunkte in einem Netzwerk
- Vorwissen aktiviert automatisch Knoten des Netzwerks
- > Aktivierungsausbreitung
- ->je mehr Knoten, desto bessere Leistung
Zweikomponentenmodell der Entwicklung episodischer Gedächtnisleistungen über die Lebensspanne (vgl. Shing et al., 2010)
- strategische und assoziative Komponenten des episoschen Gedächtnis
- > Entwicklung als Interaktion
- strategische Komponente: kognitive Kontrollprozesse, die Gedächtnisfunktionen beim Einprägen und Abruf unterstützen
- > präfrontaler Cortex
- assoziative Komponente: Mechanismen der Assoziationsbildung, durch die einzeone Merkmale zu einer kohärenten Gedächtnisrepräsentation zusammengefügt werden
- > medial gelegene Areale des Schläfenlappens, v.a. Hippocampus
- Reifung des präfrontalen Cortex bis ins frühe Erwachsenenalter, dann Alterserscheinungen
- Reifung des Schläfenlappens bis in mittlere Kindheit, ab höherem Erwachsenenalter Alterserscheinungen