VL 15: Das Psychologische Gutachten Flashcards
Das Psychologische Gutachten
„[…] wissenschaftliche Leistung eines qualifizierten psycholo- gischen Sachverständigen […],
dass auf der Grundlage von wissenschaftlich anerkannten Untersuchungs- und Beurteilungsmethoden und -kriterien
im Hinblick auf die Beantwortung einer vom Auftraggeber vorgegebenen Fragestellung
Daten bei Probanden erhoben, sachverständig ausgewertet und beurteilt werden […]“.
- > Konkrete Fragestellung
- > Entscheidungshilfe
- > Adressatenorientierung
Formale Grundlagen:
• Ethische Richtlinien DGPs / BDP – Sorgfaltspflicht
– Transparenz
– Unzulässigkeit von Gefälligkeitsgutachten
– etc.
• DIN33430
• European Association of Psychological Assessment
• International Test Commission
• Standards for Educational and Psychological Testing der American Psychological Association
Felder Psychologischer Gutachten
Adressat: Schule
Fragestellungen: Schulfähigkeit, -laufbahnberatung, Leistungsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten
Adressat: Gerichte
Fragestellungen:
Vormundschafts-, Familien-, Jugend-, Arbeits-, Sozial-, Verwaltungs-, Strafgericht; Strafvollzug
Adressat: Versicherungsträger
Fragestellungen: Berentung, Berufsunfähigkeit, Therapie, Reha
Adressat: Wirtschaft
Fragestellungen:
Adressat: Öffentliche Verwaltung, Verkehr
Fragestellungen:
Adressat: Gesundheitswesen
Fragestellungen: Fragen aus Psychiatrie/Neurologie, Geschlechtsumwandlung
Aufbau
- Deckblatt (Titelseite)
- (Bisheriger) Sachverhalt (Vorgeschichte, Anlass)
- Anforderungsprofil bzw. Psychologische Hypothesen
- Eingesetzte Verfahren bzw. Informationsquellen
- Anamnese, Exploration, Interview
- Ergebnisdarstellung (Untersuchungsbericht; Befunde)
- Gelegenheitsbeobachtung
- Zusammenfassung der Ergebnisse
- Stellungnahme (Interpretation) und Entscheidung
- Empfehlung
- Unterschrift des Gutachters 12. Anhang
Deckblatt
• Name, Anschrift des Gutachters
• Ort, Datum der Erstellung
• Adressat (Auftraggeber; ggf. Gutachter selbst)
• Betreff: Psychologische Begutachtung zu/zwecks/anlässlich… bei Person
XY, geb. am…
• Fragestellung
Bisheriger Sachverhalt
Erste Hintergrundinformationen zur groben Orientierung:
• Wie kam der Auftrag zustande?
• Welches Problem liegt vor?
• Welche relevanten psychologischen/medizinischen Vorinformationen sind verfügbar?
• Welche früheren Maßnahmen wurden bereits durchgeführt?
Hypothesen und Anforderungen
Erklärungshypothesen
Wie lässt sich …erklären?
Klassifikationshypothesen
Welche Störung liegt vor?
Welches Begabungsprofil liegt vor?
Anforderungsprofil
„Erforderliche Ausprägung eines Verhaltensmerkmals eines Individuums in einem bestimmten Verhaltensbereich“
Was muss die Person können, wissen, mitbringen, sein, haben…? Wo/Warum weicht sie evtl. davon ab?
Eingesetzte Verfahren / Informationsquellen
Welche Verfahren sind hilfreich/zumutbar/praktikabel/verfügbar? – abhängig von Kontext, Fragestellung, Person, Zeit
• Anamnese und Exploration (=Interview) • Dokumentenanalyse (Lebenslauf, Zeugnisse...) • (Systematische) Verhaltensbeobachtung • Leistungstests • Objektive Persönlichkeitstests • Projektive Verfahren • Biographische Inventare • Simulationen • Arbeitsproben • Assessment Center -> multimodal
Anamnese / Exploration / Interview
„Sammlung der typischerweise mit dem gegebenen Sachverhalt in Verbindung stehenden Informationen“ (Kubinger & Deegener, 2001)
– strukturiert oder teilstrukturiert zu erfassen
Zum Beispiel: • Formaler Rahmen der Entwicklung und Lebensumstände • Verhältnis zu Eltern und Geschwistern • Entwicklungsauffälligkeiten • Einschneidende Lebensereignisse • Sozialkontakte • Schule, Ausbildung und Beruf • Interessen und Hobbys • Zukunftserwartungen
• Augenblicklicher Vorstellungsgrund bzw. Entwicklung des
Problemverhaltens
• Weitere Beschwerden, Störungen/Erkrankungen
• Familiäre Situation und sozioökonomisches Umfeld
• Schwangerschaft, Geburt, frühkindliche Entwicklung
• Erziehungsstil der Eltern
• Kontakt- und Freizeitbereich
• Leistungs- und Schulbereich (bzw. Kindergarten, Beruf)
• Psychosexueller Bereich
Ergebnisdarstellung
- Verbale Klassifizierung: (weit) (über/unter) durchschnittlich definieren (etwa: +-1 SD = durchschnittlich)
- Kurze(!) Beschreibung des jeweiligen Testverfahrens (erfasstes Konstrukt, Speed/Powertest, Testmaterial)
- Ergebnisbenennung in Normwerten/Prozentrang
- Konfidenzintervall
- Einordnung im Vergleich zu Referenzstichprobe(n)
Günters Ergebnis im VMI (Developmental Test of Visual-Motor Integration), welcher den Stand der visuell-motorischen Integration erfasst und damit Lern- und Verhaltensprobleme frühzeitig aufdecken soll, weist mit Prozentrang 34 (d.h. 66% der Gleichaltrigen schneiden in diesem Verfahren besser ab) auf einen durchschnittlichen Entwicklungsstand im Vergleich zu seiner Altersgruppe hin.
Gelegenheitsbeobachtung
- Instruktionsverständnis
- Kooperation
- Interesse an den Aufgaben
- Unsicherheit/Ängstlichkeit
- Frustrationstoleranz
- Motorische Unruhe
- Ablenkbarkeit und Konzentration
- Impulsivität
- Arbeitsgeschwindigkeit
- Aufmerksamkeitssuchendes oder demonstratives Verhalten
Zusammenfassung der Ergebnisse
Rückbezug auf die Fragestellung:
– Knappe verbale Darstellung der wichtigsten Ergebnisse
– Unkommentiert/ohne Bewertung oder Interpretation
Stellungnahme und Entscheidung
Anhand des eingangs skizzierten Anforderungsprofils bzw. der Hypothesen:
– Beantwortung der Fragestellung
– Schlussfolgerungen mit Bezug auf die jeweilige Informationsquelle („anhand des unterdurchnittlichen Ergebnisses im VLMT lässt sich schlussfolgern, dass…“)
– Entscheidung
Empfehlung
Empfehlung möglichst konkreter Maßnahmen in Anbetracht der Ergebnisse vor dem Hintergrund von Anforderungsprofil/Hypothesen (Kriterium: Umsetzbarkeit hinsichtlich Person, Zeit, Geld, Verfügbarkeit etc.)