Theorien Flashcards
Evolutionismus (1850-1900)
- Annahme einer eindimensionalen, unilinearen Entwicklung, inspiriert u.a. durch Darwin
- Stufen “Wildheit-Barbarei-Zivilisation”, stufenweises Fortschreiten von einfachen und älteren zu komplexen jungen Kulturen mit dem Höhepunkt der westlichen Gesellschaft des 19. Jh.
- Alle rezenten Kulturen sind einer der Stufen zuzuordnen; außereuropäische Kulturen=Vorformen/Überbleibsel der westlichen, “vollendeten” Form
Kritik am Evolutionismus
- Armchair Anthropology (nicht auf eigene Feldforschung gestützt, sondern auf Berichte von Missionaren, Kolonialbeamten etc.)
- Unhistorisch
- Ethnozentrisch
- Eindimensional
- keine Quellenkritik
Diffusionismus (1900-1925)
- kulturelle Phänomene entspringen wenigen Ursprungsorten und werden durch Kulturkontakt wie Handel oder Krieg verbreitet -> Wandel, Mission, Migration, Nachahmung, Entlehnung.
- Methode: weltweiter Vergleich von Museumsartefakten nach Übereinstimmungen, Kriterien “Form” und “Inhalt”
- Ergebnis: zusammenhängende “Kulturkreise”, “Kulturareale”
Diffusionismus - Leitkultur
“Leitkultur” übersteigt in der Reichweite meist andere Einteilungen sozialer Einheiten wie soziale Gruppen, Ethnien, Gesellschaften, Nationen, Die sich durch jeweils geteilte Normen, Werte und Gebräuche auszeichnen
-> Beispiel: Orient (Morgenland) vs. Okzident (Abendland)
Diffusionismus - Kulturkreise
“Urkulturkreis”: von Anfang an monotheistisch, monogam und patriarchalisch -> daher völkerkundlich der wertvollste -> Rassentheorie
9 Kulturkreise nach Huntington
Diffusionismus - Kulturareale
- definiert als relativ eng umrissener geographischer Raum, innerhalb dessen eine Vielzahl kultureller Gemeinsamkeiten festzustellen ist, die insbesondere durch historische Umstände und Umweltfaktoren bedingt sind
- durch ethnografische Feldforschung abgesichert
- > auch heute noch bedingt gültig!
Kritik am Diffusionismus
- hohe Konstanz kultureller Phänomene durch die Zeit
- Seltenheit von kreativen Neuschöpfungen vor Ort
- Vernachlässigung von Umwelteinflüssen
- mechanizistischer Kulturbegriff
- Armchair Anthropology
Historischer Partikularismus (1900-1950)
- Gegenentwurf zum eurozentrischen Evolutionismus
- jede Kultur bildet eine einzigartige Ganzheit mit eigenen Wertevorstellungen, die nur aus sich heraus interpretiert werden können
- Auch schriftlose Kulturen haben eigene, nicht zu verallgemeinernde, besondere Geschichte
- Idee der wechselseitigen Beeinflussung von Kulturen (keine Diffusion vom Kern in die Peripherie)
- Feldforschung:
-> Dokumentation und Verstehen von Einzelkulturen
-> Diesbezüglich Forderung nach konkretem Faktenwissen über andere Kulturen ohne vorherig vorgefasste Modelle und Theorien
=> gegen Armchair Anthropology
Kritik am historischen Partikularismus
- Gibt es allg. gültige Menschenrechte?
- Kulturvergleiche schwierig
- Universalaussagen unmöglich
Culture and Personality
- Persönlichkeit=alle Eigenschaften, die eine Person besitzt
- Persönlichkeit wird innerhalb einer Kultur erlangt
- Prägung von Persönlichkeit durch Kultur
- Nurture over Nature
Culture and Personality - Dionysisch vs. appolinisch
Dionysische Kultur: individualistisch, wettbewerbsorientiert, exzessiv, egoistisch
Appolinische Kultur: emotionskontrolliert, moderat, stoisch, ordnungsliebend, zurückgenommen
Kritik an Culture and Personality
- Führt zu bewertenden Stereotypen
- Menschen sind nicht nur Produkte ihrer Kultur, persönliche Unterschiede innerhalb einer Kultur sind immer größer als mittlere kulturelle Unterschiede
Funktionalismus (1920-1970)
- kulturelle Institutionen erfüllen Funktionen, die letztlich auf Grundbedürfnisse zurückzuführen sind wie Ernährung, Reproduktion, Schutz, Anerkennung, Selbstverwirklichung
- Universale Grundbedürfnisse: Stoffwechsel, Fortpflanzung, körperliche Bequemlichkeit, Sicherheit, Bewegung, Wachstum, Gesundheit -> Kulturreaktionen
- Hierfür schließen sich Individuen in Gruppen zusammen und es entstehen abgeleitete Bedürfnisse wie Normen, Werte, Rituale
- > Individuen beeinflussen Institutionen
- > Methode: langfristige Beobachtungen
Kritik am Funktionalismus
- Banalität, dass Gesellschaft funktioniert
- Utilitarismus
- Rein synchrone Perspektive
- Überbetonung von gesellschaftlicher Harmonie und Geschlossenheit -> Konflikte und kultureller Wandel nicht erklärbar
Strukturfunktionalismus (1920-1970)
- Funktion gilt als Strukturerhalt, dem Fortbestand der Gesellschaft
- Nicht Fokus auf individuelle, biologischen Bedürfnissen -> Institutionen beeinflussen Individuen
- Sozialsystem: beobachtbare Handlungen, empirisch, nachweisbar; Sozialstruktur: Abstraktion des Sozialsystems
Kritik am Strukturfunktionalismus
- Banalität, dass Gesellschaft funktioniert
- Folgerung “empirische Existenz -> Funktion” nicht schlüssig
- Rein utilitaristisches Denken
- Rein synchrone Perspektive
- Heterogenität von Gesellschaften zu wenig berücksichtigt
Strukturalismus
- Kultur als Grammatik
- Reduktion auf abstrakte Relationen, logische Strukturen -> Suche nach universellen Grundstrukturen des Denkens, die häufig in binären Oppositionen zu finden sind
Kritik am Strukturalismus
- Ahistorische Perspektive
- Vernachlässigung des Alltags
- Vernachlässigung der Handlungsmacht der Akteure
- Methodik oft undurchsichtig
- nicht diskutabel, da empirisch nicht widerlegbar
Neoevolutionismus (1940-1970)
- Zur Verfügung stehende Energie bemisst die Komplexität einer Kultur, mechanische Mittel zur Anpassung an die natürliche Umwelt
- Kultur=Energie*Technologie
- Multilinearität
- Einfluss: Marxismus, Darwinismus
Cultural Ecology
- Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen menschlichen Kulturen und natürlichen Umwelten
- Kulturwandelsprozesse=Anpassungsprozesse an die sich verändernde Umwelt
- Multilinearität
- Cultural Code: Umweltbedingungen, Beschaffenheiten der Kultur, Sozialorganisation
- Gleiche Technik in unabhängigen Umweltbedingungen zu unterschiedlicher Sozialorganisation
Kulturmaterialismus
- Materielle Voraussetzungen, Ökologie und Geographie als Basis
- Gleiche Techniken führen zu ähnlichen sozialen Strukturen und Wertesystemen
- In Anlehnung an den Marxismus 3 Kulturebenen (Infrastruktur, Struktur, Superstruktur)
Kritik an Neoevolutionismus, Kulturökologie und Kulturmaterialismus
- zu simplifizierend
- zu monokausal
- manche Bereiche stark beeinflusst, andere kaum
- unübersichtliche Umweltverhältnisse
Ethnopsychoanalyse (ab 1970)
Basis: Sigmund Freud
- Gegenstand der Ethnopsychoanalyse ist das Unbewusste in der Kultur. Die psychoanalyse bestimmt den Begriff des Unbewussten, die Ethnologie den der Kultur
- Thema: Denken, Fühlen, Konflikte, Ängste, Zuneigungen
Kritik an der Ethnopsychoanalyse
- Generelle Kritik an psychoanalytischen Konzepten: sehr spekulativ, rückwärtsgewandt, rechtfertigend/amoralisch
- oft keine langjährige Studien möglich