Sitzung 6 (Ideologiekritik, Sender und Dekonstruktion: Kritische Ansätze, Feminismus und Poststrukturalismus) Flashcards
- Was versteht man unter kritische Theorie?
- Kritische Theorie in den Sozialwissenschaften
Was versteht man unter kritischer Theorie?
- (Marx) Philosophen haben die Welt nur versch. interpetiert, es kommt darauf an, sie zu verändern
- (Cox) Theory is always for someone and for some purpose
Ist alle Sozialwissenschaft kritische (d.h. auf die Verbeserung der Welt ausgerichtet) Theorie?
-keine “(wert-)neturale Position” der Sozialwissenschaften möglich
–emanzipatorisches Erkenntnisintersse (nach Jürgren Habermas): Stichwort doppelte Hermeneutik: Sozialwissenschaft als Interpretation von Interpretationsvermögen
-Problemlösungsorientierung im bestehenden System vs. emanzipatorisches Projekt als grundlegende System- und Ideologiekritik
- Ideengeschichte der kritischen Theorie (Karl Marx, 1818-1883)
• Analyseeinheit weder Staaten noch Individuen, sondern soziale Klassen (→ Geschichte als Geschichte von Klassenkämpfen)
» Struktur der internationalen Politik determiniert von der im Weltsystem vorherrschenden Produktionsweise (→Kapitalismus)
» Zusammenhang zwischen Gesellschaftsform und Struktur des internationalen Systems (→ „Von-innen-nach-außen”-Perspektive)
» Internationale Beziehungen in sich konfliktträchtig , aber nicht wegen „Anarchie“ (←Sicherheitsdilemma), sondern weil Klassen- beziehungen inhärent konflikthaltig sind
• Aber: Marx hat keine ausgearbeitete Theorie der inter-nationalen Beziehungen entwickelt!
- Kritische Theorien der IB: Marx und der Kriegsausbruch 1914
• Das sozialistische Dilemma: Der Kriegs-ausbruch 1914 und die intern. Arbeiterbewegung
• Karl Marx (1818-1883) und Friedrich Engels (1820-1895)
• Unterschiede zu anderen Theorieansätzen:
– Zentrale Akteure: Klassen und Staaten
– Erklärung von Wandel, Fokus Ungleichheit
• Ungleichheiten in Entwicklungsdynamik (= Konflikte in und zwischen
Staaten)
• Imperialismus als mögliche, aber nicht zwingende Entwicklung des
Kapitalismus
• Antwort von Marx auf das Dilemma: Nationalismus
- Kritische Theorien der IB: Lenin und der Kriegsausbruch 1914
- Unterschiede zu Karl Marx
- KapitalistischerWettbewerbalsMotorderGeschichte/ Ursache der Unterdrückung
- TransnationaleZusammenarbeitderBourgeoisievs. Unvermeidbarkeit von Imperialismus und Krieg
- „Staat“alsInstrumenteinerinsichfraktionierten Bourgeoisie/ als Instrument des Finanzkapitals
- Definition des Imperialismus: Lenins „IPÖ“
- Kritik an der Chronologie des Imperialismus
- Kritik an der Geographie des Imperialismus
- Revolution durch „Avantgarde“ der Arbeiter/Bauern
- Lenins Antwort auf das Dilemma von 1914
- Internationale Politik als Ideologiekritik: Moderne kritische Ansätze der Internationalen Beziehungen (IB)
- Moderne marxistische Theorien der Internationalen Beziehungen
- Regulationstheorie
• Beschäftigung mit der Kontinuität des Kapitalismus, den verschiedenen historischen Erscheinungsformen und Krisen (vgl. „Akkumulationsregime“ und „Regulationsweise“) - Transnationaler historischer Materialismus
• Beschäftigung mit transnationalen „historischen Blöcken“ und „Hegemonien“, die sich aus der grenzüberschreitenden Verflechtung von Produktion, Klassen und Ideologien entwickeln - Weltsystemtheorie
• Entwicklung der kapitalistischen Weltwirtschaft über lange
Zeiträume hinweg
- Neo-Gramscianismus und Hegemonie nach Robert Cox
- Antonio Gramsci (1891-1937) und dessen Gefängnis- schriften (1929-1935)
- Nicht-deterministische Version des historischen Materialismus
- Verhältnis von Staat und Zivilgesellschaft → Staat reicht in die Gesellschaft hinein und braucht eine soziale Basis
- Ideen und soziale Realität stehen im Wechselverhältnis
- „Historischer Block“ und „Hegemonie“ = Zwang (Macht- bzw. Herrschaftsverhältnis) und Konsens (Zustimmung der Beherrschten)
- →Moderne Autoren: Robert Cox, Stephen Gill
- Historische Strukturen als Dreiecksverhältnis von
- a) Materiellen Strukturen (= Produktionsverhältnisse)
- b) Institutionen (= Staaten, internationale Organisationen usw.) • c) Ideen (Weltbilder, Vorstellungen sozialer Ordnung)
- Hegemonie („historischer Block“) als spezifische historische Konfiguration von ökonomischer Macht, Institutionen, Ideen, die sich wechselseitig beeinflussen und verstärken
- US-Hegemonie der Nachkriegszeit als Beispiel:
- Materielle Fähigkeiten = Machtposition in der kapitalistischen Weltökonomie
- Institutionen = US-amerikanische Dominanz: GATT, Weltbank und IMF
- Ideen = Legitimität/Folgebereitschaft bzgl. der liberalen Weltordnung → liberale Demokratie
• Van der Pijl u.a.:
- Im Zuge der Globalisierung der Produktion und der Integration der Finanzmärkte Herausbildung eines transnationalen historischen Blocks (transnationale kapitalistische Klasse; WTO u.a. als internationale Institutionen, Neoliberalismus als dominante Ideen)
- Weltsystemtheorie: Grundidee und Merkmale
• Weltsystemtheorie wurde von Immanuel Wallerstein in den 1970er Jahren entwickelt → Dependenztheorie
Grundidee: Zentrum - Peripherie – Semiperipherie
Zwei Merkmale eines Weltsystems:
- Dynamik und Relation der Systemelemente (→ holistische Perspektive plus Transdisziplinarität)
- Selbstgenügsamkeit eines Systems (→ Fokus auf interne Systemdynamiken, nicht externe Schocks!)
Präfix „Welt“ ≠ global!
Weltsysteme sind geographisch definierbare Räume, die von einer einheitlichen Logik regiert werden
Typen von Weltsystemen: Weltreiche und Weltökonomien
- Weltsystemtheorie: Das moderne Weltsystem
• Expandierendes kapitalistisches Weltsystem seit ca. 1500 (→ zunächst Europa und Ibero-Amerika; seit 19. Jh. global)
• Globale Arbeitsteilung und Herrschaftsverhältnis:
– Kapitalistische Zentren (= Industrieländer)
– Peripherie (= Entwicklungsländer)
– Semi-Peripherie (= NICs bzw. Schwellenländer)
• Struktur:
–Kapitalistische Produktionsweise (
- Ungleicher Tausch („Terms of Trade“)
• Ungleicher Tausch liegt vor, wenn die Preise auf dem Weltmarkt für die getauschten Waren nicht mit den Arbeitswerten übereinstimmen
• Arbeitswertlehre von Karl Marx (1818 Trier; †1883 London)
» Beim Außenhandel zwischen Industrie- und Entwicklungsländern werden ungleiche Arbeitsmengen getauscht.
» Beispiel: Für den Export von Kaffee müssen mehr Arbeitsstunden aufgewendet werden als beim Import einer Maschine zu gleichem Geldwert.
• Vertreter: Raúl Prebisch (1901- †1986) und die „Theorie der säkulären Verschlechterung der terms of trade“ (Prebisch 1950)
• Verhältnis von Export- und Importpreisen (d.h. die Terms of Trade) verschlechtert sich langfristig für die Entwicklungsländer.
• Theorie fand in der „Dritten Welt“ breite Resonanz und bildete die Grundlage für die Forderung nach einer Neuen Weltwirtschaftsordnung in den 1970er Jahren.
- Internationale Politik als Dekonstruktion: Post- moderne und poststrukturalistische Ansätze in den IB
- Postmoderne Ansätze in den IB
•
Zwei Verständnisse von „postmodern“: 1. Epochales Verständnis
• Postmoderne als Epoche ist gekennzeichnet durch Unübersichtlichkeit und einem Auseinanderfallen bekannter Bezugsgrößen (u.a. Rationalität, Wahrheit) im Zuge der Globalisierung
• Beispiel: EU als „postmoderne Polity“, „postmoderne Kriege“
2. Analytisches Verständnis
• Streit zwischen postmodernen und positivistischen Ansätzen über die erkenntnistheoretische Frage, ob und ggf. wie es möglich ist, Realität als außenstehender Beobachter zu analysieren
• Realität ist immer nur in einem bestimmten diskursiven Kontext zugänglich (u.a. Foucault 1984)
- Zentrale Charakteristika postmoderner IB-Ansätze
• Konzentration auf die Analyse von Texten und anderen Repräsentationen (z.B. Bilder Symbole, Metapher usw.) von Ereignissen anstatt auf die Ereignisse selbst!
• „Skepsis gegenüber „objektiven“ Wahrheiten
1. Wenn das, was wir von Ereignissen wissen, diskursiv vermittelt ist, dann gibt es immer mehr als eine Version dieser Ereignisse.
2. Welche Version sich durchsetzt, ist eine Machtfrage.
3. Macht liegt nicht im individuellen Akteur begründet, sondern im
diskursiven Kontext (Foucault 1984).
- Diskurstheorie und Dekonstruktion
• Ideengeschichtlicher Hintergrund postmoderner IB-Ansätze
Diskurstheorie von Michel Foucault (1926-†1984)
Methode der Dekonstruktion von Jacques Derrida (1930- †2004)
• Diskurse
Diskurse sind gesellschaftliche Praktiken der Bedeutungskonstitution und Weltdeutung, d.h. in Diskursen werden durch kommunikative Praktiken Themen und gesellschaft. Gegenstände konstituiert und Machtkonstellationen sowie Wahrheiten konstruiert und reproduziert.
„A critique is not a matter of saying that things are not right as they are. It is a matter of pointing out on what kinds of assumptions, what kinds of familiar, unchallenged, unconsidered modes of thought the practices that we accept rest” (Foucault 1988: 154).
• Dekonstruktion
Art Methode der Ideologiekritik, bei der die Konstitutions-
bedingungen von Diskursen aufgedeckt werden.
- Außenpolitik, Identität und Ethik: David Campbell
David Campbell als „Referenztheoretiker“ postmoderner Analysen in den IB
Zentrale Probleme gegenwärtiger internationaler Politik: –US-amerikanische Außenpolitik (Writing Security, 1992)
–Rolle von Außenpolitik in der staatlichen
-Identitätskonstruktion Golfkrieg von 1990/91 (Politics without Principle, 1993)
–Ethische Konsequenzen „radikaler Interdependenz“
-Westliche Intervention in Bosnien Anfang/Mitte der 1990er
–Jahre (National Deconstruction, 1998) Dekonstruktion als Grundlage des Politischen
- Postmoderne IB-Ansätze: Theorie oder Scharlatanerie?
•
Kritik an postmodernen IB-Ansätzen
1. Vorwurf der nichtssagenden Sprachspielerei: „Viele Worte und
nichts dahinter“
2. Vorwurf der Nichteinhaltung wissenschaftlicher Standards: Inwieweit lässt sich Wissen von Unsinn unterscheiden?
3. Vorwurf des Relativismus: Wie lässt sich aber entscheiden, ob eine Weltordnung besser ist als eine andere?
Gemeinsamer Ausgangspunkt der Kritiklinien → Die post- moderne Ablehnung einer einzigen (letztlich) wahrhaften Erfassung von Realität!