Sitzung 3 (Kooperation trotz Anarchie und Interdependenz: Neoliberaler Institutionalismus) Flashcards
Ideengeschichte und Vorläufer des Institutionalismus
Hugo Grotius (1583-1645): moderne Völkerrecht John Locke (1689): Liberale Theorie des Sozialvertrages David Mitrany (1943): Funktionalismus und der Zwang zu Kooperation Robert O. Keohange u. Joseph S. Nye (1977): Komplexe Interdependenz und die Folgen internationaler Kooperation US-Regimeforschung und Tübinger Schule
Grundannahmen des Institutionalismus
Gemeinsamer neorealistischer Ausgangspunkt
- Internationales System ist durch die Anarchie geprägt
- Staaten als zentrales Akteure der int. Politik
- Staaten handeln strategisch-rational und maximieren ihren eigenen Nutzen
Unterschiede
- Strukturkomponente der Interdependenz mindert die Strukturwirkung der Anarchie – Zivilisation des anarchischen Zustands
- Interessen und Präferenzenreihenfolge der Staaten sind variabel
- Staaten können nach Macht streben, müssen es aber nicht –Staaten verfolgen auch andere Ziele wie Wohlfahrt, Entwicklung, Herrschaft usw.
Interdependenz als Schlüsselkonzept des Institutionalismus
Grundsätzlich:
[…] we had not provided an alternative theory
Unterscheidung zwischen:
- Interdependence … “mutual dependence that has costly effects”
- Dependence … “state of being determined or significantly affected by external forces”
- Interconnectedness … “human transactions over borders”
Definition von Interdependenz
Beziehungsmuster zwischen staatlich verfassten Gesellschaften, das sich durch eine hohe Interaktionsdichte auszeichnet, deren Verlust oder drastische Beschneidung mit erheblichen Kosten für beide Seiten verbunden wäre (Krell)
–Interdependenz ist eine politikfeldspezifische, gegenseitige Abhängigkeit, die aus Transaktionen zwischen mindestens zwei Staaten resultiert, deren Unterbrechung Kosten verursachen würde
2 Formen von Interdependenz
Empfindlichkeit vs Verwundbarkeit
Empfindlichkeit von A:
-Kosten die Veränderungen in Land B für Land A verursachen, solange A keinen Politikwechsel vornimmt
–bsp.: Wie stark steigt das Preisniveau in A, wenn B den Preis für das von ihm exportierte Öl erhöht?
Verwundbarkeit von A:
-Kosten, die einen Politikwechsel verursachen (verursachen würden) bzw. der Grad zu dem ein Politikwechsel überhaupt möglich ist.
–bsp.: Wie hoch sind die Kosten für A, die Ölimporte von B durch andere Energiequellen zu ersetzen?
Empfindlichkeit- vs. Verwundbarkeit-Interdependenz:
terms of the cost of dependence, sensitivity […] costly effects imposed from outside before policies are altered to try to change […] Vulnerability can be defined as an actor‘s liability to suffer costs imposed by external events even after policies have been altered. […] Vulnerability dependence can be measured only by the costliness of making effective adjustments to a changed environment over a period of time
“Vulnerability depends on more than aggregate measures. It depends on whether a society is capable of responding quickly to change, whether substitutes are available and whether there are diverse sources of supply”
Symmetrische vs. asymmetrische Interdependenz
symmetrische:
-annähernd ausgewogene wechselseitige Abhängigkeit
asymmetrische:
- ein Staat ist mehr auf internationale Kooperation angewiesen als der andere. – asymmetrische Interdependenz als Machtquelle
- der weniger abhängige Staat gewinnt in einer Beziehung asymmetrischer Interdependenz an Macht
- für die Machtverhältnisse ist das Kriterium der Verwundbarkeit in einer (asymmetrischen) Interdependenzbeziehung bedeutsamer als das Kriterium der Empfindlichkeit.
Interdependenz vs. komplexe Interdependenz
komplexe Interdependenz u. Realismus
Annahmen des Realismus.
- Staaten als einheitliche und dominante Akteure
- Militärische Macht nutzbares und effektives Instrument
- Militärische Sicherheit immer höchste Priorität
Grundannahmen der “komplexen Interdependenz”
- Multiple Kanäle: Bürokratien, Unternehmen und Interessengruppen verdrängen einheitlichen Akteur
- Militärische Gewalt weniger effizient: Nuklearwaffen und “strategische Interdependenz” verhindert deren Einsatz
- Abwesenheit einer Agenda-Hierachie: Keine vergegebene Hierachie von Zielen in der internationalen Politik
Institutionalismus: Definitionen
Internationale Institutionen:
“Dauerhafte und miteinander verbundene Regel- und Normensysteme (formell und informell), die Verhaltensanweisungen vorschreiben, Aktivitäten beschränken und Verhaltenserwartungen bestimmen” (Keohane)
a) Internationale Konventionen: Institutionen, welche die grundlegenden Normen, die die internationale Politik strukturieren, beinhalten
b) Internationale Regime: Institutionen mit expliziten und von Regierungen vereinbarten Regeln, die sich auf bestimmte Sachbereiche der internationalen Politik beziehen
c) Internationale Organisationen: Zwischenstaatliche Institutionen mit bürokratischer Organisation (Akteursqualität), mit expliziten Regeln und Rollenzuschreibungen für Individuen und Gruppen
Institutionalismus: Internationale Organisationen und Regime
Institutionen
–>allgemeine Institutionen
–>spezifische Institutionen –>kooperative internationale Institutionen
kooperative internationale Institutionen
–>internationale Organisationen
–>internatinale Regime
internationale Organisationen:
- physische Struktur
- gesatzte Arbeitsteilung und Bürokratie
- Völkerrechtspersönlichkeit
- zielgerichtete Handlungsfähigkeit
internationale Regime:
- politikfeldspezifisch
- bestehen aus Prinzipien, Normen, Regeln und Entscheidungsverfahren
Internationale Regime: Definition
“Regimes can be defined as sets of implicit or explicit
- priniciples,
- norms,
- rules and
- decision-making procedures
– around which actors’ expectations converge in a given area of international relations. Principles are belief of fact, causation, and rectitude.
Norm are standards of behavior defined in terms of rights and obligations.
Rules are specific prescriptions or proscriptions for actions.
Decision-making procedures are prevailing practices for making and implementing collective choice
Funktionen internationaler Institutionen
- Erwartungsstabilität bzgl. des künftigen Verhaltens des Partners
–Reduzierung von Ungewissheit, Bereitstellung von Informationen - Reduktion von Transaktionskosten
–Bereitstellung dauerhafter Kommunikationskanäle - Bereitstellung von Entscheidungsregeln für eine Handlungssituation
- Bereitstellung von Überwachungsmechanismen Einhaltung der Regimenormen
Typen internationaler Institutionen
Internationale Organisationen:
- International (zwischen Staaten): UNO, EU, NATO, WTO
- Transnational (zwischen Gesellschaften): Greenpeace, Amnesty International, WWF
Internationale Regime:
- international: GATT; Ozonschutzregime; Abrüstungsregime
- transnational: IOC; LEX Mercatora
Netzwerke:
- international: G-7/8 Treffen
- transnational: Weltwirtschaftsforum
Ordnungsprinzipien und Normen:
- international: Souveränität; “pacta sunt servanda”
- transnational: Toleranz der Kulturen
Allgemeiner Kausalpfad des Institutionalismus
UV: Macht- und Interessencerteilung im anarchischen internationalen System
–>
IV: Internationale Institutionen (Internationale Konventionen; internationale Regime; Internationale Organisationen)
–>
AV: Staatsverhalten und Outcomes
Kausalpfad über die Entstehung von Institutionen
Wie entstehen internationale Institutionen?
wie wirken internationale Institutionen?
KV: Interdependenz –> UV: Streben der units im intern. System nach Nutzenmaximierung –> AV: Internationale Institutionen
Koordinationssituation mit/ohne Verteilungskonflikt
Koordination ohne Verteilungskonflikt – unproblematisch
Koordination mit Verteilungskonflikt: nachträgliche Harmonisierung; technische Standardisierung – internationale Verwaltungsunionen (u.a. internationale Fernmeldeunion, Weltpostverein)
- Akteure haben Interesse an der Vermeidung nicht-koordinierter Ergebnisse, aber die präferierte Lösungen unterscheiden sich
- Keiner hat einen Anreiz, einseitig von der einmal gefundenen Lösung abzuweichen
- Kooperation ist grundsätzlich möglich – Entscheidungsproblematik