Sitzung 4 (Gesellschaftswelt, demokratischer Frieden und Fortschritt: Liberalismus) Flashcards

1
Q

Ideengeschichte des Liberalismus

A

Aufklärung und liberale Theorie der Politik: Gesellschaftsvertrag

Rousseau: Konföderation der kleinen Einheiten

Kant: Zum ewigen Frieden

Smith, Ricardo: Freihandelstheorie

Schumpeter: Soziologie der Imperalisierung

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2
Q

Moderne Vertreter des Liberalismus

A

Czempiel: Friedensstrategien und Gesellschaftswelt-Modell

Russett: Demokratischer Frieden

Moravcsik: Neuer Liberalismus

HSFK: Anomalie des “Demokratischen Friedens” u.a. Müller und “demokratische Kriege”

Abschreckungsfrieden (Mesquita) und Transparenzfrieden (Schultz); Kriegsträchtigkeit demokratischer Transition (Mansfield/Snyder)

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3
Q

Grundannahme des Liberalismus

A

Ausgangspunkt:
-in sozialen Gruppen organisiserte Individuen

Perspektivwechsesl – “von innen nach außen”
-Interessen der Staaten in der internationalen Politik ergeben sich aus Aushandlungs- und Koalitionsbildungsprozessen im Inneren der Staaten
-Innenpolitik Außenpolitik
–Außenpolitik unter dem “Primat der Innenpolitik” (Kehr)
–Internationale Politik als “Politik auf zwei Ebenen” (Putnam)

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4
Q

Theorie vom “Demokratischen Frieden” DF

A

klassische liberale Erklärung geht auf Immanuel Kants “Zum Ewigen Frieden” zurück

Kants Definitivaritkel:

  1. “Die bürgerliche Verfassung in jedem Staate soll republikanisch sein.”
  2. “Das Völkerrecht soll auf einen Föderalismus freier Staaten gegründet sein.”
  3. “Das Weltbürgerrrecht soll auf die Bedingungen der allgeminen Hospitalität eingeschränkt sein.”

Zu 1.:
“[…] so ist nichts natürlicher, als dass, da sie alle Gransale des Krieges über sich selbst beschließen müssten, sie sich sehr bedanken werden ein so schlimmes Spiel anzufangen”

Zu 2.:
[…] Völkerstaat (civitas gentium), der zuletzt alle Völker der ERde befassen würde, bilden. […] an die Stelle der positiven Idee einer Weltrepublik (…) nur das negative Surrogat eines den Krieg abwehrenden

Zu 3.:

  • Weltbürgerrecht als notwendige Ergänzung des Staats- und Völkerrechts
  • Weltbürgerrecht soll beschränkt bleiben auf “das Recht eines Fremdlings, seiner Ankunft auf dem Boden eines andern wegen von diesem nicht feindselig behandelt zu werden”
  • Kein Gastrecht, sondern lediglich ein Besuchsrecht (i.e. ‘Wirtbarkeit’, ‘Hospitalität’)
  • Transnationales Kennenlernen und Austausch von Gütern schafft faktische Verhältnisse, die später verrrechtlicht werden können
Friedensdreieck nach Kant:
International Organisations
Democracy
Economic InterdependenceIO
(all are contributing with peace)

IO: Institutionalistischer L = Frieden durch Intern. Organisationen
EI: Freihändlicher L. = Frieden druch ökon. Austausch
D: Republikanischer L. = Frieden durch Demokratie

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5
Q

Die Theorie vom DF – Der demokratische Doppelbefund

A

Empirischer Doppelbefund der quantitativen Kriegs- und Konfliktforschung:

  • Demokratien sind nahezu ebenso häufig wie andere Herrschaftstypen in Kriege verwickelt, d.h. sie sind also nicht inhärent friedlicher.
  • Demokratien führen untereinander nahezu keine Kriege

Statistische Grundlagen
-erster statistischer Nachweis des doppelbefunds druch Melvin Small und David J. Singer (The War Proneness of Democratic Regimes)

“Correlates of War Project” (COW)

  • von Singer an der University of Michigan gegründet – alle Kriege seit 1816 werden erfasst
  • Zentrale Datengrundlage für die Erforschung des Demokratischen Friedens (DF)
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6
Q

Die Theorie vom DF – Monadische und dyadische Variante

A
  1. Monadische These: Demokratien sind generell – also von ihrem Wesen her – friedfertiger als andere Staaten.
    - Frieden wird erreicht indem die Staaten demokratischer werden
    - Vertreter: Rummel, Czempiel
  2. Dyadische These: Demokratische Staatenpaare sind friedfertiger als andere Dyaden.
    - D sind alleine nicht friedfertiger als andere Staaten, sondern nur innerhalb d. demokratischen Gemeinschaft
    - Frieden wird erreicht, indem mehr Staaten demokratisch werden.
    - Vertreter: Doyle, Russet

– Nur dyadische These statistisch belegt

einige Forscher sind auch vond er monadischen Friedfertigkeit von Demokratien überzeugt (Miinderheitmeinung)

Empirisches Gesetz:
-“This absence of war between democracies comes as close a anything we have to an empirical alw in international relations”

Vertreten sind empirisch-analytische und normative Zugänge zum DF

Aber: Noch keine zufriedenstellende liberale Erklärung des DF!

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7
Q

Die Theorie vom DF – Theoretische Erklärungen

A

Traditionelle Erklärung:
-Demokratien wissen voneinander, dass die Bevölkerung über Institutionen und Normen die Regierung bremst

Signalspiel-Erklärung:
-Demokratien können ihre friedlibenden Intentionen und ihre Beretischaft zur Abschreckung besser signalisieren

Erklärung über Abwahldrohung:
-Demokratische Regierungen werden nach einer Niederlage eher abgewählt und müssen sich auch eher für öffentliche Güter einsetzen als Autokratien

Evolutionäre Erklärung:
-Demokratische Normen setzen sich immer mehr durch, weil Demokratien leistungsfähiger sind als andere Staaten

  1. Rationales Kalkül:
    - Krieg schadet ökonomischen Interessen der Bürger und gefährdet ihre Sicherheit (aber: Demokratien führen Kriege)
  2. Insitutionelles Argument:
    - Komplexität demorkatischer Entscheidungsstrukturen und Gewaltenteilung (aber: Demokratien führen Kriege)
  3. Normativ-kulturelles Argument:
    - Externalisierung interner Verhaltensnormen, die auf friedliche Konfliktregelung (Toleranz, Respektierung von Minderheiten usw.) zielen und in der politischen Kultur verankert sind
    (aber: Demokratien führen Kriege)

– Theorie, die den Doppelbefund erklärt, wird gesucht

  1. Wahrnehmung und Interaktion
    Interne Gewalttätigkeit der Herrschaftsstruktur Außenpolitik der Staaten

-Demokratien nehmen andere Demokratien wegen ihrer internen gewaltarmen Konfliktlösungsmodi als friedlich wahr
– Sicherheitsdilemma aufgehoben

-Demokratien nehmen autoritäre Systeme wegen ihrer spezifischen Herrschaftsstruktur als potentiell bedrohlich wahr
(–”In-Group” vs. “Out-Group” bzw. Freund-Feind-Abgrenzung)
– Sicherheitsdilemma bleibt bestehen

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8
Q

Kritik an der Theorie vom DF

A
  1. DF als Ergebnis eines statistischen Zufalls, der aus methodischen Fehlern resultiere.
    - Demokratien seien in der Geschichte oft gar nicht in der Lage gewesen Kriege zu führen (Kriege sind geschichtlich eher selten)
  2. DF ist das Ergebnis von Macht und Interessen
    - Bipolares System nach 1945 für den DF
  3. DF als das Ergebnis willkürlicher Wahl von Definitionen
    - statistischer Kriegsbegriff nach COW-Definition: Krieg = mindestens 1.000 getötete Kombattanten/pro Jahr
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9
Q

Antinomien (logischer Widerspruch) des demokratischen Friedens

A

Trotz empirisch Evidenz des DF bestehen Widersprüchlichkeiten und Anomalien

Im Unterschied zu den Kritikern des DF werden Grundannhamen der Theorie nicht in Frage gestellt – aber:

  • Die dyadische Variante beinhaltet, dass auch Demokratien Kriege führen (Politik der “humanitären Intervention”)
  • Kernthese ist, dass nicht der demokratische Frieden, sondern die demokratischen Kriegen erklärungsbedürftig sind.
  • Es soll deutlich werden ,was Kriege, die von Demokratien geführt werden, von anderen Kriegen unterscheidet.

HSFK hat folgende Antinomien des demokratischen Friedens herausgearbeitet:

a) “Revolution in Military Affairs”
- Dank neuer Rüstungstechnologien (z.B. Drohnen) konnten die Opferzahlen (auf beiden Seiten) gesenkt werden, womit das Grundargument vom Immanuel Kant potentiell entkräftet wird.

b) Abgrenzungslogik
- Demokratien neigen in ihrer Selbstwahrnehmung zu Überlegenheitsgefühlen gegenüber Nichtdemokratien, die sich auch in Aggressionen ausdrücken können

c) Mehr Demokratien = mehr Frieden?
- Eine Lesart der Theorie etikettiert Demokratieexport – ob durch militärische Mittel oder nicht – als generell friedensfördernd, was problematisch ist, unterscheidet

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10
Q

Das liberalitistische Puzzle: Bellizismus von Demokratien

A

Demokratien sind auch abseits von Kriegen nicht gerade gewaltsavers.

Humanitäre Interventionen und Friedenseinsätze sind gewaltsame Praktiken, die maßgeblich von Demokratien als Instrument internationaler Politik etabliert wurden

Universelle Gültigkeit der Menschenrechte als Legitimationsgrundlage

Demokratien bemühen sich um eine Verregelung oder Einhegung von Gewalt, etwa im UN-System der kollektiven Sicherheit

Neuer Endpunkt dieser gleichzeitigen Ent- und Begrenzung von Gewalt ist die R2P-Norm

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11
Q

Neuer Liberalismus: Staat und Gesellschaft

A

Moravcsik entwirft eine kohärente, liberale Theorie der internationalen Beziehungen
-Fokus: Kausalmechanismen über den Zusammenhang von “social preferences” und “state behavior” – “state-society-relations”
–homo oeconomicus
-for liberals, the configuration of state preferences matters most in world politics

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12
Q

Prämissen des Neuen Liberalismus

A
  1. Soziale Akteure –Vorrang des gesellschaftlichen Akteurs vor dem Staat
    - Individuen und gesell. Gruppen, die ihre materielle/ideellen Interessen durchzusetzen versuchen
    - Akteure handeln rational und sind risikoavers (bounded rationality)
  2. Staaten –Repräsentation gesellschaftlicher Interessen
    - “States […] represent some subset of demostic society, on the bassis of whose interests state officials define state preferences and act purposively in world politics
    - Staatliche Institutionen als Transmissionsriemen gesell. Interessen
  3. Internationales System – Interdependente Staatspräferenzen bestimmt Internationale Politik
    - Konfiguration von staatlichen Präferenzen im internationalen System bestimmt Staatenverhalten
    - Grund: Politik-Interdependenz
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13
Q

NL und Staatspräferenzen

A

3 Formen von Policy-Interdependenz

  1. Kompatible:
    -es bestehen starke Anreize für zwischenstaatliche Kooperation mit niedrigem Konfliktniveau
    – Kooperation und Verständigung
  2. Komplementär
    -gemischte Präferenzen liefern Anreize für zwischenstaatliche Kooperation durch Verhandlungen und Politikkoordination
    –Konzessionen und Koordination
  3. Divergierend
    -inkompatible, führen zu einem Nullsummenkonstellation, wenig Raum für Kooperation und hohes Konfliktpotenzial
    –Spannungen und Konfrontation
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14
Q

Interdependenzbeziehungen

A

Innergesellschaftliche Wettbewerb um außenpolitischen Einfluss (Annahme 1)
–>
Außenpolitischer Entscheidungsprozess (Annahme 2)
–>
Aggregierte außenpolitische Präferenz (Annahme 2)
–>
Interdependenzbeziehungen zw. den Außenpolitiken versch. Regierungen auf internationaler Ebene (Annahme 3)

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15
Q

3 Varianten des NL

A

3 Varianten der liberalen IB-Theorie

  1. Ideeller Liberalismus
    - staatlichen Präferenzen sind abhängig von der Kompatibilität/Inkompatibilität sozialer Werte und Identitäten im Hinblick auf das Ausmaß und die Natur öff. Güter
  2. Kommerzieller Liberalismus
    - staatlichen Präferenzen sind abhängig von den Gewinnen bzw. Verlusten gesell. Akteure durch transnationale Wirtschaftsbeziehungen
  3. Republikanischer Liberalismus
    - staatlichen Präferenzen sind abhängig von pol. Zugangschancen (Partizipation und Repräsentation) zu pol. Entscheidungen
    - wichtig: Beschaffenheit der Institutionen
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16
Q

Kritik am NL

A
  1. Umfassendes Erklärungspotenzial der drei Spielarten (“Wer alles erklären kann, kann nichts erklären”)
  2. Positivistische Grundorientierung verkürzt die normativen Dimensionen des Liberalismus
  3. Handlungsspielraum des Staatsapparates bzw. der Bürokratie bleibt ausgespart; Staatshandeln ist stets instrumentalisiert durch gesellschaftliche Präferenzen
  4. Ideelle Strang des NL (soziale Werte u. Identitäten) nicht unbedingt kompatibel mit den Grundannahmen des rationalen Handlungsmodells