Sitzung 4 Angststörung - tiefenpsychologische Sicht Flashcards
Freuds Menschenbild
- Der Mensch ist ein Konfliktwesen, dessen gesamte Existenz durch die letztlich unaufhebbare Gegensätzlichkeit von naturnahen Bedürfnissen und sozialen Normen geprägt ist
- Im stärksten Kontrast steht hier die Animalische Seite mit der zivilisierten, kultivierten Seite
- Freud ging von einer schwachen Schicht der Zivilisiertheit aus, unter der alle Formen primitiver Strebungen wach seien
Wer war der zentrale Theoretiker und Begründer der Psychoanalytischen Richtung? und was war seine zentrale Beobachtung?
Sigmund Freud
zentrale Beobachtung: Durch das Reden können psychosomatische Erkrankungen behandelt werden
Der Konflikt in der psychoanalytischen Richtung
- Wird als Normalfall in unserem “Seelenleben” auf gefasst und an sich nicht als psychopathologisch verstanden: In unserer Brust wohnen immer mehrere “Seelen” (heute eher innere Anteile) in der wir immer mit ver. widersprechenden Wünschen, Ansprüchen & Idealen umgehen müssen
- zu viel Triebverzicht kann zu Problem führen und zu wenig Triebverzicht kann zu sozialen Ausschluss führen
Lustbefriedigung in der Konsumgesellschaft
Gerade in unsere Konsumgesellschaft mit ihren Werbestrategien wir auf verführerische Konsumbotschaften aufgebaut, die auf unsere Triebe und sofortige Lustbefriedigung ausgerichtet ist
Was bedeutet, wenn eine Person eher Ich-Schwach ist?
Sie kann Versuchungen der schnellen Lustbefriedigung schlechter weiderstehen und kann den inneren Wiederstreit nicht gut aushalten
Was umfasst ein Konflikt und welche Konzepte spielen eine Rolle?
im Kern eine Bedürfnisproblematik
Konzepte:
1. Triebe (Freund)
aktuelle wird gesprochen von:
2. Wünsche
3. Bedürfnisse
4. Motive
Die psychodynamische Systematik von Bedürfnissen (Rudolf, 2010) - Welche Bedürfnisse/ Wünsche gibt es?
- Triebwünsche
- beziehungswünsche
- Bedürfnisse des Selbst
Die psychodynamische Systematik von Bedürfnissen (Rudolf, 2010) - 1. Triebwünsche
- Besonders drängende Motivationslagen, die von vitaler, d.h. expliziter körperlicher Art sind
- Es sind die dem animalischen nahestehenden Seiten:
a) orale Gier
b) Aggression
c) Sexualität
die zu einer zivilisierten, kultivierten Seite des Menschen im starken Kontrast stehen (man verliert soziale Etikette oder Kontrolle) - Zeitlicher Verlauf: periodisch anschwellend & abklingend
Die psychodynamische Systematik von Bedürfnissen (Rudolf, 2010) - 2. Beziehungswünsche: Chrakteristika & Zeitlicher Verlauf
- Soziales Miteinander: Wunsch nach emotionalen Kontakt, nonverbalem und sprachlichen Austausch, nach geselligem Miteinander & Zugehörigkeit
- Sicherheit im Bindungssystem: Wunsch nach körperlicher Versorgung & Nahrung, nach Sicherheit und Schutz gegen Gefahren, nach Hilfe & Unterstützung, Wärme, Geborgenheit
- Anregung und Gewährenlassen: Wunsch nach Stimulation, Anregung, Anleitung & Freiraum für eigene Handlungsversuche
- Zuneigung und Bestätigung
- Zeitlicher Verlauf: dauerhaft vorhanden, geringe Schwankungen
Die psychodynamische Systematik von Bedürfnissen (Rudolf, 2010) - 3. Bedürfnisse des Selbst
- sich von Zeit zu Zeit von der Objektwelt abzuwenden
- Zurückziehen, sich etwas gutes tun
- sich reflektieren und mit sich selbst beschäftigen
- Bedürfnisse des Selbst:
a) Ein Selbst-Autonom sein
b) sich abgrenzen und über sich verfügen
c) Für sich sein und eine Identität entwickeln
d) Authentisch sein und einen Selbstwert beanspruchen
e) Seine Würde bewahren - Zeitlicher Verlauf: gelegentlich spürbar werdend
Welche Verfahren des psychoanalytischen Modells gibt es?
- psychoanalytisches Verfahren
- Tiefenpsychologische fundierte Verfahren
-> beide Verfahren beruhen/ beziehen sich auf der/ die Psychoanalyse
Zur Sprache: Die Kategorie “Tiefenpsychologisch fundierte Verfahren”
- wurde 1967 in der BRD eingeführt durch die Richtlinien-Psychotherapie geprägt -> Kategorie wird ausschließlich im deutsche Sprachraum verwendet
- International: Psychodynamische Psychotherapie
Gemeinsamkeiten der psychodynamischen Psychotherapieformen
Die Denkmodelle sind gleich:
1. Psychoanalytische Entwicklungs-, Persönlichkeits- und Krankheitstheorie als gemeinsame Basis
2. Arbeit an der unbewussten Psychodynamik ist zentral
3. Therapeutische Beziehungserfahrung im Hier und Jetzt von großer Bedeutung
Zwei unabhängige Verfahren: 1. Analytische Psychotherapie - Setting, Frequenz, Dauer, Gegenstand, Ziel, zentrale Wirkkraft, methodisches Vorgehen & Indikation
- Setting: Patient leigt (im Regelfall), Therapeut sitzt neben oder hinter ihm, Einzel- und Gruppentherapie
- Frequenz: 2-3 Stunden pro Woche
- Dauer: ca. 2-3 Jahre (200-300 Sitzungen)
- Gegenstand: unbewusste Konflikte und Konfliktgeschichte -> Konzentration auf Vergangenheit
- Ziel:
a) strukturelle Veränderung der Persönlichkeit
b) Symptomfreiheit/ Symptomreduzierung - zentrale Wirkfaktoren: Einsicht
- methodisches Vorgehen:
a) Arbeit in & mit der Übertragung, Förderung von Übertragung und Regression
b) freie Assoziation des Patienten
c) gleichschwebende Aufmerksamkeit des Analytikers
d) Inhaltsdeutung zweitrangig gegenüber Übertragungsdeutung - Indikation: repetitiv-dysfunktionale Konflikte
Zwei unabhängige Verfahren: 2. Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie - Setting, Frequenz, Dauer, Gegenstand, Ziel, zentrale Wirkkraft, methodisches Vorgehen & Indikation
- Setting: Patient und Therapeut sitzen sich gegenüber, Einzel-, Gruppen-, Paar- & Familientherapie
- Frequenz: 1-2 Stunden pro Woche
- ca. 1-3 Jahre (50-100 Sitzungen)
- Gegenstand: aktuell wirksame Konflikt -> Konzentration auf Gegenwart
- Ziele:
a) Überwindung aktueller Schwierigkeiten
b) Restabilisierung & Symptomfreiheit - zentrale Wirkfaktoren: Unterstützung & Klärung
- methodisches Vorgehen:
a) Bearbeitung aktueller Konflikte unter Beachtung/ Bearbeitung der Beziehung zw. Patient und Therapeut
b) Konfliktaufdeckung
c) auch supportive & psychoedukative Techniken
d) eher Inhaltsdeutung als Übertragungs- und Widerstandsdeutung - Indikation: Aktualkonfikte
Analytische vs. Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
Analytische Vorteil (Gegenteil wäre Nachteil tiefenpsychogisch fundierter):
(1. ist der Psychoanalyse näher)
2. größere Intimität zw. Patient & Therapeut, schnellere Vertrauensaufbau, Therapeut wird zur wichtiger Bezugsperson, die Hilft Zugang zu Teilen von einem Selbst zu finden
Analytische Nachteil (Gegenteil wäre Vorteil der tiefenpsychologisch fundierten):
1. Patient hat weniger “Macht”, “Agency” & Therapeut wird zu großen Autorität, große Abhängigkeit
Regression -Definition
- Zurückfallen in frühere Entwicklungsstadien/Stufen
Ist an sich nicht Schlimm, gerade wenn wir uns erholen, oder Bedürftig sind, kann das eine Fähigkeit sein - In der Analytischen Psychotherapie wird daher auch das Liegen gebraucht um jemanden wieder in kindische Zustände zu versetzten
Was ist das spezifische psychodynamische Diagnosesystem?
OPD-2 (Für Erwachsene
operationalisierte Psychodynamische Diagnostik
OPD-KJ-2 (Für Kinder & Jugendliche)
Achsen im OPD-2
Achse I: Krankheitserleben und Behandlungsvorausetzungen
Achse II: Beziehung (Übertragung, Gegenübertragung, Beziehungsepisoden)
Achse III: (Lebensbestimmende unbewusste innere) Konflikte
Achse IV: Strukturniveau (grundsätzliche Fähigkeiten des psychischen Funktionierens)
Achse V: psychische und psychosomatische Störungen in Bezug auf ICD-10, DSM-5
Psychodynamisch gesehen wichtige diagnostische Fragestellungen
- Mit welchen Konfliktthemen hat ein Patient in besondere Weise zu kämpfen? Welcher Konflikt ist aktualisiert?
- Wie sieht die Selbst- und Ichorganisation bei diesem Patienten aus? Welche Ich-Funktionen sind ggf. nur eingeschränkt vorhanden? Auf welche Strukturniveau bewältigt jemand sein Leben?
Welche verschiedenen psychodynamischen Betrachtungsebenen gibt es in den psychodynamischen Psychotherapieformen?
- Strukturbedingt
- Konfliktbedingt
- Traumabezogen
Wie geht man in psychodynamischen Psychotherapien vor?
- Symptomebene: Manifeste Symptome & Phänomen werden gesammelt und angeschaut
- Ätiologie: Was ist “unter” den Symptomen? Welche psychische Dynamik/ welches Zusammenspiel innere Kräfte liegt den Symptomen zugrunde?
- Äthiologisches Störungsmodell (Pathogenese):
a) strukturbedingt
b) konfliktbedingt
c) traumabezogen
Um eine Entscheidung über eine angemessene Therapie treffen zu können, ist in dem psychodynamischen Verständnis die Hypothese über das zugrundeliegende Störungsmodell ein entschiedener Aspekt
Äthiologisches Verständnis - Definition
Unterschiedliche Entstehungsgründe von psychischen Störungen unterscheiden können
grundlegende psychodynamische Entstehungsmodelle (orientiert an Rudolf)
-> analog zu psychodynamischen Betrachtungsebene
1. Traumamodell: Modell der traumatischen Informationsverarbeitung
2. Stukturmodell: Modell der Ich-strukturellen Defizite
3. Konfliktmodell: Modell der unbewussten Konflikte
-> für jedes Modell gibt es auch spezifische Behandlungsmodelle
grundlegende psychodynamische Behandlungsmodelle je nach Entstehungsmodell (orientiert an Rudolf)
- Traumamodell -> Integration traumatisch bedingte Abspaltung
- Strukturmodell -> Nachentwicklung struktureller Ich-Funktionen/ Ich-Einschränkungen
- Konfiktmodell -> Bewusstmachung/ Bearbeitung der unbewussten Konflikte
Was gibt die Behandlungsrichtung in der psychodynamischen Psychotherapie vor?
Nicht (allein) die Symptomatik, sondern das hinzugezogene Störungsmodell gibt die Behandlungsrichtung vor!
Symptombildung/ auslösende Situationen
- Symptomauslösende Konfliktlagen:
entspringen oft aus Veränderungen der Lebenssituation, wie sie -oft undramatisch - im Laufe des Lebens immer wieder auftauchen: z.B.: Veränderung der Berufssituation, Erkrankung, Unfall, Todesfall, Pandemie, Arbeitslosigkeit, Hochzeit, Scheidung, Elternschaft, Hausbau, Migration, Flucht,… (Achtung: Auch “postiive” Veränderungen können zu Symptombildung führen) - “Schwellensituationen”:
angesichts alterstypischer Entwicklungsaufgaben handeln: erster Schulbesucht, Berufsangang, Verselbstständigung, erste Partnerschaft, Rente,…
Grundlegendes Modell der Entstehung von konfliktbedingten Störungen - Welche Ebenen werden bearbeitet?
- Symptome
- aktualisierter Konflikt
- Auslösende Situation
- Neurosenstruktur/Persönlichkeitsstil
- Grundkonflikt
Grundlegendes Modell der Entstehung von konfliktbedingten Störungen - Aus welche Ebene besteht es?
- Frühe Biographie
- Grundkonflikt
- Neurosenstruktur -> persönlichkeits-Akzentuierungen mit teils dysfunktionalen Mustern (als sichtbarer Teil der Neuronenstruktur)
- Kompensationen
- Auslöser (bewusst & unbewusst)
- AWUK (aktuell wirksamer unbewusster Konflikt)
- Symptome
S. F. 38
Grundlegendes Modell der Entstehung von konfliktbedingten Störungen: 1. Frühe Biographie und Grundkonflikt - Welche Fragen muss man sich stellen?
- Wer ist die Person, die hier krank geworden ist?
- Wie ist sie aufgewachsen und wodurch ist sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung geprägt worden?
- Welche Belastungserfahrungen haben ihre psychische Entwicklung nachhaltig geprägt?
Entwicklungspsychologisches Modell: Vier Entwicklungsbedingte Grundbedürfnisse nach Rudolf - Grundbedürfnisse
1.Bedürfnis nach Nähe
2. Bedürfnis nach Bindung
3. Bedürfnis nach Autonomie
4. Bedürfnis nach Identität