Ö und EU Asylpolitik Flashcards
Entwicklung der EU Asyl und Migrationspolitik
1970er Jahre: erste informelle intergouvernementale Kooperationen im Bereich Innen-& Justizpolitik (JHA)
1972: Pompidou-Gruppe (Drogenbekämpfung)
1975: Trevi Group (organisiertes Verbrechen und Terrorismus)
1985 Schengener Übereinkommen
Ziel: Aufhebung der Kontrolle an den Binnengrenzen (iVm Binnenmarkt-Projekt)
Durch VvA wurde das Schengener Übereinkommen in das EU-Recht integriert
Nicht alle EU-MS (BG; RO; CY, IRE), dafür sind einige Nicht-EU-MS Mitglieder des Schengenraums (IS, N, CH, FL)
1986 Ad Hoc Immigration Group: erstes informelles intergouvernementales Forum auf EU-Ebene im Bereich Asyl- und Migrationspolitik
= bürokratisches Forum vor dem Hintergrund der Verwirklichung des Binnenmarktes; Teilnahme der KOM
Koordination einzelstaatlicher Visapolitik gegenüber Drittstaaten
Verbesserung des Schutz der EU Außengrenzen, insb. Ausbau und Standardisierung der Grenzkontrollen; stärkere Koordinierung der einzelstaatlichen Asylpolitik und Gegensteuern des sog. ‚asylum shopping‘
1990 Dublin Convention (außerhalb des EU-Rechtsrahmens; in Kraft seit September 1997):
Asylwerber:innen sollen sich nicht frei im EU-Binnenmarkt bewegen
Festlegung der Zuständigkeit für Durchführung des Asylverfahrens
Alle EU-Staaten werden als sichere Drittstaaten konzipiert
1992/1993: Vertrag von Maastricht
Divergenz zw. MS (Benelux v UK, DK, IRE) → Kompromiss: Asylpolitik ist ein Bereich des „gemeinsamen Interesses“ für die „Verwirklichung der Ziele der Union, insbesondere der Freizügigkeit“ (Art. K1); ABER: keine EU Rechtsetzung iSd Gemeinschaftsmethode, sondern intergouvernementale Säule im Rahmen des EU-Tempelmodells;
EU soft law (z.B. Entschließung des Rats zur Lastenverteilung hinsichtlich der Aufnahme und des vorübergehenden Aufenthalts von Vertriebenen (1995);
Regulativer Wettbewerb auf mitgliedstaatlicher Ebene → ‚race to the bottom‘
1999 Vertrag von Amsterdam
1999 Europäischer Rat (Tampere): Einführung mehrjähriger strategischer Programme zur Bekämpfung illegaler Migration, organisierter Kriminalität und Terrorismus (Semmler 2009)
2004 Europäischer Rat (Den Haag)
2004 Gründung der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit
2009: Vertrag von Lissabon
Festlegung der Entwicklung eines „gemeinsamen europäischen Asylsystems“ (Art. 78 Abs. 2 AEUV)
weitgehende Supranationalisierung der Migrationspolitik (d.h. GM)
ABER: oft nur Mindeststandards; wichtige Bereiche (z.B. Integrationsmaßnahmen für Migrant:innen; Festsetzung des Ausmaßes an legaler Zuwanderung) sind nach wie vor in der Kompetenz der MS
Probleme in der Implementierung des Migration-acquis (‚waving through‘-Strategien)
2010: Gründung von EASO (VO 439/2010)
EASO formalisierte davor die seit 1992 bestehenden informelle Kooperationen der Asylbehörden in MS (CIREA, Centre for Information, Discussion and Exchange on Asylum)
Keine eigene Entscheidungskompetenz; ABER: Evidenz für gr. Einfluss auf Asylverfahren(‚watchdog-Funktion‘; z.B. EU hotspots in ITA & GR)
2011 Frontex Reform (VO 1168/2011)
Grundrechtsbeauftragte/r & Konsultativforum (NGOs; UNHCR; FRA; EASO/EUAA) → stärkere Berücksichtigung von Grundrechten?
2016: Reform Paket der KOM -> Handlungsblockade im Rat
2016: Frontex Reform (VO 2016/1624): Umbenennung in „Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache“
2019 Frontex Reform II (2019/1896)
Personelle- und budgetäre Aufwertung (vgl. Bossong 2019)
2020: KOM: ‚ein neues Migrations- und Asylpaket‘ (siehe nächste Folie)
2022: Gründung der EU Asylagentur (EUAA) durch VO 2021/2303, die an die Stelle von EASO tritt (s.o.)
Vertrag von Amsterdam
1999 Vertrag von Amsterdam
Ziel: „die Erhaltung und Weiterentwicklung der Union als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem in Verbindung mit geeigneten Maßnahmen in Bezug auf die Kontrollen an den Außengrenzen, das Asyl, die Einwanderung sowie die Verhütung und Bekämpfung der Kriminalität der freie Personenverkehr gewährleistet ist;“ (Art. 2 EUV)
Migrationspolitik wurde von der 3. in die 1. Säule verlagert -> GM nach einer 5jährigen Übergangsfrist (d.h. KOM hat Initiative; QMV; EuGH) ; ABER: opt-outs für UK, IRE, DK
Schengen wurde in den EU-Rechtsrahmen eingegliedert (→ externe EU-Grenze wird die gemeinsame Grenze aller Schengen-MS)
Beginn der EU-Rechtsetzung iSd GM
Keine Harmonisierung -> EU Vorschriften geben nur Mindeststandards vor
ABER: Große Unterschiede bei der Anerkennungsquote zw. MS (z.B. erstinstanzliche Anerkennung afghanischer Asylwerber:innen: 93,8 % ITA; 44,4% D; 32,2% B; 4,1% BG) → ‚Asyllotterie‘
aber auch innerhalb einzelner MS (z.B. D: 75% Anerkennungsquote in Niedersachsen v 35% in Sachsen-Anhalt)
EU Asylagentur
Gründung der EU Asylagentur (EUAA) durch VO 2021/2303, die an die Stelle von EASO tritt (s.o.)
Grundrechtsbeauftragte/r & beratender Beirat (NGOs; UNHCR; FRA; Frontex)
Festlegung eines Überwachungsprogramms der Asyl- und Aufnahmesysteme der MS alle 5 Jahre
Einrichtung eines Asylreservepools von 500 Expert:innen für Asyl-Unterstützungteams (AST)
→ weitere Harmonisierung der nationalen Asylsysteme
neues Migrations und Asylpaket
Seit 2020: KOM: ‚ein neues Migrations- und Asylpaket‘ (politische Einigung zw. Rat & EP im Dezember 2023; formale Beschlussfassung: EP(10.4.2024); Rat (14. Mai 2024)
Wesentlicher Inhalt bzw. Änderungen des neuen Migrations- & Asylpakets
Solidarität & Verantwortung (vgl. EU VO über Asyl- und Migrationsmanagement; wird Dublin VO ersetzen)
MS der ersten Einreise ist nach wie vor für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig
ABER: Zur Unterstützung von EU- Ländern, die unter Migrationsdruck stehen, werden andere Mitgliedstaaten einen Beitrag leisten, indem sie Asylsuchende oder Personen, die internationalen Schutz genießen, in ihr Hoheitsgebiet umsiedeln lassen (min. 30.000 Personen), finanzielle Beiträge leisten (min. €600 Mio.) oder operative bzw. technische Unterstützung bieten.
Schnellere Asylverfahren & Grenzverfahren (vgl. Asylverfahrensverordnung)
Die Bearbeitung von Asylanträgen an den Grenzen der EU soll in Zukunft schneller erfolgen. Personen, die einen unbegründeten oder unzulässigen Antrag stellen (d.h. Staatsangehöriger eines Drittstaates mit einer Anerkennungsquote von unter 20%; Antragsteller stellt eine Gefahr für die nationale Sicherheit und die öffentliche Ordnung dar), dürfen nicht in den MS einreisen, sondern müssen sich idR in Transitzonen in der Nähe der Außengrenze aufhalten. Dieses Verfahren findet aber in der EU und nicht in einem Drittstaat statt.
MS müssen nun angemessene Aufnahme- und Personalkapazitäten aufbauen
Mechanismus für die Reaktion auf einen plötzlichen Anstieg des Migrantenzustroms vor einschließlich der Instrumentalisierung von Drittstaatsangehörigen seitens von Drittstaaten oder feindseligen nichtstaatlichen Akteuren
Ein betroffener MS hat dann bei der Registrierung oder der Durchführung des Asylverfahrens längere Fristen, kann mehr Grenzverfahren durchführen (Anhebung der Anerkennungsquote von 20% auf 50%) oder muss uU keine Rückübernahme von Asylsuchenden aus anderen MS akzeptieren; darüber hinaus kann der betroffene MS von anderen MS Solidaritätsbeiträge anfordern
Schutzverpflichtungen der EU Asyl- und Migrationspolitik
Internationale Verpflichtungen
-1951 GFK
-EMRK
-EGMR: EGMR Urteile:
EU verpflichtet sich GFK und EMRK einzuhalten (z.B. Art. 78 AEUV)
EU Charta der Grundrechte → EuGH :
Recht auf Asyl (Art. 18)
Schutz bei Ausweisung (Art. 19):
Schutzverpflichtungen, die sich aus dem EU-Sekundärrecht ergeben -> EuGH
(z.B. AufnahmeRL: MS müssen während des Asylverfahrens Sorge tragen, dass ‚die im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen einem angemessenen Lebensstandard entsprechen,
EGMR Urteile
Elemente einer EU Asyl und Migrationspoliti
Zugang zu Asyl
-Neuansiedlung
-Asylantrag in EU-MS (Status der Asylberechtigten, Status der subsidär Schutzberechtigten)
-Vorübergehender Schutz (“MassenzustromRL”)
Neuansiedelung
Resettlement
UNHCR: Resettlement is the transfer of refugees from an asylum country to another State, that has agreed to admit them and ultimately grant them permanent residence.
USA, CAN, AUS; EU wenig relevant
EU-Initiativen: 2009 EU Joint Resettlement Programme soll EU-MS unterstützen Flüchtlinge aufzunehmen
MS sind nicht verpflichtet sich am EU Resettlement Programme zu beteiligen
Neue Dynamik durch 2015 Migrationskrise w. 2015-2019 wurden ca. 63.000 Personen in der EU neu angesiedelt
ABER: UNHCR spricht 2020 von 1.44 Mio. Menschen die neu angesiedelt werden müssten
Fazit: freiwillig und ad-hoc Character der Neuansiedlung → viele MS siedeln keine einzige Person an (z.B: 2019 & 2020: AT, PL; CY, H; GR u.a.,
Asylantrag in EU-MS
Dublin Regime (1990 Dublin Konvention; 2003 Dublin II-VO; 2013 Dublin III-VO; 2016 KOM-Vorschlag für Dublin IV: (noch) nicht beschlossen!)
Elemente des Dublin Regime
Ein MS ist verantwortlich für einen Asylantrag; idR der MS, wo die Person erstmals EU-Territorium betreten hat (Ausnahmen für unbegleitete Minderjährige oder Familienangehörige)
Dieser Staat muss die Person identifizieren (EURODAC) und das Asylverfahren durchführen
Stellt die Person in einem anderen MS noch einen Asylantrag kann sie in den zuständigen MS überstellt werden (kann aber bis zu zwei Jahre dauern)
MS können aber ungeachtet dessen die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens auch freiwillig übernehmen
-Problem (I): „first entry allocation principle“ hat nie wirklich funktioniert → ‚waving through policy‘ bzw. Unwillen von Flüchtlingen sich registrieren zu lassen
-Problem (II): ungleiche Verteilung der Asylanträgen innerhalb der EU (‚undermines fair sharing of responsibility‘; ‚lack of solidarity among EU MS‘) → administrative Überforderung sog. ‚frontline states‘ (GR, ITA, MT): lange Verfahren; schlechte Unterkünfte (vgl. Flüchtlingslager Moria auf Lesbos)
2015-2017: zwei EU Ratsbeschlüsse (2015/1523; 2015/1601) zu EU-internen Umverteilung; ca. 35.000 Personen wurden umgesiedelt; einige MS weigerten sich (PL, H, SK): EuGH stellte Rechtsverletzung fest
Antragstellung in EU-MS
Ablauf Asylantrag in MS
Grundsatz: jeder Asylantrag, der in der EU gestellt wird, muss individuell geprüft werden
Bei jedem Asylantragwird im Rahmen einer Einzelfallprüfung abgeklärt, ob Verfolgungsgründe nach der GFK, Gründe für einen subsidiären Schutz oder humanitären Aufenthalt vorliegen.
Laut GFK ist Flüchtling jede Person, die Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will. (vgl. dazu auch Art. 10 RL 2011/95/EU)
Subsidiären Schutz erhalten Personen, deren Asylantrag zwar mangels Verfolgung abgewiesen wurde, aber deren Leben oder Unversehrtheit im Herkunftsstaat bedroht wird. Sie sind daher keine Asylberechtigten, erhalten aber einen befristeten Schutz vor Abschiebung.
Umsetzung in Ö
Umsetzung in Ö: AsylG 2005 idgF
Seit Juni 2016: Personen, deren Asylantrag positiv entschieden wurde (Asylberechtigte), erhalten vorerst ein befristetes Aufenthaltsrecht auf drei Jahre (‚Asyl auf Zeit‘). Liegen danach die Voraussetzungen für die Einleitung eines Aberkennungsverfahrens nicht vor,kommt esvon Gesetzes wegen zu einem unbefristeten Aufenthaltsrecht.
Instanzenzug in Ö: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Bundesverwaltungsgericht (BVwG), Verwaltungsgerichtshof (VwGH)/Verfassungsgerichtshof (VfGH))
MassenzustromsRL
Vorübergehender Schutz →‚MassenzustromRL‘ (2001/55/EG): Rat kann Vorliegen eines Massenzustroms mit QMV feststellen → vorübergehender Schutz für ein Jahr (mit Option für Verlängerung um ein weiteres Jahr) inkl. Arbeitsmöglichkeit; Zugang zum Bildungssystem und Familienzusammenführung; Option auf einen weitergehenden Asylantrag
Durchführungsbeschluss des Rates vom