LRS Flashcards
Teilleistungsstörungen - Überblick
„Teilleistungsstörungen sind Leistungsdefizite in begrenzten Funktionsbereichen, die aufgrund allgemeiner Intelligenz, Förderung sowie körperlicher und seelischer Gesundheit des Betroffenen nicht erklärt werden können.“ (Esser, 2008)
Teilleistungsstörungen - Überblick
Auswahl betroffener Bereiche
- Sprache (rezeptiv/expressiv): z.B. Sprachverständnisstörung, eingeschränkter Wortschatz, Dysgrammatismus
- Sprechen: z.B. Phonemdiskriminationsstörung, Artikulationsstörung
- Schulische Fertigkeiten (Lesen, Schreiben, Rechnen): Lese-Rechtschreibschwäche (LRS), isolierte Rechtschreibstörung, Rechenstörung (Dyskalkulie), kombinierte Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten
Teilleistungsstörungen - Überblick annahmen
- Diskrepanzannahme: Bedeutende Differenz zwischen dem allgemeinen Leistungsniveau und der spezifischen Teilleistungsstörung, die nicht durch das Alter, die allgemeine Intelligenz und die Art der Beschulung erklärbar ist
- Normalitätsannahme: Durchschnittliche Intelligenz, keine Hör- oder Sehstörung (unzureichend behandelt / versorgt), keine neurologische Erkrankung, kein Verlust bereits erworbener Fähigkeiten, kein unzureichender Unterricht, keine hohen Fehlzeiten oder häufige Schulwechsel
• Diskrepanzannahme:
Bedeutende Differenz zwischen dem allgemeinen Leistungsniveau und der spezifischen Teilleistungsstörung, die nicht durch
1.das Alter,
2.die allgemeine Intelligenz und
3. die Art der Beschulung erklärbar ist
Diskrepanz zwischen (unbeeinträchtigtem) Intelligenzniveau und (beeinträchtigter) Teilleistung (Teilleistungsstörung)
• Teilleistung in Bezug auf Altersnorm unterdurchschnittlich (2 Standardabweichungen unter Mittelwert) und
• Teilleistung in Bezug auf Intelligenzniveau unterdurchschnittlich (1 bzw. 2 Standardabweichungen unter individuellem IQ)
• Normalitätsannahme:
1.Durchschnittliche Intelligenz,
2.keine Hör- oder Sehstörung (unzureichend behandelt / versorgt), Sinnesschädigungen
3.keine neurologische Erkrankung, Schädigung bzw. angeborene oder erworbene Schädigung des ZNS
4.kein Verlust bereits erworbener Fähigkeiten,
5.kein unzureichender Unterricht,
6.keine hohen Fehlzeiten oder
7.häufige Schulwechsel
keine globale Entwicklungsstörung, d.h. IQ > 70 (Lernbehinderung ist damit in Normalitätsannahme enthalten)
8.• keine Entwicklungsstörung infolge Misshandlung/Vernachlässigung/inadäquater Erziehung
Entwicklungsstörungen – Umschriebene Entwicklungsstörungen
• Entwicklungsstörungen in umschrieben und tiefgreifend unterteilt (aber Achtung: andere Achseneinteilung!); nach ICD-10 folgende gemeinsame Charakteristika:
1• Beginn ausnahmslos im Kleinkindalter oder in der Kindheit
2• Einschränkungen bzw. Verzögerungen in der Entwicklung von Funktionen sind eng mit der biologischen ZNS Reifung verknüpft
3.sind durch stetigen Verlauf gekennzeichnet und nicht durch typische charakteristische Remissionen und Rezidive, wie bei vielen anderen psychischen Störungen
4.• Diagnose einer umschriebenen Entwicklungsstörung verlangt, dass diese deutlich vom allgemeinen Niveau der kognitiven Fähigkeiten abweicht
LRS – Klassifikation und diagnostische Kriterien
F81 Umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten
F81.0 Lese- und Rechtschreibstörung
F81.1 Isolierte Rechtschreibstörung
F81.2 Rechenstörung (Dyskalkulie)
F81.3 Kombinierte Störung schulischer Fertigkeiten
F81.8 Sonstige Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten
F81.9 Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten, nicht näher bezeichnet
Umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten code
F81
Lese- und Rechtschreibstörung code
F81.0
Isolierte Rechtschreibstörung code
F81.1
Rechenstörung (Dyskalkulie) code
F81.2
Kombinierte Störung schulischer Fertigkeiten code
F81.3
Sonstige Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten code
F81.8
Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten, nicht näher bezeichnet code
F81.9
LRS – Klassifikation und diagnostische Kriterien
F81.0 Lese- und Rechtschreibstörung
a.
Entweder 1. oder 2.:
1. ein Wert der Lesegenauigkeit und/oder im Leseverständnis, der mindestens zwei Standardabweichungen unterhalb des Niveaus liegt, das aufgrund des chronologischen Alters und der allgemeinen Intelligenz zu erwarten wäre. Die Lesefertigkeiten und der IQ wurden in einem individuell angewandten entsprechend Kultur- und dem Erziehungssystem des Kindes standardisierten Test erfasst;
2. In der Vorgeschichte bestanden ernste Leseschwierigkeiten, oder es liegen Testwerte vor, die früher das Kriterium a.1. erfüllten, und ein Wert in einem Rechtschreibtest, der mindestens zwei Standardabweichungen unterhalb des Niveaus liegt, das aufgrund des chronologischen Alters und der allgemeinen Intelligenz zu erwarten wäre.
c. Die unter a. beschriebene Störung behindert eine Schulausbildung oder alltägliche Tätigkeiten, die Lesefertigkeiten erfordern.
d. Nicht bedingt durch Seh- oder Hörstörungen oder eine neurologische Krankheit.
e. Beschulung in einem zu erwartenden Rahmen (d. h. es liegen keine extremen Unzulänglichkeiten in der Erziehung vor).
f. Häufigstes Ausschlusskriterium: Nonverbaler IQ unter 70 in einem standardisierten Test.
F81.1 Isolierte Rechtschreibstörung
a. Es liegt ein Wert in einem standardisierten Rechtschreibtest vor, der mindestens zwei Standardabweichungen unterhalb des Niveaus liegt, das aufgrund des chronologischen Alters und der allgemeinen Intelligenz des Kindes zu erwarten wäre.
b. Die Lesegenauigkeit und das Leseverständnis sowie das Rechnen liegen im Normbereich (zwei Standardabweichungen vom Mittelwert).
c. In der Vorgeschichte keine ausgeprägte Leseschwierigkeiten.
d. Beschulung in einem zu erwartenden Rahmen (es liegen keine außergewöhnlichen Unzulänglichkeiten in der Erziehung vor).
e. Die Rechtschreibstörungen bestehen seit den frühesten Anfängen des Rechtschreiblernens.
c. Die unter a. beschriebene Störung behindert eine Schulausbildung oder alltägliche Tätigkeiten, die Rechtschreibfertigkeiten erfordern.
d. Häufigstes Ausschlusskriterium: Nonverbaler IQ unter 70 in einem standardisierten Test.
LRS – Symptomatik
• Hauptmerkmal = gestörte Entwicklung von Fertigkeiten des Lesens und Rechtschreibens, die sich nicht durch geistige Behinderung, unzureichenden Unterricht, Hör- oder Sehstörungen oder andere neurologische Erkrankungen erklären lässt (Normalitätsannahme)
• deutliche Beeinträchtigung der schulischen Leistungen
• Lese-Rechtschreibleistungen liegen deutlich unter dem Niveau, das aufgrund des Alters,
der allgemeinen Intelligenz und der Beschulung zu erwarten ist (Diskrepanzannahme)
• Störung wird in allen bekannten Sprachen gefunden
• WHO: Beeinträchtigung der kognitiven Informationsverarbeitung, die größtenteils auf biologischen Fehlfunktionen beruht
Lesestörung Symptomatik
• Kombination von früheren Sprachentwicklungsstörungen mit späterer Lese- Rechtschreibstörung ist relativ häufig • beim Vorlesen: 1.Auslassen, 2.Ersetzen, 3.Verdrehung oder 4. Hinzufügen von Worten oder Wortteilen; 5. niedrige Lesegeschwindigkeit; 6.Startschwierigkeiten: 7. Verlieren der Zeile, 8.keine sinnentsprechende Betonung; 9.Vertauschen von Wörtern im Satz oder 10von Buchstaben in den Wörtern • beim Leseverständnis: 1.Unfähigkeit, Gelesenes wiederzugeben, 2.aus Gelesenem Schlüsse zu ziehen 3.oder Zusammenhänge zu sehen • mit Lesestörungen gehen häufig Rechtschreibstörungen einher, persistieren oft, auch wenn im Lesen Fortschritte gemacht werden • Häufigkeit: 3%-7% der Schulkinder, Jungen sind 4-10 mal häufiger betroffen
• beim Vorlesen: Lesestörung Symptomatik
1.Auslassen,
2.Ersetzen,
3.Verdrehung oder
4. Hinzufügen von Worten oder Wortteilen;
5. niedrige Lesegeschwindigkeit;
6.Startschwierigkeiten:
7. Verlieren der Zeile,
8.keine sinnentsprechende Betonung;
9.Vertauschen von Wörtern im Satz oder
10von Buchstaben in den Wörtern
• beim Leseverständnis: Lesestörung Symptomatik
- Unfähigkeit, Gelesenes wiederzugeben,
- aus Gelesenem Schlüsse zu ziehen
- oder Zusammenhänge zu sehen
LRS – Symptomatik Rechtschreibstörung Symptomatik (F81.1)
1• Reihenfolgen von Buchstaben in einem Wort
2oder Stellung der Wörter in einem Satz können nicht aufgenommen oder wiedergegeben werden
3• Schwäche in der Rechts-Links-Orientierung
4oder in der Raumorientierung
5• ähnliche Buchstaben wie „b, d“ oder „p, q“ können nicht voneinander unterschieden werden
6• akustische Differenzierungsfähigkeit eingeschränkt „b, p“ oder „g, k“(z. B. Grund-Krunt)
7• lautliches Schreiben (z. B. während- wernt)
8• Umstellungen von Buchstaben im Wort (z.B. Maus-Muas)
9• Auslassen von Buchstaben (z.B. zwanzig-zwazig)
10• Einfügungen falscher Buchstaben
11• niedrige Schreibgeschwindigkeit
12• Beeinträchtigung der Rechtschreibfertigkeiten ohne Vorgeschichte einer umschriebenen Lesestörung
13• betrifft sowohl das mündliche Buchstabieren als auch die korrekte Schreibung von Wörtern
14• Häufigkeit: 2% der Schulkinder
LRS – Symptomatik
komorbide Symptomatik
1• reduziertes Selbstwertgefühl / Verhaltensauffälligkeiten
2• Konzentrationsschwäche
3• sekundäre Neurotisierung
4• emotionale Symptome im Sinne von Versagensängsten, depressiven Verstimmungen, Schulangst
5• somatische Symptome (z. B. Kopf- und Bauchschmerzen)
6• Störungen im Sozialverhalten
7• Hausaufgabenkonflikte
LRS – Ätiologie
Genese
- biologische Faktoren, die mit Umweltfaktoren zusammenwirken (Gelegenheit zum Lernen, Qualität und Didaktik des Unterrichts)
- keine organische, psychische oder soziale Bedingung, die in jedem Fall zur LRS führt, keine Bedingung, die als einzige Ursache auszumachen ist
- Kinder in allen Kulturen mit Schriftsprache können LRS entwickeln
- genetische Einflüsse: Auswirkungen auf hirnstrukturelle und hirnfunktionelle Korrelate zentralnervöser Informations-verarbeitung
- periphere Hörstörung
- Sprachentwicklungsstörung
- Störung von Basisfunktionen (z. B. Exekutivfunktionen: Arbeitsgedächtnis)
- auditive und visuelle Teilleistungsschwäche
- soziokulturelle Einflüsse
- Sprachmilieu
- eventuell spezielle Unterrichtsmethode
LRS – Psychodynamische Überlegungen (n. van Loh, 2013)
• Mertens (2002): Kinder mit LRS haben Schwierigkeiten mit der Anerkennung väterlicher
Regeln
→ Kind stellt eigene Regel auf, deren Beschaffenheit es aber nicht kennt und von der es sich nicht lösen kann, da im Zentrum der eigenen Regel die fehlende Symbolisierung steht
• van Loh (2013): Formulierung einer triebtheoretischen Hypothese
• Fähigkeit des Schriftspracherwerbs hängt mit Bewältigung der ödipalen Situation
zusammen, auf Basis einer gelingenden Triangulierung
→ Reife zum Erlernen der Schriftsprache fällt mit dem Ausgang der phallisch ödipalen Phase zusammen
• Zusammenhang zwischen Lernerfolgen und intrapsychischer Triangulierungsfähigkeit auch nach Dammasch et al. (2005)
• van Loh (2013): „Literales Stadium“: Mentale Umstrukturierung wenn das Kind Lesen und
Schreiben lernt
• Gesamtheit der Spache und die an sie geheftete Affektivität müssen neu formiert werden
→ libidinöse Energie muss vom eigenen Körper und dem Interesse für die Sexualität der Eltern abgezogen, und auf das Erlernen der Schrift gerichtet werden
• bei gelingender Verknüpfung von Lernerfahrung und Loslösung von den sprachlich bezeichneten Primärobjekten: Eintritt in die Latenzphase
• ein unbwusster Unterwerfungs-Kontroll-Konflikt mit einem unvollständigen inneren Vaterobjekt führt dazu, dass dieser Vorgang nicht gelingt
→ interpersonelles Ausagieren erfolgt durch die Verweigerung gegenüber dem Regelsystem der Schriftsprache
• häufiges Interesse an sexuellen Themen und Verwendung sexualisierter Sprache in der
Latenzphase
• die dem zugrunde liegende Dynamik scheint das Erreichen der ödipalen Phase zu verhindern
→ somit Verhindern des stabilen Lernens, bei dem Emotionen und Kognitionen im Rahmen von Beziehungen psychisch integriert werden