Kommunikationsgrundrechte: Art. 5, 8, 9, 20 IV GG Flashcards
Art. 8 GG: Versammlungsfreiheit
- schützt eine Form der Kommunikation mit anderen: das Sich-Versammeln: Kommunikationsgrundrecht/Demonstrationsgrundrecht
- schützt öffentliche und nichtöffentliche Versammlungen
- nur unter freiem Himmel mit qualifiziertem Gesetzesvorbehalt; in geschlossenen Räumen vorbehaltlos
- VersG gilt in vielen Ländern wegen Art. 125a GG weiter
- DEUTSCHENGRUNDRECHT !!!
Art. 8 I GG: Schutzbereich
Versammlungsbegriff
- gemeinsamer Zweck
- friedlich und ohne Waffen
- in geschlossenen Räumen/unter freiem Himmel
I. Schutzbereich
- persönlicher Schutzbereich: Deutschengrundrecht!!
- Versammlungsbegriff:
- örtliche Zusammenkunft von mindestens zwei Personen, die eine innere Verbindung aufweisen, die sich in einer gemeinsamen (nicht nur gleichen) Zweckverfolgung manifestiert
- NICHT bloße Ansammlungen; diese können aber zu Versammlungen werden
- bei gemischten Veranstaltungen muss das Gesamtgepräge den Ausschlag geben, wobei im Zweifel von einer Versammlung auszugehen ist (Schwerpunkt der Veranstaltung)
- physische Präsenz notwendig (virtuelle Zusammenkünfte daher nicht), weil davon Drohpotential und besondere Verwundbarkeit ausgeht
Str: Was muss der gemeinsame Zweck sein?
- enger Versammlungsbegriff: gemeinsame Meinungsbildung und -äußerung zu öffentlichen Angelegenheiten
- weiter: Erörterung, also Meinungsbildung und -äußerung irgendwelcher Angelegenheiten reicht aus
- weiter Versammlungsbegriff: jeder erdenkliche Zweck reicht aus, muss keine Meinungskundgabe sein
- -> Arg:
- für engsten: Komplementärfunktion zur Meinungsfreiheit; nach historischer Erfahrung waren vor allem politische Versammlungen staatlichen Eingriffen ausgesetzt
- Persönlichkeitsentfaltung in Gruppenform spricht eher für weiten Begriff
- Einengung ergibt sich weder aus Wortlaut, noch Systematik; Art. 8 iVm Art. 5 auch möglich für meinungsäußernde und -bildende Versammlungen jedweder Angelegenheiten, also zumindest weiterer; Art. 11 EMRK auch eher für weiten ; BVerfG nimmt engen Versammlungsbegriff
- -> bisschen argumentieren und im Endeffekt den engen nehmen, weil große Bedeutung für den demokratischen Willensbildungsprozess und daher folgerichtig.
- Friedlich und ohne Waffen
- Waffen und gefährliche Werkzeuge umfasst
- friedlich = “wenn die Versammlung keinen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt”
- -> aktive körperliche Einwirkung des Täters auf Personen und Sachen; aggressiv und von einiger Erheblichkeit; weiter als Gewaltbegriff; gewaltsamer Widerstand
- wenn die Rechtsverstöße nicht von der Gesamtgruppe getragen werden, sondern gehen sie nur von Einzelnen aus, so wird Friedlichkeit insgesamt nicht beeinträchtigt ; wird aber unfriedlich, wenn Mehrzahl der Teilnehmer oder Versammlungsleitung sich mit dem unfriedlichen Verhalten Einzelner solidarisieren
- unfriedlich schon dann, wenn aufrührerischer Verlauf droht, also unmittelbar bevorsteht (Vermummung allein kein ausreichendes Indiz, aber Indiz!) - unter freiem Himmel/in geschlossenen Räumen
- unter freiem Himmel = wo sich auch allgemeiner Publikumsverkehr bewegt und besondere Gefährdung und Gefährlichkeit besteht; es können sich Spannungen und Konflikte ergeben, die Versammlungen besonders störanfällig und gefährlich machen (das nur für Gesetzesvorbehalt relevant)
- öffentlich oder nichtöffentlich = bemisst sich nach der für jedermann bestehenden Zugänglichkeit (irrelevant, lediglich für VersG)
Umfang der Gewährleistung, Art. 8 I GG
- schützt auch die nicht angemeldete Veranstaltung
- geschützt ist die Vorbereitung und die Organisation (Einladung, Werbung), die Wahl von Ort, Zeit, Ablauf und Gestaltung der Versammlung (Einsatz von Medien, Rednern, Megafonen)
- auch Protestcamps, wenn sie in einem funktionalen oder symbolischen Zusammenhang zur Versammlung stehen
- auch Vorwirkung von Art. 8 für Anreise und Lager
- Wahl des Ortes erfasst jedenfalls alle öffentlichen Flächen in Gemeingebrauch, auch solche, die an sich nach ihrem Widmungszweck nicht für Versammlungen gedacht sind (Friedhof), in denen aber im konkreten Fall tatsächliche allgemeine Kommunikation stattfindet (Gedenkveranstaltung); auch private Flächen, die dem allgemeinen Publikumsverkehr geöffnet sind
- geschützt sind auch An- und Abreise, Leitung und Teilnahme an Versammlung, NICHT GESCHÜTZT Zutritt und Anwesenheit, wenn sie in der Absicht geschehen, die Versammlung zu verhindern
- natürlich auch die negative Versammlungsfreiheit
Eingriffe in Art. 8 GG
- Anmeldungs- und Erlaubnispflicht, Verbote und Auflösungen von Versammlungen, Auflagen, Ausschließungen einzelner Teilnehmer, Behinderungen bei Anfahrt und Abreise; auch mittelbar-faktische Eingriffe (chilling effects) durch Pressemitteilungen; bei staatlichen Überwachungsmaßnahmen kommt es auf Abschreckungseffekt und Einschüchterungswirkung an, weil auch innere Entschlussfreiheit geschützt wird, an Versammlung teilzunehmen = BVerfG bei exzessiven Observationen und Registrierungen (moderner Eingriffsbegriff, diskutieren)
Rechtfertigung von Art. 8 I GG
- der Gesetzesvorbehalt von Art. 8 II GG gilt nur für versammlungsspezifische Eingriffe
- für meinungsspezifische Eingriffe, die über Art. 8 iVm Art. 5 geschützt sind, bestimmt sich die Rechtfertigung nach Art. 5 II GG (allgemeine Gesetze), dh Eingriff muss meinungsneutral sein
- -> das stand wohl so im Buch; bei Kahl wird nicht das Kombinationsgrundrecht vertreten, sondern vielmehr Art. 5 I GG neben Art. 8 I GG angewendet, weil sie sich ergänzen, und dann läuft vieles wohl parallel.
- Art. 8 II GG enthält qualifizierten Gesetzesvorbehalt, weil er an “unter freiem Himmel” anknüpft
- Art. 17a I GG speziell für Wehrdienstverhältnis
- bei Versammlung in geschlossenen Räumen nur durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt: vorbehaltlos
Verbot von Anmelde- und Erlaubnispflicht, Art. 8 I GG
- ist eine Schranken-Schranke (auch bei Pandemie)
- § 15 III VersG ist bei unterbliebener Anmeldung nicht anwendbar
- bei Spontan- und Eilversammlungen wurde auf Erfordernis verzichtet
- § 14 VersG eigentlich verfassungswidrig, wird aber “verfassungskonform ausgelegt” whatever this means
Widerstandsrecht, Art. 20 IV GG
- im Wege der Notstandsgesetzgebung eingefügt worden
- doppelte Absicht: Schutz der Verfassungsordnung auch Recht der Bürger, Exekutive sollte Verfassungsordnung nicht beseitigen dürfe
- -> will rechtlich etwas regeln, wo die rechtlichen Regelungen versagen: hat also nur symbolische Funktion
–> extrem enge Grenzen und eigentlich bedeutungslos, weil:
wenn andere Abhilfe, also die staatliche Ordnung, noch zur Verfügung steht, dann besteht Widerstandsrecht nicht. Wenn staatliche Ordnung nicht mehr zur Verfügung steht und Widerstandsrecht griffe, dann ist das GG abgeschafft, daher nur symbolisch und in Klausur, wenn ein solches Argument kommt, schnell abzulehnen.
Art. 9 GG: Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit
- Art. 9 I GG: allgemeine Vereinigungsfreiheit (auch für politische Parteien hier!: das wohl am interessantesten; Recht auf eigenbestimmte Betätigung; Sonderfall: hieraus ergibt sich auch, dass kein Anspruch auf Aufnahme in Partei besteht)
- Art. 9 III GG: Koalitionsfreiheit als Sonderfall
- umfasst Individualfreiheitsrecht der Vereinigungsmitglieder und das kollektive Vereinigungsrecht der Vereinigung selbst; Art. 9 III GG außerdem Institutsgarantie des Tarifvertragssystems
- Nennung von Verein und Gesellschaften ist nur beispielhaft
- Art. 9 III GG entfaltet unmittelbare Drittwirkung auch gegenüber Beeinträchtigungen durch Private (Art. 9 III 2 GG) : BESONDERHEIT
Art. 9 I GG: Schutzbereich
- in § 2 I VereinsG legaldefiniert
- Verein und Gesellschaft nur beispielhaft aufgezählt, Art. 9 I GG umfasst das gesamte Spektrum des Assoziationswesens von der lose gefügten Bürgerinitiative bis zum Spitzenverband
Die folgenden Elemente sind für eine Vereinigung konstitutiv:
- Zusammenschluss muss freiwillig erfolgen (nicht öffentlich-rechtliche Zusammenschlüsse)
- gemeinsamer Zweck: dieser kann ganz frei bestimmt werden: ein gemeinsames Hauptziel erforderlich, verschiedene Nebenziele möglich
- Zusammenschluss von zwei oder mehr natürlichen oder juristischen Personen mit einer gewissen zeitlichen und organisatorischen Stabilität = gemeinsame Willensbildung, die geschriebenen oder ungeschriebenen Regeln folgt
Art. 9 I GG: Individualgrundrecht
- Art. 9 I schützt dem Wortlaut nach nur die Bildung: sich mit anderen zusammenzuschließen und Vereine zu gründen (Entscheidung über Zeitpunkt, Zweck, Rechtsform, Namen, Satzung, Sitz = Vereinsautonomie)
- kann aber nicht nur die Bildung schützen, weil Schutz sonst leerliefe: also auch: Beitritt zum bestehenden Verein (daher Anspruch auf Parteiaufnahme), die Betätigung im und mit dem Verein und den Verbleib (positive Vereinigungsfreiheit) sowie das Fernbleiben und Austritt (negative Vereinigungsfreiheit)
- Zwangsmitgliedschaften in öffentlich-rechtlichen Vereinigungen: BVerfG sieht Schutzbereich als nicht eröffnet an und bemisst nur nach Art. 2 I GG (jedenfalls darin geschützt, dass diese ihren Aufgabenbereich überschreitet): begründet mit Vereinigungsbegriff, der nur privatrechtliche Vereinigungen schützt! (nach aA auch von Art. 9 I GG umfasst)
Art. 9 I GG: kollektives Freiheitsrecht
- BVerfG sieht in stRspr auch die Vereinigung selbst, ihr Entstehen und Bestehen durch Art. 9 I geschützt an: Argument ist effektiver Grundrechtsschutz (Kingreen/Poscher sagt, dass das speziell und abschließend in Art. 19 III GG geregelt ist, also danach bemessen!)
- umfasst Existenz und Funktionsfähigkeit der Vereinigungen: nach innen die Selbstbestimmung über die eigene Organisation, das Verfahren ihrer Willensbildung und die Führung der Geschäfte; nach außen: Kernbestand des Vereinsbestands und der Vereinstätigkeit: Namenführung, werbewirksame Selbstdarstellung (relativ eng; für jede weitere Betätigung kommt dann das jeweilige Grundrecht zum Tragen als lex specialis)
Art. 9 III GG: Koalitionsfreiheit
- muss sich um eine Vereinigung handeln (§ 2 I VereinsG), die den genannten Koalitionszweck verfolgt
- Arbeitsbedingungen = Bedingungen, die sich auf das Arbeitsverhältnis selbst beziehen
- Wirtschaftsbedingungen = Bedingungen, die wirtschafts- und sozialpolitischen Charakter haben: Ziele müssen gemeinsam angestrebt werden, nicht alternativ!
noch weitere Merkmale neben Vereinigung und Koalitionszweck:
- Gegnerfreiheit, Gegnerunabhängigkeit, Überbetrieblichkeit = nur dann hat Vereinigung Durchsetzungskraft gegenüber dem sozialen Gegenspieler, um auf Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen hinzuarbeiten
–> Individualgrundrecht, Koalitionen zu bilden; gilt für jedermann und alle Berufe (auch Beamte, Richter, Soldaten): gleiche Verhaltensweisen geschützt wie oben
- -> auch hier kollektive Freiheit geschützt: Existenz und Funktionsfähigkeit; nach innen s.o.; nach außen mehr als nur den Kernbereich!!!
- bedeutet vor allem das Aushandeln, den Abschluss und die Anwendung von Tarifverträgen; Arbeitskampfmaßnahmen (nicht aber der nicht von der Koalition geführte wilde Streik, oder Streik, der sich nur mittelbar gegen Tarifpartner richtet)
Eingriffe in Art. 9 I, III GG
- in allgemeine Vereinigungsfreiheit: vom Gründungs- bis Auflösungsstadium denkbar
- hier wieder zwischen Ausgestaltung und Eingriff differenzieren
- in Koalitionsfreiheit: durch Art. 9 III 2 GG entfaltet unmittelbare Drittwirkung!
Rechtfertigung von Art. 9 I GG
Rechtfertigung von Art. 9 III GG
- Art.9 I GG selbst kein Gesetzesvorbehalt
- Art. 9 II GG nach hM als verfassungsrechtliche Rechtfertigung für einen Eingriff gesehen = qualifizierter Gesetzesvorbehalt: auch hier aggressiv kämpferische Haltung notwendig
- & kollidierendes Verfassungsrecht!
- Schranken-Schranke : Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
unzulässig ist es zum Beispiel, Verbot allein auf politische Gesinnungen zu stützen, weil damit gegen Art. 5 I GG verstoßen wird
- Art. 9 III GG:
- umstritten, ob Art. 9 II GG auch hierauf anwendbar ist: dagegen spricht die systematische Stellung und der Vergleich zu Art. 5 GG
- von hM aber wegen Entstehungsgeschichte bejaht: Koalitionsfreiheit kann nicht weiter geschützt werden als Parteienfreiheit
- Kollisionen durch Koalitionsfreiheit verschiedener Akteure: hierbei dann wieder praktische Konkordanz und angemessenen, verhältnismäßigen Ausgleich suchen
- ansonsten wieder kollidierende Verfassungsgüter
(Achtung, Art. 1 EMRK beachten, der nach Meinung des EGMR ein allgemeines Streikverbot im öffentliches Dienst ausschließt) BVerfG hingegen in Art. 33 V GG ein allgemeines Streikverbot für Beamte; unzulässig sind auch Arbeitskämpfe, die die Funktionsfähigkeit von Krankenhäuser, Feuerwehren und anderen lebensnotwendigen Betrieben gefährden
- Schranken-Schranke in Art. 9 III 3 GG
Art. 5 GG: Allgemeines
- schützt jegliche Art von Meinungen (wertvoll oder wertlos) und verschreibt sich damit dem (Meinungs-)Pluralismus, der Toleranz und der Aufgeschlossenheit, ohne die eine demokratische Gesellschaft nicht möglich ist ; konstituierend für freiheitlich-demokratische Grundordnung; Willensbildungsprozess von unten nach oben
- insgesamt fünft Grundrechte:
- Meinungsfreiheit, S. 1 Hs. 1
- Informationsfreiheit, S. 1 Hs. 2
- Pressefreiheit, S. 2 Var. 1
- Rundfunkfreiheit, S. 2 Var. 2
- Filmfreiheit, S. 2 Var. 3
- Zensurverbot (Art. 5 I 3; nur Vorzensur!) als Schranken-Schranke, genauso wie Wechselwirkungslehre