Hermeneutik

Question 1

Zitat zu Wiederverwertung bereits exisitierender Poesie

Answer 1

„Ein kluger Mann hat darüber gesagt, dass, wer einen Passus in sein Gedicht bruchlos einzufügen versteht, den er nicht selbst verfasst hat, ebensoviel leistet wie der, der ihn zuerst verfasst hat. Das Fundstück ist sofort sein Eigentum geworden.“

Question 2

Grundlagen mittelalterlicher Poetik

Answer 2

• keine Erfindung neuer Stoffe, sondern Respekt vor der literarischen Tradition => auctoritas d. Schrift: Quellenberufung
• dichterische Eigenleistung => diuten & niuwen von bereits Bekanntem => Umdeuten, Erneuern u. Zusammenfügen des Materials zu einem anderen bzw. neuen Sinnganzen
• un molt bele conjointure (Chrétien de Troyes)
• Anknüpfung an bereits Bekanntes ist gefordert!
• Vgl. in Politik: re-formare
• Schaffen eines gemeinsamen Sinnhorizonts für Publikum
• Spiel mit Motivik, Weiterführung, Dekonstruktion…
• Zentraler Baustein: Christliches Weltverständnis
• Mittelalterliche Hermeneutik

Question 3

Zwei–Bücher–Lehre

Answer 3

„Buch der Bücher“
(Gotteserkenntnis für pfaffen)

vs.

„Buch der Welt“
(Gotteserkenntnis für leien)

Question 4

Hermeneut. Sinnfindungsregel

Answer 4

Vox (Wort) => Sinnträger (res signum) => Eigenschaften (proprietates) [E1, E2, E3,…] => Bedeutungen (significata) [B1. B2, B3,…]

Question 5

Beispiel aus Physiologos

Answer 5

Löwen werden drei proprietates/Eigenschaften zugeschrieben:

1. Löwe verwischt Spuren mit Schwanz
2. Löwen schlafen mit offenen Augen
3. Am dritten Tag erweckt Löwenvater Junge zum Leben.

Diese Eigenschaften tragen jeweils significata/Bedeutungen:

1. Christ war Mensch unter Menschen um vor dem Teufel zu verbergen, dass er Gottes Sohn war.
2. Christus ruhte in seinem menschlichen Leib, wachte aber in seiner Gottheit.
3. Gott erweckte seinen Sohn am dritten Tage vom Tode.

=> „in dieser Welt war ein Hippogreif genauso real wie ein Löwe, da beide ein Zeichen für eine höhere Wahrheit darstellten“

Question 6

Typologie / Figuraldeutung

Answer 6

Zeitlich getrennte Ereignisse werden nach dem
Prinzip der Analogie und der vergleichenden
Unterscheidung in einen Sinnzusammenhang
gebracht.

typos => antitypos
Verheißung => Erfüllung
Alt. Testament => Neu. Testament
Adam => Jesus
10 Gebote => Bergpredigt
alten ê => niuwen ê

Question 7

Vierfacher Schriftsinn

Answer 7

littera gesta docet, = was ist, was war was => historisch

quid credas allegoria, = bedeutet das heilsgeschichtlich => allegorisch (Glauben)

moralis quid agas, = Bedeutung für den Einzelnen => moralisch

quo tendas anagogica. = Bedeutung für Zukunft => eschatologisch/endzeitlich