HaWi II - Kartellrecht Flashcards
Was sind die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Kartellrechts?
- Wirtschaftsfreiheit (BV 27)
- Kartellrecht (BV 96)
- Konsumentenschutz (BV 97 II)
- Zivilrechtskompetenz (BV 122)
Welche Besonderheit birgt die Wirtschaftsfreiheit als verfassungsrechtliche Grundlage?
- Keine eigentliche Kompetenzgrundlage, sondern nur ein Grundrecht.
- Einbau in die Ingresse des KG und UWG, da die Wirtschaftsfreiheit gewährt/ermöglicht und nicht eingeschränkt wird.
Welchen Prinzipien liegen BV 96 zugrunde?
- Welches Prinzip zugrunde liegt ist in der Lehre strittig:
- Verbotsprinzip: Kartelle sind von Anfang an schädlich. Man muss gegen alle Kartelle von Anfang an einschreiten.
- Missbrauchsprinzip: Kartelle sind grundsätzlich zugelassen. Auswüchse sind zu bekämpfen. Kein Missbrauch von Kartellen zugelassen.
- Bundesgericht folgt dem Missbrauchsprinzip
Wann treten die Nichtigkeit und Sanktionen beim Missbrauchs- und Verbotsprinzip ein?
Missbrauchsprinzip
- Nichtigkeit: ex nunc
- Sanktion: indirekt (Sanktion tritt erst dann ein, wenn ein Kartell verboten wurde, und das Kartell gegen das Verbot verstösst)
Verbotsprinzip
- Nichtigkeit: ex tunc
- Sanktion: direkt
Was ist der Unterschied zwischen dem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt und dem System der Legalausnahme in Bezug auf das Kartellrecht?
Verbot mit Erlaubnisvorbehalt
- Man verbietet alle kartellrechtlichen Konstellationen, macht aber gewisse Ausnahmen.
- Kartelle können sich anmelden und genehmigen lassen
System der Legalausnahme
- Das System gibt gewisse Rechtfertigungsgründe vor, um ein Kartell gründen und betreiben zu können.
- RFG gelten ipso iure
Folgt das KG dem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt und dem System der Legalausnahme?
- System der Legalausnahme plus Vermutungstatbestände
- Ein Anmelde- und Genehmigungssystem ist nach Art. 96 BV ausgeschlossen.
- Dies ist das einzig verbliebene Element des (ursprünglichen) Missbrauchsprinzips.
Was sind die drei Säulen des Schweizerischen Kartellrechts?
- KG 5, 6: Regeln gegen unzulässige Wettbewerbsabreden
- KG 7: Regeln gegen missbräuchliches Verhalten marktbeherrschender Unternehmen
- KG 9, 10: Regeln gegen wettbewerbsgefährdende Unternehmenszusammenschlüsse
Was ist die Saldotheorie bei den alten CH-KG?
- Kartelle haben vielleicht Negativpunkte, aber man muss auch die Vorteile eines Kartells sehen.
- Die Vor- und Nachteile sind miteinander abzuwiegen.
- Beispiel: Bierkartell. Zwar höhere Preise, aber die landesweite, sichere und geordnete Versorgung mit Bier überwiegt
Was ist das Prüfschema des KG?
- Persönlicher Geltungsbereich
- Sachlicher Geltungsbereich
- Örtlicher Geltungsbereich
- Verhältnis zu anderen Vorschriften ⇒ nur soweit es Indizien gibt
Was bedeutet der Begriff “wirksamer Wettbewerb”?
- Die Abnehmer sollen Ausweichmöglichkeiten haben
(vgl. Art. 12 Abs. 2 PüG), und die Märkte sollen offen und “angreifbar” bleiben. - Der Begriff des “wirksamen Wettbewerbs” soll neue wirtschaftswissenschaftliche Erkenntnisse aufnehmen können.
- In Bezug auf den wirtschaftswissenschaftlichen “Markt der Ideen” ist eine juristische “Resonanz-Pflicht” anzunehmen
- Funktionale Auslegung des Kartellrechts
Was sind die Normen für den Geltungsbereich des KG?
- Persönlich KG 2 I und I bis
- Sachlich KG 2 I
- Örtlich KG 2 II
- Zeitlich
Was ist der Umfang des persönlichen Geltungsbereiches?
- Unternehmen nach KG 2 I und I bis
- Eigene Rechtspersönlichkeit nicht erforderlich
- Nachfragetätigkeit reicht aus → Konsumenten sind nicht miterfasst
Was ist der Umfang des persönlichen Geltungsbereiches mit Konzernen?
- BVGer: “Nach herrschender Rechtsprechung und Lehre ist ein Konzern als Ganzes als wirtschaftliche Einheit zu betrachten, wenn die Konzerngesellschaft effektiv Kontrolle über ihre Konzernunternehmen ausübt.”
- Der Gesamtkonzern wird in die Verantwortung genommen
- Dem entspricht das «Konzernprivileg» bei Art. 5 KG: Abreden zwischen Gesellschaften desselben Konzerns sind nicht tatbestandsmässig.
- Unterscheidung zwischen Normadressat (Konzern = Unternehmen) und Sanktionsadressat (juristische Person = Unternehmen)
- Die Sanktionsadressaten haften solidarisch
Was ist der sachlicher Geltungsbereich des KG?
- KG 2 I
- Kartell- und andere Wettbewerbsabreden
- Ausübung von Marktmacht
- Unternehmenszusammenschlüsse
Was ist der örtlicher Geltungsbereich des KG?
- Auswirkungsprinzip KG 2 II
- Es kommt nicht auf den Handlungsort darauf an
- BVGer: Eine besondere Qualifikation der Auswirkung wird nicht verlangt.
- BGE: die Prüfung einer bestimmten Intensität der Auswirkungen ist im Rahmen von Art. 2 Abs. 2 nicht notwendig und auch nicht zulässig
- Weko: Prinzip der Verhältnismässigkeit als Einschränkung der weitfassenden Norm
Was ist die Durchsetzungsproblematik beim örtlichen Geltungsbereich des KG?
- Hat das ausländische Unternehmen Tochtgesellschaften oder Niederlassungen in CH, kann auf diese zugegriffen werden
- Falls keine → Weg über Rechts-/Amtshilfe (Verwaltungsverfahren) oder Vollstreckung der Urteile im Ausland (Zivilverfahren)
Was ist der zeitliche Geltungsbereich des KG?
- KG 1995 seit 1.7.1996 in Kraft
- Direkte Sanktionen ab 1.4.2004
- Regeln über relative Marktmacht ab 1.1.2022
Was ist das Verhältnis zwischend dem KG und anderen Gesetzen?
-
KG 3 I: Vorbehalt von wettbewerbsausschliessenden Vorschriften (soweit konform mit der Verfassung, z.B. mit dem Grundsatz der Wirtschaftsfreiheit)
- lit. a: Staatliche Markt oder Preisordnung (Richtpreise in der Landwirtschaft)
- lit. b: Unternehmen mit besonderen Rechten
- rechtliches Monopol (Post)
- Versorgungsauftrag
- restriktive Praxis der Behörden und Gerichte
- KG 3 II: Vorbehalt zugunsten von Immaterialgüterrechten
- KG 3 III: Verhältnis der Untersuchungskompetenz von Wettbewerbsbehörden und Preisüberwacher
- Andere Bundesgesetze (insb. UWG, BGBM)
Welche Anforderungen gelten im Bereich von KG 3 I?
- Hohe Anforderungen
- BGer: Werbeverbot schränkt nur ein Wettbewerbsparameter ein. Alle anderen Wirtschaftsparameter bestehen alle weiter
Was ist der Umfang des Vorbehalts von KG 3 II?
- Komplementarität zwischen Immaterialgüterrecht und Wettbewerbsrecht.
- Restriktive Auslegung von KG 3 II S. 1
- Auf Wettbewerbsabreden ist das KG in vollem Umfang anwendbar
- Auch auf einseitige, auf immaterialgüterrechtliche Positionen gestützte Marktmachtausübung kann
das Kartellrecht anwendbar sein, z.B. in essential facilities-Fällen
- Verständnis von KG 3 II S. 2: Parallelimporte: Einfuhren immaterialgüterrechtlich geschützter Produkte, die ohne Zustimmung des inländischen Rechtsinhabers aus einem anderen Staat erfolgen, in dem das Produkt vom Rechtsinhaber selbst oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht worden ist
Wie wurden die Erschöpfungsregeln durch das Bundesgericht geprägt?
- Markenrecht: Chanel-Entscheid ⇒ Internationale Erschöpfung = Parallelimporte
- Urheberrecht: Nintendo-Entscheid ⇒ Internationale Erschöpfung = Parallelimporte
- Patentrecht: Kodak-Entscheid ⇒ Nationale Erschöpfung (bis 2009) = Keine Parallelimporte
Was sind die drei Grundtatbestände des Kartellrechts?
- Unzulässige Wettbewerbsabreden (KG 5, 6)
- Missbrauch der marktbeherrschender Stellungen (KG 7)
- Fusionskontrolle (KG 9-1 / VKU)
Wie ist die Systematik von KG 5?
- 2 Alternativen:
- Alt. 1: Erhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs
- Alt. 2: Beseitigung wirksamen Wettbewerbs
- Effizienz-RFG nur bei erheblichen Beeinträchtigung
- KG 5 III und IV sind Vermutung für Beseitigung von wirksamen Wettbewerb
Welche Intensitäten der Wettbewerbsbeeinträchtigungen werden unterschieden?
- Unerhebliche Beeinträchtigungen ⇒ Nicht TB-mässig
- Erhebliche Beeinträchtigungen ⇒ Effizient-RFG möglich
- Beseitigung des wirksamen Wettbewerbs ⇒ Keine RFG möglich
Was ist das Prüfschema von KG 5?
- Wettbewerbsabrede (festlegen ob horizontale oder vertikale Abrede)
- Beseitigung wirksamen Wettbewerbs (KG 5 III für horizontale und KG 5 IV für vertikale Abreden)
- Widerlegung der Vermutung (Besteht dennoch ein funktionierender Innen- oder Aussenwettbewerb? Schwacher Wettbewerb ausreichend)
- Erhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs?
- Effizienz-RFG
Was sind Abreden i.S.v von KG 4 I?
- Rechtlich erzwingbare Vereinbarungen = Tatsächlicher Bindungswille reicht aus
- Rechtlich nicht erzwingbare Vereinbarungen = Bewusstes und gewolltes Zusammenwirken
-
Abgestimmte Verhaltensweisen
- Koordinierung, die zwar keine Vereinbarung ist, aber bewusst eine praktische Zusammenarbeit an die Stelle des mit Risiken verbundenen Wettbewerbs treten lässt
- Abzugrenzen von blossem Parallelverhalten
- Prüfung nach: 1. Abstimmung → 2. Marktverhalten → 3. Kausalität zwischen 1. und 2. (vermutet gem. BGer)
Was sind die TBM einer Wettbewerbsabrede?
- Bewusstes und gewolltes Zusammenwirken = Verzicht auf individuelle Festlegung der eigenen Wettbewerbsposition
-
Bezweckung oder Bewirkung einer Wettbewerbsbeschränkung
- Bezweckung: Beeinträchtigung eines Wettbewerbsparamters wird “zum Programm erhoben”
- Sonst Bewirkung
- auf gleicher oder verschiedener Marktstufe tätig
Abzugrenzen von ARGE
Welche Arten von Vereinbarungen gibt es?
- horizontale = Gleiche Stufe
- vertikale = Zwischen Ug auf verschieden Stufen der Wertschöpfungskette
Wann wird die Beseitigung des wirksamen Wettbewerbs mittels horizontalen Abreden vermutet?
KG 5 III:
- indirekte oder direkte Preisabsprachen
- Mengenabsprachen über Produktion, Bezug oder Lieferung
- Marktaufteilungen nach Geographie und Geschäftspartner
Welche Alternativen von vertikalen Wettbewerbsabreden gibt es?
KG 5 IV:
- Vertikale Preisbindung: Mindest- und Festpreise; nicht Maximalpreise oder unverbindliche Preisempfehlungen
- Absoluter Gebietsschutz: Ausschluss passiver Verkäufe (z.B. Exklusitivitätsvereinbarungen)