Gewillkürte Erbfolge Flashcards
- Woraus können sich Beschränkungen der Testierfreiheit ergeben?
Die Testierfreiheit ist die erbrechtliche Ausprägung der Privatautonomie. Sie wird jedoch eingeschränkt durch den erbrechtlichen Typenzwang, d.h. der Erblasser kann seinem Willen nur in den vom Gesetz vorgeschriebenen Formen Ausdruck verleihen. Allerdings bietet das Erbrecht verschiedene Rechtsinstitute an, die wiederum untereinander kombiniert werden können. Weitere Einschränkungen der Testierfreiheit ergeben sich aus dem Pflichtteilsrecht und aus den allg. Vorschriften (z.B. §§ 134, 138). Der E kann seine Testierfreiheit auch selbst beschränken, indem er sich erbvertraglich bindet, § 2289.
- Ist bei der Errichtung des Testaments eine Stellvertretung zulässig?
Die Verfügung von Todes wegen ist ein höchstpersönliches Rechtsgeschäft, Stellvertretung ist deshalb nicht zulässig ( §§ 2064, 2274). Fehlt es an der persönlichen Errichtung, so ist die Verfügung nichtig.
- Nach § 2065 I BGB (materielle Höchstpersönlichkeit) darf ein Dritter nicht darüber bestimmen, ob eine Verfügung gelten oder nicht gelten soll. Unter welchen Vss. kann der Erblasser dennoch eine Verfügung vom Willen Dritter abhängig machen?
§ 2065 I greift nur ein, wenn der Wille des Dritten den eines unentschlossenen E ersetzen soll. Hat aber der E einen bestimmten Willen hinsichtlich der Gültigkeit der Verfügung, so kann er das Tun oder Unterlassen eines Dritten zur Bedingung machen. Das Verhalten eines Dritten kann dann zur Bedingung der Gültigkeit gemacht werden, wenn der E daran ein besonderes Interesse hat bzw. seine Verfügung der Sachlage anpassen will, die sich durch das Verhalten des Dritten ergibt. Dann liegt kein Verstoß gegen den Grundsatz der Höchstpersönlichkeit vor. Der Dritte soll hier gerade nicht über die Wirksamkeit des Testaments entscheiden.
- In welchen Grenzen ist eine fremde Unterstützung bei der Fertigung des Testaments zulässig?
§ 2065 II will verhindern, dass der Wille eines Dritten an die Stelle des Erblasserwillens tritt. Die Einschaltung eines Dritten bei der Ermittlung des Erben ist aber im Hinblick auf den Zweck der Norm nicht schlechthin ausgeschlossen. Nicht jede Mitwirkung eines Dritten bedeutet zwingend einen Verstoß gegen den Grundsatz der Höchstpersönlichkeit. Wo man hier die Grenze zu ziehen hat, ist ein Auslegungsproblem und im Einzelnen umstritten.
RG: Entscheidung d. Dritten darf nicht willkürlich sein
BGH: keine Bestimmung, aber Bezeichnung von Dritten möglich
–> Im Gegensatz zum BGH lässt das RG einen begrenzten Beurteilungsspielraum zu (eine Art “gebundenes Ermessen”). Gegen den BGH spricht, dass bei Vorgabe der von ihm verlangten objektiven Kriterien die Bezeichnung durch den Dritten ohnehin überflüssig wäre, da der Erbe durch diese Kriterien bereits hinreichend bestimmt ist (und zwar vom E selbst). Für den BGH spricht allerdings die größere Rechtssicherheit und Rechtsklarheit
Jedenfalls nach beiden Ansichten unwirksam mangels Bestimmtheit: “Wer mich im Alter pflegt.”
- Wofür ist eine eigenhändige Unterschrift erforderlich?
Die eigenhändige Unterschrift ist erforderlich, um die Urheberschaft des E festzustellen (Identitätsfunktion) und um klarzustellen, dass es sich um eine abgeschlossene Erklärung handelt (Abschlussfunktion)
- Sind spätere Zusätze unterhalb der Unterschrift wirksam (z.B. postscripta)?
Wenn der Zusatz keine neue Verfügung beinhaltet, sondern zur Erläuterung, Ergänzung oder Klarstellung dient, so ist er auch unterhalb der Unterschrift wirksam. Umstritten ist der Fall, wenn eine neue Verfügung ohne Unterschrift vorliegt.
BGH: nachträgliche Verfügung gültig, wenn sie nach dem feststellbaren Willen des E von der Unterschrift gedeckt sein sollen und das räumliche Erscheinungsbild der Urkunde nicht entgegensteht. (hohe Anforderungen an räumliches Erscheinungsbild)
a.A.: nachträgliche Verfügung gem. §§ 125, 2247 I nichtig. Gegenauffassung stelle nur auf Identitätsfunktion, nicht auch Abschlussfunktion ab.
- Findet § 122 BGB im Erbrecht Anwendung?
Nein. Grundsätzlich sind die allgemeinen Regeln über Willenserklärungen (§§ 116 ff.) anwendbar. Allerdings ist die Anfechtung durch Dritte nach dem Tod des E in §§ 2078 ff. speziell geregelt.
- Was besagt die Andeutungstheorie?
Setzt der freien Testamentsauslegung Grenzen:
Im Hinblick auf die strengen Formvorschriften des Erbrechts und aus Gründen der Rechtssicherheit wird von Rechtsprechung und h.M. gefordert, dass in der formwirksamen Testamentsurkunde ein Anhaltspunkt für den durch Auslegung ermittelten Willen des Erblassers gegeben sein muss. Die Andeutungstheorie verknüpft also die strengen erbrechtlichen Formerfordernisse mit der Prämisse, den Willen des E möglichst umfassend zur Geltung zu bringen.
- Was wird gegen die Andeutungstheorie vorgebracht?
Nach Brox ist ein Anhaltspunkt im Testament für das Ergebnis der Auslegung nicht erforderlich.
Die Andeutungstheorie der h.M. lege eine sinnvolle Auslegung lahm und führe zu einer Überbewertung zufälliger Andeutungen. Auch zur Beweissicherung sei sie nicht notwendig.
Trotzdem h.M. folgen!
- Bei Mehrdeutigkeit des Textes ist auf den Sprachgebrauch des Verfassers abzustellen. Nennen Sie dazu ein Beispiel!
E, verheiratet und Vater zweier Kinder, nennt seine Ehefrau gerne “Mutter”. In seinem Testament ist “Mutter” zur Erbin eingesetzt. –> Wahren Willen des E auch anhand seiner umgangssprachlichen Redewendungen erforschen.
- Welche Grenzen gelten bei einer ergänzenden Auslegung unvollständiger Erklärungen?
Bei unvollständigen Erklärungen kommt eine ergänzende Auslegung hinsichtlich des fehlenden Teils in Betracht.
Zum Teil wird vertreten, dass nach dem Erbfall eintretende Ereignisse iRd ergänzenden Auslegung keine Berücksichtigung finden könnten.
Nach h.M. muss der durch die ergänzende Auslegung ermittelte Wille wiederum zumindest andeutungsweise im Testament zum Ausdruck gekommen sein (Andeutungstheorie).
Nach e.A. soll die ergänzende Auslegung auch dann eingreifen, wenn ein Irrtum bei der Willensbildung vorliegt. Die ergänzende Auslegung soll dann den Willen ermitteln, den der E bei Zugrundelegen der richtigen Wertungen und Motive gehabt hätte. Nach h.M. hier aber nur Anfechtung gem. § 2078.
Merke: Bei der Auslegung besteht ein Spannungsverhältnis zwischen weitestgehender Berücksichtigung des E-Willens und dem Formerfordernis des §§ 2247 I. Die h.M. löst diesen Konflikt idR zugunsten des Formbedürfnisses. Der Formbedürftigkeit soll mit Hilfe der Andeutungstheorie Rechnung getragen werden.
Dagegen lehnt die Gegenansicht diese Theorie ab und löst den Konflikt immer zugunsten des E-Willens. Bei ihm ist sogar bei Erklärungs-, Inhalts- und Motivirrtum eine Auslegung iSd E-Willens zulässig. Damit wird aber das Formbedürfnis unterbewertet und es bleibt kein Raum mehr für die Anfechtung. Zu folgen ist deshalb der h.M.
- Unter welchen Vss. kann nur auf die gesetzlichen Auslegungsregeln zurückgegriffen werden?
Die gesetzlichen Auslegungsregeln greifen nur dann ein, wenn sich der E-Wille durch die Auslegungsregeln nach § 133 nicht eindeutig ermitteln lässt. Sie betreffen also nur Zweifelsfälle und geben insofern eine Entscheidungshilfe. Wenden Sie deshalb die gesetzlichen Auslegungsregeln niemals vor der allgemeinen Auslegungsregel des § 133 an. Die gesetzlichen Auslegungsregeln sind zumeist in der amtlichen Überschrift als solche bezeichnet, Sie erkennen sie oft auch an der Formulierung “im Zweifel”.
- Wann ist ein “Geliebtentestament” nach § 138 BGB nichtig?
= Der verheiratete Erblasser setzt seine Geliebte zur Alleinerbin ein und schließt gleichzeitig die Ehefrau, seine Kinder oder sonstige Angehörige von der Erbfolge aus.
–> Die Enterbung von Frau und Kindern alleine ist nicht sittenwidrig (§ 138), da diese durch ihren Pflichtteilsanspruch nach §§ 2203 ff. BGB ausreichend geschützt sind. Die Einsetzung der oder des Geliebten durch den verheirateten E ist dann sittenwidrig, wenn sie allein bezweckt, diese(n) zur Aufnahme oder Fortsetzung des Geschlechtsverkehrs zu bewegen; Stichwort “Hergabe für die Hingabe”. Die Sittenwidrigkeit muss von demjenigen bewiesen werden, der sich auf die Nichtigkeit der letztwilligen Verfügung beruft. Spielten bei der Erbeinsetzung der Geliebten auch andere, achtenswerte Gesichtspunkte eine Rolle, so ist die Erbeinsetzung regelmäßig als wirksam zu betrachten. (sehr zurückhaltend mit § 138 umgehen, in der Regel Wirksamkeit)
- Auf welchen Zeitpunkt ist bei der zu beurteilenden Sittenwidrigkeit einer Erbeinsetzung abzustellen?
Umstritten ist, ob die Sittenwidrigkeit nach den Verhältnissen zur Zeit der Testamentserrichtung oder zur Zeit des Erbfalls zu beurteilen ist.
ältere Rspr.: Zeit der Testamentserrichtung
jetzt h.M.: Zeitpunkt des Erbfalls
- Wie kann der E ein Testament bzw. die darin enthaltenen Verfügungen widerrufen?
Ein Testament, als einseitige WE sowie jede einzelne hierin enthaltene Verfügung kann vom E jederzeit ohne Angabe von Gründen widerrufen werden (§ 2253)
Widerrufstestament (§ 2254), Widerruf durch Vernichtung (§ 2255), bei öff. Testament oder Nottestament Rücknahme (§ 2256 I), Widerruf durch neues Testament (§ 2258 I), Spezial: Widerruf des Widerrufs § 2257
- Darf ein Dritter durch Vernichtung des Testaments dieses widerrufen?
Ja, der E kann sein Testament auch durch Vernichtung oder Veränderung der Testamentsurkunde widerrufen, sofern dadurch sein Aufhebungswille in Erscheinung tritt, was gesetzlich (widerlegbar) vermutet wird § 2255)
- Gilt die Vermutung des § 2255 auch für den Fall, dass von zwei gleichlautenden Testamenten nur eines vernichtet wird?
Str., nach h.M. ist dann die Ungültigkeit auch der anderen Testamente eine Frage der Beweiswürdigung. Die Vermutung des § 2255 S. 2 greift nicht ein, allerdings kann im Einzelfall der Wille des E bewiesen werden, mit der Vernichtung der einen Urkunde auch die anderen Testamente zu widerrufen.
- Wer ist iSd § 2080 I anfechtungsberechtigt?
Anfechtungsberechtigt ist jeder, dem die Aufhebung unmittelbar zustattenkommen würde (§ 2080 I), z.B. durch die Erlangung eines Erbrechts, eines Anspruchs oder den Wegfall einer Beschwerung oder Beschränkung, auch durch Anfechtung eines Widerrufs. Unmittelbar ist der durch die Aufhebung erlangte Vorteil nur, wenn der Anfechtende ihn allein mit dem Wegfall der angefochtenen Verfügung erlangt. Daran fehlt es, wenn die mit der Anfechtung herbeigeführten Folgen dem Betreffenden nur zugutekommen könnten oder wenn er nach erfolgter Anfechtung als gesetzlicher Miterbe lediglich in Betracht kommt, da weitere Verfügungen von Todes wegen vorliegen.
Bei einem Irrtum, der sich auf eine bestimmte anfechtungsberechtigte Person bezieht, wie bei § 2079, steht nur dieser ein Anfechtungsrecht zu (§ 2080 II, III).
Der E selbst ist grds. nicht anfechtungsberechtigt, da er jederzeit widerrufen kann.