Erbschein Flashcards
- Wirkt der Erbschein konstitutiv?
Nein. Der Erbschein ist ein vom Nachlassgericht ausgestelltes Zeugnis, das die Person des Erben, den Umfang seines Erbrechts sowie die Anordnung einer Nacherbfolge oder Testamentsvollstreckung angibt (§§ 2353, 2363, 2364. Er wird auf Antrag erteilt (§ 2353) und dient dem Erben als Legitimation. Er wirkt für das Erbrecht jedoch nicht konstitutiv, sondern nur deklaratorisch: An der materiellen Rechtslage ändert die Erteilung des Erbscheins nichts. Da der Erbschein keine materielle Rechtskraft entfaltet, können die streitenden Parteien dementsprechend auch nach Erteilung des Erbscheins die Erbregelung durch das Prozessgericht feststellen lassen.
- Welche Vermutungswirkungen kommen dem Erbschein zu?
Bezüglich des Inhalts des Erbscheins besteht die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit, § 2365 (Parallele beim Grundbuch: § 891 I). Damit verleiht der Erbschein z.B. die für den Erben zur Eintragung ins Grundbuch erforderliche Legitimationswirkung, vgl. §§ 22, 35. Es wird positiv vermutet, dass der im Erbschein Benannte im angegebenen Umfang Erbe ist und negativ vermutet, dass nur die angegebenen Beschränkungen bestehen. Deswegen reichen für die Eintragung des Nacherben im Grundbuch nicht schon die Vorlage des dem Vorerben ausgestellten Erbscheins iVm der Sterbeurkunde des Vorerben aus (keine positive Vermutung dafür, wer Nacherbe ist!); vielmehr bedarf der Nacherbe eines eigenen Erbscheins. Die Vermutung des § 2365, die im Prozess eine Beweislastumkehr bewirkt, ist widerlegbar (vgl. § 292 ZPO). Sie gilt grds. bis zum Gegenbeweis. Die Vermutungswirkung ist streng zu unterscheiden vom öffentlichen Glauben des Erbscheins gem. §§ 2366, 2367, der einen Schutz gutgläubiger Dritter bewirkt, die mit dem im Erbschein Benannten Verfügungsgeschäfte abschließen. (Parallele beim Grundbuch: §§ 892, 893)
- Welcher Grundsatz gilt im Erbscheinsverfahren im Gegensatz zum Zivilverfahren? Wo ist die gesetzliche Fundstelle?
Im FamFG-Verfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG). Das Nachlassgericht ist verpflichtet, von Amts wegen die erforderlichen Ermittlungen anzustellen und Beweise zu erheben.
- Welche Konsequenzen hat die strikte Bindung des Gerichts an den Erbscheinsantrag, wenn es die Erbfolge anders beurteilt als der Antragsteller?
Der Inhalt des Antrags richtet sich nach §§ 352 ff. FamFG. Das Gericht darf bei der Erteilung des Erbscheins nicht von dem Antrag abweichen. Beurteilt es die Erbfolge anders als beantragt, ist der Erbscheinsantrag zurückzuweisen (Grundsatz der strengen Antragsbindung). Bei Bedenken kann der Antragsteller jedoch durch eine Zwischenverfügung zur Änderung seines Antrags aufgefordert werden.
- Welche verschiedenen Möglichkeiten bestehen bei der Existenz eines falschen Erbscheins?
Ein fehlerhafter Erbschein muss eingezogen werden, § 2361 S.1, wodurch er kraftlos wird, § 2361 S.2. Darauf hat der wirkliche Erbe keinen Anspruch, er kann die Einziehung jedoch beim Nachlassgericht anregen. Kann die Einziehung nicht sofort erfolgen, so wird der Erbschein vom Nachlassgericht für kraftlos erklärt, § 353 FamFG. Zudem kann der wirkliche Erbe vom Scheinerben verlangen, dass der unrichtige Erbschein an das Nachlassgericht herausgegeben wird, § 2362 I (AGL!)
- Ist § 2366 ein Vertrauensschutztatbestand?
Nein, § 2366 ist kein Vertrauensschutztatbestand, sondern enthält eine “Richtigkeitsgarantie” des Erbscheins als amtliches Zeugnis. Da es somit nur auf die objektive Lage ankommt, hat von mehreren, einander widersprechenden Erbscheinen, die im Umlauf sind, keiner den öffentlichen Glauben. Die Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins und damit auch der öffentliche Glaube entfallen aber nur in dem Umfang, in dem sich die Erbscheine inhaltlich widersprechen.
- Welches Verhältnis besteht zwischen den §§ 892, 893 und den §§ 2366, 2367?
Ist der Scheinerbe bereits im Grundbuch eingetragen, so sind für den gutgläubigen Erwerb nur noch die §§ 892, 893, nicht aber die §§ 2366, 2367 maßgeblich. Der öffentliche Glaube des Grundbuchs geht dem des Erbscheins vor. Deshalb in Klausur erst §§ 892, 893 prüfen.
- Gelten die §§ 2366, 2367 auch bei Verpflichtungsgeschäften?
Nein, die §§ 2366, 2367 sind nur anwendbar auf Verfügungen des Scheinerben, nicht aber auf Verpflichtungsgeschäfte. Der wahre Erbe wird deshalb nicht verpflichtet, wenn der Scheinerbe einen Erbschaftsgegenstand verpachtet, vermietet, oder verkauft.