I. Zulässigkeit
1. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs ( 68 Abs. 1, 40 Abs. 1 VwGO)
- liegt eine auf- oder abdrängende Sonderzuweisung vor?
- handelt es sich um eine a) öffentlich- rechtliche Streitigkeit b) nicht verfassungsrechtlicher Art ( 68 Abs. 1 S. 1, 40 Abs. 1 VwGO)?
2. Statthaftigkeit des Widerspruchs (68 Abs. 1, 42 Abs. 1 VwGO)
- Der Widerspruch ist als Anfechtungswiderspruch statthaft, wenn der Widerspruchsführer/Widerspruchsführerin, die Aufhebung eines belastenden Verwaltungsaktsbegehrt.
- Voraussetzung ist somit, dass ich der Widerspruchsführer/die Widerspruchsführerin gegen einen belastenden Verwaltungsakt wendet.
(Widerspruch ist jedoch unter Umständen auch gegen nichtigen oder nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben VA möglich)
- das Widerspruchsverfahren darf nicht ausgeschlossen sein (68 Abs. 1 S. 2 VwGO)
-> kein Ausschluss durch das Fachrecht
-> kein Widerspruch gegen VA einer obersten Bundes- oder Landesbehörde (sofern die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens nicht durch das Fachrecht angeordnet wird)
-> kein Widerspruch, wenn Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid erstmals Beschwer enthält
3. Widerspruchsbefugnis
- nach der Adressatentheorie (bei Erhebung des Widerspruchs durch eine natürliche Person): der Adressat/ die Adressaten eines belastenden Verwaltungsaktes ist in der Regel Widerspruchs befugt, weil eine Verletzung seines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1GG nicht ausgeschlossen werden kann
- nach der Möglichkeitstheorie (bei Drittanfechtung und Anfechtung durch juristische Personen): die Widerspruchsbefugnis liegt vor, wenn nach dem Vortrag des Widerspruchsführer/der Widerspruchsführerin eine Verletzung der Rechte des Widerspruchsführers/der Widerspruchsführerin zumindest möglich erscheint, also nicht von vorneherein ausgeschlossen ist
4. Widerspruchsfrist und ordnungsgemäße Erhebung des Widerspruchs (70 VwGO)
a) Form des Widerspruchs
- Widerspruchserhebung bei Ausgangs- oder Widerspruchsbehörde
- schriftlich, unter den Voraussetzungen des Paragraphen 3a Abs. 2 VwVfG elektronisch oder zur Niederschrift der Behörde
- nur der formgerechte Widerspruch war die Widerspruchsfrist
b) Frist des Widerspruchs
- Der Widerspruch ist gemäß 70 Abs. 1 VwGO grundsätzlich binnen eines Monats nach Bekanntgabe des VA (fristauslösendes Ereignis) zu erheben.
- bei fehlender oder unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung beträgt die Widerspruchsfrist 1 Jahr (70 Abs. 2, 58 VwGO)
- die Widerspruchsfrist ist nach 119 Abs. 1, 89 LVwG i.V.m. 187 ff. BGB zu berechnen
- bei fehlender Bekanntgabe läuft keine Widerspruchsfrist, es ist aber Verwirkung möglich
5. Beteiligungs- und Handlungsfähigkeit, Ordnungsgemäße Vertretung des Widerspruchsführers
- 76 f LVwG für die Beteiligten- und Handlungsfähigkeit
- 79 LVwG beachten, wenn Widerspruchsführers/Widerspruchsführerin durch einen Bevollmächtigten/ eine Bevollmächtigte vertreten wird (insbesondere anwaltliche Vertretung)
II. Begründetheit
Obersatz:
Der Anfechtungswiderspruch ist begründet, soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig ist und den Widerspruchsführer in seinen Rechten verletzt (68 Abs. 1, 113 Abs. 1 S. 1 VwGO) oder (im Falle eines Ermessensverwaltungsakts), soweit der Verwaltungsakt von der Ausgangsbehörde in zweckwidriger Weise erlassen wurde (68 Abs. 1 S. 1 VwGO)
Die Prüfung erfolgt gemäß dem Prüfungsschema zur Rechtmäßigkeit eines belastenden Verwaltungsaktes, ergänzt um den Punkt Zweckmäßigkeit und Verletzung in eigenen Rechten
( 1 formell-gesetzliche Ermächtigungsgrundlage (EGL)
- ist nach dem Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes oder der Wesentlichkeitstheorie eine gesetzliche Grundlage für den Erlass eines Verwaltungsaktes erforderlich, muss eine wirksame Ermächtigungsgrundlage die Verwaltung zum Erlass des Verwaltungsakt ermächtigen. Bei belastenden Verwaltungsakten ist das immer der Fall!
- die Wirksamkeit der EGL prüfen Sie nur, wenn hierzu konkret anders besteht
- ist die EGL eine Rechtsnorm im Rang unter dem formellen Gesetz, so ist die Verordnungs – oder Satzungsermächtigung mit zu zitieren
- die IGL muss zum Erlass eines VA mächtigen (wenn unproblematisch, nicht gesondert ansprechen)
- die Prüfung beginnt immer mit dem speziellsten Gesetz (Lex Specialis)
2. formelle Rechtmäßigkeit des VAs
a) Zuständigkeit
- sachlich zuständige Behörde gehandelt?
(Im Fachrecht geregelte vgl. aber auch 25 ff. LVwG Landesrecht, 28 LVwG Vollzug von Bundesrecht)
- hat instanziell zuständige Behörde gehandelt? Bei mehrstufigen Behördenaufbau, nur anzusprechen, wenn konkret Anlass hierzu besteht
- hat örtlich zuständige Behörde gehandelt? (Vgl. zb 31 LVwG)
b) Verfahren
- (als vor Überlegung prüfen, wer Beteiligte ist und ob sich Probleme hinsichtlich der Handlungsfähigkeit ergeben (zb 76 bis 78 LVwG))
- ist (soweit Anhörung erforderlich) die erforderliche Anhörung der Beteiligten durchgeführt worden (zb 87 LVwG)?
- besteht die Besorgnis der Befangenheit (zb 81a LVwG)?
- sind (soweit erforderlich) andere Behörden eingebunden/angehört worden (im Fachrecht geregelt)?
- Besonderheiten bei Beteiligung Bevollmächtigter und Beiständen beachtet (zb 79 bis 80c LVwG)?
- Spezialgesetzliche Verkehrsvorschriften, insbesondere in besonderen Verfahrensarten, beachtet?
c) Form
- es gilt Grundsatz der Formfreiheit, sofern nicht gesetzlich anders angeordnet (108 Abs. 2-6 LVwG)
- sind (wenn vorhanden) besondere Formvorschriften eingehalten? (Insbesondere schriftlich, Urkundenübergabe, im Fachrecht geregelt)
- bei schriftlichen VA: ist die Behörde erkennbar, die VA erlässt? (108 Abs. 3 LVwG)
- enthält VA (soweit erforderlich) eine ausreichende Begründung? (109 LVwG)
3. Materielle Rechtmäßigkeit des VA
a) ist der Tatbestand der Rechtsnorm erfüllt?
- gesamten Tatbestand der Norm prüfen
- unbestimmter Rechtsbegriff vorhanden, der auszulegen ist bzw wodurch (ganz ausnahmsweise) ein Beurteilungsspielraum besteht?
b) ist die Rechtsanwendung auf der Rechtsfolgenseite rechtmäßig erfolgt?
- bei gebundenen Entscheidungen: Rechtsfolge wie gesetzlich vorgeschrieben
- bei „Soll“-Vorschriften: Prüfung, ob ein Regel- oder ein atypischer Ausnahmefall vorliegt. Regelfall: Anwendung der Norm wie eine gebundene Entscheidung
Atypischer Ausnahmefall: Ermessensentscheidung (aber ggf. deutlich reduzierter Ermessensrahmen)
Bei Ermessensentscheidungen: ist Entscheidung Ermessensfehlerfrei ergangen? Zwischen Entschließungs- und Auswahlermessen differenzieren (ob ich tätig werde vs was ich tue)
- Ermessensfehler im engeren Sinne (Ermessensnichtgebrauch, Ermessensfehlgebrauch, Ermessensüberschreitung) und Ermessensfehler im weiteren Sinne (ist die durch den Va getroffene Regelung verhältnismäßig? Ist der Gleichbehandlungsgrundsatz, Art. 3 GG gewahrt?
c) richtiger Adressat/ Bestimmtheit/ tatsächliche und rechtliche Durchsetzbarkeit
- ist der VA an den richtigen Adressat gerichtet?
- ist der VA hinreichend bestimmt? (Nur anzusprechen bei konkretem Anlass, 108 Abs. 1 LVwG)
- ist der VA tatsächlich und rechtlich durchsetzbar? (Nur anzusprechen, wenn konkreter Anlass) 113 LVwG
4. Ergebnis
Gesamtergebnis der Prüfung. Ergebnis wie Obersatz formulieren )
- bei Ermessensverwaltungsakten ergänzt um den Punkt Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes (zweckwidrig sein kann ein Ermessensverwaltungsakt ganz ausnahmsweise, zum Beispiel auf Grund sozialer, wirtschaftlicher oder politischer Gründe)
- begründet ist der Widerspruch nur, wenn der Widerspruchsführer/ die Widerspruchsführerin in eigenen Rechten verletzt ist