FLB 1 - Kapitel 6 Flashcards
Was sind Verhandlungen und wofür sind Sie da?
- Verhandlungen: Bedeutsamer, sozial-interaktiver Prozess zur Vermeidung, Reduktion / Beseitigung sozialer Konflikte
=> Form des kommunikativen Dialogs, mit dessen Hilfe Parteien versuchen, wechselseitige Abhängigkeit bei manifesten Interessensdivergenzen zu lösen - Sicht der sozialpsychologischen Kognitionsforschung: Dialog zw Parteien als interaktive Entscheidungsfindung, bei der Parteien zs an Suche einer allseits akzeptierten Konfliktlösung arbeiten
- Wirksamkeit von Verhandlungen hängt insbesondere von Art der sozialen Auseinandersetzung ab
=> Wesentliche Unterscheidung sozialer Konflikte:
(1) Interessenskonflikte
(2) Wertkonflikte
Wie unterscheidet sich ein Interessenskonflikt von einem Wertkonflikt?
- Interessenskonflikt: Entsteht bei Austausch / Verteilung von Ressourcen (zB (im)materielle Ressourcen wie Geld, Arbeitszeit, Güter, Ländereien)
=> Verhandlungen = Wirkungsvolles Instrument zur Lösung sozialer Divergenzen - Wertkonflikt: Entsteht bei divergierenden Positionen bzgl ethischer Glaubensgrundsätze, sozialer Normen und moralischer Weltanschauungen
- Entstehen vor Hintergrund der ideologischen und moralischen Überzeugungen
=> Stark mit individueller Identität und Selbstwertgefühl verknüpft
=> Verhandlungen “Austausch von zB ökonomischen Ressourcen, um Werte zu kompensieren” können zu Eskalation führen
Welche Reihe von Merkmalen sind den meisten Verhandlungen zu Interessenskonflikten gemeinsam?
a) Wahrnehmung Interessenskonflikt mit unvereinbaren Positionen
b) Parteien sind interdependent
=> Realisierung eigener Interessen nicht (/ nur mit hohen Kosten) ohne andere Partei
c) Parteien erleben „gegensätzliche“ bzw. „gemischte“ Motive (mixed-motive)
=> Streben eigene Interessen zu realisieren (egoistisches Motiv) & nach allseits akzeptabler Lösung (prosoziales Motiv)
d) Parteien nähern sich Konfliktlösung im kommunikativen Dialog
e) Konfliktlösung über Austausch von Zugeständnissen im Dialog
f) Zugeständnisse: Vorschläge zum Austausch / zur Verteilung von ((im)materiellen) Ressourcen, die sich als Gegenstände zur Lösung des Interessenskonflikts herauskristallisiert haben
Wie sieht das Zusammenspiel struktureller Merkmale, psychologischer Prozesse, einigungsrelevanter Verhaltensweisen sowie den sich hieraus ergebenden Verhandlungsergebnissen aus?
Soziale Interaktion und einigungsrelevante Verhaltensweisen: Forderungen
und Ausbau interessenrelevanter Ressourcen <=> Strukturelle Merkmale der Verhandlung: Lösungsraum, Ertragsstruktur, Ressourcenmerkmale <=>
Psychologische Prozesse: Kognitive, motivationale, affektive Wirkmechanismen <=> Soziale Interaktion und einigungsrelevante Verhaltensweisen: Forderungen
und Ausbau interessenrelevanter Ressourcen =>
Verhandlungsergebnis: Objektiv-rationelle und subjektiv-soziale Ergebnisse
=> Einigungsrelevante Verhaltensweisen beeinflussen Qualität der resultierenden Einigung, die sich anhand Reihe von Kenngrößen auf objektiv-rationeller und subjektiv-sozialer Ebene quantifizieren lässt
Strukturelle Verhandlungsmerkmale und Verhandlungsergebnisse: Limits und Einigungsspielraum
- Strukturelle Charakteristika von Verhandlungen, die Verlauf und Ergebnis maßgeblich bestimmen: (1) Beinhalten stets einen / mehrere Gegenstände, bzgl derer Parteien zu Beginn unvereinbare Positionen vertreten
=> Ob Einigung zw beiden Parteien erreicht wird, hängt ua von subjektiven „Limits“ der Parteien ab - Limits: Potenzielle Verhandlungsergebnisse, welche Parteien gerade noch bereit sind zu akzeptieren
=> Überschneiden sich Limits, sind im Bereich zw Limits Einigungen möglich („Einigungsspielraum“) - Je größer der Einigungsspielraum, desto wahrscheinlicher, dass Parteien Konfliktlösung finden
Wie lauten die bedeutsamsten Determinanten der subjektiven Limits und des Einigungsspielraums?
(1) „Verhandlungsziele“ (erwünschte Idealergebnisse)
(2) „Status-quo“ (Ergebnis, das eintritt, wenn durch die Verhandlung keine Veränderung entsteht)
(3) „Bestmögliche Einigungsalternative“ (BATNA; Best Alternative to a Negotiated Agreement)
=> Bei Bestimmung des Einigungsspielraums können Parteien ihre Limits nicht immer eindeutig festlegen
Strukturelle Verhandlungsmerkmale und Verhandlungsergebnisse: Anzahl von Ressourcen und Ertragsstruktur
- Einigungsspielraum zusätzlich von Verhandlungsmasse (Menge aller interessensrelevanten Ressourcen) abhängig
=> Unterscheidung zw Verhandlung mit einzelnem und mehreren Gegenständen
=> Spielt insbesondere hinsichtl Ertragsstruktur eine zentrale Rolle („pay-off structure“)
Distributive (starre) Ertragsstruktur vs. integrative (variable) Ertragsstruktur
- Distributive (starre) Ertragsstruktur: Verhandlungen mit einzelnem Gegenstand
=> Gewinn einer Partei ggü gleichwertigem Verlust der anderen
==> Einigungen nur auf Dimension des verhandelten Gegenstands - Integrative (variable) Ertragsstruktur: Mit zunehmender Anzahl an Gegenständen steigt Wahrscheinlichkeit, dass…
=> Beide Parteien Ertrag steigern können, ohne vollständig zu Lasten des Ertrags der Gegenpartei
=> Einzelnen Gegenständen werden unterschiedl Bedeutung beigemessen, Zugeständnisse unterschiedl gewichtig - Pareto-optimale Einigung: Bestmögliche Lösung aus Sicht aller Parteien
=> In distributiven Verhandlungen: Kompromisslösung / 50:50-Lösung, Mitte des Einigungsspielraums
=> Integrative Verhandlungen: Win-win-Lösungen
Strukturelle Verhandlungsmerkmale und Verhandlungsergebnisse:
Merkmale von Ressourcen
- Alle Elemente einer Verhandlung, die dazu beitragen können, Spielraum an Lösungsmöglichkeiten zur Reduktion des Interessenskonfliktes zu vergrößern
- Ressourcen werden zu konkreten Verhandlungsgegenständen, wenn Parteien
(a) die Ressourcen als Thema in Verhandlung aufnehmen und
(b) divergierende Positionen bzgl Ressource vertreten - Je mehr Ressourcen in Verhandlung aufgenommen werden, desto größer ist Verhandlungsmasse, desto mehr Einigungsoptionen entstehen und desto wahrscheinlicher ist es, dass integrative, variable Ertragsstruktur entsteht
- Inwieweit Ressourcen variable Ertragsstruktur ermöglichen, hängt neben Anzahl von weiteren spezifischen Merkmalen ab:
Teilbarkeit, Besitzstand, Erwartungswert
Merkmale von Ressourcen: Teilbarkeit der Ressourcen
- Auf zwei verschiedene Weisen teilbar:
(1) Aufteilbar, dh sie können in Einheiten derselben Ressource aufgeteilt werden
(2) Unterteilbar, dh durch ihre Unterteilung entstehen mehrere neue „Sub-Ressourcen“
=> Berücksichtigen, ob diese miteinander im Hinblick auf Einigung verbunden bzw unverbunden sind
Aufteilbarkeit von Ressourcen
- Typisches Beispiel: Geld
- Ressource eines einzelnen Gebrauchtwagens ist nicht in Teile der gleichen Ressource aufteilbar
=> Nicht teilbare Ressource = Kein Verhandlungsgegenstand, da keine alternativen Einigungsoptionen und Parteien keine gegensätzl Positionen einnehmen
Unterteilbarkeit von Ressourcen
- Ressourcen können in verschiedene neue Ressourcen unterteilbar sein
=> Gelegentlich erweisen sich scheinbar unteilbare Ressourcen bei näherer Betrachtung als teilbar
zB Gebrauchtwagen zur Gewinnung von Ersatzteilen
=> Zusätzliche Einigungsoptionen aus scheinbar unteilbarer Ressource Gebrauchtwagen, wenn dieser als Zssetzung aus verschiedenen Sub-Ressourcen gesehen wird
=> Klassisches Beispiel für Suche nach integrativen Lösungen
Verbundenheit von Ressourcen
- Manche Verhandlungen erfordern, dass am Ende Lösung für alle verhandelten Ressourcen gemeinsam gefunden wird
=> Ansonsten bringt Scheitern einer Vereinbarung auf einer Ressource unmittelbar Scheitern auf anderer Ressource - Verbundene Gegenstände: Ressourcen, die im Hinblick auf abschließende Einigung als „unteilbar“ gelten
zB sind Tariferhöhung und Laufzeit typischerweise verbundene Gegenstände; hingegen sind in Verhandlung über mehrere Möbel in Einrichtungshaus, in denen der Preis für einen Schrank, ein Sofa und einen Esstisch verhandelt wird, Einigungen auf einzelnen Gegenständen möglich
Merkmale von Ressourcen: Besitzverhältnisse von Ressourcen
- Weiteres wichtiges Merkmal von Ressourcen: Besitzverhältnisse
=> Ressourcen können im exklusiven, geteilten, undefinierten Besitz sein
Exklusive Besitzverhältnisse
- Häufig Gegenstände in „Austauschverhandlungen“, wie Preisverhandlungen über Güter, Dienstleistungen / Infos
- Ressourcen finden sich auch in Beitragsverhandlungen (vgl. public-goods dilemma), in denen Parteien ihre Beiträge von Ressourcen zu „Allmende“ (Gemeinschaftsbesitz) verhandeln
=> Von exklusivem zu geteiltem Besitz (zB zw Lebenspartnern über Beiträge zum gemeinsamen Haushalt)
Geteilte Besitzverhältnisse
- Gegenstück zu Beitragsverhandlungen = Verteilungsverhandlungen
=> Ressourcen zunächst im Gemeinschaftsbesitz und Parteien versuchen, sich über Verteilung der geteilten Ressourcen zu einigen
=> Von geteilt zu exklusivem Besitz
zB Verhandlungen zw Erben über Verteilung von Hinterlassenschaften
- Verteilungsverhandlungen werden in empirischer Forschung ebenso häufig als Paradigma eingesetzt wie Austauschverhandlungen (Verteilung von Profiten / Punkten)
Erwartungswert von interessensrelevanten Ressourcen
- Bedeutsames Merkmal einer Ressource: Erwartungswert
=> Beeinflusst Verhandlung maßgeblich beeinflusst - Ergibt sich aus subjektivem Wert und Valenz der Ressource sowie Wahrscheinlichkeit, dass die mit Ressource assoziierten Konsequenzen in Zukunft eintreten werden
Erwartungswert von interessensrelevanten Ressourcen: Wert der Ressourcen
- Subjektive Bedeutsamkeit bzw. Gewichtung einer Ressource
=> Verhandlungsforschung: Gewichtung = „Präferenz“
(1) Spiegelt wider, welche Ressourcen Partei im Vgl zu anderen Ressourcen stärker bevorzugt (intraindividuelle Präferenzunterschiede) und
(2) welche Ressourcen zw Parteien unterschiedl gewichtet werden (interindividuelle Präferenzunterschiede)
- Besitzen Parteien gleiche Präferenz bzgl verhandelter Ressource => Distributiver Gegenstand (bestenfalls Kompromisslösung mögl)
- Haben Parteien unterschiedl Präferenzen bezüglich der verhandelten Ressourcen => Integrative Ressourcen (Win-win-Lösungen mögl)
Erwartungswert von interessensrelevanten Ressourcen: Valenz der Ressourcen
- Positiv-valente Ressourcen wie Geld, materielle Güter, Dienstleistungen wurden vielfältig untersucht
- Mangel an empirischen Studien zu negativ-valenten Ressourcen (zB Müll, kontaminierter Boden, Emissionen) => Bisherige Studien zeigen hierbei, dass in Verhandlungen mit negativ-valenten Ressourcen die Zugeständnisbereitschaft der Parteien stark reduziert ist
=> Integrative Lösungen werden seltener gefunden
Erwartungswert von interessensrelevanten Ressourcen: Wahrscheinlichkeit der Kosten und Nutzen
- Erwartungswert einer Ressource = Wertkomponente (Präferenz & Valenz) + Erwartungskomponente (Erwartungen hinsichtl zukünftiger Nutzen und Kosten)
=> Bestimmte Nutzen und Kosten unmittelbar verfügbar (zB kann nach erfolgreicher Verkaufsverhandlung Bargeld für Gebrauchtwagen sofort genutzt werden), andere Nutzen und Kosten erst in Zukunft realisierbar - Kontingenzvereinbarungen: Jede Partei erklärt sich mit Einigung einverstanden, bei der unterschiedl Erwartungen Gegenstand der Vereinbarung werden
=> Treffen Erwartungen der Arbeitgeber zu, werden Tarife nicht rückwirkend erhöht / werden Erwartungen der Arbeitnehmer Realität, kommt es rückwirkend zu Tariferhöhung
Strukturelle Verhandlungsmerkmale und Verhandlungsergebnisse: Verhandlungsergebnisse
- Qualität einer Einigung und deren subjektive Folgen lassen sich anhand verschiedener Kenngrößen quantifizieren
=> Unterscheidung in empirischer Verhandlungsforschung: (1) Objektiv-rationelle und (2) subjektiv-soziale Ergebnisse
(1) Quantifizierung anhand des ökonomischen Nutzens (zB monetärer Profit, Anzahl geeinigter Gegenstände)
(2) Subjektive Bewertungen beziehen sich auf ökonomische Ergebnisse, Wahrnehmung der sozialen Beziehung zur Gegenpartei, Urteil über Prozess und auf Bewertung des eigenen Verhaltens
Wovon hängen die maßgeblichen Indikatoren der objektiv-rationellen Verhandlungsergebnisse ab?
- Von Ertragsstruktur der Verhandlung und Ressourcenmerkmalen
=> Es lässt sich auf sehr grundlegender Ebene erfassen, ob Parteien Einigung erzielt haben / gesamte Verhandlung gescheitert ist (total impasse) - Ausmaß der Einigung lässt sich anhand Anzahl geeinigter Gegenstände feststellen (partial impasses)
- In distributiven Verhandlungen mit starrer Ertragsstruktur lassen sich zusätzl Unterschiede im individuellen Profit als Maße für ökonomisch-rationellen Erfolg der jeweiligen Parteien erfassen (individual outcome)
- Integrative Verhandlungen: Häufig wird neben individuellen Erträgen der gemeinsame Profit (joint outcome) als Indikator erfasst