F42 Zwangsstörung Flashcards
Zwangsstörung allgemeines
= Zwangshandlungen und/oder -gedanken, die wegen des damit verbundenen Unwohlseins, Zeitaufwands für die Handlungen und der Einschränkung der beruflichen und sozialen Leistungsfähigkeit zu starker Beeinträchtigung führen.
-> Vermeidungsverhalten
-> Verhalzen subj. sinnlos, irrational, beschämend = ICH-DYSTON
-> subj. Leiden + Alltagseinschränkung
z.B. Furcht vor Ansteckung, aufrängende sexuelle, körperliche oder religiöse Vorstellungen.
Beispiele: Wasch-, Kontroll-, Wiederholungs-, Ordnungs- oder Zählzwang, Horten v. Gegenständen oder Angst vor Berührung
Zwangsstörung = intrusiv subj. Gezwungensein, innerer willentlicher Widerstand (ich-dyston)
F42 Zwangssstörung
A. Entweder Zwangsgedanken oder Zwangshandlungen (oder beides) an den meisten Tagen über einen Zeitraum von mind. 2 Wochen.
B. Zwangsgedanken (Ideen oder Vorstellungen) und Zwangshandlungen zeigen sämtliche folgende Merkmale:
1. sie werden als eigene Gedanken/Handlungen angesehen und nicht als von andereren Personen/Einflüssen eingegeben
2. sie wiederholen sich dauerend und werden als unangenehm empfunden, mind. 1 Zwangsgedanke oder 1 Zwangshandlung werden als übertrieben und unsinnig anerkannt.
3. Betroffene versuchen Widerstand zu leisten (evt. auch nur gering bei lange bestehenden Zwangsged. oder Zwangsh.). Gegen mind. 1 Zwangsgedanken oder eine Zwangshandlung wird gegenwärtig erfolglos Widerstand geleistet
4. Ausführung eines Zwangsgedanken oder einer Zwangshandlung ist für sich genommen nicht angenehm (Unterscheidung von vorübergehender Erleichterung von Spannung/Angst)
C. Betroffene leiden unter den Zwangsgedanken und Zwangshandlungen oder werden in ihrer sozialen oder individuellen Leistungsfähigkeit behindert, meist durch besonderen Zeitaufwand
D Ausschlussvorbehalt: Störung ist nicht bedingt durch andere psychische Störung wie F2 oder F3.
F42.0 vorwiegend Zwangsgedanken oder Grübelzwang
- zwanghafte Ideen
- bildhafte Vorstellungen
- zwanghafte Impulse
-> Unfähigkeit einfache Entscheidungen zu treffen
-> Grübelzwang kann auch mit Depression einhergehen -> nur diagnostizieren wenn nicht i.R. einer affektiven Episode
F42.1 vorwiegend Zwangshandlungen (Zwangsrituale)
häufig bezogen auf
* Reinlichkeit (Händewaschen),
* wiederholte Kontrolle
* übertriebene Ordnung und Sauberkeit
Hintergrund: Abwendung einer gefährlichen Situation (Furcht vor Gefahr), Ritual als symbolischer Versuch Gefahr abzuwenden
F42.2 Zwangsgedanken und -handlungen gemischt
F42.8 Sonstige Zwangsstörung
F42.9 Zwangsstörung, n.n.b.
Zwangsgedanken
- aggressive Vorstellungen oder Impulse
- Kontamination (Angst vor Schmutz, Keimen, Ansteckung)
- Symmetrie, Ordnung
- religiöse Vorstellungen
- sexuelle Impulse oder Gedanken
- patholog. Zweifel an korrekt ausgeführten Handlungen
-> beängstigend, moralisch verwerflich, quälend
-> Neutralisierung über gedankliche Rituale oder Handlungsrituale
-> Wiederholend, aufdrägend
Zwangshandlungen
- Kontrollieren
- Waschen/Reinigen
- Wiederholen
- Zählen
- Ordnen
- Sammeln/Aufbewahren
- Berühren
in bestimmten Stuationen sinnvoll, jedoch unzählige Male in ritualisierter Weise durchgeführt
subjektiv unsinnig, quälend, unnötig
Versuch Handlungen zu unterdrücken -> innere Anspannung, Unruhe, Ängstlichkeit
erhebliche Hautlösionen bei Waschzwang
Familienangehörige oft miteinbezogen
Komorbiditäten von Zwangsstörungen
- Depression 50%
- Angstst.
- Essst.
- Alkoholabusus
- Psychosen
- Tic Störung
- dependente/selbstunsichere PS
- ADHS
Ätiologie v. Zwangsstörungen
-> Männer und Frauen gleich häufig
-> Kindheit: Buben häufiger
Erstmanifestation Adoleszenz, junges EW-Alter
überwiegend chronischer Verlauf
Multifaktorielle Genese:
1. Vulnerabilität: Dysbalance serotonerger Systeme, 40% erbliche Komponente, auch Dopamin/Glutamat
2. intrapsychische Faktoren:
- psychodynamisch: Abwehr eines Abhängigkeits-Autonomie-Konflikts mit rigidem Über-Ich als Ausdruck einer Fixierung in der analen Phase
- 2 Faktoren Modell (Lerntheorie): klassische und operante Konditionierung
- kognitiv: aggressive Denkinhalte werden subj. als unmoralisch/verwerflich betrachtet
-> Unruhe/Angst
-> Inhalt der Gedanken gewinnt so an Bedeutung
-> Biographie f. Lerngeschichtl. Grundlagen in Kindheit: Liebesentzug bei unangepasstem Verhalten
3. Stress/kritische Lebensereignisse: Tod, Geburt des Kindes,Trennung, Heirat, Eintritt ins Berufsleben
4. Aufrechterhaltende Faktoren
- Vermeidungsverhalten: verhindert Erfahrung, dass keine tatsächliche Bedrohung existiert, vermeintliche Sicherheit durch Rituale, primärer Krankheitsgewinn
- Funktionalität der Symptomatik: Machtposition in Partnerkonflikt, durch Arbeitsunfähigkeit Flucht aus beruflicher Überlastung, sekundärer Krankheitsgewinn
Diagnostik bei Zwangsstörungen
- Anamese, genaue Exploration
- weitere Diagnostik wie bei Angststörungen
- Ausschluss organsicher Grunderkrankung:
- Liquor
- Drogen/Medikamentenscreenng, Harn
- Lues
- Folsäure, Vit B12
- MRT Gehirnschädel - Psychometrische Testung
- Y-BOCS = Yale-Brown-Obsessive-Compulsive-Scale
- HZI = Hamburger Zwangsinventar
- (Obsessive Compulsive Inventory-Revised (OCI-R))
Medikamentenanamnese -> NW dopaminerger Substanzen?
Anmerkung:
Eine Besserung der Symptomatik um >35% auf der Y-BOCS (verglichen mit dem Ausgangswert) gilt i.d.R. als Therapieresponse. In der Literatur wird teilweise auch schon eine Besserung um >25% als Response bezeichnet.
Differentialdiagnosen von Zwangsstörungen
alle organischen Erkrankungen, die das limb. System, Basalganglien oder frontoorbitalen Kortex betreffen!
Psychische Erkrankungen
- Depression
- Schizophrenie
- Angstst.
- zwanghafte PSST
- Suchterkrankung
- Impulskontrollstörung
- Gilles-de-la-Tourette Syndrom
- Autismus-Spektrum Störung
Organische Erkrankungen
- Chorea minor (Syndenham): zerebrale Manifestation des rheumatischen Fiebers, führt zu Zwangssymptomen im Kindesalter, Wochen bis Monate nach Infektion mit beta-hämolys. Streptokokken, ausfahrende überschießende Bewegungen mit Grimassieren, Muskelhypotoie + emot. Labilität, Therapie: Penicillin + bei schweren Fällen Tiaprid, Valproat, Benzo
- Epilepsie (komplex fokale Krampfanfälle)
- Enzephalitis
- Schädel Hirn Trauma
- Tumore des ZNS
- Hirnabszess
- ischäm. Hirnläsionen
Medikamente
induzierend:
- L-Dopa
- Amphetamine
verstärkend:
- Clozapin
- Bupropion
Vergiftung (Kohlenmonoxid, Mangan)
Therapie von Zwangsstörungen
1. Psychotherapie
-> erste Wahl: störungsorientierte multimodale Verhaltenstherapie
-
Reizkonfrontation mt Reaktionsmanagement (sich der gefürchteten Situation aussetzen und aushalten bis zum Abklingen von Angst und Anspannung)
Ziel: Verhinderung von Vermeidungsverhalten - Reizkonfrontation bei Zwangsgedanken: wiederholtes Schildern/Anhören ohne gedankliche Neutralisierung/Rituale
-> kognitive Verfahren
- verzerrte Wahrnehmung in Tagebuch -> Überprüfung auf Realitäsgehalt
- Aufklärung ber neurobiolog. Faktoren -> emotionale Distanzierung
-> Angehörigenarbeit: Psychoedukation
-> Psychodynamische Th.
2. Pharmakotherapie -> siehe Karte
Medikamentöse Therapie von Zwangsstörungen
nur in Kombi mit Psychotherapie
- Wahl SSRI (v.a. bei Zwangsgedanken und Komorb. Depression wirksam!)
SSRI:
- Escitalopram: 30mg
- Fluoxetin: 60-80mg
- Paroxetin: 40-60mg
- Sertralin: 150-200mg
- Citalopram: 40-60mg
(- Fluvoxamin: 250-300mg)
-> bei Zwängen häher dosiert und therapeutische Wirkung erst nach 6-12 Wochen! nach 6 Wochen Evaluierung
(SNRI:)
(- Venlafaxin: 300mg n. für ZS zugel.)
- Wahl Clomipramin (Anafranil®): 225-300mg
Atyp. Neuroleptika bei schwer + chronifiz. + überwertige Ideen (Off label):
Risperidon 2-4mg
Aripiprazol 2,5-10mg
Quetiapin 200-600mg
CAVE: Clozapin verstärkte Zwänge
Erhaltungstherapie nach Besserung für 1-2 Jahre!
Sehr langsame Dosisreduktion beim Ausschleichen (10-25% alle 1-2 Mo.)