Besitzerwerb und Besitzerhaltung/-verlust Flashcards

1
Q

derivativ VS originär?

A

derivare „ableiten“ (vgl. engl. derive)  derivativ „abgeleitet“
origo „Anfang“ (vgl. engl. origin)  originär „ursprünglich“

derivativer Besitzerwerb: Ableitung von einem Vormann, d.h. es gibt ein Zusammenwirken zwischen früherem und späterem Besitzer
 z.B. Ago übergibt das Armband an Bellona

originärer Besitzerwerb: keine Ableitung von einem Vormann, es gibt kein Zusammenwirken zwischen früherem und späterem Besitzer

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2
Q

animus und corpus

A

Wie für die Frage, ob jemand Besitz hat, sind für den Besitzerwerb animus und corpus erforderlich

Der animus kann ausdrücklich erklärt werden oder sich konkludent aus einer Handlung ergeben

konkludent = schlüssig, sich stillschweigend aus den Umständen ergebend
lat. concludere „einschließen“ – der animus ist gewissermaßen in der Handlung, aus der sich ergibt, „eingeschlossen“

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3
Q

animus: ausdrücklich vs konkludent

A

ausdrückliche Äußerung des animus:
Ago kauft eine Statue von Bellona. Er bezahlt den Kaufpreis und erhält die Statue übergeben. Freudig ruft er aus: „Endlich habe ich diese Statue!“

konkludente Äußerung des animus:
Ago kauft eine Statue von Bellona. Er bezahlt den Kaufpreis, erhält die Statue übergeben und nimmt sie mit nach Hause.

Wichtig: „A kauft die Statue von B“ bedeutet NICHT AUTOMATISCH, dass bereits zu diesem Zeitpunkt animus vorliegt!!!
 Unterscheidung Verpflichtungsgeschäft / Verfügungsgeschäft

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4
Q

Unterscheidung Verpflichtungsgeschäft / Verfügungsgeschäft

A

Verpflichtungsgeschäft:
 gehört zum Schuldrecht (z.B. Kaufvertrag)
 zielt auf die Begründung von Rechten und Pflichten zwischen den Parteien des Schuldverhältnisses ab

Verfügungsgeschäft:
 gehört zum Sachenrecht
 zielt auf die Veränderung der Zuordnung eines dinglichen Rechts ab (z.B. Eigentumsübertragung)

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5
Q

Erwerb oculis et affectu

A

Für den Besitzerwerb ist corpus erforderlich, d.h. die Erlangung konkreter Sachherrschaft. Allerdings ist es nicht immer praktisch, die Sache sofort physisch zu übergeben, v.a. wenn sie sehr groß ist

Daher ist die sog. „Einigung in Sachpräsenz“ zulässig: Wenn sich Veräußerer und Erwerber in Gegenwart der Sache über die sofortige Besitzübertragung einigen, geht sofort Besitz über!

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6
Q

Besitzerwerb durch Sklaven

A

Sklaven können nur für ihren dominus („Herr“) Besitz erwerben, gleichsam als verlängerter Arm – nicht für sich selbst!

Der dominus muss animus und corpus haben:
corpus hat zwei Teile: erstens das Gewaltverhältnis an sich (das dem dominus ermöglicht, den Sklaven als verlängerten Arm einzusetzen) und zweitens die konkrete Sachherrschaft, die der Sklave hat
Der animus muss eine von zwei Formen haben: iussum / peculium

iussum „Befehl“: der dominus trägt dem Sklaven etwas auf
peculium „Sondervermögen“ (vgl. engl. peculiar): der dominus gibt seinem Sklaven bestimmte Güter, die der Sklave selbständig bewirtschaften soll (kann alles sein: Buchhandlung, Bauernhof, …)

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7
Q

Besitzerwerb durch Hauskinder

A

Hauskinder sind wie Sklaven gewaltunterworfen und erwerben (unmittelbaren) Besitz für ihren pater familias

Daher gilt auch hier:
Der animus des pater familias muss sich durch ein iussum oder ein peculium manifestieren.
Das corpus des pater familias hat zwei Teile, erstens das Gewaltverhältnis an sich und zweitens die konkrete Sachherrschaft des Hauskindes.

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8
Q

besitzerwerb durch freie

A

Das römische Recht kennt keine direkte Stellvertretung!
 direkte Stellvertretung: A handelt, aber die Rechtswirkungen seines Handelns treten bei B ein

Freie können (mit wenigen Ausnahmen) nur für sich selbst Besitz erwerben, nicht für andere!

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9
Q

Traditionssurogate

A

traditio = „Übergabe“, surrogare = ursprünglich „einen Beamten an Stelle eines anderen wählen“ (davon abgeleitet: Surrogat = Ersatz)

Die einfachste Version der Besitzübertragung: Übergabe (traditio)
 A kauft ein Buch von B. B drückt A das Buch in die Hand. A erwirbt derivativ Besitz.

Allerdings wird manchmal eine Übertragung von Besitz (und Eigentum) angestrebt, die Sache soll aber dort bleiben, wo sie bereits ist
 in so einer Situation wird ein Traditionssurrogat verwendet: die Sache wird nicht faktisch bewegt (übergeben), sondern bleibt, wo sie bereits ist – aber rechtlich treten die Wirkungen einer Übergabe ein!

Zwei Traditionssurrogate: traditio brevi manu / constitutum possessorium

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10
Q

traditio brevi manu und constitutum possessorium

A

traditio brevi manu= upgrade von detentor zu besitzer

constitutum possessorium= downgrade von besitzer zum detentor

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11
Q

Besitzerhalt solo animo

A

Besitz geht verloren, sobald eines seiner beiden Elemente (animus und corpus) verloren geht

Meistens ergeben sich Fälle, in denen das corpus verloren geht – damit geht grundsätzlich auch der Besitz verloren, aber es gibt Ausnahmen!

Trotz Verlust des corpus bleibt der Besitz solo animo („nur durch den animus“) erhalten bei:
(1) Liegenschaften (ex: Immobilien; außer jemand nimmt Haus weg)
(2) servus fugitivus (= entflohender Sklave; außer jemand drittes nimmt sklaven in den besitz )

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12
Q

Überblick (3 stück) - Besitz

A

Man unterscheidet:
(1) redlicher Besitz (bonae fidei possessio) vs. unredlicher Besitz
„gutgläubiger Besitz“ (bona fides „guter Glaube“)

(2) fehlerfreier/echter Besitz (iusta possessio) vs. fehlerhafter/unechter Besitz
„rechtmäßiger Besitz“ (iusta hier „rechtmäßig“; kann auch „gerecht“ bedeuten, vgl. justice)

(3) rechtmäßiger Besitz (possessio ex iusta causa) vs. unrechtmäßiger Besitz
„Besitz aus rechtmäßigem Grund“ (causa „Grund“)

Relevant v.a. für die Ersitzung – dafür braucht man alle drei

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13
Q

redlicher besitz/ bonae fidei possessio

A

Römisches Recht:
 der bonae fidei possessor („gutgläubiger Besitzer“) hält sich für den Eigentümer der Sache
 der malae fidei possessor („schlechtgläubiger Besitzer“) weiß, dass er nicht Eigentümer der Sache ist
 wer zweifelt, ob die Sache ihm gehört, gilt immer noch als redlich

Geltendes Recht:
 „Wer aus wahrscheinlichen Gründen die Sache, die er besitzt, für die seinige hält, ist ein redlicher Besitzer. Ein unredlicher Besitzer, ist derjenige, welcher weiß oder aus den Umständen vermuthen muß, daß die in seinem Besitze befindliche Sache einem Andern zugehöre.“ (§ 326 ABGB)
 strenger als das römische Recht

Redlichkeit wird vermutet (§ 328 ABGB), ebenso im römischen Recht bona fides

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14
Q

fehlerfreier/echter besitz iusta possessio

A

Liegt vor, wenn der Besitz erlangt wurde nec vi, nec clam, nec precario: „nicht durch Gewalt (vi), nicht heimlich (clam), nicht als Bittleihe (precario)“

Ein Beispiel für vi ist Raub, ein Beispiel für clam ist Diebstahl.

Das Prekarium („Bittleihe“, precari „bitten“, vgl. prekär) ist eine unentgeltliche Überlassung einer Sache, die aber jederzeit widerrufen werden kann. Darin unterscheidet sie sich vom Leihevertrag, der dem Entleiher das Recht einräumt, die Sache eine bestimmte Zeit lang zu verwenden (d.h. ein Leihevertrag kann nicht jederzeit widerrufen werden). Das Prekarium ist kein Vertrag!

Gegenbegriff: fehlerhafter/unechter Besitz

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15
Q

rechtmäßiger besitz (possessio ex iusta causa)

A

Liegt vor, wenn der Besitz aufgrund einer iusta causa erlangt wurde.

Eine iusta causa ist jedes Geschäft, das auf eine Eigentumsübertragung abzielt (mehr zur iusta causa im Kapitel zum Eigentumserwerb).

Gegenbegriff: unrechtmäßiger Besitz

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16
Q

furtum

A

Ein furtum begeht, wer sich unbefugt und in Bereicherungsabsicht einer fremden, beweglichen Sache bemächtigt.
 es geht darum, dass sich der fur einen Vermögenswert aneignet, von dem er weiß, dass er ihm nicht zusteht (weil er einer anderen Person gehört)

furtum ist oft, aber nicht immer „Diebstahl“
 Diebstahl erfordert ein „Wegnehmen“ – ein furtum nicht
 das furtum umfasst auch andere Handlungen, die heutzutage kein Diebstahl, sondern nach einem anderen Delikt strafbar sind

17
Q

elemente des furtums

A

Ein furtum begeht, wer sich unbefugt und in Bereicherungsabsicht einer fremden, beweglichen Sache bemächtigt.
 unbefugt: ohne Zustimmung des Eigentümers
 Bereicherungsabsicht: entspricht dem animus rem sibi habendi – der fur möchte die Sache wie ein Eigentümer für sich haben, sich mit ihr bereichern
 fremde Sache: der fur weiß, dass die Sache nicht ihm gehört
 bewegliche Sache: Achtung, Grundstücke können nicht Gegenstand eines furtum sein! (häufiger Fehler bei Klausuren…)
 Sich-Bemächtigen: nach außen wahrnehmbare Tathandlung

18
Q

Rechtsfolgen des furtums

A

zwei Klagen in zwei Kombinationen:
(1) actio furti + condictio furtiva ODER (2) actio furti + rei vindicatio

actio furti: Pönalklage (lat. poena „Strafe“), Dieb muss das Doppelte oder Vierfache des Wertes der Sache bezahlen – an den Eigentümer der Sache! (heutzutage muss der Dieb die Geldstrafe an den Staat zahlen)
 duplum (doppelter Wert) bei geheimem Diebstahl (z.B. in der Nacht) / quadruplum (vierfacher Wert) bei offenem Diebstahl (z.B. mitten auf der Straße)

condictio furtiva: Dieb soll Sache herausgeben oder Wertersatz leisten

19
Q

Vergleich condictio furtiva VS rei vindicatio

A

Die condictio furtiva ist eine actio in personam, die rei vindicatio ist eine actio in rem

condictio furtiva kann also nur gegen Dieb erhoben werden, rei vindicatio gegen jeden Besitzer der gestohlenen Sache
 relevant, wenn der Dieb die Sache an einen Dritten weiterverkauft hat

rei vindicatio setzt voraus, dass die Sache noch existiert; condictio furtiva nicht (alternativ zur Sachherausgabe muss der Dieb Wertersatz leisten)
 relevant, wenn die Sache zerstört/verbraucht wurde