Ambivalente Moderne: Das Deutsche Kaiserreich im Prozess der Globalisierung Flashcards

1
Q

Zwei Herausforderungen einer Geschichte des Deutschen Kaiserreichs

A

1) Blick vom Ende her. Wir wissen, dass am Ende der Epoche der Erste Weltkrieg steht. Für Zeitgenoss:innen war dies nicht absehbar
2) Betrachtung des “Deutschen Kaiserreichs” ist immer auch mit pol. Zuschreibungen und Positionierungen verbunden.

Zwei analytische Grundsätze:
- Erstens: Keine Positionierung entlang
schwarz/weiß-Skala
- Zweitens: Einordnung der Nationalgeschichte in
transnationale Zusammenhänge

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2
Q

Die politischen Spannungen des Deuschen Kaiserreichs: Innenpolitik

A
  • Innenpol. Spannungen vor allem wegen bes.
    Stellung Preußens:
    -> Mit dem Kaiserreich ensteht ein Staat, der
    der weiter stark durch Einzelstaaten geprägt
    ist, aber durch klares Machtübergewicht
    Preußens definiert ist

—> Konkrete daraus result. Spannungsfelder:
- Religion und Konfession: große kath. Minderheit
(“Kulturkampf”)
- Politik: Unterschiede in Staatsform und Grad der
Lib. -> rep. Stadtstaaten, lib. und kons. St.
- Stadt/Land: Bürgerlich-lib. Interessen vs. Groß-
grundbesitzer (“Junker”)

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3
Q

Die politischen Spannungen des Deuschen Kaiserreichs: Außenpolitik

A

Zentrale geopolitische Tatsache:
Neuer pol.-öko.-milit. Faktor in Mitte Europas
-> Stellt mühsam austarierte Machtgleichgewicht
in Frage

Konkrete Konstellationen:
- Ö. als kult.-sprachl. nahstehend, jedoch wegen
Krieg 1866 in Konkurrenz und Spannung
- Frank. durch Krieg 1870/71 in klarer Abgrenzung
(“Erb-Feindschaft”)
- GB und Russ. abwartend, deut.-preuß. Machtansprüche kritisch beobachtend

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4
Q

Obrigkeitsstaat oder beginnende Parlamentisierung?

A

Klassische Interpretation:
-> Kaiserreich als “autoritärer Obrigkeitsstaat”

Neuere Interpretationen:
-> Betonen teils stärker dem. Tendenzen (z.B. Lib.
des Wahlrechts)

–> Allerdings: Reichstag bleibt “demokratisches
Feigenblatt”

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5
Q

“Gründerzeit”

A

Auftakt des Kaiserreichs durch Optimismus und Selbstbewusstsein geprägt:
- Milit.: Sieg über Frank. war Zeichen neuen
intern. Status
- Pol.: Außenpolitische Erfolge überdeckten
interne Konflikte u. Kontroversen
- Öko.: Staatgründung ging mit starkem Wirt-
schaftsboom einher
(u.a. wegen Kriegentschädigung Frank.)

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6
Q

“Gründerkrach”: Die Wirtschaftskrise 1873 als Epochenbruch?

A
  • “Gründerkrach” als intern. Spekulationkrise
    -> Korrigierte auch Überhitzung des deu. Markts
    –> In langer Sicht kein Bruch der Entwicklung
    von Industr. und öko. Wachstum

—-> Aber: Wichtiger Einschnitt in pol. Kultur:
- Vor allem einer Radikalisierung und
Aufstieg des modern. Antisemitismus

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7
Q

Bismarcks “liberale” Phase

A

1871-1879
-> Keine pol. Orientierung gemeint, sonder pol.-
takt. Konstellation:
–> Kooperation des kons. Bismarck mit stärk-
ster Fraktion im Reichstag (Lib.)
–> Bismarck freie Hand in außenpol. und
anderen Fragen, Lib. setzten wichtige öko.
Reformen durch

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8
Q

Gesellschaftliche Exklusion: Der “Kulturkampf”

A

1871: “Kanzelparagraph”
1872: Ausschluss der Kirchen aus der
Schulbildung
1874: Einführung der obligatorischen Zivilehe

Der “Effekt”
—-> Zuspitzung des konfess. Konflikts, aber auch
Verfestigung kath. Milieus und Zentrums-
Partei als Machtfaktor

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9
Q

Gesellschaftliche Exklusionen: Die Sozialistengesetze

A

1878: Verbott aller sozial. und soz.dem. Organ.
(Ausnahme: parl. Vertretung der Sozial.
Arbeiterpartei [SAP])

-> Selbe Herrschaftsprinzip wie im “Kulturkampf”
Definition bestimmter Bevölkerungsgr. und
pol. Gegnern als “Feinde des Staates”

Hier noch stärker:
—–> Strategie scheitert
—> Soz.dem. steigt in der Zeit zu zentralem
pol. Machtfaktor auf

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10
Q

Sozialgesetzgebung

A

1883: Krankenversicherung
1884: Unfallversicherung
1889: Alters- und Invalidenversicherung

–> Bis heute Ausgangspunkte der
Soz.gesetzgebung
–> Pol. Ziel der Einhegung der Arbeiterbewegung
erfüllte sich nicht

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11
Q

Bismarcks “konservative Wende”

A
  • Mit Sozial.gesetzen ging auch “kons. Wende”
    Bismarcks einher
  • Sozial.gesetze spalten Lib.
    –> Bismarck gelingt Aufbau einer kons. Mehrheit
  • Kontrapunkt von Kons. und Lib. fiel weg:
    —> Pol. orientiert auf antimoderne Werte,
    Repression von Partizipation und Wirt-
    schaftsinteressen ländl. Großgrundbes.
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12
Q

Der Weg in das Kolonialreich

A
  • Bismarck lange ablehnend gegenüber eigenen
    Kolonialpolitik (insb. aus außenpol. Erwägungen)
  • 1884 Kehrtwende mit “Schutzbriefen”
    (für Gebiete in Namibia, Togo, Kamerun +1)
  • Kehrtwende vor allem machttak. und wahlstrat.
    motiviert
    —-> Jedoch langfristige Folgen für Deu. Reich,
    Kolonien und außenpol. Konstellationen
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13
Q

Das Ende des Reichkanzlers Bismarck und der “neue Kurs”

A
  • 1888: Tod von Wilhelm I.
    –> 99 Tage Regentschaft des lib. Kronprinzen
    Friedrich
    –> 1889: Beginn der Regenschaft Wilhelm II.
    —> 1890: Entassung Bismarcks und Er-
    nennung Leo von Caprivi
    (“neuer Kurs”)
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14
Q

Außenpolitische Provokationen

A
  • Äquivalent zur innenpol. Repression und Kon-
    frontation begann auch außenpol. zunehmend
    agressiver Kurs
    —> Wichtigstes Feld: Flottenpol. (forderte GB
    heraus)
  • Rede von “Weltmachtstatus” und “Platz an der
    Sonne”

Resultat:
–> Zunehmend bündnispol. Isolation:
1904: Entente Cordiale zw. Frank. und GB
1907: Erweiterung der Entente um Russ.
(“Triple Entente”)

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15
Q

Die innenpolitische Sackgasse

A
  • Bernhard von Bülow vereint im “Bülow-Block”
    noch einma kons. und (nat.-)lib. Kräfte
  • Mit Wahlen 1909 und 1912 kommt diese Allianz
    ans Ende -> Soz.dem. erhält meisten Mandate
  • Am Horizont Schreckensszenario der Kons. und
    Monar.: Zusammenschl. von Lib. und Soz.dem.

Resultat –> Stillstand der Pol. und “stabile Krise”
in der kaum pol. Initiative ergriffen
werden konnte

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16
Q

Der Weg in den Ersten Weltkrieg

A

Attentat auf Thronfolger Franz Ferdinand 28. Jun. 1914

17
Q

Die Eskalationsspirale des Juli 1914

A

Nach “Attentat von Sarajevo”:
- Bündnisunterstützung Deu. an Ö. (“Blanko-
Scheck”)
- Ö. formuliert 48 Stunden Ultimatum an Serbien
- Russ. sichert Serbien Bündnisunterstützung zu
- Kriegserklärung Ö.-U. an Serbien
- Mobilisierung Armee Russ.
–> Mobilisierung aller anderen Armeen
—> Kriegseröffnung des Deu. Reiches unter den
Vorgaben des “Schlieffen-Plans”
(Feldzug gg. Frank. über neutrales Belgien)

18
Q

Internationale Vergleichsperspektive: Frankreich in der Dritten Republik

A

Analogien zwischen Kaiserreich und Dritter Rep.:
- Genese aus Kontext des Krieges 1870/71
- Anti-sozial. Repression (u.a. Pariser Commune)
- Konflikte zwischen Kirche und Staat
- Antijüdische Ressentiments und Pol.

Aber:
Viele dieser Konflikte bringen Frank. eher Stärkung parlamentarischer Kultur.

19
Q

Internationale Vergleichsperspektive: Großbritannien vor 1914

A

GB meist als Gegenmodell zur deu. Geschichte:
- Harmonisch, konfliktarm, Modernisierung
durch erfolgreiche Reformen von oben

–> Kritik an diesem Bild: “Whig-Interpretation of
History”

Auch in GB:
- Unterdrückung und Repression der Frauenbew.
- Unterdrückung und Repress. der Arbeiterbew.
- Koloniale Gewalt und imperiale Expansion

20
Q

Internationale Vergleichsperspektive: Die USA zwischen Reconstruction und Progressive Era

A

Reconstruction Era:
Wirtschaftswachstum bei Weiterwirken des Rassismus der Gesell. und Pol.
–> Wirtschaftswachstum bringt massive Reich-
tümer aber auch große soz. Ungleichheit

Pol. expandieren USA auf vielen Ebenen:
- Alaska, Perto Rico etc.
- Durch Übernahme der Philippinen auch
Kolonialmacht und Krieg dadurch

21
Q

Die Bedeutung der “Progressive Era”

A

1890-1920: Die sogenannte “Progressive Era”
Expansion pol. Partizipation, neue pol. Öffent-
lichkeiten, Thematisierung öko. Ungleichheiten

22
Q

Zwischenfazit: Die Ambivalenz des Kaiserreichs und die Ambivalenz der Epoche

A

Internat. Perspektive zeigt:
Auch andere westliche Staaten sind geprägt durch Ambivalenz aus Repression und pol. Modernisierung

-> Interpretation des Kaiserreichs muss über
reine Pol.geschichte hinausführen
(Exemplarische Felder:
1) Feld der Öko.
2) Feld von pol. Kultur und “Zivilgesell.”
3) Feld kult. Avantgarden und Massenkult.

23
Q

Feld1: Ökonomischer Aufrbruch, Industrialisierung und Soziale Frage

A

Widerspruch zwischen pol. Stagnation und öko. Dynamik
–> Kaiserreichs als pol. kons. Epoche einer res-
taurierten Monarchie zugleich Zeit der Ent-
wicklung vom Agrarstaat zum führenden
Industriestaat

  • Industrielle Produktion und Aufbruch in die
    “zweite industrielle Revolution”
  • Neue Großunternehmen von Masch.bau, E.tech.
    Chem. Industrie (Hoechst, AEG, BASF, Bayer)
  • Gründung der z.T. bis heute prägenden Banken
    (Deutsche Bank, Commerzbank, Dresdner Bank)
24
Q

Feld 1: Modernisierung und Migration

A
  • Normamerika-Auswanderung
  • Starke Binenmigration (z.B. Ruhrpolen)
  • Kaiserreich im Prozess der “Globalisierung”:
    Verschänkung nat. und imperialer Ambitionen
  • Urbanisierung und Arbeitsmigration
25
Q

Feld 2: Massenpolitisierung und Zivilgesellschaften: Politisierung von unten: Die Arbeiterbewegung

A
  • Wichtigsten Schritte zur Institutionalisierung
    schon vor Kaiserreich
    –> 1863 Gründung des Allgemeinen Deutschen
    Arbeitervereins
    –> 1869 Gründung SDA
    –> 1875 Zusammenschl. zur Sozial. Arbeiterpar.
    –> 1890 Umbenennung in SPD
  • Im Kaiserreich wird diese Bewegung zur
    Massenbewegung
    –> Sozialistengesetze verhindern dies nicht,
    stärken sogar eher indirekt
26
Q

Feld 2: Massenpolitisierung und Zivilgesellschaften: Politisierung von unten: Die Frauenbewegung

A
  • Anfänge der Institutionalisierung schon in 1860:
    –> 1864 Gründung Allgemeiner Deutscher
    Frauenverein (ADF)
  • Fokus zunächst auf recht. Gleichstellung,
    Bildung, Erwerb -> ab 1890er Wahlrechtsreform
  • Bürgerliche und proletarische Frauenbewe-
    gungen bleiben weitgehend getrennt
27
Q

Feld 3: Kulturelle Avantgarde, Reformbewegung und Massenkultur: Kulturkritik und Gesellschaftskritik

A

Kaiserreich als Hochphase der lit. Avantgarde und Kult.kritik

28
Q

Feld 3: Kulturelle Avantgarde, Reformbewegung und Massenkultur: Lebensform, Jugendbewegung und alternatives Leben

A

Entstehen breires Repetoire an “alternativen Lebensweisen (zusammengefasst oft unter
“Lebensform”):
- Reformpädagogik, Jugendbewegung, Vegetaris-
mus, Naturmedizin, Körperkultur un neue Sex-
ualität
- Fokus der Kritik an Industrie und Technik:
–> Ziel eines “naturgemäßen” Leben, zugleich
Kritik an der Kult. des “Wilhelminismus”

29
Q

Fazit: Das Kaiserreich in der Geschichte

A
  • Widersprüche des Deu. Kaiserreich lassen sich
    nicht vollständig auflösen
    –> War Gebilde “zwischen der Zeit”
  • Autoritärer Obrigkeitsstaat und eben auch mehr
  • Viele Modernisierungen gegen Intentionen der
    pol. Machteliten, jedoch waren für weitere hist.
    Entwicklung von immenser Bedeutung
  • Pauschale “Kaiserreich”-Kontroversen haben
    heute an Bedeutung verloren
    –> Geschichtswissenschaft ist bereiter,
    genannte Widersprüche gelten zu lassen