6/6 (Art. 1 I; Art. 2 I iVm Art. 1 I; Art. 13, 10; Art. 16; Art. 17; Art. 16a; Art. 18; Art. 20 IV) Flashcards
Art. 1 I: Sachlicher Schutzbereich: Theorien
- Mitgifttheorie: Art 1 I schützt das, was den Menschen als Menschen auszeichnet (Gottesebenbildlichkeit, Vernunftbegabung, Willens- und Entscheidungsfreiheit) – Mensch ist Zweck an sich
- Leistungstheorie: Würde aufgrund der menschlichen Leistung der Identitätsbildung und Selbstdarstellung
- Anerkennungstheorie: Grund der Würde liegt in der Anerkennung, die sich Menschen als freie und gleiche gegenseitig schulden und gewähren und durch die sie sich zur staatlichen Gemeinschaft als Anerkennungs- und Solidargemeinschaft verfassen (Würde als Kommunikationsbegriff, der sich in der Gemeinschaft herstellt)
- Eigenwerttheorie: Eigenwert des Menschen, der ihm kraft seines Personseins zukommt (Epping)
Art. 1 I: Eingriff
- BVerfG: Objektformel: wenn Mensch nicht mehr als Subjekt behandelt wird, sondern zum bloßen Objekt des Staates gemacht wird
con: weiter Eingriffsbegriff, da Mensch oft Objekt staatlicher Regelung, die nicht auf seine Individualität Rücksicht nehmen - > BVerfG (Abhörurteil): Subjektqualität wird so infrage gestellt, dass darin eine willkürliche Missachtung der Menschenwürde liegt, i.e. eine verächtliche Behandlung hinsichtlich des Personseins
- > Abweichende Meinung (Abhörurteil): Beibehaltung der weiten Objektformel: Mensch darf nicht ‚unpersönlich‘, nicht wie ein Gegenstand behandelt werden, auch wenn es nicht aus Missachtung des Personenwertes, sondern in ‚guter Absicht‘ geschieht
Art. 1 I: Rechtfertigung
- Art. 1 I nicht unter Gesetzesvorbehalt – Kollision scheidet aus (auch mit anderem Verfassungsgut aus Art. 79 III)
- > nicht nur vorbehaltlos, sondern schrankenlos
- Kollision mit staatlicher Schutzpflicht: diese reicht nicht soweit, dass sie den Einsatz von Mitteln fordert, die gegen die Menschenwürdegarantie verstoßen
- > auch keine Abwägung der Menschenwürde verschiedener Personen untereinander
- wegen absoluter Geltung keine Einwilligung des Betroffenen möglich (Zwergenweitwurf, Laserdrome)
Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Überblick) gem. Art. 2 I iVm Art. 1 I
= “Schutz der engeren persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen, damit dem Einzelnen ein Bereich privater Lebensgestaltung gesichert wird, über den er in eigener Verantwortung frei bestimmen kann”
- Recht der Selbstbestimmung
- Recht der Selbstbewahrung
- Recht der Selbstdarstellung
- Recht auf informationelle Selbstbestimmung
- Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme
- Sozialer Geltungsanspruch (Recht auf Achtung und Schutz der persönlichen Ehre; Schutz gegen abwertende Äußerungen)
APR: Recht der Selbstbestimmung
= Recht des Einzelnen, über seine Identität zu bestimmen
- > Kenntnis der Abstammung
- > Bestimmung des Personenstandes
- > Recht der sexuellen Selbstbestimmung
- > Bestimmung der geschlechtlichen Identität
APR: Recht der Selbstbewahrung
= Recht auf Rückzug und Abschirmung, um für sich und allein zu bleiben
- > Sphärentheorie:
a. Intimsphäre (öffentlicher Gewalt schlechthin verschlossen)
b. Privatsphäre (Eingriff unter strenger Beachtung der Verhältnismäßigkeit möglich)
c. Sozialsphäre (Voraussetzungen fehlen, wenn Person sich unter viele Menschen begibt oder seinen privaten Bereich öffentlich macht)
APR: Recht der Selbstdarstellung
= Schutz der Voraussetzungen, die es
dem Grundrechtsträger ermöglichen, unter Wahrung seiner Persönlichkeit mit (unbekannten) Dritten in Kontakt zu treten
- > Recht am eigenen Bild
- > Recht am eigenen Wort
- > Schutz der persönlichen Ehre
- > Recht auf Gegendarstellung
- > Nennung des eigenen Namens, durch die den eigenen Aussagen Gewicht verliehen werden kann, indem sie mit der eigenen Identität verknüpft werden
APR: Recht auf informationelle Selbstbestimmung
= Befugnis des Einzelnen, grds. Kontrolle über seine Daten zu haben und selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden
- BVerfG (Telos): andernfalls kann der Grundrechtsträger “in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden” (Volkszählungsurteil)
APR: Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme
= Schutz vor Zugriff des Staates auf ein
- informationstechnisches System (Personalcomputer, Navi, Telefon), das
- vom Betroffenen als eigenes genutzt und
- aussagekräftigen Bestand personenbezogener Daten enthält, der Rückschlüsse auf Eigenschaften und Verhalten des Nutzers zulässt
- Art. 13 GG: nicht einschlägig, sofern Eingriff unabhängig vom Standort des Systems erfolgt
- Art. 10 GG: nicht einschlägig, sofern sich Daten nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs beim Empfänger befinden (einschlägig jedoch bei Speicherung von Emails auf Servern des Providers, BVerfG)
- Recht auf informationelle Selbstbestimmung: nicht einschlägig, soweit es nicht um einzelne Data geht, sondern um einen gesamten Datenbestand, der Einblicke in wesentliche Teile der Lebensgestaltung ermöglicht
con: Erforderlichkeit der “Erfindung” eines neuen APR-Grundrechts nur wegen einer quantitativen Abgrenzung nicht überzeugend - > eigenständiger Anwendungsbereich dennoch: “Integrität“ des Systems betrifft bereits bloß die Schaffung technischer Voraussetzungen für einen späteren Zugriff auf das System
APR: Sozialer Geltungsanspruch
= Recht auf Achtung und Schutz der persönlichen Ehre und Schutz gegen abwertende Äußerungen
- auch Schutz vor Gefährdung der Resozialisierung
APR: P: Rechtfertigung
- eA: keine Rechtfertigung aufgrund der Schrankenlosigkeit von Art 1 I
con: maßgebliche Erweiterung von Art 1 I durch Bezug auf Art 2 I - aA: Schranken nach Art 2 I, besonders: Sphärentheorie, Bestimmtheitsgebot und Zweckbindung
- > unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung: Zweistufenkonzept (Gesetzlich ist darauf hinzuwirken, dass entsprechende Datensammlung unterbleibt - ist sie dennoch erfolgt, sind Daten nicht zu verwerten, sondern unverzüglich zu löschen)
- > Recht auf informationelle Selbstbestimmung: Normenklarheit (Inhalt, Zweck und Ausmaß der Datensammlung) und strenge Zweckbindung
- > Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme: hohe Anforderungen wegen Heimlichkeit und diffuser Überwachungsbedrohung: überragend wichtiges Rechtsgut als Ziel und Richtervorbehalt als Grundrechtsschutz durch Verfahren
Art. 1 I: Dimensionen
- Objektiv-rechtlich
- P: Subjektiv-rechtlich
- > eA: (-)
pro: Wortlaut Art. 1 III GG: “nachfolgende Grundrechte)
pro: andere Grundrechte als Konkretisierung der Menschenwürde
- > aA: (+)
pro: Feststellung der Bindung in Art. 1 III GG braucht nicht mehr Menschenwürde umfassen, das diese bereits in Art. 1 I S. 2 GG als verbindliches Recht normiert ist
pro: trotz spezieller Grundrechte verbleiben noch Schutzlücken - Auch subjektiv-rechtliche Leistungsdimension (originär)
- > lediglich verfassungsrechtlich garantierter Mindeststandard
pro: Anerkennung eines originären Leistungsrechts berührt im Einzelfall die Budgethoheit des Parlaments und damit das Gewaltenteilungsprinzip
Art. 1 I: persönlicher Schutzbereich
- Jedermann-Grundrecht
- Pränatal (+), str. Zeitpunkt
- Postmortal: Postmortaler Persönlichkeitsschutz (Mephisto)
- > objektiv-rechtliche Schutzpflicht des Staates, das von den Hinterbliebenen geltend gemacht werden kann
- > erlischt mit der Zeit
- > fußt allein auf Art. 1 I GG
Art. 1 I: Sachlicher Schutzbereich: Fallgruppen
- Schutz der körperlichen Integrität etwa vor Folter und sonstigen erniedrigenden und grausamen Strafen
- Schutz der elementaren Lebensgrundlagen, gesichert durch das Recht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (auch Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben)
- Schutz der persönlichen Ehre, also des Geltungsanspruchs des Einzelnen vor Erniedrigungen und schwersten Beleidigungen ebenso wie vor kommerzieller Ausbeutung
- > restriktiv: nur, wenn Geltungsanspruch grundsätzlich und in grob verachtender Weise abgesprochen - Schutz eines unantastbaren Kernbereichs privater Lebensgestaltung
- > Bereich, in dem frei von staatlicher Überwachung innere Vorgänge wie Empfindungen und Gefühle, Überlegungen, Ansichten und Erlebnisse höchstpersönlicher Art und auch seine Sexualität zum Ausdruck gebracht werden können - Schutz der personalen Identität
- > bspw. Möglichkeit der Geschlechtsumwandlung - Schutz elementarer Rechtsgleichheit etwa durch die diskriminierende und herabwertende Behandlung eines Menschen als zweitklassig oder „minderwertig“
- Grds.: Schrankenlosigkeit spricht für eine enge und vorsichtige Auslegung des Schutzbereichs
APR: Persönlicher Schutzbereich
- grds. nur natürliche Personen
- juristische Personen des Privatrechts mitunter (+), soweit eine Betätigung des APR auch korporativ möglich ist
- > Recht am eigenen Wort
- > Recht auf informationelle Selbstbestimmung